TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/19 W242 2205845-1

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Veröffentlicht am 19.09.2018
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Entscheidungsdatum

19.09.2018

Norm

AsylG 2005 §5
B-VG Art.133 Abs4
FPG §61

Spruch

W242 2205845-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Heumayr als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX alias XXXX XXXX XXXX alias XXXX, geb. XXXX alias XXXX, Staatsangehörigkeit Liberia alias Guinea, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH und die Volkshilfe Flüchtlings- und Migrantinnenbetreuung GmbH, Wien 17., Wattgasse 48/3, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX, Zl. XXXX, zu Recht:

I.) Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.

II.) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

A.) Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, seinen Angaben zu Folge ein Staatsangehöriger Liberias alias Guineas, stellte am XXXX den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).

Aus der eingeholten VIS Abfrage ergab sich, dass dem Beschwerdeführer ein vom 27.05.2018 bis zum 15.06.2018 gültiges französisches Visum erteilt wurde.

Anlässlich seiner am XXXX durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes durchgeführten niederschriftlichen Erstbefragung, gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, über Liberia und Elfenbeinküste nach Frankreich eingereist zu sein. Dort habe er sich lediglich zwei Tage aufgehalten und sei dann nach Österreich weitergereist.

Dem Beschwerdeführer wurde noch am selben Tag eine Mitteilung gem. § 28 Abs. 2 AsylG ausgefolgt, mit der er über die Führung von Konsultationen mit Frankreich im Dublin-Verfahren informiert wurde.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl trat am 04.06.2018 an die zuständige Dublin-Behörde Frankreichs heran und übermittelte ein auf Art. 12 Abs. 2 der Verordnung (EU) 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrag auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO), gestütztes Aufnahmegesuch.

Mit Schreiben vom 03.08.2018 teilte die französische Dublin-Behörde mit, dass diese dem Aufnahmegesuch hinsichtlich des Beschwerdeführers nach Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO zustimmen würde.

Dem Beschwerdeführer wurde am 14.08.2018 mittels Verfahrensanordnung gemäß § 29 Abs. 3 AsylG 2005 die beabsichtigte Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz aufgrund der angenommenen Zuständigkeit Frankreichs mitgeteilt.

Der Beschwerdeführer wurde am 20.08.2018 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl unter Beiziehung eines Dolmetschers für die englische Sprache und unter Anwesenheit eines Rechtsberaters niederschriftlich einvernommen. Die Einvernahme wurde nach kurzer zeit aufgrund von Verständigungsproblemen abgebrochen.

Am 31.08.2018 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Fulla und unter Anwesenheit eines Rechtsberaters erneut einer niederschriftlichen Einvernahme unterzogen, wobei er im Wesentlichen angab er nicht mehr zu wissen was er am 20.08.2018 gesagt habe. Begründend führte er dazu aus, dass er am Vortag zu viel getrunken habe und deshalb geistig nicht ganz stabil gewesen zu sein. Er stamme ursprünglich aus Guinea, habe aber in Liberia gelebt. Er sei in Liberia Geschäftsmann gewesen und habe sich zu diesem Zweck liberianische Papiere mit einer neuen Identität besorgt. Seinen Reisepass habe er entsorgt. Er habe in der EU keine Verwandten und sonstige Nahebeziehungen. Er habe im März dieses Jahres in Guinea an einem Protestmarsch teilgenommen, bei dem Personen getötet und Geschäfte geplündert worden wären. Er sei dann nach Frankreich geflohen, wo er sich auch nicht sicher gefühlt habe, da Frankreich ein beliebtes Ziel für Personen aus Guinea sei.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies den vom Beschwerdeführer gestellten Antrag auf internationalen Schutz mit Bescheid vom XXXX, ohne in die Sache einzutreten, gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurück und stellte fest, dass Frankreich gemäß Art. 12 Abs. 2 der Dublin III-VO zuständig sei. Unter einem erließ es gemäß § 61 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG 2005) eine Anordnung zur Außerlandesbringung und stellte fest, dass demzufolge die Abschiebung nach Frankreich gemäß § 61 Abs. 2 FPG 2005 zulässig sei.

Zu den Verhältnissen in Frankreich wurde vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl folgendes festgestellt (durch das Bundesverwaltungsgericht gekürzt wiedergegeben):

"Allgemeines zum Asylverfahren

Es existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlicher Beschwerdemöglichkeit (OFPRA 31.10.2017; vgl. AIDA 2.2017, USDOS 3.3.2017 für weitere Informationen siehe dieselben Quellen).

Quellen:

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AIDA - Asylum Information Database (2.2017): Country Report:

France,

http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/reportdownload/aida_fr_2016update.pdf, Zugriff 24.1.2018

-

OFPRA - Office français de protection des réfugiés et apatrides (31.10.2017): Demander l'asile en France, https://www.ofpra.gouv.fr/fr/asile/la-procedure-de-demande-dasile/demander-l-asile-en-france, Zugriff 24.1.2018

-

USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - France, https://www.ecoi.net/local_link/337141/479905_de.html, Zugriff 24.1.2018

Dublin-Rückkehrer

Anträge von Dublin-Rückkehrern werden wie jeder andere Asylantrag behandelt. Kommt der Betreffende aus einem sicheren Herkunftsstaat, wird das beschleunigte Verfahren angewandt. Hat der Rückkehrer bereits eine endgültig negative Entscheidung der 2. Instanz (CNDA) erhalten, kann er einen Folgeantrag stellen, so dieser neue Elemente enthält. Dublin-Rückkehrer werden wie normale Asylwerber behandelt und haben daher denselben Zugang zu Unterbringung im regulären bzw. beschleunigten Verfahren wie diese (AIDA 2.2017).

Wenn Dublin-Rückkehrer am Flughafen Roissy - Charles de Gaulle ankommen, erhalten die Rückkehrer von der französischen Polizei ein Schreiben, an welche Präfektur sie sich wegen ihres Asylverfahrens zu wenden haben. Dann werden sie zunächst an die Permanence d'accueil d'urgence humanitaire (PAUH) verwiesen. Das ist eine humanitäre Aufnahmeeinrichtung des französischen Roten Kreuzes, die im Bereich des Flughafens tätig ist. Es kann ein Problem darstellen, wenn die zuständige Präfektur weit entfernt liegt, denn die Rückkehrer müssen die Anfahrt aus eigenem bestreiten. Es gibt dafür keine staatliche Hilfe und auch die PAUH hat nicht die Mittel sie dabei zu unterstützen. In Paris und Umgebung wiederum kann man sich nicht direkt an die Präfekturen wenden, sondern muss den Weg über die sogenannten Orientierungsplattformen gehen, die den Aufwand für die Präfekturen mindern sollen, aber mitunter zu Verzögerungen von einigen Wochen in der Antragsstellung führen können. Viele der Betroffenen wenden sich daher an das PAUH um Hilfe bei der Antragstellung und Unterbringung. Einige andere Präfekturen registrieren die Anträge der Rückkehrer umgehend und veranlassen deren Unterbringung durch das Büros für Immigration und Integration (OFII). In Lyon am Flughafen Saint-Exupéry ankommende Rückkehrer haben dieselben Probleme wie jene, die in Paris ankommen (AIDA 2.2017).

Im Falle der Übernahme von vulnerablen Dublin-Rückkehrern muss die französische Behörde vom jeweiligen Mitgliedsstaat mindestens einen Monat vor Überstellung informiert werden, um die notwendigen Vorkehrungen treffen zu können. Je nach medizinischem Zustand, kann der Dublin-Rückkehrer mit speziellen Bedürfnissen bei Ankunft medizinische Betreuung erhalten. Auch Dublin-Rückkehrer, haben generell Zugang zur staatlichen medizinischen Versorgung (MDI 10.10.2017).

Quellen:

-

AIDA - Asylum Information Database (2.2017): Country Report:

France,

http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/reportdownload/aida_fr_2016update.pdf, Zugriff 24.1.2018

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Ministére de l¿intérieur - Direction générale des étrangers en France - Chef du Département de l'accès à la procédure d'asile (10.10.2017): Auskunft per E-Mail

Non-Refoulement

Menschenrechtsgruppen kritisieren regelmäßig die strikt dem Gesetz folgende Abschiebepraxis Frankreichs (USDOS 3.3.2017).

Quellen:

-

USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - France, https://www.ecoi.net/local_link/337141/479905_de.html, Zugriff

Versorgung

Laut Asylgesetz sind die materiellen Aufnahmebedingungen allen Asylwerbern (inkl. beschleunigtes und Dublin-Verfahren) anzubieten. Die Verteilung von Asylwerbern erfolgt zentral, parallel werden regionale Vorschriften definiert und von den Präfekten in jeder Region umgesetzt. Asylwerber im Dublin-Verfahren unterliegen jedoch einer Einschränkung: sie haben keinen Zugang zu CADA-Einrichtungen und leben in der Praxis oft auf der Straße oder in besetzten Häusern. Dublin-Rückkehrer hingegen werden behandelt wie reguläre Asylwerber und haben daher denselben Zugang zu Unterbringung im regulären bzw. beschleunigten Verfahren wie diese. Die nationalen Aufnahmestrukturen liegen in der Zuständigkeit des Französischen Büros für Immigration und Integration (Office français de l'immigration et de l'intégration - OFII). Es wurde eine Beihilfe für Asylwerber (Allocation pour demandeurs d'asile - ADA) eingeführt, welche die vorherige monatliche Zahlung (Allocation Mensuelle de Subsistance - AMS) bzw. die temporäre Wartezeitzulage (Allocation Temporaire d'Attente - ATA) ersetzt (AIDA 2.2017). Die Höhe der ADA hängt von verschiedenen Faktoren wie die Art der Unterkunft, Alter, Anzahl der Kinder usw. ab. Asylwerber erhalten in der Regel eine monatliche finanzielle Unterstützung/Gutscheine in der Höhe von 204 Euro. Ein zusätzlicher Tagessatz wird an Asylwerber ausgezahlt, die Unterbringungsbedarf haben, aber nicht über das nationale Aufnahmesystem aufgenommen werden können (AIDA 2.2017).

Seit April 2017 beträgt der tägliche Kostenzuschuss für Unterkunft 5,40 Euro (FTA 4.4.2017). Es wird jedoch kritisiert, dass die Empfänger der ADA in der Praxis mit Problemen (z.B. Verzögerungen bei der Auszahlung, intransparente Berechnung usw.) konfrontiert sind (AIDA 2.2017).

Asylwerber haben Zugang zum Arbeitsmarkt, wenn OFPRA ihren Asylantrag innerhalb von neun Monaten nicht entschieden und diese Verzögerung nicht vom Antragssteller verschuldet wurde (AIDA 2.2017).

Quellen:

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AIDA - Asylum Information Database (2.2017): Country Report:

France,

http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/reportdownload/aida_fr_2016update.pdf , Zugriff 24.1.2018

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FTA - France terre d'asile (4.4.2017): L'Allocation pour demandeur d'asile revalorisée de 1,20€,

http://www.france-terre-asile.org/actualites/actualites/actualites-choisies/lallocation-pour-demandeur-d-asile-revalorisee-de-1-20, Zugriff 24.1.2018

Unterbringung

In Frankreich gibt es 303 Unterbringungszentren für Asylwerber (Centre d'Accueil pour Demandeurs d'Asile - CADA) mit rund 34.000 Plätzen, ein spezielles Zentrum für UMA, zwei Transitzentren mit 600 Plätzen, 262 Notunterbringungen mit rund 18.000 Plätzen, sowie eine nicht näher genannte Anzahl an privaten Unterbringungsplätzen. Damit verfügt das Land über etwa 56.000 Unterbringungsplätze (AIDA 2.2017).

Der Zugang zu Unterbringung erweist sich in der Praxis jedoch als sehr kompliziert. Bei der Zuweisung zur CADA muss mit längerer Wartezeit gerechnet werden, die je nach Region zwischen 51 bis 101 Tage beträgt. In Paris gibt es auch Beispiele dafür, dass Asyl gewährt wurde, ohne dass die Personen jemals Zugang zu Unterbringung gehabt hätten. Berichten zufolge reichen die derzeitigen Unterbringungsplätze der CADA nicht aus (AIDA 2.2017). Die Schaffung weiterer Unterbringungsplätze (insgesamt 12.500 Plätze davon 7.500 in CADA) ist in den nächsten zwei Jahren geplant (FRC 12.1.2018; vgl. FRC 22.12.2017).

Im Oktober 2016 wurde die informelle Siedlung in Calais, der sog. Dschungel, geräumt, in der tausende von Migranten und Asylsuchende (laut AI mehr als 6.500 Personen, laut USDOS 5.600) lebten. Man brachte 5.243 Bewohner in Erstaufnahmelager (CAO) in ganz Frankreich und stellte ihnen Informationen über das Asylverfahren zur Verfügung (AI 2.22.2017; vgl. AI 1.6.2017, USDOS 3.3.2017, AIDA 2.2017). Trotzdem leben noch etwa 350 bis 600 Migranten unter prekären Bedingungen in und um Calais. Großbritannien und Frankreich wollen die Sicherheit an der gemeinsamen Grenze jedoch verbessern. Der französische Präsident und die britische Premierministerin unterzeichneten dazu im Januar 2018 ein neues Abkommen (Zeit 19.1.2018).

Trotz der Bestrebungen der lokalen Behörden und Interessenvertreter bleiben viele Migranten und Asylwerber weiterhin obdachlos und leben landesweit in illegalen Camps (AIDA 2.2017).

Quellen:

-

AI - Amnesty International (2.22.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - France, http://www.ecoi.net/local_link/336482/479137_de.html, Zugriff 24.1.2018

-

AI - Amnesty International (1.6.2017): France: At a crossroads:

Amnesty International submission for the UN Universal Periodic Review, 29th session of the UPR Working Group, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1503902006_eur2167922017english.pdf, Zugriff 24.1.2018

-

AIDA - Asylum Information Database (2.2017): Country Report:

France,

http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/reportdownload/aida_fr_2016update.pdf, Zugriff 24.1.2018

-

FRC - Forum Réfugiés Cosi (12.1.2018): Réforme de l'asile : le raccourcissement des délais ne doit pas se faire au détriment des conditions d'accès à la protection, http://www.forumrefugies.org/s-informer/communiques/reforme-de-l-asile-leraccourcissement-des-delais-ne-doit-pas-se-faire-au-detriment-des-conditions-d-acces-ala-protection, Zugriff 24.1.2018

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FRC - Forum Réfugiés Cosi (22.12.2017): Asile et Immigration :

Forum réfugiés-Cosi salue l'ouverture par le Premier ministre d'une consultation et alerte sur plusieurs enjeux, http://www.forumrefugies.org/s-informer/communiques/asile-et-immigration-forumrefugies-cosi-salue-l-ouverture-par-le-premier-ministre-d-une-consultation-et-alerte-surplusieurs-enjeux, Zugriff 24.1.2018

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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - France, https://www.ecoi.net/local_link/337141/479905_de.html, Zugriff 24.1.2018

-

Zeit (19.1.2018): May und Macron verschärfen Grenzschutz, http://www.zeit.de/politik/ausland/2018-01/grossbritannien-theresa-may-emmanuelmacron-calais-frankreich-grenzschutz-sandhurst, Zugriff 29.1.2018

Medizinische Versorgung

Am 1. Januar 2016 wurde in Frankreich der neue allgemeine Krankenversicherungsschutz (protection universelle maladie - PUMA) eingeführt. Deren medizinischen Leistungen können Asylwerber im ordentlichen, aber auch im Schnell- und im Dublinverfahren in Anspruch nehmen, sobald sie die Bestätigung über ihr laufendes Asylverfahren erhalten (Cleiss 2017; vgl. AIDA 2.2017, Ameli 12.10.2017). Bei PUMA besteht Beitragsfreiheit, wenn das jährliche Einkommen pro Haushalt unter 9.534 Euro liegt (AIDA 2.2017). In Frankreich besteht generell die Möglichkeit, eine Zusatzversicherung abzuschließen, um die Gesundheitsausgaben zu decken, die nicht von der Pflichtversicherung übernommen werden. Einkommensschwachen Personen kommt jedoch kostenfrei ein Allgemeiner Zusatzkrankenschutz (couverture maladie universelle complémentaire - CMU-C) zu, der die vollständige Kostenübernahme von Leistungen sichert (Cleiss 2017; vgl. Ameli 15.11.2017, RSB o.D.). Dies kann auch von Asylwerbern in Anspruch genommen werden (Ameli 12.10.2017). Weiters besteht die Möglichkeit für illegale Einwanderer nach drei Monaten Aufenthalt in Frankreich, von der sogenannten staatlichen medizinische Hilfe (aide médicale de l'état - AME) zu profitieren, selbst wenn andere Sozialleistungen reduziert oder entzogen worden sein sollten (AIDA 2.2017; vgl. Le Fonds CMU 2.5.2017, Ameli 13.10.2017). Neben Personen mit einem niedrigen Einkommen können auch Asylwerber die in Krankenhäusern eingerichteten Bereitschaftsdienste zur ärztlichen Versorgung der Bedürftigsten (permanences d'accès aux soins de santé - PASS) in Anspruch nehmen, während sie auf den Zugang zu CMU oder AME warten. Obwohl gesetzlich vorgeschrieben ist, dass alle Krankenhäuser die PASS anbieten müssen, ist das in der Praxis nicht immer der Fall (AIDA 2.2017).

Zugang zu mentaler Gesundheitsversorgung wird von der Gesetzgebung nicht explizit erwähnt, Asylwerber können aber im Rahmen der PUMA oder AME theoretisch psychiatrische oder psychologische Hilfe in Anspruch nehmen. Viele Therapeuten nehmen jedoch keine nicht-frankophonen Patienten. Traumatisierte oder Opfer von Folter können sich von einigen NGOs betreuen lassen, die sich speziell diesen Themen widmen, z.B. Primo Levi in Paris oder die Osiris-Zentren in Marseille, Mana in Bordeaux, das Forum réfugiés-Cosi Essor-Zentrum in Lyon oder Awel in La Rochelle. Die Zahl dieser spezialisierten Zentren in Frankreich ist aber gering und ungleich verteilt und kann den wachsenden Bedarf nicht decken (AIDA 2.2017).

Die Mitarbeiter der CADA sind verpflichtet, innerhalb von 15 Tagen nach Ankunft im Unterbringungszentrum eine ärztliche Untersuchung durchzuführen (AIDA 2.2017).

Im Falle der Ablehnung des Asylantrags haben Personen ein Jahr lang ab der Ausstellung des negativen Beschieds Anspruch auf medizinische Versorgung bei Krankheiten oder Mutterschaft, solange sie sich weiterhin in Frankreich aufhalten (Ameli 12.10.2017).

Quellen:

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AIDA - Asylum Information Database (2.2017): Country Report:

France,

http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/reportdownload/aida_fr_2016update.pdf, Zugriff 24.1.2018

-

Ameli - L'Assurance Maladie (12.10.2017): Vous êtes demandeur d'asile,

https://www.ameli.fr/assure/droits-demarches/europe-international/protection-socialefrance/demandeur-dasile, Zugriff 24.1.2018

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Ameli - L'Assurance Maladie (13.10.2017): Aide médicale de l'État (AME) : vos démarches,

https://www.ameli.fr/assure/droits-demarches/situationsparticulieres/ situation-irreguliere-ame, Zugriff 24.1.2018

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Ameli - L'Assurance Maladie (15.11.2017): CMU complémentaire :

conditions et démarches,

https://www.ameli.fr/assure/droits-demarches/difficultesfinancieres/complementaire-sante/cmu-complementaire, Zugriff 24.1.2018

-

Cleiss - Centre des liaisons européennes et internationales de sécurité sociale (2017): Das französische Sozialversicherungssystem, http://www.cleiss.fr/docs/regimes/regime_france/al_1.html, Zugrif 24.1.2018

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Le Fonds CMU - Fonds de financement de la protection complémentaire de la couverture universelle du risque maladi (2.5.2017): Are you an undocumented immigrant?, http://www.cmu.fr/undocumented-immigrant.php, Zugriff 24.1.2018

-

RSB - Rosny sous-Bois (o.D.): ACS - AME - CMU-C - PUMA, http://www.rosny93.fr/ACS-AME-CMU-C-PUMA, Zugriff 24.1.2018

-

USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - France, https://www.ecoi.net/local_link/337141/479905_de.html, Zugriff 24.1.2018"

Begrünend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Wesentlichen aus, dass sich die Zuständigkeit Frankreichs aufgrund der Tatsache, dass der Beschwerdeführer mit einem französischen Visum in das Gebiet der Mitgliedstaaten eingereist sei und Frankreich der Aufnahme zugestimmt habe, ergeben würde. Umstände, die einer Überstellung entgegenstünden, würden nicht vorliegen.

Der nunmehr angefochtene Bescheid wurde dem Beschwerdeführer mit einer Verfahrensanordnung über die amtswegig erfolgte Beigebung eines Rechtsberaters gemäß § 52 Abs. 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) zugestellt.

Mit Schreiben vom 12.09.2018 erhob der Beschwerdeführer fristgerecht gegenständliche Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, womit der Bescheid vollinhaltlich angefochten wurde. Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass sich der Beschwerdeführer in Frankreich, aufgrund der Möglichkeit von politischen Gegnern erkannt zu werden, nicht sicher fühlen würde. Weiters wurde allgemein zur Unterbringungssituation von Asylwerbern in Frankreich ausgeführt.

B.) Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Identität und die Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers können nicht festgestellt werden. Er verfügte über ein vom 27.05.2018 bis zum 15.06.2018 gültiges französisches Visum, mit dem er von Liberia über die Elfenbeinküste und Frankreich nach Österreich gereist ist, wo er am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Am 04.06.2018 richtete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein auf Art. 12 Abs. 2 der Dublin III-VO gestütztes Aufnahmegesuch an Frankreich. Mit Schreiben vom 03.08.2018 stimmte die französische Dublin-Behörde dem Aufnahmegesuch gemäß Art. 12 Abs. 2 der Dublin III-VO zu.

Der Beschwerdeführer hat keine Verwandten innerhalb der Europäischen Union. Relevante soziale oder berufliche Anknüpfungspunkte liegen im Bundesgebiet nicht vor. Der Beschwerdeführer leidet an keinen relevanten gesundheitlichen Beeinträchtigungen.

Die oben wiedergegebenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides zur Situation in Frankreich werden der Entscheidung des erkennenden Gerichts zu Grunde gelegt.

Konkretes Vorbringen hinsichtlich einer individuellen Gefährdung durch eine Überstellung wurde nicht vorgebracht. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Überstellung nach Frankreich, insbesondere wegen drohender Kettenabschiebungen und fehlender adäquater Unterbringung, Gefahr liefe, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr ausgesetzt zu werden.

2. Beweiswürdigung:

Die Identität des Beschwerdeführers kann mangels geeigneter identitätsbezeugender Dokumente nicht festgestellt werden. Hinzu kommt, dass er selbst vorbringt sich in Liberia geeignete Papiere besorgt und eine neue Identität zugelegt zu haben, um dort Geschäfte machen zu können. Es ist daher davon auszugehen, dass er sich auch für die Reise nach Europa geeignete Dokumente organisiert hat, weshalb seine Angaben zu seiner Identität und zu seiner Herkunft nicht glaubhaft sind. Die Feststellungen zum Reiseweg beruhen auf den dahingehend glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers, die durch die vorliegende VIS Abfrage untermauert werden. Frankreich stimmte der Aufnahme des Beschwerdeführers zu. Es ist daher davon auszugehen, dass in Frankreich eine entsprechende Prüfung stattgefunden hat, weshalb kein Zweifel an der Erteilung eines Visums und die Einreise über Frankreich bestehen.

Die mängelfreie Durchführung des Konsultationsverfahrens ergibt sich aus der entsprechenden Dokumentation im Verwaltungsakt.

Die Feststellungen zu familiären, sozialen und beruflichen Anknüpfungspunkten beruhen auf den dahingehend glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers. Hinsichtlich relevanter gesundheitlicher Probleme wurde vom Beschwerdeführer kein Vorbringen erstattet, weshalb von seiner Gesundheit auszugehen ist und keine der Überstellungen entgegenstehenden gesundheitlichen Probleme angenommen werden.

Der Beschwerdeführer brachte im Zuge seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vor, sich zwei Tage in Frankreich aufgehalten und dort keine Probleme gehabt zu haben. Er fürchte jedoch in Frankreich von Personen aus Guinea erkannt zu werden, da Frankreich dort ein beliebtes Reiseziel sei. Im Gegensatz dazu brachte er bei seiner Erstbefragung vor, dass er fürchte, dass Personen aus Guinea gezielt nach Frankreich geschickt werden würden, um ihn zu töten. Schon aufgrund dieses Widerspruches erscheint sein dahingehendes Vorbringen unglaubhaft. Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer zu seinem Reiseweg angab, vor ca. 10 Jahren von Guinea nach Liberia ausgereist zu sein. Von dort sei er nach Elfenbeinküste, wo er sich ca. drei Wochen bis zu seiner Abreise nach Frankreich aufgehalten habe. Auch in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl versuchte er zu belegen, dass er vor langer Zeit aus Guinea ausgereist sei. Er brachte in diesem Zusammenhang nie vor nach Guinea zurückgekehrt zu sein, weshalb die Behauptung im März dieses Jahres dort an einem Protestmarsch teilgenommen zu haben nicht glaubhaft ist. Daraus resultiert zwangsläufig, dass auch die behauptete Gefährdung, in Frankreich von Personen aus Guinea erkannt bzw. getötet zu werden, nicht glaubhaft ist.

Hinsichtlich des in Frankreich etablierten Asylsystems ergeben sich aus den dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegenden Länderinformationen keine Hinweise auf grobe systematische Mängel. Somit war durch das Bundesverwaltungsgericht, insbesondere in Bezug auf die Durchführung des Asylverfahrens, die Versorgung und die Sicherheitslage der Schutzsuchenden den Feststellungen der Verwaltungsbehörde zu Folgen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Die maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen lauten:

Asylgesetz 2005:

§ 5. (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.

...

(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

§ 10. (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

...

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

...

BFA-Verfahrensgesetz:

§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

...

§ 21. ...

(6a) Unbeschadet des Abs. 7 kann das Bundesverwaltungsgericht über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde, der diese von Gesetz wegen nicht zukommt (§ 17) oder der diese vom Bundesamt aberkannt wurde (§ 18), und über Beschwerden gegen zurückweisende Entscheidungen im Zulassungsverfahren ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung entscheiden.

(7) Eine mündliche Verhandlung kann unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Fremdenpolizeigesetz:

§ 61. (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder

...

(2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.

(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.

(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird.

Verordnung (EU) 604/2013:

Artikel 3

Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz

(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.

(2) Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig.

Erweist es sich als unmöglich, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat, die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann.

Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.

(3) Jeder Mitgliedstaat behält das Recht, einen Antragsteller nach Maßgabe der Bestimmungen und Schutzgarantien der Richtlinie 32/2013/EU in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen.

Artikel 7

Rangfolge der Kriterien

(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.

(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.

(3) Im Hinblick auf die Anwendung der in den Artikeln 8, 10 und6 genannten Kriterien berücksichtigen die Mitgliedstaaten alle vorliegenden Indizien für den Aufenthalt von Familienangehörigen, Verwandten oder Personen jeder anderen verwandtschaftlichen Beziehung des Antragstellers im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, sofern diese Indizien vorgelegt werden, bevor ein anderer Mitgliedstaat dem Gesuch um Aufnahme- oder Wiederaufnahme der betreffenden Person gemäß den Artikeln 22 und 25 stattgegeben hat, und sofern über frühere Anträge des Antragstellers auf internationalen Schutz noch keine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist.

Artikel 12

Ausstellung von Aufenthaltstiteln oder Visa

(1) Besitzt der Antragsteller einen gültigen Aufenthaltstitel, so ist der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel ausgestellt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

(2) Besitzt der Antragsteller ein gültiges Visum, so ist der Mitgliedstaat, der das Visum erteilt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, es sei denn, dass das Visum im Auftrag eines anderen Mitgliedstaats im Rahmen einer Vertretungsvereinbarung gemäß Artikel 8 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft (1) erteilt wurde. In diesem Fall ist der vertretene Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

(3) Besitzt der Antragsteller mehrere gültige Aufenthaltstitel oder Visa verschiedener Mitgliedstaaten, so sind die Mitgliedstaaten für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz in folgender Reihenfolge zuständig:

a) der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel mit der längsten Gültigkeitsdauer erteilt hat, oder bei gleicher Gültigkeitsdauer der Mitgliedstaat, der den zuletzt ablaufenden Aufenthaltstitel erteilt hat;

b) der Mitgliedstaat, der das zuletzt ablaufende Visum erteilt hat, wenn es sich um gleichartige Visa handelt;

c) bei nicht gleichartigen Visa der Mitgliedstaat, der das Visum mit der längsten Gültigkeitsdauer erteilt hat, oder bei gleicher Gültigkeitsdauer der Mitgliedstaat, der das zuletzt ablaufende Visum erteilt hat.

(4) Besitzt der Antragsteller nur einen oder mehrere Aufenthaltstitel, die weniger als zwei Jahre zuvor abgelaufen sind, oder ein oder mehrere Visa, die seit weniger als sechs Monaten abgelaufen sind, aufgrund deren er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, so sind die Absätze 1, 2 und 3 anwendbar, solange der Antragsteller das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht verlassen hat. Besitzt der Antragsteller einen oder mehrere Aufenthaltstitel, die mehr als zwei Jahre zuvor abgelaufen sind, oder ein oder mehrere Visa, die seit mehr als sechs Monaten abgelaufen sind, aufgrund deren er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, und hat er die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten nicht verlassen, so ist der Mitgliedstaat zuständig, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wird.

(5) Der Umstand, dass der Aufenthaltstitel oder das Visum aufgrund einer falschen oder missbräuchlich verwendeten Identität oder nach Vorlage von gefälschten, falschen oder ungültigen Dokumenten erteilt wurde, hindert nicht daran, dem Mitgliedstaat, der den Titel oder das Visum erteilt hat, die Zuständigkeit zuzuweisen. Der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel oder das Visum ausgestellt hat, ist nicht zuständig, wenn nachgewiesen werden kann, dass nach Ausstellung des Titels oder des Visums eine betrügerische Handlung vorgenommen wurde.

Artikel 17

Ermessensklauseln

(1) Abweichend von Artikel 3 Absatz 1 kann jeder Mitgliedstaat beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist.

Der Mitgliedstaat, der gemäß diesem Absatz beschließt, einen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen. Er unterrichtet gegebenenfalls über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet worden ist, den zuvor zuständigen Mitgliedstaat, den Mitgliedstaat, der ein Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder den Mitgliedstaat, an den ein Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch gerichtet wurde.

Der Mitgliedstaat, der nach Maßgabe dieses Absatzes zuständig wird, teilt diese Tatsache unverzüglich über Eurodac nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 mit, indem er den Zeitpunkt über die erfolgte Entscheidung zur Prüfung des Antrags anfügt.

(2) Der Mitgliedstaat, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden ist und der das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder der zuständige Mitgliedstaat kann, bevor eine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist, jederzeit einen anderen Mitgliedstaat ersuchen, den Antragsteller aufzunehmen, aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, um Personen jeder verwandtschaftlichen Beziehung zusammenzuführen, auch wenn der andere Mitgliedstaat nach den Kriterien in den Artikeln 8 bis 11 und 16 nicht zuständig ist. Die betroffenen Personen müssen dem schriftlich zustimmen.

Das Aufnahmegesuch umfasst alle Unterlagen, über die der ersuchende Mitgliedstaat verfügt, um dem ersuchten Mitgliedstaat die Beurteilung des Falles zu ermöglichen.

Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt alle erforderlichen Überprüfungen vor, um zu prüfen, dass die angeführten humanitären Gründe vorliegen, und antwortet dem ersuchenden Mitgliedstaat über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet wurde, innerhalb von zwei Monaten nach Eingang des Gesuchs. Eine Ablehnung des Gesuchs ist zu begründen.

Gibt der ersuchte Mitgliedstaat dem Gesuch statt, so wird ihm die Zuständigkeit für die Antragsprüfung übertragen.

Artikel 18

Pflichten des zuständigen Mitgliedstaats

(1) Der nach dieser Verordnung zuständige Mitgliedstaat ist verpflichtet:

a) einen Antragsteller, der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat, nach Maßgabe der Artikel 21, 22 und 29 aufzunehmen;

b) einen Antragsteller, der während der Prüfung seines Antrags in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;

c) einen Drittstaatsangehörigen oder einen Staatenlosen, der seinen Antrag während der Antragsprüfung zurückgezogen und in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;

d) einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, dessen Antrag abgelehnt wurde und der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen.

(2) Der zuständige Mitgliedstaat prüft in allen dem Anwendungsbereich des Absatzes 1 Buchstaben a und b unterliegenden Fällen den gestellten Antrag auf internationalen Schutz oder schließt seine Prüfung ab.

Hat der zuständige Mitgliedstaat in den in den Anwendungsbereich von Absatz 1 Buchstabe c fallenden Fällen die Prüfung nicht fortgeführt, nachdem der Antragsteller den Antrag zurückgezogen hat, bevor eine Entscheidung in der Sache in erster Instanz ergangen ist, stellt dieser Mitgliedstaat sicher, dass der Antragsteller berechtigt ist, zu beantragen, dass die Prüfung seines Antrags abgeschlossen wird, oder einen neuen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen, der nicht als Folgeantrag im Sinne der Richtlinie 2013/32/EU behandelt wird. In diesen Fällen gewährleisten die Mitgliedstaaten, dass die Prüfung des Antrags abgeschlossen wird.

In den in den Anwendungsbereich des Absatzes 1 Buchstabe d fallenden Fällen, in denen der Antrag nur in erster Instanz abgelehnt worden ist, stellt der zuständige Mitgliedstaat sicher, dass die betreffende Person die Möglichkeit hat oder hatte, einen wirksamen Rechtsbehelf gemäß Artikel 46 der Richtlinie 2013/32/EU einzulegen.

Artikel 21

Aufnahmegesuch

(1) Hält der Mitgliedstaat, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, einen anderen Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags für zuständig, so kann er so bald wie möglich, auf jeden Fall aber innerhalb von drei Monaten nach Antragstellung im Sinne von Artikel 20 Absatz 2, diesen anderen Mitgliedstaat ersuchen, den Antragsteller aufzunehmen.

Abweichend von Unterabsatz 1 wird im Fall einer Eurodac-Treffermeldung im Zusammenhang mit Daten gemäß Artikel 14 der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 dieses Gesuch innerhalb von zwei Monaten nach Erhalt der Treffermeldung gemäß Artikel 15 Absatz 2 jener Verordnung gestellt.

Wird das Gesuch um Aufnahme eines Antragstellers nicht

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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