Entscheidungsdatum
25.09.2018Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W142 2157096-1/14E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Dr. Irene HOLZSCHUSTER als Einzelrichterin über die Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) des XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, vertreten durch Verein SUARA, betreffend seinen Antrag auf internationalen Schutz vom 02.07.2015, nach Durchführung von mündlichen Verhandlungen am 16.10.2017 und am 10.09.2018, zu Recht erkannt:
A)
I. Der Antrag des XXXX auf internationalen Schutz vom 02.07.2015 wird hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen.
II. Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 wird XXXX der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Somalia zuerkannt.
III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für die Dauer von einem Jahr erteilt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger Somalias, reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 02.07.2015 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Am 04.07.2015 fand vor Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes die Erstbefragung des BF im Beisein eines Dolmetschers, welcher in die Sprache Somalisch übersetzte, statt. Zu seinen persönlichen Verhältnissen befragt, gab der BF an, dass er in Marka, Somalia geboren worden sei. Er sei traditionell und standesamtlich verheiratet und bekenne sich zum muslimischen Glauben. Er gehöre der Volksgruppe der Asharaf an. Der BF habe fünf Jahre lang die Grundschule in Marka besucht. Er habe noch seine Eltern, seine Ehefrau, seine beiden Brüder und seine fünf Schwestern. Er habe seit seiner Kindheit gemeinsam mit seiner Familie als Flüchtling in einem Flüchtlingscamp im Jemen gelebt. Im Dezember 2014 sei er mit einem Flugzeug vom Jemen in die Türkei und weiter nach Europa gereist. Die Reise habe ein Schlepper organisiert und 6.000 USD gekostet.
Zu seinem Fluchtgrund brachte er vor, dass er seit seiner Kindheit gemeinsam mit seiner Familie als Flüchtling in einem Camp im Jemen lebe. Auch im Jemen herrsche jetzt Krieg. Deshalb sei er nach Europa geflüchtet. Befragt, was er bei einer Rückkehr befürchte, gab er an, zu Somalia keinen Bezug zu haben. In den Jemen wolle er keinesfalls zurück.
3. Am 15.02.2017 langte beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) eine Säumnisbeschwerde gemäß Art.-130 Abs. 1 Z 3 B-VG ein. Es wurde begründend ausgeführt, dass sein Verfahren seit mehr als 15 Monaten anhängig sei und über seinen Antrag bis dato nicht entschieden worden sei. Es werde daher beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge in Stattgabe der Säumnisbeschwerde in der Sache selbst erkennen und dem BF Asyl, gegebenenfalls subsidiären Schutz gewähren.
4. Am 15.05.2017 wurde der Akt dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.
5. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 16.10.2017 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch und im Beisein eines Rechtsvertreters des BF eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der das Bundesamt nicht teilnahm.
Der BF brachte wie folgt vor:
[...]
R: Sprechen Sie Somali?
BF: Nein. Ich spreche kein Somali. Ich spreche Arabisch.
Die Dolmetscherin für Somalia verlässt den Verhandlungssaal um 11:25 Uhr.
R: Sie haben angegeben, somalischer Staatsangehöriger zu sein. Haben Sie Dokumente, die dies belegen?
BF: Ich habe keine Dokumente, die das belegen, ich wurde in Somalia geboren und ich bin im Jemen aufgewachsen.
R: Das heißt, Sie haben keine Geburtsurkunde?
BF: Nein.
R: Wo sind Sie in Somalia geboren?
BF: Ich weiß es wirklich nicht. Ich kann mich nicht erinnern. Ich war sehr jung, als ich von dort weggegangen bin.
[...]
R: Wo leben Ihre Eltern?
BF: Ich habe mit meinen Eltern vor einem Monat oder ca. 2 Monaten das letzte Mal gesprochen. Sie haben gesagt, dass sie aus dem Jemen aufbrechen.
R: Haben Sie Ihre Eltern telefonisch kontaktiert?
BF: Ja.
[...]
R: Wohin wollen Ihre Eltern aufbrechen?
BF: Sie sagten, entweder nach Ägypten oder nach Jordanien.
R: Anhand der Informationen, die ich habe, gehe ich davon aus, dass Sie kein Staatsangehöriger von Somalia sind. Welche Staatsangehörigkeit besitzen Sie?
BF: Ich bin Somalier. Ich komme aus Merca. Wir sind eine eigene ethnische Gruppe.
R: Was ist das für eine besondere ethnische Gruppe?
BF: Wir sind ein kleines Dorf. Man nennt uns auch Ashraf al Qabila (siehe Beilage A).
R: Welchem Clan gehören Sie an?
BF: Was meinen Sie mit Clan?
R: In Somalia gibt es viele verschiedene Clans. Wenn Sie aus Somalia sind, müssten Sie darüber Bescheid wissen.
BF: Ich bin sehr klein aus Somalia weg. Ich weiß nichts über Somalia. Ich kann Ihnen auch nicht viel sagen.
R: Haben Ihnen Eltern nichts über Somalia erzählt, vor allem nicht, welchem Clan Sie angehören?
BF: Das sind vom Dorf Merca die Clans, von denen mir meine Eltern erzählt haben. Ashraf Ben Hassan, Ashraf Ben Alawi und Asharaf Shengani. Ich bin von Ashraf Ben Hassan.
D: Ashraf al Qobila heißt "einer der Ashraf des Dorfes".
D: Ashraf heißt: "Die Ehrbaren".
R: Haben Sie eine Schule besucht?
BF: Wo?
R: Ich habe Sie gefragt, ob Sie eine Schule besucht haben?
BF: Ich habe die Schule im Jemen besucht und zwar fünf Jahre.
R: Wo im Jemen?
BF: In Hudeida.
R: Haben Sie sonst noch wo eine Schule besucht?
BF: Nein.
R: Können Sie mir die Jahreszahlen angeben, von wann bis wann Sie die Schule besucht haben?
BF: Von 2000 bis 2005.
R: Was haben Sie nach diesen 5 Jahren gemacht, haben Sie eine weitere Schulausbildung gemacht oder haben Sie gearbeitet?
BF: Ich habe meinen Vater bei seiner Arbeit unterstützt. Mein Vater war Fahrer und ich habe ihm dabei geholfen.
R: Warum haben Sie bei der Erstbefragung angegeben, dass Sie 5 Jahre in Marka, gemeint Merca, in Somalia die Schule besucht haben?
BF: Ich habe die Schulausbildung in Merca nicht erwähnt. Ich habe Merca nicht erwähnt. Ich habe mich damals mit der Dolmetscherin nicht unterhalten können. Ich habe gesagt, ich verstehe dich nicht.
BFV: Bei der ersten Einvernahme war die Dolmetscherin nicht aus Somalia. Sie kam aus Tansania. Ihre Muttersprache war nicht Somalia. Sie hätte Somali zumindest in Österreich verbessert oder gelernt.
R: Wieso haben Ihre Eltern Somalia verlassen? Was war der Grund?
BF: Sie sind wegen dem Krieg aus Somalia weg.
R: Haben Ihre Eltern gesagt, wann Sie Somalia verlassen haben?
BF: Nein.
R: Haben Sie Geschwister?
BF: Ja.
R: Welche Geschwister haben Sie?
BF: Ich habe 2 Brüder und 5 Schwestern.
[...]
R: Wo genau liegt das Flüchtlingscamp im Jemen?
BF: Ich habe in keinem Flüchtlingslager gelebt.
R: Sie haben in der Erstbefragung mitgeteilt, dass Sie in einem Flüchtlingscamp gelebt haben. Nunmehr teilen Sie mit, in keinem Flüchtlingscamp gelebt zu haben.
BF: Ich konnte mich mit der Dolmetscherin nicht verstehen. Es gab keine Kommunikation. Sie hat mir auch die Niederschrift nicht rückübersetzt.
R: Wieso haben Sie dann das Protokoll der Erstbefragung auf jeder Seite unterschrieben?
BF: Ich wusste es nicht. Hätte ich gewusst, was da drinnen steht, hätte ich es sicher nicht unterschrieben.
R: Wo haben Sie dann im Jemen gelebt? Können Sie mir die genaue Adresse angeben?
BF: Ich habe in der Stadt Al-Hudaida, in der Straße XXXX (siehe Beilage C) gelebt.
R: Gibt es da auch Straßennummern?
BF: Nein, es gibt nur Straßennamen.
R: Ihre Eltern und Geschwister leben an dieser Adresse?
BF: Ja. An der gleichen Adresse.
R: Können Sie mir den Namen der Schule nennen, die Sie besucht haben?
BF: Im Al-Nour-Institut.
R: Al-Hudaida, ist das eine große Stadt? Können Sie mir diese Stadt näher beschreiben?
BF: Es ist keine große Stadt. Es liegt an der Küste, es gibt einen Strand und das Meer dort. Es kommt an dritter Stelle nach der Hauptstadt, es ist kein großes Gebiet bzw. Stadt. Es ist eher eine kleinere Stadt.
R: Wie weit ist Al-Hudaida von der Hauptstadt im Jemen entfernt?
BF: 4 Stunden mit dem Auto.
R: Wieso haben Sie dann den Jemen verlassen?
BF: Ich habe den Jemen verlassen, aus dem Grund, weil ich persönlich bedroht wurde von den Huthi.
R: Wie wurden Sie bedroht?
BF: Ich war Busfahrer.
R: Mit welchem Bus sind Sie gefahren?
BF: Ich bin mit sogenannten High-Bussen von der Marke Toyota gefahren.
R: Sind Sie bei einer Firma angestellt gewesen?
BF: Ich hatte einen Bus gemietet.
R: Waren Sie selbständiger Busfahrer?
BF: Ja. Ich habe selbständig den Bus angemietet und ich habe ihn gefahren.
[...]
R: Was würde Ihnen passieren, wenn Sie nach Somalia reisen würden?
BF: Wie soll ich in Somalia leben, ohne jegliche Familie dort zu haben und ohne dort gelebt zu haben?
R: Sind Sie damit einverstanden, dass weitere Ermittlungsschritte getätigt werden in Bezug auf Ihre Staatsangehörigkeit und Ihren Aufenthalt im Jemen?
BF: Ich bin damit einverstanden, dass weitere Ermittlungsschritte gemacht werden, auch in Bezug auf meinen Aufenthalt im Jemen.
BFV: Welche Staatsangehörigkeiten besitzen die Nachbarn, in Bezug auf die Adresse, wo Sie im Jemen gelebt haben?
BF: Sie sind Jemeniten.
BFV: Welche Sprache haben Sie in der Familie gesprochen?
BF: Unseren speziellen merkanischen Dialekt, der in Merka gesprochen wird.
BFV: Von wo kommt dieser Dialekt her?
BF: Das merkanische Dorf hat diesen Dialekt.
BFV: Wo ist dieses Dorf?
BF: In Merka, bei Ashraf Ben Hassan.
BFV: Wo liegt dieses Dorf?
BF: In Somalia.
BFV: Ich beantrage nicht eine Sprachanalyse, sondern eine Bestätigung, dass diese Sprache von diesem Dorf ist und ob diese Sprache in diesem Dorf gesprochen wird.
R: Sonst noch eine Frage?
BFV: Nein.
R: Sind Sie verheiratet?
BF: Ja.
R: Wo lebt die Ehefrau?
BF: In England bzw. Britannien.
R: Wie heißt die Ehefrau?
BF: XXXX .
Der BFV legt eine Kopie der Adresse der Ehefrau in London vor (Beilage E)
R: Seit wann sind Sie verheiratet?
BF: Ich habe am 14. Juli 2011 geheiratet.
R: Und wo?
BF: Im Jemen.
R: Ihre Frau besitzt welche Staatsangehörigkeit?
BF: Sie trägt die englische Staatsbürgerschaft. Ich habe in meinem Handy ein Foto von ihrem Reisepass.
R: Wo ist Ihre Ehefrau geboren?
BF: Sie ist in Somalia geboren, in Merca.
[...]
Die Verhandlung wurde auf unbestimmte Zeit vertagt."
6. Mit Schreiben vom 30.07.2018 wurden der BF und das BFA zu einer weiteren mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 10.09.2018 geladen.
7. In weiterer Folge brachte der BF einen Fristsetzungsantrag gem. Art. 133 Abs. 1 Z 2 B-VG ein. Mit Verfahrensleitender Anordnung des VwGH vom 14.08.2018 wurde dem Bundesverwaltungsgericht aufgetragen die Entscheidung binnen drei Monaten zu erlassen.
8. Das Bundesverwaltungsgericht stellte eine Anfrage an das Sprachanalyseinstitut " XXXX ". Es wurde angefragt, ob es in Merka (Somalia) einen speziellen Dialekt gebe und wie der Name dieses Dialektes laute.
9. Am 24.08.2018 langte die Antwort des Sprachanalyseinstitutes beim Bundesverwaltungsgericht ein. Es wurde ausgeführt, dass in der Stadt Marka und in den benachbarten Dörfern Ashraaf-Dialekte von Somali gesprochen werden würden. Lauten ihren Analysen werde dieser Dialekt hauptsächlich von Mitgliedern der Clans Ashraaf, Duruqbo und Shaanshi gesprochen. Ashraaf-Dialekte würden auch im Shaangani-Gebiet in Mogadischu verwendet werden, aber die Sprecher dieser Dialekte seien in den letzten Jahren in der Region weniger bekannt gewesen. Da diese Dialekte hauptsächlich in und um Marka gesprochen werden würden, würden sie sie gewöhnlich "Af-marka" nennen.
10. Am 10.09.2018 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprachen Arabisch sowie Somalisch und im Beisein eines Rechtsvertreters des BF eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der das BFA nicht teilnahm.
Der BF brachte wie folgt vor:
[...]
RI: Haben Sie neue oder aktuelle Dokumente, die Ihre Staatsangehörigkeit bestätigen?
BFV legt eine Kopie der Heiratsurkunde vor (siehe Beilage./A), der BF gibt an, wie in der letzten Verhandlung, bereits gesagt, mit einer britischen Staatsangehörigen verheiratet zu sein. [...]
BFV: Der BF spricht die Sprache May. Dadurch ist klar nachgewiesen, dass er somalischer Staatsbürger ist, weil er diese Sprache sonst nicht sprechen würde. Ich weiß schon, dass die D kein Gutachter ist„ der May spricht.
RI: Bei der letzten Verhandlung haben sie angegeben nur Arabisch zu sprechen, weshalb die Somali Dolmetscherin die Verhandlung verlassen hat. Wieso sagen Sie heute, dass Sie May sprechen?
BF: Ich spreche Arabisch, sowie auch meine Muttersprache, die Merkasprache in Somalia. Die D gibt an, dass die Merkasprache eine Variante von May ist bzw. ähnlich ist. [...]
RI: Sie sprechen ausschließlich die Maysprache?
BF: Ich spreche die Merkasprache, die den Ashrafs zugehörig ist.
RI: Sprechen Sie nun die Merkasprache oder die Maysprache?
BF: Die Merkasprache.
RI: Wieso haben Sie vorhin gesagt, Sie sprechen ausschließlich die Maysprache.
BF: Ich meinte, ich spreche die Merkasprache.
Die D gibt an, feststellen zu können, ob der BF die Merkasprache sprechen kann oder nicht. Die D gibt an, Merka zu verstehen. Die Merkasprache und die Maysprache sind Somalisprachen. Ein Somalia, der aus dem Norden stammt, kann diese Merkasprache nicht verstehen und kommt demjenigen diese Sprache völlig fremd vor. Somalia, die aus dem Süden stammen und vor allem Kontakte zu den Ashrafs haben, kennen diese Merkasprache und können diese zumindest verstehen.
RI: Erzählen Sie mir, was Sie hier in Österreich machen und das in der Merkasprache.
BF: Ich habe hier eine Schule besucht, ich habe für die Gemeinde gearbeitet.
D: Ich habe mit ihm auf Arabisch gesprochen und der BF hat in Merka geantwortet.
RI: Sie haben für die Gemeinde gearbeitet, was haben Sie für die Gemeinde gearbeitet?
BF antwortet in Merka: Hilfstätigkeiten habe ich gemacht, Dinge transportiert.
RI: Haben Sie hier in Österreich Verwandte?
BF antwortet in Merka: Ich habe nur Freund hier. Zwei Asharafs und der Freund, der hinter mir sitzt.
RI: Haben Sie hier Deutschkurse besucht?
BF antwortet in Merka: Ja, habe ich. Ich habe die Bestätigungen für die Arbeit, die ich gemacht habe mit.
BF legt Integrationsunterlagen vor, diese werden in Kopie als Beilage./B zum Akt genommen.
RI: Ihre Ehefrau lebt in London. Wollen Sie zu Ihrer Ehefrau?
BF antwortet in Merka: Ja, sie lebt in London. Ich möchte zusammen mit meiner Frau leben.
RI: Wenn Sie jetzt nach Somalia reisen müssten, was würden Sie befürchten?
BF antwortet in Merka: Ich habe in Somalia niemanden mehr, ich weiß nicht wohin ich muss. Ich habe keinen Platz.
RI: Würden Sie sonst noch etwas in Somalia befürchten?
BF antwortet in Merka: In Somalia werden die Leute glauben, dass ich Araber bin. Ich kenne in Somalia niemanden und ich kenne mich dort auch nicht aus. Ich war klein, als ich weggebracht wurde.
RI: Haben Sie Verwandte in Somalia
BF antwortet in Merka: Nein, niemanden.
RI: Haben Sie schon eine Antwort auf Ihrem Handy bekommen, wo Ihre Verwandten derzeit im Jemen leben?
BF antwortet in Merka: Noch nicht. Sie haben die Nachricht noch nicht gelesen.
RI: Haben Sie einen Beruf erlernt?
BF antwortet in Merka: Meinen Sie hier in Österreich?
RI: Generell. Haben Sie etwas Gelernt?
BF antwortet in Merka: Ich war Busfahrer.
RI: Glauben Sie, dass Sie in Mogadishu leben könnten?
BF antwortet in Merka: Nein.
RI: Wieso nicht.
BF antwortet in Merka: Ich habe niemanden dort. Ich kenne mich nicht aus.
RI an BFV: Haben Sie eine Frage?
BFV: Nein, danke.
RI: Erörtert wird der Bericht des BFA, Somalia, Stand 03.05.2018.
Dazu gibt der BFV an: Die neuersten Ereignisse LIB Seite 6 sprechen von einer entspannten Situation im Bezug auf die Ernährungssicherheit und gleichdarauf wird angeführt, dass monatlich immer noch 1,8 Mio. Menschen humanitäre Hilfe benötigen. Er kann auch nicht durch humanitäre Organisationen Unterstützung finden. Darauf wird Verwiesen auf die Anfragebeantwortung Humanitäre Hilfe vom 11.07.2018 mit dem Link auf Seite 65, auf einem Spiegelartikel, wonach 90Prozent der internationalen Hilfe in fremden Taschen landen. UNHCR gibt eine Rückkehrhilfe von 200 USD im Monat, aber nur für sechs Monate. Der BF kann sich aber in Mogadishu, wo diese Hilfe ausgezahlt wird nicht niederlassen, da er nur die Merkasprache spricht. Die jungen Arbeitslosigkeit in Mogadishu beträgt 67 Prozent. Fremden können dort arbeiten, wenn sie ein soziales Netz haben, das ihnen die Arbeit organisiert. Die Gegend um Merka ist von Al Shabaab besetzt. Ich lege eine Grafik vor, diese wird als Beilage./C zum Akt genommen. Die Gegend rund Um Merka, ist nach der neuersten Karte der Ernährungssicherheit noch immer unter Stress. Ich lege einen Bericht des humanitärian Bulletin SOMALIA 05.09.2018 vor. Es ist eine Rückkehr nach Somalia nicht zumutbar und es wird internationaler Schutz beantragt.
RI: Wollen Sie noch etwas zur Situation in Ihrem Heimatland angeben?
BF: Nein.
[...]
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der BF ist Staatsangehöriger von Somalia, Zugehöriger des Clans der Ashraf und bekennt sich zum muslimischen Glauben.
Seine Identität steht nicht fest.
Der BF wurde in Somalia in Merka, in der Region Lower Shabelle geboren, verließ sein Herkunftsland jedoch bereits im Kindesalter und lebte fortan mit seiner Familie im Jemen. Im Dezember 2014 verließ er den Jemen und reiste schlepperunterstützt nach Österreich, wo er am 02.07.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
Der BF hat in Somalia keine Familienangehörigen und keine sozialen Kontakte.
Es kann nicht festgestellt werden, dass dem BF in Somalia eine an asylrelevante Merkmale knüpfende Verfolgung droht.
Festgestellt wird, dass der BF im Falle seiner Rückkehr nach Somalia aufgrund der instabilen und prekären Sicherheits- und Menschenrechtslage und der schwierigen allgemeinen Versorgungslage, Gefahr laufen würde, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK ausgesetzt zu sein.
Im Strafregisterauszug vom 25.09.2018 scheinen folgende
Verurteilungen auf:
XXXX 1.2. Relevante Länderberichte zur Situation in Somalia:
0. Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen
KI vom 3.5.2018: Überdurchschnittliche Niederschläge, bessere Versorgungssicherheit prognostiziert (betrifft: Abschnitt 21/Grundversorgung und Abschnitt 21.1/Dürresituation)
Schon in den vor der Gu-Regenzeit gemachten Prognosen zeichnete sich eine Entspannung der Situation ab, obwohl damals nur unterdurchschnittliche Regenmengen prognostiziert wurden. Anfang 2018 wurde für Februar-Juni 2018 prognostiziert, dass die Bevölkerung in folgende IPC-Stufen (Klassifizierung zur Sicherheit der Nahrungsmittelversorgung) einzuordnen sein wird: 56% Stufe 1 (minimal); 22% Stufe 2 (stressed); 18% Stufe 3 (crisis); 4% Stufe 4 (emergency); 0% Stufe 5 (famine). IDP-Lager in Südsomalia wurden durchwegs mit Stufe 3 IPC prognostiziert; Städte in Lower und Middle Shabelle, Bay und Jubaland mit Stufe 2; Mogadischu mit Stufe 1. Landesweit zeigt sich, dass die Bevölkerung in den Städten besser versorgt ist, als jene auf dem Lande (FAO 2018).
Verbesserungen bei Nahrungsmittelsicherheit und Ernährung sind auf die höhere Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln aus der Deyr-Ernte und aus der gestiegenen Milchproduktion zurückzuführen. Gleichzeitig wird die humanitäre Hilfe aufrechterhalten. Viele Haushalte können Nahrungsmittel mit von humanitären Akteuren zur Verfügung gestellten Geldmitteln oder Gutscheinen erwerben (FEWS 3.2018). Im ersten Quartal 2018 bezogen monatlich 1,84 Millionen Menschen humanitäre Hilfe. Im letzten Quartal 2017 waren es noch 2,5 Millionen gewesen. Insgesamt erreicht die Unterstützung rund 70% der Menschen die sich auf oder über Stufe 3 IPC befinden (FEWS 4.2018a). Auch im Jahr 2018 wird humanitäre Hilfe weiterhin in großem Ausmaß erforderlich sein (FEWS 3.2018).
Der bereits eingetretene Rückgang an Hunger ist auch im Vergleich der Daten der beiden Deyr-Regenzeiten 2016/17 und 2017/18 zu erkennen (FEWS 3.2018):
...
(FEWS 3.2018)
Nunmehr ist es im April 2018 in fast allen Landesteilen zu mittleren bis starken Regenfällen gekommen (FAO 27.4.2018). In fast ganz Somalia lag die Niederschlagsmenge der Gu-Regenzeit bis zum 20.4.2018 bei 200% des mehrjährigen Durchschnitts. Nur im Nordosten blieben die Niederschläge unterdurchschnittlich (FEWS 4.2018a). Allerdings werden die Niederschläge bis Juni weiter anhalten (FEWS 4.2018a; vgl. FAO 27.4.2018), auch wenn mit einem Rückgang der Niederschlagsmengen gerechnet wird (FEWS 4.2018a).
Für den Zeitraum Juni-September 2018 wurde eine deutliche Entspannung bei der Nahrungsmittelversorgung angekündigt. Nur noch für Hilfsorganisationen leicht zugängliche Gebiete im Nordwesten werden unter Stufe 4 IPC (emergency) eingestuft, der große Rest des Landes fällt in die Stufen 1-3, Süd-/Zentralsomalia gänzlich (bis auf IDP-Konzentrationen) in die Stufen 1-2 (FEWS 4.2018b).
Aufgrund der überdurchschnittlichen Niederschläge in der Gu-Regenzeit Anfang 2018 wird erwartet, dass sich die Versorgungssicherheit mit Nahrungsmitteln in einigen Teilen Südsomalias noch weiter verbessern wird, als zu Jahresbeginn bereits prognostiziert. Zwar wurden in von Überflutungen betroffenen Gebieten Teile der Ernte vernichtet, jedoch sind die Bedingungen insgesamt so günstig, dass mit einer überdurchschnittlichen Ernte zu rechnen ist (FEWS 4.2018b). Die Felder befinden sich in gutem Zustand. In der Landwirtschaft gibt es Arbeitsmöglichkeiten auf Normalniveau (FEWS 4.2018a).
In den meisten Gebieten haben sich Weidegründe und Wasserverfügbarkeit verbessert (FEWS 4.2018a; vgl. FEWS 4.2018b), der Zustand der Tiere hat sich normalisiert. Allerdings bleibt die durchschnittliche Herdengröße noch hinter dem Normalzustand zurück. Arme Nomaden in Nord- und Zentralsomalia werden weiterhin über zu wenig Vieh verfügen. Dort wird Stufe 3 IPC (crisis) vermutlich weiter vorherrschen (FEWS 4.2018b).
Die Entspannung wird auf Karten dokumentiert:
...
(FEWS 4.2018b)
Der Handelspreis für 1kg Sorghum ist in Baidoa im ersten Quartal 2018 um 37% eingebrochen, jener für 1kg Mais in Qoryooley um 32%. Auch bei armen Haushalten verbessert sich die Versorgungssicherheit mit Nahrungsmitteln, sie haben nun auf normalem Niveau Zugang zu Arbeit in der Landwirtschaft und die Nahrungsmittelpreise haben sich ebenfalls normalisiert. Mit dem Tageseinkommen können nunmehr 10-18kg lokalen Getreides erstanden werden - 20%-60% mehr als noch vor einem Jahr (FEWS 4.2018a).
Untenstehend findet sich die detaillierte Prognosekarte der Agentur FSNAU der FAO für die Monate 2-6/2018:
...
(FAO 2018)
Zusätzlich zu den Niederschlägen fließen aus dem äthiopischen Hochland beträchtliche Mengen Wasser zu (FEWS 4.2018a; vgl. FAO 27.4.2018). Dadurch kam es in einigen Gebieten zu Überschwemmungen. Belet Weyne war besonders stark betroffen, 70% der Haushalte mussten ihre Häuser verlassen. In Qoryooley waren es 250 Haushalte. Außerdem betroffen waren einige Dörfer in Middle Juba und im Bezirk Wanla Weyne. Auch einige landwirtschaftlich genutzte Gebiete in Bay, Lower Juba, Togdheer und Hiiraan wurden überflutet (FEWS 4.2018a). Die Pegel der Flüsse werden vermutlich weiter steigen. Bisher sind rund 630.000 Menschen von Sturzfluten oder Überschwemmung betroffen, ca. 215.000 haben ihre Häuser verlassen müssen (davon 180.000 im Gebiet Belet Weyne). Andererseits verlassen manche IDPs die Lager, um von den Niederschlägen in ihrer ursprünglichen Heimat zu profitieren (UN OCHA 2.5.2018).
Quellen:
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FEWS NET - Famine Early Warning Systems Network (4.2018a): Somalia
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Food Security Outlook Update, http://fews.net/east-africa/somalia/food-security-outlook-update/april-2018, Zugriff 2.5.2018
-
FEWS NET - Famine Early Warning Systems Network (4.2018b): Somalia
-
Food Security Outlook Update, http://fews.net/east-africa/somalia, Zugriff 2.5.2018
-
FEWS NET - Famine Early Warning Systems Network (3.2018): Somalia
-
Food Security Outlook February to September 2018, http://fews.net/east-africa/somalia/food-security-outlook/february-2018, Zugriff 2.5.2018
-
FAO FSNAU - Agentur der Food and Agriculture Organisation der UN (2018): IPC Map, http://www.fsnau.org/ipc/ipc-map, Zugriff 2.5.2018
-
FAO SWALIM (27.4.2018): Somalia Rainfall Forecast - Issued: 27 April 2018,
https://reliefweb.int/map/somalia/somalia-rainfall-forecast-issued-27-april-2018, Zugriff 2.5.2018
-
UN OCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (2.5.2018): OCHA Somalia Flash Update #3 - Humanitarian impact of heavy rains | 2 May 2018,
https://reliefweb.int/report/somalia/ocha-somalia-flash-update-3-humanitarian-impact-heavy-rains-2-may-2018, Zugriff 3.5.2018
1. Politische Lage
Das Gebiet von Somalia ist de facto in drei unterschiedliche administrative Einheiten unterteilt: a) Somaliland, ein 1991 selbstausgerufener unabhängiger Staat, der von der internationalen Gemeinschaft nicht anerkannt wird; b) Puntland, ein 1998 selbstausgerufener autonomer Teilstaat Somalias; c) das Gebiet südlich von Puntland, das Süd-/Zentralsomalia genannt wird (EASO 8.2014). Im Hinblick auf fast alle asylrelevanten Tatsachen ist Somalia in diesen drei Teilen zu betrachten (AA 1.1.2017).
Im Jahr 1988 brach in Somalia ein Bürgerkrieg aus, der im Jahr 1991 im Sturz von Diktator Siyad Barre resultierte. Danach folgten Kämpfe zwischen unterschiedlichen Clans, Interventionen der UN sowie mehrere Friedenskonferenzen (EASO 8.2014). Seit Jahrzehnten gibt es keine allgemeinen Wahlen auf kommunaler, regionaler oder zentralstaatlicher Ebene. Politische Ämter wurden seit dem Sturz Siad Barres 1991 entweder erkämpft oder unter Ägide der internationalen Gemeinschaft, hilfsweise unter Einbeziehung nicht demokratisch legitimierter traditioneller Strukturen (v.a. Clan-Strukturen) vergeben (AA 1.1.2017).
Im August 2012 endete die Periode der Übergangsregierung (BS 2016). Seit damals gibt es eine politische Entwicklung, die den Beginn einer Befriedung und Stabilisierung sowie eines Wiederaufbaus staatlicher Strukturen markiert. Am 1.8.2012 wurde in Mogadischu eine vorläufige Verfassung angenommen. Seitdem ist die Staatsbildung kontinuierlich vorangeschritten. Das im Dezember 2016 gewählte Parlament stellt dabei auch einen deutlichen demokratischen Fortschritt gegenüber dem 2012 gewählten Parlament dar. Während 2012 135 Clanälteste die Zusammensetzung bestimmten (AA 4.2017a; vgl. UNSC 5.9.2017), waren es 2016 über 14.000 Clan-Repräsentanten (UNHRC 6.9.2017) bzw. 13.000. Während die 54 Mitglieder des Oberhauses von den Parlamenten der Bundesstaaten gewählt wurden, wählten die o.g. Clan-Repräsentanten die 275 auf Clan-Basis ausgewählten Abgeordneten des Unterhauses (UNSC 9.5.2017).
Auch wenn es sich um keine allgemeine Wahl gehandelt hat, ist diese Wahl im Vergleich zu vorangegangenen Wahlen ein Fortschritt gewesen (DW 10.2.2017). Allerdings war auch dieser Wahlprozess problematisch, es gibt zahlreiche Vorwürfe von Stimmenkauf und Korruption (SEMG 8.11.2017). Im Februar 2017 wählte das neue Zweikammerparlament Mohamed Abdullahi Mohamed "Farmaajo" zum Präsidenten; im März bestätigte es Hassan Ali Kheyre als Premierminister (AA 4.2017a; vgl. UNSC 5.9.2017, SEMG 8.11.2017). Das Parlament bestätigte am 29.3.2017 dessen 69-köpfiges Kabinett (UNSC 9.5.2017).
Die Macht wurde friedlich und reibungslos an die neue Regierung übergeben (WB 18.7.2017). Somalia hat den Zustand eines failed state überwunden, bleibt aber ein fragiler Staat (AA 1.1.2017). Die Regierung stellt sich den Herausforderungen, welche Dürre und Sicherheit darstellen. Überhaupt hat die Regierung seit Amtsantritt gezeigt, dass sie dazu bereit ist, die Probleme des Landes zu beheben (UNSC 5.9.2017). Dabei mangelt es der Bundesregierung an Einkünften, diese sind nach wie vor von den wenigen in Mogadischu erzielten Einnahmen abhängig (SEMG 8.11.2017).
Außerdem wird die Autorität der Zentralregierung vom nach Unabhängigkeit strebenden Somaliland im Nordwesten sowie von der die Regierung aktiv bekämpfenden, radikal-islamistischen al Shabaab-Miliz in Frage gestellt. Außerdem gibt es aber keine flächendeckende effektive Staatsgewalt. Die vorhandenen staatlichen Strukturen sind fragil und schwach (AA 1.1.2017). Die föderale Regierung hat es bislang kaum geschafft, sich außerhalb Mogadischus durchzusetzen (ÖB 9.2016).
Allgemeine Wahlen sind für das Jahr 2020 (UNSC 9.5.2017) bzw. 2021 vorgesehen (UNSC 5.9.2017; vgl. UNNS 13.9.2017). Deren Durchführung wird aber maßgeblich davon abhängen, wie sich die Sicherheitslage entwickelt, ob sich Wahlkommissionen auch in den Bundesstaaten etablieren können und ob ein Verfassungsgericht eingerichtet wird (UNSC 5.9.2017).
Neue föderale Teilstaaten (Bundesstaaten)
Generell befindet sich das föderalistische System Somalias immer noch in einer frühen Phase und muss in den kommenden Jahren konsolidiert werden (UNSC 9.5.2017). Zwar gibt es in manchen Gebieten Verbesserungen bei der Verwaltung und bei der Sicherheit. Es ist aber ein langsamer Prozess. Die Errichtung staatlicher Strukturen ist das größte Problem, hier versucht die internationale Gemeinschaft zu unterstützen (BFA 8.2017).
Kaum ein Bundesstaat ist in der Lage, das ihm zugesprochene Gebiet tatsächlich unter Kontrolle zu haben. Bei den neu etablierten Entitäten reicht die Macht nur wenige Kilometer über die Städte hinaus (BFA 8.2017; vgl. NLMBZ 11.2017).
Während im Norden bereits die Gliedstaaten Somaliland und Puntland etabliert waren, begann mit dem international vermittelten Abkommen von Addis Abeba von Ende August 2013 der Prozess der Gliedstaatsgründung im weiteren Somalia, der nach der Gründung der Bundesstaaten Jubaland, South West State (SWS), Galmudug und Hirshabelle 2016 seinen weitgehenden Abschluss fand (AA 4.2017a). Offen ist noch der finale Status der Hauptstadtregion Benadir/Mogadischu (AA 4.2017a; vgl. UNSC 5.9.2017, BFA 8.2017).
Die Bildung der Bundesstaaten erfolgte im Lichte der Clan-Balance.
Rein technisch bedeutet dies: Galmudug und HirShabelle für die Hawiye; Puntland und Jubaland für die Darod; der SWS für die Rahanweyn; Somaliland für die Dir (BFA 8.2017).
Die Beziehungen zwischen der Bundesregierung und den Regierungen der Bundesstaaten sind angespannt, da es bei der Sicherheitsarchitektur und bei der Ressourcenverteilung nach wie vor Unklarheiten gibt (SEMG 8.11.2017). Außerdem hat der Schritt zur Föderalisierung zur Verschärfung von lokalen Clan-Spannungen beigetragen und eine Reihe gewalttätiger Konflikte ausgelöst. Die Föderalisierung hat zu politischen Kämpfen zwischen lokalen Größen und ihren Clans geführt (BS 2016). Denn in jedem Bundesstaat gibt es unterschiedliche Clankonstellationen und überall finden sich Clans, die mit der Zusammensetzung ihres Bundesstaates unzufrieden sind, weil sie plötzlich zur Minderheit wurden. Sie fühlen sich marginalisiert (BFA 8.2017).
Im Zuge der Föderalisierung Somalias wurden mehrere Teilverwaltungen (Bundesstaaten) neu geschaffen: Galmudug Interim Administration (GIA); die Jubaland Interim Administration (JIA); Interim South West State Administration (ISWA). Keine dieser Verwaltungen hat die volle Kontrolle über die ihr unterstehenden Gebiete (USDOS 3.3.2017). Außerdem müssen noch wichtige Aspekte geklärt und reguliert werden, wie etwa die Machtverteilung zwischen Bund und Ländern, die Verteilung der Einkünfte oder die Verwaltung von Ressourcen. Internationale Geber unterstützen den Aufbau der Verwaltungen in den Bundesstaaten (UNSC 5.9.2017).
1) Jubaland (Gedo, Lower Juba, Middle Juba): Im Jahr 2013 kam es zu einem Abkommen zwischen der Bundesregierung und Delegierten von Jubaland über die Bildung des Bundesstaates Jubaland. Im gleichen Jahr wurde Ahmed Mohamed Islam "Madobe" zum Präsidenten gewählt (USDOS 3.3.2017). Der JIA ist es gelungen, zumindest in Kismayo eine Verwaltung zu etablieren. Die Machtbalance in Jubaland wurde verbessert, seit die Ogadeni auch mit anderen Clans kooperieren und diese in Strukturen einbinden (BFA 8.2017).
2) South West State (SWS; Bay, Bakool, Lower Shabelle): Nach einer Gründungskonferenz im Jahr 2014 formierte sich im Dezember 2015 das Parlament des Bundesstaates South West State. Dieses wählte Sharif Hassan Sheikh Adam zum Übergangspräsidenten (USDOS 3.3.2017). Insgesamt befindet sich der SWS immer noch im Aufbau, die Regierungsstrukturen sind schwach, Ministerien bestehen nur auf dem Papier. Es gibt kaum Beamte, und in der Politik kommt es zu Streitigkeiten. Die Region Bakool ist besser an den SWS angebunden, als dies bei Lower Shabelle der Fall ist. Die Beziehungen von Lower Shabelle zur Bundesregierung und zum SWS sind kompliziert, der SWS hat dort kaum Mitsprache (BFA 8.2017).
3) HirShabelle (Hiiraan, Middle Shabelle): Bei der Bildung des Bundesstaates HirShabelle wurde längere Zeit über gestritten. Beide Regionen (Hiiraan und Middle Shabelle) haben erklärt, dass sie genügend Einwohner hätten, um jeweils einen eigenen Bundesstaat gründen zu können. Trotzdem wurden die Regionen fusioniert (BFA 8.2017). Im Jänner 2016 fand eine Konferenz zur Bildung eines Bundesstaates aus Hiiraan und Middle Shabelle statt. In der Folge wurde im Oktober 2016 der Bundesstaat Hirshabelle eingerichtet: Ein Parlament wurde zusammengestellt und ein Präsident - Ali Abdullahi Osoble - gewählt. Anführer der Hawadle haben eine Teilnahme verweigert (USDOS 3.3.2017). Das Kabinett wurde Mitte März 2017 vom Parlament bestätigt (BFA 8.2017; vgl. UNSC 9.5.2017). Der Großteil der Regierung von HirShabelle befindet sich in Mogadischu. Die Bildung des Bundesstaates scheint alte Clan-Konflikte neu angeheizt zu haben, die Hawadle fühlen sich marginalisiert (BFA 8.2017).
4) Galmudug (Galgaduud, Teile von Mudug): 2015 wurde eine Regionalversammlung gebildet und Abdikarim Hussein Guled als Präsident gewählt hat (EASO 2.2016). Die Regionalversammlung war von der Bundesregierung eingesetzt worden. Ausgewählt wurden die 89 Mitglieder von 40 Ältesten, welche wiederum 11 Clans repräsentierten. Die Gruppe Ahlu Sunna wal Jama'a (ASWJ), die Teile der Region Galgaduud kontrolliert, hat den Prozess boykottiert und eine eigene Verwaltung eingerichtet (USDOS 3.3.2017). Die GIA wird von Hawiye/Habr Gedir/Sa'ad dominiert (EASO 2.2016). Am 25.2.2017 trat der Präsident von Galmudug, Abdikarim Hussein Guled, zurück (UNSC 9.5.2017). Am 3.5.2017 wurde Ahmed Duale Geele "Xaaf" vom Regionalparlament von Galmudug zum neuen Präsidenten gewählt (UNSC 5.9.2017). Auch der neue Präsident hat noch keine Lösung mit der ASWJ herbeigeführt (UNSOM 13.9.2017).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (1.1.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia
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AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): Somalia - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Somalia/Innenpolitik_node.html, Zugriff 13.9.2017
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BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, http://www.bfa.gv.at/files/berichte/FFM%20Report_Somalia%20Sicherheitslage_Onlineversion_2017_08_KE_neu.pdf, Zugriff 13.9.2017
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BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Somalia Country Report,
https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Somalia.pdf, Zugriff 20.11.2017
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DW - Deutsche Welle (10.2.2017): Kommentar: Farmajo, der neue Präsident Somalias - Wie viele Löcher hat der Käse? http://www.dw.com/de/kommentar-farmajo-der-neue-pr%C3%A4sident-somalias-wie-viele-l%C3%B6cher-hat-der-k%C3%A4se/a-37496267, Zugriff 24.11.2017
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EASO - European Asylum Support Office (2.2016): Somalia Security Situation,
http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1457606427_easo-somalia-security-feb-2016.pdf, Zugriff 21.12.2017
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EASO - European Asylum Support Office (8.2014): South and Central Somalia: Country Overview,
http://www.ecoi.net/file_upload/90_1412334993_easo-2014-08-coi-report-somalia.pdf, Zugriff 21.11.2017
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NLMBZ - (Niederlande) Ministerie von Buitenlandse Zaken (11.2017):
Algemeen Ambtsbericht Zuid- en Centraal- Somalië, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1512376193_correctie-aab-zuid-en-centraal-somalie-2017-def-zvb.pdf, Zugriff 10.1.2018
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ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi (9.2016): Asylländerbericht Somalia
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SEMG - Somalia and Eritrea Monitoring Group (8.11.2017): Report of the SEMG on Somalia,
https://www.un.org/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/2017/924, Zugriff 14.11.2017
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UNHRC - UN Human Rights Council (6.9.2017): Report of the independent expert on the situation of human rights in Somalia http://www.refworld.org/docid/59c12bed4.html, Zugriff 11.11.2017
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UNNS - UN News Service (13.9.2017): Somalia facing complex immediate and long-term challenges, UN Security Council told, http://www.refworld.org/docid/59bfc8b34.html, Zugriff 11.11.2017
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UNSC - UN Security Council (5.9.2017): Report of the Secretary-General on Somalia,
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