TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/17 W240 2189537-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.09.2018
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Entscheidungsdatum

17.09.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W240 2189537-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. FEICHTER über die Beschwerde von XXXX , StA. Somalia gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.02.2018, Zl. 1118030803/160807133, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 09.08.2018 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG

2005 idgF der Status eines Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 idgF wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin, eine Staatsbürgerin von Somalia, gelangte unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich und stellte am 08.06.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Am 09.06.2016 wurde sie einer Erstbefragung unterzogen. Sie gab an, verheiratet zu sein und in XXXX gelebt zu haben. Zu ihren Fluchtgründen führte sie aus, dass sie sehr jung gewesen sei, als ihre Eltern sich scheiden haben lassen. Ihr Vater habe eine Frau geheiratet, die auch Kinder gehabt habe. Als sie etwa vierzehn Jahre alt gewesen sei, habe ihre Stiefmutter sie gezwungen ihren Stiefbruder zu heiraten. Sie habe sich geweigert und sei in Folge von ihrer Stiefmutter geschlagen worden. Weiters habe sie erfahren, dass ihr Mann Mitglied der Al Shabaab gewesen sei und er habe sie gezwungen sich der Gruppe anzuschließen. Ihr Ehegatte habe sie mit dem Umbringen bedroht und ihr mit einem Revolver in den rechten Oberschenkel geschossen.

Nach Zulassung zum Asylverfahren erfolgte am 01.02.2018 eine niederschriftliche Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich. Die Beschwerdeführerin gab zu Ihrem Ausreisegrund im Wesentlichen wie folgt an:

"(...)

LA: Sie wurden bereits am 09.06.2016 einer niederschriftlichen Einvernahme unterzogen. Haben Sie damals der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht?

VP: Ich möchte etwas korrigieren, nämlich in der Niederschrift steht vermerkt, dass ich von 2003 bis 2016 die Schule besucht habe, was jedoch nicht stimmt.

Ich habe damals auch angegeben, 15 Tage gearbeitet zu haben, wobei jedoch vermerkt steht, dass ich seit 1.1.2015 gearbeitet habe. Dies stimmt jedoch nicht.

Der Name meines Sohnes wurde auch falsch aufgenommen, er heißt nämlich XXXX .

(...)

LA: Wo sind Sie aufgewachsen?

VP: Ich bin in XXXX aufgewachsen.

LA: In welcher Region des Landes befindet sich XXXX ?

VP: Im Bundesland XXXX .

(...)

LA: Welcher Volksgruppe gehören Sie an?

VP: Ich gehöre der Volksgruppe " XXXX " an.

LA: Gehören Sie einem Sub-Clan an? Wenn ja, welchem?

VP: Der Sub-Clan heißt " XXXX " und der Sub-Sub-Clan lautet " XXXX

".

LA: Welchem Glauben gehören Sie an?

VP: Moslem, Sunnit.

LA: Wie lautet Ihr Familienstand (ledig, verheiratet, verwitwet, geschieden)?

VP: Ich bin verheiratet.

LA: Wann und wo haben Sie die Ehe geschlossen?

VP: Am XXXX .2015 habe ich die Ehe in der Kleinstadt XXXX , die zu der Grenze zu Kenia liegt, geschlossen.

LA: War es eine traditionelle oder eine registrierte Eheschließung?

VP: Es war traditionell. Es waren der Scheich und mein Ehemann da. Mein Mann hat auch andere somalische Männer geholt.

LA: In welchem Gebäude wurde die traditionelle Ehe geschlossen?

VP: Das Haus gehörte meiner Schwägerin (Schwester meines Mannes.)

LA: Wie heißt Ihr Ehemann und wie alt ist er?

VP: Er heißt XXXX und er ist 25 Jahre alt.

LA: Wie viele Kinder haben Sie?

VP: Ich habe einen Sohn namens XXXX und er ist am XXXX zur Welt gekommen.

LA: Weshalb trägt Ihr Sohn den Familiennamen " XXXX ", wenn doch Ihr Mann XXXX heißt?

VP: Ich habe insgesamt zweimal geheiratet. Ich wurde zwangsverheiratet.

Das Kind stammt aus der ersten Ehe.

Mein erster Ehemann heißt XXXX und der zweite Ehemann heißt XXXX .

LA: Wo befindet sich der erste Ehemann?

VP: Ich weiß es nicht.

LA: Haben Sie sich von ihm scheiden lassen?

VP: Ja.

LA: Wann erfolgte die Scheidung?

VP: Es war im XXXX 2015.

(..)

LA: Wo ist Ihr Kind nunmehr aufhältig?

VP: In Somalia. Danach befragt gebe ich an, dass ich nicht weiß, wo der Sohn derzeit aufhältig ist.

LA: Wo war Ihr Kind aufhältig, als Sie XXXX verlassen haben?

VP: Meine Stiefmutter hat mir das Kind weggenommen.

LA: Was meinen Sie konkret damit?

VP: Sie hat mir das Kind weggenommen und dann ist sie weggegangen. Dann erlebte ich das Problem. So möchte ich anführen, dass mein erster Ehemann deren Sohn war. Er war Mitglied der Al Shabaab.

LA: Welche Verwandte oder Familienangehörige leben noch in Somalia?

VP: Es gibt noch meine Mutter und meine drei Geschwister (2 Schw., 1. Br.) in Somalia. Ich weiß nicht, wo sie sich aufhalten. Ich habe sie nie kennen gelernt.

Mein Vater ist verstorben. Danach befragt gebe ich an, dass er im Oktober 2014 verstorben ist.

LA: Wer finanzierte nach dem Tod Ihres Vaters Ihren Lebensunterhalt?

VP: Mein erster Mann und meine Stiefmutter. Meine Stiefmutter verkaufte Milch.

LA: Wovon lebten Sie in XXXX ?

VP: Mein jetziger Ehemann hat mir geholfen.

LA: Wann hatten Sie das letzte Mal Kontakt (Telefon, Mail, Brief) zu Ihrem jetzigen Mann?

VP: Als ich Nairobi verließ, es war im Februar 2016, hatte ich das letzte Mal Kontakt zu ihm. Er sagte mir, dass er nachkommen werde, wobei dann der Kontakt abgebrochen ist. Ich möchte anführen, dass er mit mir nach Nairobi gekommen ist. Dann hat er zu mir gemeint, dass ich mit dem Schlepper mitgehen soll und dass er nachkommen werde.

(...)

LA: Sie haben nunmehr die Möglichkeit, Ihre Beweggründe für das Verlassen Ihrer Heimat ausführlich darzulegen. Bitte schildern Sie möglichst lebensnahe, also konkret und mit sämtlichen Details, sodass auch unbeteiligte Personen Ihre Darstellung nachvollziehen können, aus welchem Grund Sie Ihr Heimatland verließen.

VP: Mein erster Ehemann war ein Mitglied der Al Shabaab. Ich wusste vorher nicht, was er arbeitet. Erst später habe ich erfahren, dass er mit den Al Shabaab zu tun hat. Er hat mich aufgefordert, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Ich lehnte es ab und ich forderte von ihm, dass er sich von mir scheiden lässt.

Eines Abends kam er nach Hause und ich habe ihn festgehalten und ich sagte zu ihm, dass ich nun die Scheidung haben möchte. An diesem Abend war er sehr verärgert und er hat mich auf den Boden geschmissen. Dann sagte er zu mir: "Er hat sich scheiden lassen!". An diesem Abend war er sehr verärgert. Ich weiß nicht, was er für ein Problem hatte.

Am nächsten Tag, es war am Morgen in der Früh, verließ ich unser Haus. Ich wollte zu der Bushaltestelle gehen, die sich gleich in unserer Nähe befindet. Ich fragte junge Männer, ob sie mir helfen könnten. Diese Jungs haben mir geholfen und sie brachten mich in ein anderes Dorf, welches ca. 20 km von meinem Heimatdorf entfernt liegt.

Die Jungs haben mich mit dem Minibus dorthin gebracht und ich bin dort ausgestiegen. Ich bin ausgestiegen und dann kam ich zu einem Teehaus. Ich habe die Leute um Hilfe ersucht, die in diesem Haus drinnen waren. Ich sagte ihnen, dass mein Kind etwas zum Essen braucht und dass ich kein Geld habe. Die Leute haben mir geholfen. Eine Frau, die dort saß, hat mich gefragt, ob ich als Reinigungskraft für sie arbeiten möchte. Ich sagte: "Ja!". Dann arbeitete ich für sie 15 Tage lang. Das Teehaus gehörte auch ihr. Ich habe auch im Teehaus geputzt und zusammen geräumt.

Eines Abends kamen meine Stiefmutter und mein geschiedener Ehemann zum Haus jener Frau. So befinden sich das Haus und das Teehaus gleich nebeneinander, da vorne das Teehaus und hinter halb das Haus steht. Sie kamen einfach in das Haus hinein. Die Stiefmutter sagte zu mir: "Du willst mit meinem Kind verschwinden!". Ich habe mein Kind festgehalten. Der Ex-Mann hat mich mit dem Gewehrkolben geschlagen. Sie haben mir das Kind weggenommen. Dann ist die Stiefmutter mit dem Kind weggegangen. Mein Ex-Mann nahm mich in die Hand. Es war auch ein anderer Mann mit ihnen mit. Die Männer sagten zu mir, dass ich in das Auto einsteigen solle. Weil mein Mann wusste, dass ich weiß, was er arbeitet, weshalb er dachte, dass ich sein Geheimnis verbreiten werde.

Der Ex-Mann hat mir eine Hand festgehalten und ich durchtrennte die Hand und bin von dort weggelaufen.

LA: Was meinen Sie damit, dass Sie die Hand durchtrennten?

VP: Es war so, dass der Ex-Mann nur eine Hand hielt und der andere Mann wollte die Autotür öffnen. Ich zog meine Hand weg und lief davon.

LA: Schildern Sie bitte weiter?

VP: Der andere Mann war im Auto drinnen. Die Stiefmutter hörte ich, wie sie sagte: "Töte sie, töte sie!". Ich bin gelaufen und dann haben sie mich angeschossen. Es traf mich im Bein. Noch etwas haben sie mir nachgeworfen. Ich habe dann das Bewusstsein verloren. Als ich aufwachte, war ich bereits in XXXX .

Mein Onkel (v) kam zu mir. Ich kannte ihn nicht, aber ich habe ihn in diesem Moment kennen gelernt. Ich habe meine Familie nicht gekannt. Auch meine Geschwister und meine Mutter kannte ich nicht.

Er hat mir gesagt, dass mich der Ex-Mann angeschossen hat und mir meine Dorfleute geholfen haben.

LA: Um welche Dorfleute habe es sich dabei gehandelt?

VP: Die Dorfleute stammen aus dem Dorf XXXX .

LA: Woher kannten Sie die Leute, aus dem Dorf XXXX ?

VP: Ich meinte die Frau, bei der ich 15 Tage lang gearbeitet habe und deren Bekannte. Die Frau stammt aus XXXX .

LA: Woher wusste der Onkel (v), dass Sie in XXXX aufhältig sind, zumal Sie ihn zuvor nicht kannten?

VP: Ich wurde anfangs nach XXXX ins Krankenhaus gebracht. Dort konnte mir nicht geholfen werden, da es dort keine guten Krankenhäuser gibt. Mein Onkel lebt in diesem Ort. Dort ist er zu mir gekommen ins Krankenhaus. Ich weiß aber nicht, wie er davon erfuhr. Später brachte mich er ins Krankenhaus nach XXXX .

LA: So führten Sie zuvor aus, dass Sie erst im Krankenhaus XXXX zu sich gekommen sind. Woher wissen Sie, dass ihr Onkel Sie in dem Krankenhaus XXXX besucht hat?

VP: Mein Onkel sagte zu mir, dass er mich vorher ins Krankenhaus XXXX gebracht hat und dann in das andere Krankenhaus gebracht wurde.

LA: Schildern Sie bitte weiter von den Fluchtgründen?

VP: Ich war im Krankenhaus. Als ich dort eineinhalb Monate aufhältig war, wurde mein Onkel überfallen. Mein Onkel ist umgebracht worden.

LA: Wie kam es dazu, dass Ihr Onkel umgebracht wurde, da Ihr Onkel in XXXX wohnhaft war?

VP: Ich weiß nicht, worum er umgebracht wurde. An diesem Ort ist auch die Al Shabaab. Danach befragt gebe ich an, dass in dem Ort XXXX die Al Shabaab sind.

LA: Setzen Sie die Schilderungen zu Ihren Fluchtgründen fort?

VP: Ich möchte anführen, dass meine Stiefmutter mich früher schlecht behandelt hat. Es war die erste Ehe eine Zwangsheirat.

LA: Haben Sie noch irgendetwas zu den Fluchtgründen hinzuzufügen?

VP: Mein jetziger Ehemann und mein Onkel waren beste Freunde. Nachdem mein Onkel getötet wurde, hat mir mein Ehemann geholfen.

(...)

LA: Woher stammt der zweite Ehemann?

VP: Er ist aus XXXX .

LA: Weshalb sind Sie dann nicht gemeinsam mit dem zweiten Mann nach XXXX gezogen?

VP: Es war sehr gefährlich dort zu Leben. Auch wird der Ex-Mann dorthin kommen und mir etwas antun.

LA: Weshalb war es gefährlich dort zum Leben?

VP: Der Ex-Mann hätte mich nie in Ruhe gelassen. Er hätte mich getötet.

LA: Weshalb befürchten Sie von Ihrem Ex-Mann getötet zu werden?

VP: Er hat mich angeschossen. Er dachte vielleicht, dass er mich getötet hat, am Anfang. Er kann mich nie am Leben lassen.

LA: Wenn Ihr Ex-Mann dachte, dass Sie tot sind, dann hätte auch nicht die Gefahr bestanden, von dem Ex-Mann gesucht zu werden. Was sagen Sie dazu?

VP: Ich weiß nicht, wie er erfahren hat, dass ich noch am Leben bin.

LA: Weshalb stimmte Ihr Vater der ersten Heirat zu, wenn doch Ihre Stiefmutter Sie geschlagen hat und wenn es sich um eine Zwangsheirat gehandelt hat?

VP: Mein Vater hat immer gemacht, was die Stiefmutter machte. Er hat ihr immer Recht gegeben.

LA: Was hätten Sie bei einer etwaigen Rückkehr nach Somalia zu befürchten?

VP: Ich habe Angst, dass mich der Ex-Mann tötet.

LA: Weshalb haben Sie nicht versucht, über Ihren Onkel in Erfahrung zu bringen, wo sich Ihre Geschwister bzw. Ihre Mutter aufhalten?

VP: Er hat mir nur erzählt, dass es sie gibt. Er wusste auch nicht, wo sie leben.

LA: Weshalb haben Sie nicht bei der Erstbefragung erwähnt, von dem Ehemann geschieden zu sein?

VP: Ich habe es natürlich angegeben. Ich habe auch den Namen des Ex-Mannes angegeben. Auch den Namen meines zweiten Ehemannes habe ich angegeben.

(...)"

2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, vom 14.02.2018, Zl. 1118030803/160807133, wurde unter Spruchteil I. der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, unter Spruchteil II. jedoch der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und unter Spruchteil

III. eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 15.02.2019 erteilt.

In der Begründung des Bescheides wurden die oben bereits im wesentlichen Inhalt wiedergegebenen Einvernahmen dargestellt und Feststellungen zu Somalia getroffen. Es habe nicht festgestellt werden können, dass die Beschwerdeführerin ihr Herkunftsland aufgrund von Verfolgung durch Private oder durch ihren geschiedenen Mann verlassen habe. Ihre diesbezüglichen Ausführungen hätten nicht als glaubhaft festgestellt werden können. Aufgrund der derzeitigen Gegebenheiten in ihrem Heimatland, welche sich in den behördlichen allgemeinen Länderfeststellungen wiederspiegeln würden, sei der Beschwerdeführerin eine befristete Aufenthaltsberechtigung zu gewähren.

3. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht gegen den (abweisenden) Spruchpunkt I. Beschwerde. Zusammengefasst wurde darin ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin zwei Mal zwangsweise verheiratet gewesen sei, seit 2015 geschieden sei und ein Kind aus erster Ehe habe. Die Beschwerdeführerin sei im August 2015 von ihrem Exmann, einem Al Shabaab Mitglied und ihrer Stiefmutter bedroht worden und in der Folge angeschossen worden. Aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (alleinstehende Frauen) habe die Beschwerdeführerin große Probleme in Somalia. Sie sei aufgefordert worden für die Al Shabaab zuarbeiten, habe dies nicht gewollt und sei mit dem Umbringen bedroht worden. Im Falle einer Rückkehr nach Somalia würde die Beschwerdeführerin in ein dauerhaft ausweglose alle Aspekte der menschlichen Existenz umfassende Lebenssituation geraten. In den Berichten werde die heutige Clanlandschaft zu wenig erforscht. Da der Staat die Beschwerdeführerin nicht vor Verfolgung durch private Personen und Al Shabaab schützen könne bzw. wolle, sei eine asylrelevante Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure gegeben.

4. Das Bundesverwaltungsgericht beraumte für den 09.08.2018 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung an, in der die Beschwerdeführerin, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, einvernommen wurde.

Im Rahmen der Beschwerdeverhandlung gab die Beschwerdeführerin insbesondere auch an, dass sie von ihrer leiblichen Mutter im April 2018 darüber informiert worden war, dass diese und die Geschwister der Beschwerdeführerin in Äthiopien im Flüchtlingslager aufhältig sind.

Hinsichtlich der Beschwerdeführerin wurde eine Röntgendiagnostik vom 25.10.2016 vorgelegt. Die Beschwerdeführerin legte dar, dass es hierbei um die Schussverletzung am Bein handle.

Ergänzend zu dem bereits übermittelten Länderinformationsblatt wurde dem Beschwerdevorbringen entsprechend folgende Dokumente zur Kenntnis gebracht und eine Frist zur Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt.

* Focus Somalia, Clans und Minderheiten, 31.05.2017

* UK Home Office, Country Information and Guidance, Somalia: Women fearing gender-based harm and violence, vom 02.08.2016;

* Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Somalia, 12.01.2018 (letzte Kurzinformation vom 03.05.2018)

* Accord Anfragebeantwortung zu Zwangsverheriatung in Somalia vom 07.06.2017

Die Vertreterin der Beschwerdeführerin gab folgende Stellungnahme ab:

"Ich verweise auf die Situation der Frauen in Somalia, LIB auf Seite 95 und führe aus, dass die: BF hat in der heutigen Verhandlung ihr Fluchtvorbringen ohne Widersprüche zu ihren Angaben vor dem BFA, detailliert, schlüssig, nachvollziehbar und von sich aus geschildert hat. Sie wurde mit ihrem Stiefbruder zwangsverheiratet und lebte mit ihm und mit der Stiefmutter (=Schwiegermutter) unter besonderen schwierigen Umständen. Der Exmann der BF ist ein Al-Shabaab-Mitglied, was die BF zuvor nicht wusste, erst als die BF einen Koffer mit Sprengstoff im Haus entdeckt hatte, wurde ihr klar, dass er Mitglied der Al-Shabaab ist. Danach forderte er sie auf, für die Al-Shabaab zu arbeiten. Die BF verlangte die Scheidung von ihm, was sie auch bekommen hat. Der Exmann ließ die BF aber nicht in Ruhe, er verfolgte sie und schoss sie am Bein an und verletzte sie. Er beabsichtigte sogar die BF zu töten. Der zweite Ehemann der BF konnte aus Angst vor Verfolgung durch den Exmann mit ihr die Ehe nicht weiterführen. Daher war die BF gezwungen das Land zu verlassen, um ihr Leben zu retten. Im Falle einer Rückkehr nach Somalia wäre die BF der Gefahr der Verfolgung durch ihren Exmann ausgesetzt. Weiters wäre sie auch der Gefahr einer weiteren Zwangsverheiratung bzw. Versklavung ausgesetzt. Die die BF treffende Verfolgungsgefahr findet ihre Deckung in einem der in Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründe, nämlich der sozialen Gruppe der von Zwangsverheiratung durch die eigene Familie bedrohten Frauen in Somalia. Zwar handelt es sich bei den Bedrohungen der BF um Privatpersonen doch kann angesichts der Berichtslage in Somalia nicht davon ausgegangen werden, dass die staatlichen Sicherheitsbehörden ausreichend schutzfähig wäre um die BF treffende Gefahr genügend zu verhindern. Von einer Schutzfähigkeit der somalischen Sicherheitsbehörden kann nach der aktuellen Berichtslage nicht ausgegangen werden. Es wird beantragt die Beschwerde stattzugeben."

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zur Person der Beschwerdeführerin:

Die Beschwerdeführerin ist somalische Staatsbürgerin, stammt aus XXXX und lebt seit ihrer Antragstellung im Juni 2016 in Österreich. Sie gehört dem Clan der XXXX an.

Die Eltern der Beschwerdeführerin ließen sich scheiden und der Vater der Beschwerdeführerin heiratete erneut. Die Beschwerdeführerin blieb bei ihrem Vater, der erneut heiratete. Kontakt zu ihrer Mutter und ihren Geschwistern hat die Beschwerdeführerin in Somalia nicht, sie wurde jedoch im April 2018 darüber informiert, dass ihre leibliche Mutter und die Geschwister der Beschwerdeführerin in Äthiopien im Flüchtlingslager aufhältig sind.

keinen. Die Stiefmutter brachte Kinder mit in die Ehe. Mit vierzehn Jahren wurde die Beschwerdeführerin mit ihrem Stiefbruder zwangsverheiratet. Die Beschwerdeführerin wurde schwanger und bekam im XXXX 2014 einen Sohn. Der Vater der Beschwerdeführerin starb im Oktober 2014 eines natürlichen Todes. Die Beschwerdeführerin wurde sowohl von ihrem ersten Ehemann als auch von ihrer Stiefmutter misshandelt und mit dem Tode bedroht. Im Juni 2015 bemerkte die Beschwerdeführerin, dass ihr Ehemann Al Shabaab Mitglied ist. Sie wurde daraufhin sowohl von ihm als auch von ihrer Stiefmutter mit einer Al Shabaab Mitgliedschaft bedrängt. Nach langem Drängen seitens der Beschwerdeführerin ließ sich der Ehemann von ihr im August 2015 nach traditionellen Ritus scheiden. Noch in derselben Nacht floh die Beschwerdeführerin mit ihrem Sohn in das 20 Kilometer entfernte Dorf XXXX . Dort arbeitete sie für eine Frau in deren Restaurant. Nach fünfzehn Tagen fand der Exmann und ihre Schwiegermutter sie, nahmen ihr mit Gewalt ihren Sohn weg und zwangen sie mitzugehen. Die Beschwerdeführerin konnte sich losreißen, woraufhin ihre Schwiegermutter ihren Sohn dazu aufforderte, sie umzubringen. Der Exmann schoss auf die Beschwerdeführerin und traf sie am Unterarm und am Bein. Sie blieb verletzt liegen und wachte zwei Monate später in einem Krankenhaus auf. Im Nachhinein erfuhr die Beschwerdeführerin, dass ihre Arbeitgeberin und weitere Personen aus dem Dorf XXXX sie in das Krankenhaus in XXXX brachten. Ihr Onkel, den sie zuvor nicht kannte und der in dieser Ortschaft wohnte, erfuhr davon und kümmerte sich um sie. Durch ihren Onkel lernte die Beschwerdeführerin ihren zweiten Ehemann kennen, den sie schließlich im Dezember 2015 heiratete. Der Onkel wurde von der Al Shabaab getötet, nähere Umstände sind nicht bekannt. Ihr zweiter Ehemann brachte sie nach Kenia, wo der Beschwerdeführerin ein weiterer Aufenthalt ohne Aufenthaltsberechtigung nicht möglich war.

Die Beschwerdeführerin hat im Heimatstaat keine anderen familiären und sozialen Anhaltspunkte als zu (ehemaligen) Familienmitgliedern, welche sie mit einem Mitglied der Al Shabaab verheiratet haben. Auch zu ihrem Sohn, der bei ihrer Stiefmutter und ihrem Exmann wohnt, hat die Beschwerdeführerin keinen Kontakt. Wo sich ihr jetziger Ehemann aufhält, weiß die Beschwerdeführerin nicht.

Es wird festgestellt, dass die Beschwerdeführerin Somalia aufgrund einer wohlbegründeten Furcht vor Verfolgung durch Dritte verlassen hat und unter Berücksichtigung der aktuellen Länderfeststellungen im Falle einer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass sie Verfolgungshandlungen maßgeblicher Intensität zu befürchten hätte.

Vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Lage in Somalia ist nicht damit zu rechnen, dass der somalische Staat seine Bürger vor Bedrohungen und Übergriffen im privaten Bereich bzw. durch die Al Shabaab ausreichend schützen kann. Die Beschwerdeführerin wäre daher allfälligen Bedrohungs- und Verfolgungshandlungen seitens ihres Exmannes, ihrer Stiefmutter/Schwiegermutter oder anderer Personen (Al Shabaab) schutzlos ausgeliefert. Daher kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführerin im Fall ihrer Rückkehr nach Somalia die Gefahr unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK droht.

Zu Somalia wird Folgendes verfahrensbezogen festgestellt:

18. Relevante Bevölkerungsgruppen

18.1. Frauen

Die aktuelle Verfassung betont in besonderer Weise die Rolle und die Menschenrechte von Frauen und Mädchen und die Verantwortung des Staates in dieser Hinsicht. Tatsächlich ist deren Lage jedoch weiterhin besonders prekär. Frauen und Mädchen bleiben den besonderen Gefahren der Vergewaltigung, Verschleppung und der systematischen sexuellen Versklavung ausgesetzt. Wirksamer Schutz gegen solche Übergriffe - insbesondere in IDP-Lagern - ist mangels staatlicher Autorität bisher nicht gewährleistet (AA 1.1.2017).

Die somalische Regierung hat 2014 einen Aktionsplan zur Bekämpfung sexueller Übergriffe verabschiedet. Die Implementierung geschieht jedoch sehr langsam (ÖB 9.2016). Außerdem wurde im Mai 2016 ein Nationaler Gender Policy Plan verabschiedet. Dieser Plan wurde von der Somali Islamic Scholars Union verurteilt; der Somali Religious Council hat die vorgesehene 30%-Quote für Abgeordnete im somalischen Parlament als gefährlich bezeichnet (USDOS 3.3.2017).

Auch wenn Gewalt gegen Frauen in der Verfassung verboten ist (USDOS 3.3.2017), bleiben häusliche (USDOS 3.3.2017; vgl. AA 1.1.2017, ÖB 9.2016) und sexuelle Gewalt gegen Frauen ein großes Problem (UNSC 5.9.2017). Generell grassiert sexuelle Gewalt ungebremst. Im Zeitraum September 2016 bis März 2017 wurden von UNSOM alleine in den von der Dürre betroffenen Gebieten 3.200 Fälle geschlechtsspezifischer Gewalt dokumentiert (UNHRC 6.9.2017). Besonders betroffen sind davon IDPs in Flüchtlingslagern (ÖB 9.2016; vgl. USDOS 3.3.2017, UNSC 5.9.2017). Im Jahr 2015 waren 75% der Opfer sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt IDPs (ÖB 9.2016). Die IDP-Lager bieten kaum physischen oder Polizeischutz (UNSC 5.9.2017). Auch Frauen und Mädchen von Minderheiten sind häufig unter den Opfern von Vergewaltigungen. Dabei gibt es aufgrund der mit einer Vergewaltigung verbundenen Stigmatisierung der Opfer eine hohe Dunkelziffer (USDOS 3.3.2017). Die Täter sind bewaffnete Männer, darunter auch Regierungssoldaten und Milizionäre (HRW 12.1.2017; vgl. USDOS 3.3.2017, ÖB 9.2016). Im ersten Trimester 2017 wurden 28 Fälle von konfliktbezogener sexueller Gewalt dokumentiert, im letzten Trimester 2016 waren es 13. Dieser Anstieg kann vermutlich mit der wachsenden Zahl an Dürre-bedingten IDPs erklärt werden (UNSC 9.5.2017). Von staatlichem Schutz kann - zumindest für die am meisten vulnerablen Fälle - nicht ausgegangen werden (HRW 12.1.2017; vgl. ÖB 9.2016).

Vergewaltigung ist zwar gesetzlich verboten (AA 1.1.2017), die Strafandrohung beträgt 5-15 Jahre, vor Militärgerichten auch den Tod (USDOS 3.3.2017). Strafverfolgung oder Verurteilungen wegen Vergewaltigung oder anderer Formen sexueller Gewalt sind in Somalia dennoch rar (AA 1.1.2017; vgl. ÖB 9.2016, USDOS 3.3.2017). Generell herrscht Straflosigkeit, bei der Armee wurden aber einige Soldaten wegen des Vorwurfs von Vergewaltigung verhaftet (USDOS 3.3.2017). Manchmal verlangt die Polizei von den Opfern, die Untersuchungen zu ihrem eigenen Fall selbst zu tätigen. Frauen fürchten sich davor, Vergewaltigungen anzuzeigen, da sie mit möglichen Repressalien rechnen (USDOS 3.3.2017).

Al Shabaab hat Vergewaltiger zum Tode verurteilt (USDOS 3.3.2017). Andererseits gibt es Berichte die nahelegen, dass sexualisierte Gewalt von der al Shabaab gezielt als Taktik im bewaffneten Konflikt eingesetzt wird (AA 1.1.2017).

Auch traditionelle bzw. informelle Streitschlichtungsverfahren können das schwache Durchgreifen des Staates nicht ersetzen, da sie dazu neigen, Frauen zu diskriminieren und Täter nicht zu bestrafen (ÖB 9.2016). Dabei werden Vergewaltigungen oder sexuelle Übergriffe meist vor traditionellen Gerichten abgehandelt, welche entweder eine Kompensationszahlung vereinbaren oder aber eine Ehe zwischen Opfer und Täter erzwingen (USDOS 3.3.2017; vgl. UNHRC 6.9.2017). Auch Gruppenvergewaltigungen werden hauptsächlich zwischen Ältesten verhandelt. Die Opfer erhalten keine direkte Entschädigung, diese geht an die Familie (UNHRC 6.9.2017). Das patriarchalische Clansystem und xeer an sich bieten Frauen keinen Schutz. Wird ein Vergehen gegen eine Frau gemäß xeer gesühnt, dann wird zwar die Familie des Opfers finanziell kompensiert, der Täter aber nicht bestraft (SEM 31.5.2017).

In Puntland wurde im Jahr 2015 ein Gesetz gegen Vergewaltigung in Kraft gesetzt. Mit diesem Gesetz wurde die formelle Justiz als relevanter Apparat zur Prozessführung bei Vergewaltigungen eingesetzt. Die Frage darüber, ob ein Verfahren geführt wird, entscheidet der Generalstaatsanwalt, nicht das Opfer. Traditionelle Älteste werden von allen Schritten des Verfahrens ausgeschlossen. Damit ist die Anwendung informeller oder traditioneller Konfliktlösungsmechanismen bei Vergewaltigung oder Sexualverbrechen verboten. Allerdings bedarf es zur effektiven Umsetzung noch Ausbildungsmaßnahmen für die nunmehr verantwortlichen Richter. Trotzdem ist diese neue Gesetzeslage in Somalia einzigartig und zukunftsweisend (UNHRC 6.9.2017). Laut einer vom puntländischen Generalstaatsanwalt veröffentlichten Statistik über Vergewaltigungsfälle in Puntland im Jahr 2016 wurden dort 123 Prozesse gegen Vergewaltiger geführt (A 2.2017).

Auch unter der neuen Verfassung gilt in Somalia weiterhin das islamische Scharia-Recht, auf dessen Grundlage auch die Eheschließung erfolgt. Polygamie ist somit erlaubt, ebenso die Ehescheidung (ÖB 9.2016). Laut Übergangsverfassung sollen beide Ehepartner das "age of maturity" erreicht haben; als Kinder werden Personen unter 18 Jahren definiert. Außerdem sieht die Verfassung vor, dass beide Ehepartner einer Eheschließung freiwillig zustimmen müssen. Trotzdem ist die Kinderehe verbreitet. In ländlichen Gebieten verheiraten Eltern ihre Töchter manchmal schon im Alter von zwölf Jahren. Insgesamt wurden 45% der Frauen im Alter von 20-24 Jahren bereits mit 18 Jahren, 8% bereits im Alter von 15 Jahren verheiratet (USDOS 3.3.2017).

Zu von der al Shabaab herbeigeführten Zwangsehen kommt es auch weiterhin (SEMG 8.11.2017), allerdings nur in den von al Shabaab kontrollierten Gebieten (DIS 3.2017; vgl. USDOS 3.3.2017). Das Ausmaß ist unklar. Manchmal werden die Eltern der Braut bedroht. Zwangsehen der al Shabaab in städtischen Zentren sind nicht bekannt (DIS 3.2017). Die Gruppe nutzt zusätzlich das System der Madrassen (Religionsschulen), um potentielle Bräute für die eigenen Kämpfer zu identifizieren (SEMG 8.11.2017). Immer mehr junge Frauen werden radikalisiert und davon angezogen, eine "Jihadi-Braut" werden zu können (SEMG 8.11.2017; vgl. BFA 8.2017).

Al Shabaab setzt Frauen - manchmal auch Mädchen - zunehmend operativ ein, etwa für den Waffentransport in und aus Operationsgebieten; für die Aufklärung und zur Überwachung (SEMG 8.11.2017); oder als Selbstmordattentäterinnen (DIS 3.2017).

Sowohl im Zuge der Anwendung der Scharia als auch bei der Anwendung traditionellen Rechtes sind Frauen nicht in Entscheidungsprozesse eingebunden (USDOS 3.3.2017). Zudem gelten die aus der Scharia interpretierten Regeln des Zivilrechts und Strafrechts, die Frauen tendenziell benachteiligen bzw. einem (übersteigerten) paternalistischen Ansatz folgen. Für Frauen gelten entsprechend andere gesetzliche Maßstäbe als für Männer. So erhalten beispielsweise Frauen nur 50% der männlichen Erbquote. Bei der Tötung einer Frau ist im Vergleich zur Tötung eines Mannes nur die Hälfte des an die Familie des Opfers zu zahlenden "Blutgeldes" vorgesehen (AA 1.1.2017; vgl. USDOS 3.3.2017). Erwachsene Frauen und viele minderjährige Mädchen werden zur Heirat gezwungen (AA 1.1.2017). Insgesamt gibt es hinsichtlich der grundsätzlich diskriminierenden Auslegungen der zivil- und strafrechtlichen Elemente der Scharia keine Ausweichmöglichkeiten, die aus der Scharia interpretierten Regeln des Zivil- und Strafrechts gelten auch in Puntland und Somaliland. Gleichwohl gibt es politische Ansätze, die mittel- bis langfristig eine Annäherung des Status von Mann und Frau anstreben. In den von der al Shabaab kontrollierten Gebieten werden die Regeln der Scharia in extremer Weise angewandt - mit der entsprechenden weitergehenden Diskriminierung von Frauen als Folge (AA 1.1.2017).

Eigentlich wären für das Parlament 30% Sitze für Frauen vorgesehen. Bis zur Neuwahl des Parlaments stellten diese aber nur 14% von 275 Abgeordneten (USDOS 3.3.2017; vgl. UNSC 9.5.2017). Im neuen Unterhaus und im Oberhaus des Parlaments stellen Frauen nunmehr 24% der Abgeordneten. 23% der Mitglieder des Ministerkabinetts sind Frauen (UNSC 9.5.2017; vgl. UNHRC 6.9.2017). 13 von 54 Abgeordneten im Oberhaus sind Frauen (NLMBZ 11.2017). Im Ältestenrat von Puntland war noch nie eine Frau vertreten, im 66sitzigen Repräsentantenhaus sind es zwei, es gibt auch zwei Ministerinnen (USDOS 3.3.2017).

Generell haben Frauen nicht die gleichen Rechte, wie Männer, und sie werden systematisch benachteiligt (USDOS 3.3.2017). Frauen leiden unter schwerer Ausgrenzung und Ungleichheit in den Bereichen Gesundheit, Bildung und Beschäftigungsmöglichkeiten (ÖB 9.2016), und unter Diskriminierung bei Kreditvergabe, Bildung und Unterbringung. Laut einem Bericht einer somaliländischen Frauenorganisation aus dem Jahr 2010 besaßen dort nur 25% der Frauen Vieh, Land oder anderes Eigentum. Allerdings werden Frauen beim Besitz und beim Führen von Unternehmen nicht diskriminiert - außer in den Gebieten der al Shabaab (USDOS 3.3.2017).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (1.1.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia

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A - Sicherheitsanalyseabteilung (2.2017): Sicherheitsbericht im Februar 2017

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BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, http://www.bfa.gv.at/files/berichte/FFM%20Report_Somalia%20Sicherheitslage_Onlineversion_2017_08_KE_neu.pdf, Zugriff 13.9.2017

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DIS - Danish Immigration Service/Danish Refugee Council (3.2017):

South and Central Somalia Security Situation, al-Shabaab Presence, and Target Groups. Report based on interviews in Nairobi, Kenya, 3 to 10 December 2016,

https://www.nyidanmark.dk/NR/rdonlyres/57D4CD96-E97D-4003-A42A-C119BE069792/0/South_and_Central_Somalia_Report_March_2017.pdf, Zugriff 21.11.2017

-

HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - Somalia, http://www.ecoi.net/local_link/334750/476503_de.html, Zugriff 14.9.2017

-

NLMBZ - (Niederlande) Ministerie von Buitenlandse Zaken (11.2017):

Algemeen Ambtsbericht Zuid- en Centraal- Somalië, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1512376193_correctie-aab-zuid-en-centraal-somalie-2017-def-zvb.pdf, Zugriff 10.1.2018

-

ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi (9.2016): Asylländerbericht Somalia

-

SEM - Staatssekretariat für Migration (Schweiz) (31.5.2017): Focus Somalia - Clans und Minderheiten, https://www.sem.admin.ch/dam/data/sem/internationales/herkunftslaender/afrika/som/SOM-clans-d.pdf, Zugriff 22.11.2017

-

SEMG - Somalia and Eritrea Monitoring Group (8.11.2017): Report of the SEMG on Somalia,

https://www.un.org/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/2017/924, Zugriff 14.11.2017

-

UNHRC - UN Human Rights Council (6.9.2017): Report of the independent expert on the situation of human rights in Somalia http://www.refworld.org/docid/59c12bed4.html, Zugriff 11.11.2017

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UNSC - UN Security Council (5.9.2017): Report of the Secretary-General on Somalia,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1505292097_n1726605.pdf, Zugriff 8.11.2017

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UNSC - UN Security Council (9.5.2017): Report of the Secretary-General on Somalia,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1496910356_n1712363.pdf, Zugriff 10.11.2017

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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Somalia, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2016&dlid=265300, Zugriff 13.9.2017

Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Somalia: IFA Mogadischu, Frauen vom 09.01.2014

1. Inwieweit hat man als volljährige Frau, ohne Familienbezug in der Hauptstadt Mogadishu, die Möglichkeit, sich selbstständig eine Existenz aufzubauen?

Quellenlage/Quellenbewertung

Es liegen mehrere Quellen zur Bewertung der Frage vor, ob Personen ohne Anknüpfungspunkte (Clan, Familie o.Ä.) nach Mogadischu zurückkehren können bzw. ob und für wen Mogadischu eine IFA darstellen kann.

UNHCR vertritt die eigenen Konventionen, Guidelines und Regelwerke.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte veröffentlichte ein Urteil. Dieses wurde von den Richtern im Senat mit 5:2 gefällt.

Der Bericht des UN-Generalsekretärs erscheint periodisch und befasst sich mit der Situation in Somalia im Berichtszeitraum.

Die Quellen im Bericht von DIS/Landinfo sind teils anonymisiert, es kann jedoch aufgrund der Standards der beiden Institutionen davon ausgegangen werden, dass die Quellen gewissenhaft und nach internationalen Maßstäben ausgewählt worden sind.

Die OGN stellen eine Policy der britischen Asylbehörde dar. Das darin zitierte Urteil der britischen Berufungsbehörde ist ein sog. "Benchmark-Urteil".

Zusammenfassung

Grundsätzlich rangiert laut UN und britischer Behörde Somalia an zweiter Stelle der schlimmsten Staaten für Frauen. Die somalische Gesellschaft ist auf eine Diskriminierung der Frauen ausgerichtet, Gewalt gegen Frauen in der Kultur verankert. Trotzdem gibt es zahlreiche Haushalte, in welchen die Frau den Unterhalt für die Familie verdient - etwa als Kleinhändler im städtischen Bereich. Laut UN-Generalsekretär bleiben die Anstrengungen der Regierung, um die Gewalt gegen Frauen und Mädchen einzudämmen, gering.

Der EGMR unterstreicht, dass es den Vertragsstaaten vorbehalten ist, eine Interne Fluchtalternative (IFA) festzustellen. Allerdings müssen dafür einige Dinge gegeben sein: Die Person muss das fragliche Gebiet erreichen können; sie muss im fraglichen Gebiet aufgenommen werden; sie muss sich dort niederlassen können.

Die britischen OGN beinhalten Auszüge aus einem Benchmark-Urteil der britischen Berufungsinstanz, in welchem darauf hingewiesen wird, dass Frauen v.a. im städtischen Bereich bei Vorhandensein von Clan- und Familienunterstützung eine IFA finden können. Allerdings gibt es einige Frauen, die von einer IFA unverhältnismäßig hart getroffen würden. Die - u.a. humanitären - Umstände vor Ort sind zu berücksichtigen.

Der UNHCR erklärt, dass eine IFA für Mogadischu nur dann als annehmbar erachtet werden kann, wenn die fragliche Person ausreichend Unterstützung durch die Kern- oder die erweiterte Familie in Anspruch nehmen kann und wenn gleichzeitig Clanschutz im Ort der Rückführung gegeben ist. UNHCR erachtet bei einer Absenz ausreichender Unterstützung durch die Kern- oder erweiterte Familie bei gleichzeitigem Clanschutz eine IFA in Mogadischu für folgende Personengruppen nicht als gegeben:

* Unbegleitete Minderjährige oder Jugendliche mit dem Risiko einer Zwangsrekrutierung und anderer schwerer Verstöße;

* Junge Männer mit dem Risiko, als Sympathisanten der al Shabaab erachtet und dementsprechend durch Sicherheitskräfte der Regierung drangsaliert zu werden;

* Ältere Menschen;

* Menschen mit physischen oder psychischen Behinderungen;

* Alleinstehende oder alleinerziehende Frauen ohne männlichen Schutz, vor allem Angehörige von Minderheitenclans.

Angehörige der Diaspora können ungehindert nach Mogadischu zurückkehren und tun dies auch. Es gibt diesbezüglich keine Diskriminierung. Die Rückkehrer aus der Diaspora verfügen meist über ausreichend Ressourcen. UNHCR ergänzt, dass aber einige dieser "Rückkehrer" Somalia auch schon wieder verlassen haben.

Auch aus den direkten Nachbarländern kehren Flüchtlinge nach Somalia zurück. Ähnliche Bewegungen gibt es innerhalb des Landes, wo IDPs in ihre Heimat zurückkehren.

Quellen im Bericht von DIS/Landinfo erklären, dass eine Person, die nach Mogadischu zurückkehrt, auf Kontaktpersonen oder Familienverbindungen bzw. ein Netz in Mogadischu angewiesen ist. Quellen im Bericht von DIS/Landinfo erklären, dass eine Person, die nach Mogadischu zurückkehrt, auf Kontaktpersonen oder Familienverbindungen angewiesen ist. UNHCR erläutert, dass jeder Rückkehrer auf ein Netzwerk angewiesen ist, um in der Stadt überleben zu können. Dies betrifft jedenfalls unbegleitete Minderjährige oder Jugendliche mit dem Risiko einer Zwangsrekrutierung und anderer schwerer Verstöße; junge Männer mit dem Risiko, als Sympathisanten der al Shabaab erachtet und dementsprechend durch Sicherheitskräfte der Regierung drangsaliert zu werden; ältere Menschen; Menschen mit physischen oder psychischen Behinderungen; alleinstehende oder alleinerziehende Frauen ohne männlichen Schutz, vor allem Angehörige von Minderheitenclans.

UNHCR erklärt weiter, dass Neuankömmlinge in der Stadt, die weder über Clan- noch über Familienbeziehungen verfügen, schnell in das Visier der Sicherheitskräfte kommen können.

Der UNHCR stellt fest, dass die Rückkehrer in ein städtisches Gebiet, sofern kein vordefinierter Zugang zu Unterkunft oder Broterwerb vorliegt, und wo die Person über keine ausreichenden Unterstützungsnetzwerke verfügt, sich diese Person in jener Situation wiederfinden wird, in der sich die IDPs befinden. Daher muss die bereits vorhandene Anzahl an IDPs (in Mogadischu 336.000-360.000) und deren Situation berücksichtigt werden, wenn eine Rückführung nach Mogadischu angedacht wird. Es mangelt bereits jetzt an grundlegenden Ressourcen (u.a. Land und Trinkwasser). Der UNHCR berichtet hinsichtlich der IDPs in Mogadischu von:

körperlicher Gewalt; Einschränkung der Bewegungsfreiheit;

Einschränkung des Zugangs zu Nahrung und Unterkunft;

Diskriminierung. Zusätzlich leiden die IDPs gemäß UN-Generalsekretär und UNHCR unter unvorbereiteten Delogierungen und damit einhergehend oftmals Entzug der Lebensgrundlage. Unter den Zwangsdelogierten befinden sich laut UN-Generalsekretär auch Waisenkinder, alleinerziehende Mütter, und Behinderte.

Mehrere Quellen bei DIS/Landinfo teilen die Ansicht, wonach die IDPs in Mogadischu eine gefährdete Gruppe sind.

Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung sind in Mogadischu laut UNHCR weit verbreitet. Folglich können viele Menschen ihre Grundbedürfnisse nicht abdecken.

Laut UN-Generalsekretär bleiben die humanitären Bedürfnisse trotz einiger Verbesserungen enorm, das Erreichte fragil. Die Zahl der Personen in Krisen- oder Notsituation sank ca. 870.000. Weitere 2,3 Millionen Menschen ringen damit, auch nur minimale Nahrungsbedürfnisse zu stillen. Die Unterernährungsraten bleiben hoch: 206.000 Kinder unter fünf Jahren sind akut unterernährt.

Humanitäre Kräfte helfen den Familien, ihre Grundbedürfnisse zu stillen. Dabei liegt das Hauptaugenmerk auf dem Broterwerb, auf der Vieh- und Landwirtschaft. Die FAO, UNICEF und das WFP haben Infrastruktur wieder hergestellt (z.B. Bewässerungssysteme). In den ersten neun Monaten des Jahres 2013 profitierten 35.000 Haushalte von einem Geld-für-Arbeit-Programm. Im Berichtszeitraum half das WFP ca. 853.000 Menschen pro Monat [u.a. mit Nahrungsmittelhilfe].

Mehrere Quellen im Bericht von DIS/Landinfo gehen davon aus, dass Clanschutz in Mogadischu nicht mehr von hoher Relevanz ist. Vor allem aber die IDP-Frauen von Minderheiten leiden unter sexueller Gewalt und Vergewaltigung [Anm.: Anzunehmen ist, dass alle in Mogadischu nicht stark vertretenen Clans als - lokale - Minderheiten zu erachten sind]. Die sexuelle Gewalt grassiert selbst in von der Regierung geführten IDP-Lagern.

Andere Quellen im gleichen Bericht widersprechen und erklären, dass der Clanschutz immer noch eine gewichtige Rolle spielt. Auch der UNHCR geht davon aus, dass gerade hinsichtlich des Schutzes einer Person der Clan in Mogadischu nach wie vor von großer Relevanz ist.

Dem EGMR ist bewusst, dass die Menschenrechts- und Sicherheitslage in Mogadischu gegenwärtig ernst, fragil und oftmals unberechenbar ist. Allerdings übt al Shabaab keine Kontrolle mehr über die Stadt aus; gibt es keine Frontkämpfe und keinen Artilleriebeschuss mehr;

ging die Zahl ziviler Opfer zurück;

Folglich erkennt der EGMR, dass die gegenwärtige Situation in Mogadischu keine solche ist, in welcher jede Person in der Stadt einer ernsten Gefahr gemäß Artikel 3 der Konvention ausgesetzt wäre.

Einzelquellen

Der EGMR unterstreicht, dass es den Vertragsstaaten vorbehalten ist, eine Interne Fluchtalternative festzustellen. Allerdings müssen dafür einige Dinge gegeben sein: Die Person muss das fragliche Gebiet erreichen können; sie muss im fraglichen Gebiet aufgenommen werden; sie muss sich dort niederlassen können.

Dem EGMR ist bewusst, dass die Menschenrechts- und Sicherheitslage in Mogadischu gegenwärtig ernst, fragil und oftmals unberechenbar ist. Allerdings übt al Shabaab keine Kontrolle mehr über die Stadt aus; gibt es keine Frontkämpfe und keinen Artilleriebeschuss mehr;

ging die Zahl ziviler Opfer zurück;

Folglich erkennt der EGMR, dass die gegenwärtige Situation in Mogadischu keine solche ist, in welcher jede Person in der Stadt einer ernsten Gefahr gemäß Artikel 3 der Konvention ausgesetzt wäre.

Die Sicherheitslage in Mogadischu bleibt relativ instabil. AMISOM und somalische Sicherheitskräfte müssen fast täglich in und außerhalb von Mogadischu mit Attacken rechnen.

Es kommt weiterhin zu Zwangsdelogierungen von IDPs in Mogadischu. Die Vertriebenen werden ohne vorherige Planung in andere Lager gebracht. Damit erhöht sich ihre Gefährdung bezgl.

Menschenrechtsverletzungen - auch hinsichtlich sexueller Gewalt.

Unter den Zwangsdelogierten befinden sich auch Waisenkinder, alleinerziehende Mütter, und Behinderte.

Die Anstrengungen der Regierung, um die Gewalt gegen Frauen und Mädchen einzudämmen blieben gering. Aus dem ganzen Land gibt es zahlreiche Berichte zu Vergewaltigungen. 30-50 Prozent der Opfer sind Kinder.

Trotz einiger Verbesserungen bleiben die humanitären Bedürfnisse enorm, das Erreichte fragil. Zum ersten Mal seit fünf Jahren sank die Zahl der Personen, die sich direkt in Krisen- oder Notsituationen befinden auf unter eine Million auf ca. 870.000. Weitere 2,3 Millionen Mensc

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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