TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/14 W208 2205244-1

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Veröffentlicht am 14.09.2018
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Entscheidungsdatum

14.09.2018

Norm

B-VG Art.133 Abs4
GEG §6b Abs4
GEG §9 Abs2
StVG §54 Abs2
StVG §54 Abs6
StVG §54a Abs1
UVG §6 Abs2
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W208 2205244-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Ewald SCHWARZINGER über die Beschwerde von XXXX, geboren XXXX, XXXX, XXXX, gegen den Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichtes WIEN vom 20.08.2018, Zl. Jv -5309-33a/18, betreffend Nachlass von Gerichtsgebühren zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 2 VwGVG als unbegründet

abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Im Grundverfahren (einer Pflegschaftssache) GZ XXXX wurden der nunmehrigen beschwerdeführenden Partei (im Folgenden: bP) Gerichtsgebühren in einer Gesamthöhe von € 298,-- (§ 6 Abs 2 UVG) vorgeschrieben.

2. Mit Schreiben vom 25.07.2017 brachte die bP einen Nachlassantrag gem § 9 Abs 2 GEG beim Bezirksgericht XXXX (in der Folge: BG) ein, welcher vom Gericht des Grundverfahrens an die belangte Behörde - den Präsidenten des Oberlandesgerichtes WIEN (OLG) - zur Entscheidung weitergeleitet wurde.

Begründet war der Antrag damit, dass die bP in Haft und es ihr aus wirtschaftlicher Sicht nicht möglich sei die Gebühr zu zahlen.

3. Die belangte Behörde führte ein Ermittlungsverfahren durch, dessen Ergebnis im Wesentlichen war, dass sich die bP wegen diverser Strafdelikte (Köperverletzung, Nötigung, Einbruch, Diebstahl) noch bis voraussichtlich 18.05.2024 (bedingte Entlassung 18.05.2023) in Haft befinden wird und Unterhaltschuldner eines am XXXX.2010 geborenen Sohnes ist. Der GGV-Kontoauszug wies am Stichtag 31.07.2018 ein Guthaben von € 6.032,28 (davon Rücklage € 5.856,62 und Hausgeld € 175,65) aus.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 20.08.2018 wurde dem Antrag der bP auf Nachlass der vorgeschriebenen Gerichtsgebühren nicht stattgegeben.

In der Begründung wurde, nach Wiedergabe des Antrages und Zitierung des § 9 Abs 2 GEG, im Wesentlichen ausgeführt, dass aufgrund der ausgewiesenen Rücklagen die Einbringung der Gebühr - trotz Unterhaltspflicht für den Sohn - keine besondere Härte darstelle.

4. Gegen diesen Bescheid (zugestellt am 27.08.2018) erhob die bP am 28.08.2018 Beschwerde.

5. Mit Schriftsatz vom 31.08.2018 legte die belangte Justizverwaltungsbehörde - ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen - die Beschwerde und den Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Es wird von dem unter I. festgestellten Verfahrensgang und Sachverhalt ausgegangen. Weiters wird festgestellt, dass die bP selbst in ihrer Beschwerde angibt zum Stichtag 02.07.2018 über eine Rücklage von € 5.732,35 plus Hausgeld iHv € 109,17 zu verfügen, in der Anstaltsbäckerei zu arbeiten und dort ca. € 120,-- im Monat zu verdienen.

Die Bezahlung der Gebühren von in Summe € 298,- wurden mit Beschluss des BG vom 18.07.2018 auferlegt, womit dem 2010 geborenen Sohn weiterhin Unterhaltsvorschüsse gem. § 4 Z 3 UVG gewährt werden, weil sich die bP in Haft befindet. Der Unterhalt des Sohnes ist dadurch gesichert.

Der Unterhalt der bP wird von der Justizanstalt gesichert.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen gründen sich auf die Angaben der bP und die im Akt einliegenden unbedenklichen Urkunden.

Wenn die bP anführt die belangte Behörde habe fälschlich von Rücklagen gesprochen und nicht von der Rücklage gem. § 54a StVG, die nicht zur Bezahlung von Gebühren herangezogen oder gepfändet werden dürfe, ist dies eine Rechtsfrage (auf die in der rechtlichen Beurteilung eingegangen wird) und ändert nichts an der Feststellung, dass die bP über ein Vermögen von € 5.841,53 zum Stichtag 02.07.2018 verfügt hat und davon auszugehen ist, dass sich dieses bis dato nicht wesentlich verringert hat.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zulässigkeit des Verfahrens

Gemäß § 7 Abs 4 VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG vier Wochen. Die Beschwerde wurde fristgerecht eingebracht und ist auch sonst zulässig.

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels entsprechender Sonderregelung im GEG liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 27 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) hat das Verwaltungsgericht - soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet - den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs 1 Z 3 und 4) zu überprüfen. Von Amts wegen hat das Bundesverwaltungsgericht jedoch Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der den angefochtenen Bescheid erlassenden Behörde aufzugreifen; ebenso kann es eine relevante Verletzung der Verfahrensvorschriften von Amts wegen aufgreifen (siehe Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte 2013, § 27, K2).

Gemäß § 28 VwGVG hat, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen (Abs 1). Über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Abs 2).

Gemäß § 24 Abs 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht - ungeachtet eines Parteienantrags, der hier ohnehin nicht vorliegt - von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs 1 EMRK noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen. Im gegenständlichen Fall geht der Sachverhalt eindeutig aus den Akten hervor. Wie der Verwaltungsgerichtshof ausführte ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Verfahren zur Vorschreibung und Einbringung von Gerichtsgebühren mangels Vorliegens von "civil rights" unter dem Blickwinkel des Art 6 EMRK nicht erforderlich (VwGH 26.06.2003, 2000/16/0305; 11.01.2016, Ra 2015/16/0132). Auch ist nicht ersichtlich, warum nach Art 47 der EU Grundrechte-Charta eine Verhandlung erforderlich sein soll.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs 4 VwGVG entfallen, da der Sachverhalt aufgrund der Aktenlage feststeht und die Rechtsfrage nicht derart komplex ist, dass es deren Erörterung in einer Verhandlung bedürfte.

Zu A) Abweisung der Beschwerde

3.2. Rechtsgrundlagen

Gebühren und Kosten können gemäß § 9 Abs 2 GEG nachgelassen werden, wenn die Einbringung mit besonderer Härte für den Zahlungspflichtigen verbunden wäre oder wenn der Nachlass im öffentlichen Interesse gelegen ist.

Bei der Bestimmung des § 9 Abs 2 GEG handelt es sich nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) um eine Ermessensvorschrift, doch ist das Recht der Behörde von diesem Ermessen Gebrauch zu machen, vom Vorliegen einer der beiden im Gesetz genannten Alternativvoraussetzungen abhängig. In diesem Zusammenhang kommt sowohl eine besondere Härte infolge einer sachlichen Unbilligkeit der Einbringung als auch eine solche infolge Vorliegens individueller Gründe in Betracht, die die Einbringung der gesetzmäßig vorgeschriebenen Gerichtsgebühren als besondere Härte erscheinen ließen. Diese Voraussetzung hat die Justizverwaltungsbehörde in rechtlicher Gebundenheit zu beurteilen (VwGH 25.06.2013, 2009/17/0164).

Zwar hat ein Antragsteller alle jene Umstände, auf die er sein Ansuchen stützt, einwandfrei und unter Ausschluss jeglicher Zweifel darzulegen. Jedoch hat die Behörde über den Antrag ein entsprechendes Ermittlungsverfahren einzuleiten und die vom Antragsteller geltend gemachten Gründe zu prüfen. Dabei hat die Behörde in der Begründung ihres Bescheides Feststellungen über den entscheidungsrelevanten Sachverhalt zu treffen (VwGH 24.09.2009, 2008/16/0130, mwN). Insbesondere ist es Aufgabe der Behörde, im Einzelfall bezogen auf die persönlichen Verhältnisse des Nachsichtwerbers jene Feststellungen zu treffen, die es ermöglichen, die Entscheidung zu überprüfen, dass die Voraussetzungen für den Nachlass im gegebenen Fall nicht vorliegen (VwGH 09.09.1993, 92/16/0119; VwGH 16.10.2014, 2011/16/0232).

Im Verfahren betreffend den Nachlass von Gerichtsgebühren und Kosten ist kein Raum dafür, allfällige Versäumnisse, die im Vorschreibungsverfahren unterlaufen sind, nachzuholen und (nochmals) die Frage der Richtigkeit der Gebührenbemessung aufzurollen (VwGH 28.04.2005, 2005/16/0025; 23.11.2005, 14.03.2016, Ra 2016/16/0011, VwGH 11.01.2016, Ra 2015/16/0132). Selbst die Einbringung einer zwar rechtskräftigen, materiell gesehen aber zu Unrecht vorgeschriebenen Gebühr (schon allein wegen ihres Unrechtsgehalts) führt nicht zu einer "besondere Härte" für den Zahlungspflichtigen (vgl. VwGH 29.01.1996, 95/16/0306; VwGH 19.12.2017, Ra 2016/16/0039).

Die Gewährung eines Nachlasses setzt voraus, dass sowohl die Entrichtung zu einem späteren Zeitpunkt als auch die Entrichtung in - allenfalls sehr kleinen - Monatsraten noch immer eine besondere Härte darstellen würden, sodass nur mehr die endgültige Erlassung die Härte beseitigt. Wirtschaftliche Schwierigkeiten vorübergehender Natur rechtfertigen zwar eine Stundung (Ratengewährung), aber keinen Nachlass (VwGH 28.03.1996, 96/16/0020, mwN; 27.05.2014, 2011/16/0241).

Eine Unbilligkeit kann nicht nur persönlich, sondern auch sachlich bedingt sein. Eine persönliche Unbilligkeit liegt vor, wenn die Einhebung der Abgaben die Existenzgrundlage des Nachsichtswerbers (und seiner Familie) gefährdet. Eine sachliche Unbilligkeit ist dementsprechend anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als aus persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt. Eine tatbestandsmäßige Unbilligkeit im Einzelfall ist dann nicht gegeben, wenn lediglich eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage festzustellen ist, die alle von dem betreffenden Gesetz erfassten Abgabepflichtigen in gleicher Weise trifft (VwGH 10.04.1986, 85/17/0147, 0148; 05.11.2003, 2003/17/0253).

Die einschlägigen Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes (StVG) lauten (Auszug, Hervorhebungen durch BVwG):

"Hausgeld und Rücklage

§ 54. (1) Die Arbeitsvergütung ist dem Strafgefangenen monatlich im nachhinein nach Abzug des Vollzugskostenbeitrages (§ 32 Abs. 2 erster Fall und Abs. 3) sowie des auf ihn entfallenden Anteils am Arbeitslosenversicherungsbeitrag je zur Hälfte als Hausgeld und als Rücklage gutzuschreiben. Die im § 53 angeführten außerordentlichen Arbeitsvergütungen sind zur Gänze dem Hausgeld zuzuschreiben. Für die Bemessung des Hausgeldes ist die Höhe der Arbeitsvergütung im Zeitpunkt der Gutschrift maßgebend. Die Bemessung der Rücklage richtet sich nach der Höhe der Arbeitsvergütung im Zeitpunkt der Auszahlung oder Verwendung.

(2) Das Hausgeld steht dem Strafgefangenen unbeschadet der §§ 24 Abs. 3a, 32a Abs. 4, 54a, 107 Abs. 4, 112 Abs. 2, 113 und 114 Abs. 2 für die Verschaffung von Sachgütern und Leistungen nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zur Verfügung. Die Rücklage dient unbeschadet des § 54a der Vorsorge für den Unterhalt in der ersten Zeit nach der Entlassung.

[...]

(6) Die Exekutionsordnung regelt, inwieweit der Anspruch auf Arbeitsvergütung sowie daraus herrührende Beträge übertragen, gepfändet oder verpfändet werden dürfen. Der Abs. 2 sowie die §§ 54a und 113 bleiben unberührt.

§ 54a. (1) Dem Strafgefangenen stehen das Hausgeld sowie die Hälfte der Rücklage, sofern diese die Hälfte des nach § 291a Abs. 1 in Verbindung mit § 291 der Exekutionsordnung, RGBl. Nr. 79/1896, in der jeweils geltenden Fassung, nicht der Pfändung unterliegenden Betrags übersteigt, auch für Leistungen an unterhaltsberechtigte Angehörige oder an Personen, die durch die strafbare Handlung in ihren Rechten verletzt worden sind, sowie zur Schuldentilgung zur Verfügung.

(2) Strafgefangene, die eine Freiheitsstrafe mit einer Strafzeit von mehr als einem Jahr zu verbüßen haben, sind bei Strafantritt und sobald die Rücklage 1 000 Euro übersteigt, über die nach Abs. 1 bestehenden Verwendungsmöglichkeiten von Hausgeld und Rücklage zu informieren sowie nach Maßgabe der bestehenden Einrichtungen zu einer sinnvollen Verwendung anzuleiten und dabei zu unterstützen.

(3) Außer den Fällen des Abs. 1 sowie des § 54 Abs. 2 dürfen die Strafgefangenen Hausgeld und Rücklage im Vollzug auch für Anschaffungen verwenden, die ihr Fortkommen nach der Entlassung fördern. Die Entscheidung darüber steht dem Anstaltsleiter zu."

3.3. Anwendung auf den konkreten Fall

Die bP führt in Ihrer Beschwerde zusammengefasst an, die Rücklage von € 5.732,35 sei unpfändbar und dürfe nicht zur Tilgung von Gerichtsgebühren herangezogen oder gepfändet werden.

Mit diesem Vorbringen erfüllt die bP nicht die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Nachlass.

In § 54 Abs 6 StVG ist angeführt, dass die Pfändung von Hausgeld und Rücklage in der Exekutionsordnung geregelt ist. Dies zeigt bereits, das eine Pfändung - entgegen der Ansicht der bP - sehr wohl möglich ist. Ob gepfändet werden darf oder nicht, ist aber letztlich eine Entscheidung die nicht das BVwG im Nachlassverfahren zu treffen hat, sondern das Exekutionsgericht.

Es wurden damit keine außergewöhnlichen Umstände dargelegt, aufgrund derer von einer ungleichen, unbilligen Betroffenheit der bP von der Gebührenvorschreibung und somit vom Vorliegen einer besonderen - sachlich begründeten - Härte im Sinne des § 9 Abs 2 GEG auszugehen wäre, vielmehr liegen Umstände vor, die jede in gleicher Situation befindliche Person, die einem Pflegschaftsverfahren unterhaltspflichtig ist, treffen, nämlich die Vorschreibung der gesetzlich vorgesehenen Pauschalgebühr durch das Pflegschaftsgericht.

In Ermangelung des Bestehens einer besonderen Härte infolge einer sachlichen Unbilligkeit der Einbringung, könnte die Eintreibung der vorgeschriebenen Gerichtsgebühren eine besondere Härte aufgrund des Vorliegens individueller (insbesondere wirtschaftlicher) Gründe darstellen. Diesbezüglich ist auf die ständige Rechtsprechung des VwGH hinzuweisen, wonach es in einem Verfahren über den Nachlass von Gerichtsgebühren Sache des Antragstellers ist, einwandfrei und unter Ausschluss jeglichen Zweifels das Vorliegen aller jener Umstände darzutun, auf die der Nachlass gestützt werden kann (erhöhte Mitwirkungspflicht).

Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem Antrag auf Nachlass und den von der bP letztlich vorgelegten Unterlagen bzw den Ermittlungsergebnissen der Behörde, dass sie offenbar eine besondere Härte des Gebühreneinzuges darin erblickt, dass sie sich in Haft befindet und die angesparte Rücklage ihrer Vorsorge und ihrem Unterhalt nach der Entlassung diene und daher nicht zur Zahlung von Gebühren herangezogen werden dürfe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat dazu festgestellt:

"Zweck der Rücklage ist, wie sich aus § 54 Abs. 2 StVG unmissverständlich ergibt, die soziale Absicherung des Strafgefangenen (hier: des Untergebrachten) nach der Entlassung (vgl. auch § 150 Abs. 3 StVG). Damit wird (jedenfalls bis zu einem gewissen Grad) der Gefahr einer - mangels Eigenmitteln - ‚Beschaffungskriminalität' nach der Entlassung vorgebeugt oder aber, dass der Entlassene der öffentlichen Hand oder Dritten zur Last fällt. Verfügungen des Strafgefangenen (des Untergebrachten) über die Rücklage sind daher dementsprechend nur eingeschränkt zulässig, nämlich - nur diese Fälle werden hier thematisiert - gemäß § 54a Abs. 1 und Abs. 3 StVG (§ 54 Abs. 2 letzter Satz StVG ist hier nicht von Belang). Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Auffassung, dass § 54a Abs. 1 StVG nur die Tilgung solcher Schulden vorsieht, die vor der Haft eingegangen wurden, nicht aber auch danach, weil Letzteres der wesentlichen Zielsetzung der Rücklage, nämlich der sozialen Absicherung nach Entlassung, widerstreiten würde, hätte es doch sonst ein Strafgefangener (Untergebrachter) in der Hand, durch Eingehen von Schulden (sieht man von den Fällen des Abs. 3 ab) während der Haft die Rücklage zu schmälern; die Auslegung dahin, dass die Rücklage für die Tilgung jeglicher Art von Schulden herangezogen werden könnte, stünde auch in einem Spannungsverhältnis zu Abs. 3 leg. cit., wonach nur bestimmte Arten von Anschaffungen daraus bestritten werden dürfen." (VwGH 09.09.2008, 2008/06/0141)

Aus den zitierten Bestimmungen der §§ 54 und 54a StVG und den oa. Entscheidungen des VwGH kann abgeleitet werden, dass das die bP sowohl über das Hausgeld als auch die Rücklage verfügen und dieses - unter bestimmten Voraussetzungen - zur Schuldentilgung verwenden darf. Gesetzlich vorgeschriebene Gebühren stellen Abgaben dar an der Einhebung von Gerichtsgebühren ein gewichtiges öffentliches Interesse besteht, da ohne diese dem Staat die Mittel zur Erfüllung seiner Aufgaben (unter anderem Strafvollzug, Unterhaltsleistungen) fehlen würden.

Das im § 9 Abs 2 GEG erwähnte öffentliche Interesse muss - um einen Nachlass zu rechtfertigen - im Einzelfall so gewichtig sein, dass es jenes allgemein bestehende öffentliche Interesse an der Einhebung der Gebühren eindeutig überwiegt (VwGH 31.10.1991, 90/16/0227). Ein solches Interesse ist nicht schon durch das subjektive Interesse der bP an einer Entlastung von diesen Gebühren erfüllt (VwGH 11.01.2016, Ra 2015/16/0132) und liegt im Gegenstand nicht vor.

Es handelt sich bei Betrachtung der Höhe der Rücklage von über €

5.000,--, dem Entlassungstermin frühesten 2023, den monatlich dazu kommenden Einkünften der bP von ca. € 120,--, der Unterhaltsvorsorge durch die Justizanstalt für sie selbst und der Versorgung ihres Sohnes - ebenfalls durch die staatliche Hand - bei der Einbringung von € 298,-- nicht um eine besondere Härte, welche einen Nachlass rechtfertigen würde, zumal der bP die Beantragung der Zahlung in Raten (Stundung) gemäß § 9 Abs 1 GEG offen steht und ihr bei einer - angesichts der Vollversorgung durch die Justizanstalt - zumutbaren geringen Einschränkung ihrer Ausgaben für sich selbst, eine Zahlung von (allenfalls kleinen) Raten möglich ist. Die relevante Gesetzesbestimmung lautet:

"§ 9. (1) Auf Antrag kann die vorgeschriebene Zahlungsfrist verlängert oder die Entrichtung in Teilbeträgen gestattet werden (Stundung), wenn die Einbringung mit besonderer Härte für den Zahlungspflichtigen verbunden wäre und entweder die Einbringlichkeit durch die Stundung nicht gefährdet oder Sicherheit geleistet wird. Wird eine Rate nicht oder verspätet bezahlt, so wird die Stundung wirkungslos (Terminverlust).

[...]

(3) Ein Stundungs- oder Nachlassantrag hat keine aufschiebende Wirkung. Die Behörde hat, wenn sonst der Zweck der Entscheidung ganz oder teilweise vereitelt werden könnte, auf Antrag oder von Amts wegen die Einbringung bis zur Entscheidung über das Stundungs- oder Nachlassbegehren aufzuschieben, wenn das Begehren einen ausreichenden Erfolg verspricht und nicht die Einbringlichkeit gefährdet wird.

(4) Über Anträge nach Abs. 1 bis 3 entscheidet der Präsident des Oberlandesgerichts Wien im Justizverwaltungsverfahren durch Bescheid; er kann den Leiter oder andere Bedienstete der Einbringungsstelle ermächtigen, diese Angelegenheiten in seinem Namen zu erledigen und zu unterfertigen. Bei Beträgen über 30 000 Euro bedarf die Gewährung einer Stundung oder eines Nachlasses der Zustimmung des Bundesministeriums für Justiz. Über Anträge auf Stundung und Nachlass von Beträgen aus Grundverfahren beim Bundesministerium für Justiz entscheidet die Bundesministerin für Justiz. Auf das Verfahren in Stundungs- und Nachlassangelegenheiten sind § 6b, § 7 Abs. 3 bis 7 sinngemäß anzuwenden. [...]"

Die Anerkennung als besondere Härte im Wege des Nachlasses im vorliegenden Fall, würde eine Überwälzung von Gerichtsgebühren auf die Allgemeinheit bedeuten, welche vom Gesetz nicht gedeckt ist und käme seinem Wesen nach der Schaffung einer neuen, im Gesetz nicht vorgesehenen Gebührenbefreiung bzw Gebührenbegünstigung gleich.

Da dem angefochtenen Bescheid vor diesem Hintergrund keine Rechtswidrigkeit im Sinne des Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG aus den von der bP angeführten Gründen anzulasten ist, ist die Beschwerde spruchgemäß abzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Auf die oben dargestellten grundlegenden Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes wird verwiesen.

Schlagworte

besondere Härte, Bindungswirkung gerichtliche Einbringung,
Gebührennachlass, Hausgeld, Nachlassantrag,
Pauschalgebührenauferlegung, Pfändung, Pflegschaftsverfahren,
Rücklage, Strafhaft, Unterhaltspflichtiger

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W208.2205244.1.00

Zuletzt aktualisiert am

22.11.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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