TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/1 W185 2126580-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.10.2018
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Entscheidungsdatum

01.10.2018

Norm

AsylG 2005 §5
B-VG Art.133 Abs4
FPG §61

Spruch

W185 2165428-2/6E

W185 2126580-3/6E

W185 2146631-3/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard PRÜNSTER als Einzelrichter über die Beschwerden von 1.) XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA. Afghanistan alias Indien, 2.) XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX alias XXXX , StA. Afghanistan alias Indien und 3.) XXXX , geb. XXXX , gesetzlich vertreten durch die Kindesmutter XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX , StA. Afghanistan, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.06.2018, Zlen. 1.) 1105013604-160214752, 2.) 1105013005-160214728 und 3.) 1138152105-161686525, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerden werden gemäß § 5 AsylG 2005 idgF und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer haben in Afghanistan nach traditionellem Ritus und in Österreich dann standesamtlich geheiratet; die Drittbeschwerdeführerin ist deren gemeinsame Tochter, welche in Österreich geboren wurde. Die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer gelangten mittels französischer Visa in das Gebiet der Mitgliedstaaten und stellten am 10.02.2016 Anträge auf internationalen Schutz in Österreich.

Im Zuge der Erstbefragung am 11.02.2016 gaben die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer übereinstimmend zu Protokoll, dass sie unter keinen Beschwerden oder Krankheiten leiden würden, die sie an der Einvernahme hindern würden und dass sie in Österreich keine weiteren Familienangehörigen hätten. Zur Reiseroute führten sie aus, über unbekannte Länder nach Österreich gelangt zu sein. Sie hätten in keinem anderen Staat um Asyl angesucht. Die Erstbeschwerdeführerin gab noch an, im April 2000 geboren worden und somit minderjährig zu sein. Diesbezüglich legte sie auch eine Geburtsurkunde aus der Heimat vor.

Bezüglich der Beschwerdeführer liegen keine EURODAC - Treffermeldungen vor.

Laut Abgleichsbericht zur VIS - Abfrage waren die Beschwerdeführer im Besitz französischer Schengen - Visa mit einem Gültigkeitszeitraum vom 05.02.2016 bis zum 06.03.2016.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete am 25.02.2016 auf Art. 12 Abs. 2 oder 3 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (im Folgenden: Dublin III-VO) gestützte Aufnahmeersuchen hinsichtlich der Erstbeschwerdeführerin und des Zweitbeschwerdeführers an Frankreich. Mit Schreiben vom 17.03.2016 stimmte die französische Dublin-Behörde den Aufnahmeersuchen gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO ausdrücklich zu.

Am 14.04.2016 wurden die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer einer Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl unterzogen. Die Erstbeschwerdeführerin gab im Zuge dieser Befragung an, nur ihren Mann in Österreich zu haben und in der sechsten Woche schwanger zu sein (diesbezüglich legte sie eine Bestätigung vor). Nach Frankreich wolle sie nicht; sie sei niemals in Frankreich gewesen. Zum wiederholten Male führte die Erstbeschwerdeführerin an, im Jahr 2000 geboren worden zu sein. Am Ende der Einvernahme beantragte der anwesende Rechtsberater, unter Hinweis auf die Schwangerschaft und die Minderjährigkeit der Erstbeschwerdeführerin, vom Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen.

Der Zweitbeschwerdeführer gab im Zuge der Einvernahme vor dem Bundesamt an, abgesehen von seiner mitgereisten "Ehefrau" keine Familienangehörigen in Österreich oder in einem anderen EU-Land zu haben. Er sei nie in Frankreich gewesen und wolle auch nicht dorthin. In Österreich würden er und seine Frau sich sehr sicher fühlen. Das Land sei sehr schön und die Verpflegung sowie die Unterstützung seien hier sehr gut.

Mit den hinsichtlich der Erstbeschwerdeführerin als auch des Zweitbeschwerdeführers angefochtenen Bescheiden vom 27.04.2016 wurden I. ihre Anträge auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Frankreich gemäß Art. 12 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Prüfung der Anträge zuständig sei, sowie II. gemäß § 61 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF ihre Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gem. § 61 Abs. 2 FPG deren Abschiebung nach Frankreich zulässig sei.

Die die Erstbeschwerdeführerin als auch den Zweitbeschwerdeführer betreffenden Bescheide wurden mittels eigenhändiger Übernahme an die Erstbeschwerdeführerin bzw. den Zweitbeschwerdeführer übermittelt und die Übernahme jeweils vom Zweitbeschwerdeführer als Empfänger bestätigt.

Die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer bekämpften die Entscheidung des Bundesamtes fristgerecht. In den Beschwerden wurde insbesondere ausgeführt, dass die Beschwerdeführer gerne in Österreich bleiben würden, da sich hier auch viele Sikhs aufhalten würden, bzw. es in Österreich viele Sikh-Tempel geben würde. Sie würden bereits Deutschkurse besuchen, hätten soziale Bindungen zu Österreich geknüpft und würden hoffen, in Österreich ein neues Leben beginnen zu können. Die Erstbeschwerdeführerin sei mittlerweile im

5. Monat schwanger und noch immer minderjährig. Österreich hätte jedenfalls vom Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen müssen, da die Ausweisung nach Frankreich eine reale Gefahr der Verletzung von Art. 3 und 8 EMRK bedeuten würde. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wurde beantragt. Der Beschwerde wurde erneut eine Arztbestätigung bezüglich der Schwangerschaft der Erstbeschwerdeführerin beigefügt.

Im Juni 2016 wurden die Heiratsurkunde über die standesamtliche Trauung der Erstbeschwerdeführerin und des Zweitbeschwerdeführers in Österreich sowie eine Mail des BMI inkl. der Niederschrift des Standesamtes vorgelegt, wonach die Erstbeschwerdeführerin ehemündig sei, weshalb eine gerichtliche Ehemündigkeitserklärung iSd Ehegesetzes nicht benötigt werde.

Am 15.09.2016 wurden die Verfahren der Erstbeschwerdeführerin und des Zweitbeschwerdeführers aufgrund ihres zwischenzeitigen Untertauchens ausgesetzt.

Am XXXX wurde die Drittbeschwerdeführerin in Österreich geboren. Am 12.12.2016 wurde für diese durch ihren gesetzlichen Vertreter ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

Am 20.12.2016 wurde Frankreich über die Geburt der Drittbeschwerdeführerin und seine Zuständigkeit zur Führung deren Verfahrens gem. Art. 20 Abs. 3 Dublin III-VO in Kenntnis gesetzt. Frankreich stimmte der Übernahme der Drittbeschwerdeführerin mit Schreiben vom 12.01.2017 ausdrücklich zu.

Mit Bescheid vom 12.01.2017 wurde I. der Antrag der Drittbeschwerdeführerin auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Frankreich gemäß Art. 12 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Prüfung ihres Antrages auf internationalen Schutz zuständig sei, sowie II. gemäß § 61 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF die Außerlandesbringung der Drittbeschwerdeführerin angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gem. § 61 Abs. 2 FPG ihre Abschiebung nach Frankreich zulässig sei.

Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Zusammengefasst wurde ausgeführt, dass es sich bei der Mutter der Drittbeschwerdeführerin um eine unbegleitete Minderjährige handeln würde. Bis auf ihren Ehemann habe die minderjährige Mutter der Drittbeschwerdeführerin keine Familienangehörigen oder Verwandten in den Mitgliedstaaten. Der Ehemann könne nicht als ein für die Minderjährige verantwortlicher Erwachsener gelten und wenn die Mutter der Drittbeschwerdeführerin nicht aufgrund der Eheschließung gemäß § 174 ABGB als volljährig gelte und ihr daher ein gesetzlicher Vertreter zur Seite zu stellen sei, da sie ohne Begleitung eines für sie zuständigen Erwachsenen eingereist sei und die Minderjährige des Weiteren über keine anderen Familienangehörigen, Geschwister oder Verwandte verfüge, die sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhalten würden, sei gemäß Art. 8 Abs. 4 Dublin III-VO der Staat zuständiger Mitgliedstaat, in dem der unbegleitete Minderjährige seinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe. Die belangte Behörde habe es gänzlich verabsäumt, sich mit der Minderjährigkeit der Mutter der Drittbeschwerdeführerin auseinandersetzen und sei dadurch ihrer amtswegigen Ermittlungspflicht nicht nachgekommen. Bis auf die Übertragung der gesetzlichen Vertretung der minderjährigen Mutter der Drittbeschwerdeführerin auf den volljährigen Ehemann und Vater der Drittbeschwerdeführerin, welche in keiner Weise dem Kindeswohl entsprechen könne, sei die Minderjährigkeit der Erstbeschwerdeführerin im Ermittlungsverfahren nicht beachtet worden. Diesbezüglich dürfe angemerkt werden, dass es in Österreich kein Obsorgeverfahren für die minderjährige Mutter der Drittbeschwerdeführerin gegeben habe. Es scheine daher, dass das Bundesamt in Eigeninitiative dem Vater der Drittbeschwerdeführerin die Obsorge über die minderjährige Mutter der Drittbeschwerdeführerin übertragen habe. Es könne keinesfalls im Interesse der Minderjährigen liegen, dem Ehemann (ohne vorangegangene gerichtliche Prüfung) die Obsorge über seine minderjährige Ehefrau zu übertragen. Vielmehr sei das Kindeswohl der Mutter der Drittbeschwerdeführerin im gegenständlichen Fall akut gefährdet. Hätte sich die belangte Behörde mit der Minderjährigkeit der Mutter der Drittbeschwerdeführerin auseinandergesetzt, wäre sie zu dem Schluss gekommen, dass diese im Sinne des Art. 2 Dublin III-VO eine unbegleitete Minderjährige und daher zwingend zum Verfahren zuzulassen sei. In weiterer Folge wären auch der Zweitbeschwerdeführer und die Drittbeschwerdeführerin zum Verfahren zuzulassen.

Mit Stellungnahme und Vollmachtsbekanntgabe der Caritas vom 23.01.2017 wurde der Antrag auf Verfahrenszulassung gestellt. Begründend wurde festgehalten, dass im betreffenden Verfahren die Überstellungsfristen abgelaufen wären. Auch würde es sich bei der Erstbeschwerdeführerin um eine unbegleitete minderjährige Person handeln. Es wäre somit das Verfahren in Österreich zuzulassen gewesen. Mit dieser Zulassung würde auch die Zulassung der Verfahren des Zweitbeschwerdeführers und der Drittbeschwerdeführerin aufgrund Art. 8 EMRK zu erfolgen haben, da eine Trennung der Familienmitglieder nicht zulässig wäre. In eventu wurde vorgebracht, dass das Bundesamt in Eigeninitiative den Ehemann der minderjährigen Erstbeschwerdeführerin als gesetzlichen Vertreter bestellt habe. Dass ein diesbezüglich gerichtliches Obsorgeverfahren stattgefunden hätte, sei den vorliegenden Unterlagen nicht zu entnehmen. Abschließend wurde festgehalten, dass das Kindeswohl in Österreich auf jeden Fall besser gewahrt wäre als in Frankreich und damit gegenständliches Verfahren auf jeden Fall in Österreich zugelassen werden müsse, da das Kindeswohl bei einer Überstellung nach Frankreich gefährdet wäre.

Mit Stellungnahme des bevollmächtigten Vertreters vom 10.02.2017 wurde ausgeführt, dass hinsichtlich des Verfahrens der Erstbeschwerdeführerin darauf hinzuweisen wäre, dass es sich bei dieser um eine iSd Art. 8 Dublin III-VO unbegleitete Minderjährige handeln würde. Das Wohl des Minderjährigen sei gem. Art. 2 lit i und j Dublin III-VO unabhängig davon, ob verheiratet oder nicht, als entscheidend und vorrangig zu beachten. Im gegenständlichen Verfahren wäre der Rechtssatz des § 174 ABGB nicht heranzuziehen, der eine Volljährigkeitsfiktion einer Minderjährigen bei Verheiratung vorsehe. Dies da zusammenfassend das Rechtsschutznetz, welches dieser Bestimmung zu Grunde liege, nicht auch auf asylrechtliche Verfahren ausgeweitet werden könne. Somit würde die Erstbeschwerdeführerin weiterhin als Minderjährige gelten. Gem. § 5 Z 1 ZustG habe die Behörde den Empfänger in geeigneter Form zu bestimmen. Unterlaufen im Verfahren der Zustellung Mängel, so gelte gem. § 7 Abs. 1 ZustG die Zustellung als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen sei. Bezeichne die Behörde jedoch eine falsche Person als "Empfänger", so sei dies daher ein Mangel, der nicht nach § 7 ZustG etwa dadurch heilen könne, dass das Dokument (Schriftstück) jener Person zukomme, die als Empfänger zu bezeichnen gewesen wäre. In jenem Fall hätte das Bundesamt fälschlich nicht den gesetzlichen Vertreter einer handlungs- und prozessunfähigen Person, sondern die Erstbeschwerdeführerin selbst als Empfängerin des Bescheides angeführt, sodass zweifelsfrei ein Mangel des Zustellvorganges vorliegen würde, der nicht geheilt werden könne. Es wäre im gegenständlichen Verfahren auch kein gesetzlicher Vertreter (Jungendwohlfahrtsträger jenes Bundeslandes, in dem dieser einer Betreuungsstelle zugewiesen wurde) bestellt. Der bekämpfte Bescheid wäre somit nicht rechtskräftig erlassen worden. Auch wäre der Erstbeschwerdeführerin die Verfahrensanordnung gem. § 29 Abs. 3 Z 4 AsylG selbst und nicht dem gesetzlichen Vertreter zugestellt worden. Auch aus diesem Grund wäre aufgrund des Ablaufes der Zwanzigtagesfrist das Verfahren zuzulassen gewesen und ihr gemäß § 28 Abs. 1 AsylG eine Aufenthaltsberechtigungskarte auszustellen gewesen. Es wäre seitens des Bundesamtes somit mit einem allenfalls neuen Bescheid über die zurückweisende Entscheidung zu entscheiden. Auch werde ein gesetzlicher Vertreter zu bestellen sein. Zudem wäre auf Art. 3 der Kinderrechtskonvention zu verweisen, der eindeutig das Wohl des Kindes als vorrangiges Berücksichtigungsmerkmal ausweisen würde. Es wäre daher das Verfahren in Österreich zuzulassen, da es notorisch sei, dass die Unterbringungssituation in Frankreich äußerst mangelhaft sei.

Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.02.2017 wurde den Beschwerden die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Mit Verfahrensanordnung vom 04.04.2017 wurde die Volljährigkeit der Erstbeschwerdeführerin festgestellt. Begründend wurden hiezu ihr äußeres Erscheinungsbild sowie die Ergebnisse der durchgeführten VIS-Abfrage angeführt.

Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 23.05.2017 (GA W168) wurde 1. die Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin gemäß § 28 Abs. 1 und § 31 Abs. 1 VwGVG als unzulässig zurückgewiesen (da der Bescheid nicht rechtswirksam erlassen wurde) und 2. den Beschwerden des Zweitbeschwerdeführers und der Drittbeschwerdeführerin gemäß § 21 Abs. 3 BFA-VG stattgegeben und die bekämpften Bescheide behoben (Familienverfahren).

Eine hinsichtlich der Erstbeschwerdeführerin am 14.06.2017 durchgeführte Röntgenuntersuchung zur Bestimmung des Knochenalters ergab folgendes Ergebnis: "Finales Stadium Schmeling 3, GP 25 (ca. 16 Jahren entsprechend)".

In der Einvernahme vom 03.07.2017 gab die Erstbeschwerdeführerin über Vorhalt des Ergebnisses der Röntgenuntersuchung, wonach mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Minderjährigkeit bei ihr vorliege, an, dass sie dem zustimme. Aufgrund des vorliegenden Untersuchungsergebnisses wurde die Erstbeschwerdeführerin noch in der Einvernahme mit Verfahrensanordnung für minderjährig erklärt. Über Vorhalt der beabsichtigten Überstellung nach Frankreich gab sie an, dass die Beschwerdeführer nicht nach Frankreich gehen, sondern weiterhin in Österreich bleiben wollen würden. Hier lebe sie mit ihrem Ehemann und ihrer Tochter in einem gemeinsamen Haushalt. Ihre Angaben würden auch für die mj Drittbeschwerdeführerin gelten.

Der Zweitbeschwerdeführer gab im Zuge der Befragung vom 03.07.2017 an, gesund zu sein. Da sich die Lage in Frankreich wegen der Terroranschläge verschlimmert habe, wolle er nicht dorthin. Antragsteller würden in Frankreich im Freien schlafen müssen, da sie dort keine Unterkunft bekommen würden; dies habe er im Fernsehen gesehen. Er habe auch erst in Österreich erfahren, dass ihm in Frankreich die Fingerabdrücke abgenommen worden seien. Über Vorhalt, dass der Zweitbeschwerdeführer bislang nie erwähnt habe, in Frankreich gewesen zu sein, erklärte dieser, in "einem Land" seine Fingerabdrücke abgegeben zu haben, jedoch nicht zu wissen, in welchem Land dies gewesen sei. Er sei seit 1 1/2 Jahren in Österreich und habe hier mit einem Deutschkurs begonnen. Die Beschwerdeführer könnten in Österreich auch in Sikh-Tempeln beten.

Mit Bescheiden vom 05.07.2017 wurden I. die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Frankreich gemäß Art. 12 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Prüfung der Anträge zuständig sei, sowie II. gemäß § 61 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF die Außerlandesbringung der Beschwerdeführer angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gem. § 61 Abs. 2 FPG deren Abschiebung nach Frankreich zulässig sei.

Gegen diese Bescheide wurden fristgerecht gleichlautende Beschwerden erhoben und darauf hingewiesen, dass eine Altersfeststellung zweifelsfrei die Minderjährigkeit der Erstbeschwerdeführerin ergeben habe und es sich bei dieser um eine unbegleitete Minderjährige iSd § 2 lit j Dublin III-VO handle. Zwar sei die Erstbeschwerdeführerin verheiratet, jedoch könne einer im Ausland nach ausländischem Recht geschlossenen Ehe nicht die Rechtswirkung des § 174 ABGB zuerkannt werden, sodass die Erstbeschwerdeführerin jedenfalls hinsichtlich ihrer persönlichen Verhältnisse als Minderjährige zu behandeln sei. Gemäß Art 8 Abs. 4 Dublin III-VO sei jener Mitgliedstaat, in welchem der unbegleitete Minderjährige seinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe, zuständiger Mitgliedstaat, sofern es dem Wohl des Minderjährigen diene. Österreich sei somit für die Führung des Asylverfahrens der Erstbeschwerdeführerin zuständig. Der Zweitbeschwerdeführer sei die einzige Bezugsperson der Erstbeschwerdeführerin und der mj. Drittbeschwerdeführerin und würde eine Trennung der Familie eindeutig eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen. Österreich hätte daher nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO den Selbsteintritt erklären müssen.

Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 01.08.2017 (GA W185) wurde den Beschwerden gem. § 17 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Mit weiterem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 23.03.2018 wurden die bekämpften Bescheide in Erledigung der Beschwerden behoben und die Angelegenheit gem. § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zur Erlassung von neuen Bescheiden an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen. Im Wesentlichen wurde dem Bundesamt aufgetragen, sich im fortgesetzten Verfahren mit der Gültigkeit der Eheschließung der Erstbeschwerdeführerin und des Zweitbeschwerdeführers in der Heimat und, daraus resultierend, dem allfälligen Vorliegen der Familienangehörigeneigenschaft des Zweitbeschwerdeführers (Ehegatte der Erstbeschwerdeführerin) zum Zeitpunkt der Antragstellung in Österreich auseinanderzusetzen. Darauf basierend solle das Bundesamt eine neue Entscheidung - gegebenenfalls unter Berücksichtigung der Kriterien des Familienverfahrens nach § 34 AsylG und der Zuständigkeitskriterien der Dublin III-VO - erlassen.

In weiterer Folge wurden die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer am 03.05.2018 einer niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt unterzogen. Hierbei gab die Erstbeschwerdeführerin an, sich psychisch und physisch in der Lage zu fühlen, Angaben zu ihrem Asylverfahren zu machen. Sodann wurden ihr Fragen zu ihrer Eheschließung im Herkunftsstaat gestellt und gab die Erstbeschwerdeführerin hiezu zusammengefasst an, dass die Eheschließung von ihren Eltern und den Eltern des Zweitbeschwerdeführers arrangiert gewesen sei. Die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer hätten sich 2014 verlobt und dann am XXXX in Afghanistan nach traditionellem Ritus geheiratet. Die Erstbeschwerdeführerin sei damals 15 Jahre alt gewesen und habe ihren Ehemann bei der Hochzeit das erste Mal gesehen. Sie sei mit der Eheschließung einverstanden gewesen. Zwei Monate nach der Hochzeit seien sie zusammengezogen und hätten ungefähr zwei bis drei Monate in einem gemeinsamen Haushalt in Afghanistan gelebt, bevor sie geflohen seien. Über Vorhalt der beabsichtigten Überstellung nach Frankreich gab die Erstbeschwerdeführerin an, bereits seit 2 1/2 Jahren in Österreich zu leben und sich hier sehr wohl zu fühlen. Sie sei noch nie in Frankreich gewesen.

Der Zweitbeschwerdeführer gab im Zuge der Befragung vom 03.05.2018 an, sich psychisch und physisch in der Lage zu fühlen, Angaben zu seinem Asylverfahren zu machen. Er habe seine Frau erst bei der Hochzeit kennengelernt. Sie hätten sich aber bereits 2014 verlobt und am XXXX nach ihrer Religion geheiratet. Er sei damals 19 Jahre alt gewesen. Die Ehe sei von seinen Eltern arrangiert worden; er sei mit der Eheschließung einverstanden gewesen. Nach der Hochzeit habe er gemeinsam mit der Erstbeschwerdeführerin und seinen Eltern bis zur Ausreise zusammengelebt. Der Zweitbeschwerdeführer fühle sich in Österreich wohl und habe sich hier eingelebt. Es gebe in Österreich viele Sikh-Tempel und Sikhs. Er und seine Frau würden" die Gegend hier kennen". Er wolle nicht nach Frankreich, da er das Land nicht kenne und nichts darüber wisse. Seine Frau leide unter einer Depression, zumal die Beschwerdeführer immer wieder Benachrichtigungen bekommen würden, wonach sie Österreich verlassen sollten.

Mit Bescheiden des Bundesamtes vom XXXX wurden I. die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Frankreich gemäß Art. 12 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Prüfung der Anträge zuständig sei, sowie II. gemäß § 61 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF die Außerlandesbringung der Beschwerdeführer angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gem. § 61 Abs. 2 FPG deren Abschiebung nach Frankreich zulässig sei.

Die Feststellungen zur Lage in Frankreich wurden im Wesentlichen Folgendermaßen zusammengefasst (gekürzt durch das Bundesverwaltungsgericht):

Allgemeines zum Asylverfahren

Es existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlicher Beschwerdemöglichkeit (OFPRA 31.10.2017; vgl. AIDA 2.2017, USDOS 3.3.2017 für weitere Informationen siehe dieselben Quellen).

Quellen:

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AIDA - Asylum Information Database (2.2017): Country Report:

France,

http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_fr_2016update.pdf, Zugriff 24.1.2018

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OFPRA - Office français de protection des réfugiés et apatrides (31.10.2017): Demander l'asile en France, https://www.ofpra.gouv.fr/fr/asile/la-procedure-de-demande-d-asile/demander-l-asile-en-france, Zugriff 24.1.2018

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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - France, https://www.ecoi.net/local_link/337141/479905_de.html, Zugriff 24.1.2018

Dublin-Rückkehrer

Anträge von Dublin-Rückkehrern werden wie jeder andere Asylantrag behandelt. Kommt der Betreffende aus einem sicheren Herkunftsstaat, wird das beschleunigte Verfahren angewandt. Hat der Rückkehrer bereits eine endgültig negative Entscheidung der 2. Instanz (CNDA) erhalten, kann er einen Folgeantrag stellen, so dieser neue Elemente enthält. Dublin-Rückkehrer werden wie normale Asylwerber behandelt und haben daher denselben Zugang zu Unterbringung im regulären bzw. beschleunigten Verfahren wie diese (AIDA 2.2017).

Wenn Dublin-Rückkehrer am Flughafen Roissy - Charles de Gaulle ankommen, erhalten die Rückkehrer von der französischen Polizei ein Schreiben, an welche Präfektur sie sich wegen ihres Asylverfahrens zu wenden haben. Dann werden sie zunächst an die Permanence d'accueil d'urgence humanitaire (PAUH) verwiesen. Das ist eine humanitäre Aufnahmeeinrichtung des französischen Roten Kreuzes, die im Bereich des Flughafens tätig ist. Es kann ein Problem darstellen, wenn die zuständige Präfektur weit entfernt liegt, denn die Rückkehrer müssen die Anfahrt aus eigenem bestreiten. Es gibt dafür keine staatliche Hilfe und auch die PAUH hat nicht die Mittel sie dabei zu unterstützen. In Paris und Umgebung wiederum kann man sich nicht direkt an die Präfekturen wenden, sondern muss den Weg über die sogenannten Orientierungsplattformen gehen, die den Aufwand für die Präfekturen mindern sollen, aber mitunter zu Verzögerungen von einigen Wochen in der Antragsstellung führen können. Viele der Betroffenen wenden sich daher an das PAUH um Hilfe bei der Antragstellung und Unterbringung. Einige andere Präfekturen registrieren die Anträge der Rückkehrer umgehend und veranlassen deren Unterbringung durch das Büros für Immigration und Integration (OFII). In Lyon am Flughafen Saint-Exupéry ankommende Rückkehrer haben dieselben Probleme wie jene, die in Paris ankommen (AIDA 2.2017).

Im Falle der Übernahme von vulnerablen Dublin-Rückkehrern muss die französische Behörde vom jeweiligen Mitgliedsstaat mindestens einen Monat vor Überstellung informiert werden, um die notwendigen Vorkehrungen treffen zu können. Je nach medizinischem Zustand, kann der Dublin-Rückkehrer mit speziellen Bedürfnissen bei Ankunft medizinische Betreuung erhalten. Auch Dublin-Rückkehrer, haben generell Zugang zur staatlichen medizinischen Versorgung (MDI 10.10.2017).

Quellen:

-

AIDA - Asylum Information Database (2.2017): Country Report:

France,

http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_fr_2016update.pdf, Zugriff 24.1.2018

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Ministére de l¿intérieur - Direction générale des étrangers en France - Chef du Département de l'accès à la procédure d'asile (10.10.2017): Auskunft per E-Mail

Non-Refoulement

Menschenrechtsgruppen kritisieren regelmäßig die strikt dem Gesetz folgende Abschiebepraxis Frankreichs (USDOS 3.3.2017).

Quellen:

-

USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - France, https://www.ecoi.net/local_link/337141/479905_de.html, Zugriff 24.1.2018

Versorgung

Laut Asylgesetz sind die materiellen Aufnahmebedingungen allen Asylwerbern (inkl. beschleunigtes und Dublin-Verfahren) anzubieten. Die Verteilung von Asylwerbern erfolgt zentral, parallel werden regionale Vorschriften definiert und von den Präfekten in jeder Region umgesetzt. Asylwerber im Dublin-Verfahren unterliegen jedoch einer Einschränkung: sie haben keinen Zugang zu CADA-Einrichtungen und leben in der Praxis oft auf der Straße oder in besetzten Häusern. Dublin-Rückkehrer hingegen werden behandelt wie reguläre Asylwerber und haben daher denselben Zugang zu Unterbringung im regulären bzw. beschleunigten Verfahren wie diese. Die nationalen Aufnahmestrukturen liegen in der Zuständigkeit des Französischen Büros für Immigration und Integration (Office français de l'immigration et de l'intégration - OFII). Es wurde eine Beihilfe für Asylwerber (Allocation pour demandeurs d'asile - ADA) eingeführt, welche die vorherige monatliche Zahlung (Allocation Mensuelle de Subsistance - AMS) bzw. die temporäre Wartezeitzulage (Allocation Temporaire d'Attente - ATA) ersetzt (AIDA 2.2017). Die Höhe der ADA hängt von verschiedenen Faktoren wie die Art der Unterkunft, Alter, Anzahl der Kinder usw. ab. Asylwerber erhalten in der Regel eine monatliche finanzielle Unterstützung/Gutscheine in der Höhe von 204 Euro. Ein zusätzlicher Tagessatz wird an Asylwerber ausgezahlt, die Unterbringungsbedarf haben, aber nicht über das nationale Aufnahmesystem aufgenommen werden können (AIDA 2.2017). Seit April 2017 beträgt der tägliche Kostenzuschuss für Unterkunft 5,40 Euro (FTA 4.4.2017). Es wird jedoch kritisiert, dass die Empfänger der ADA in der Praxis mit Problemen (z.B. Verzögerungen bei der Auszahlung, intransparente Berechnung usw.) konfrontiert sind (AIDA 2.2017).

Asylwerber haben Zugang zum Arbeitsmarkt, wenn OFPRA ihren Asylantrag innerhalb von neun Monaten nicht entschieden und diese Verzögerung nicht vom Antragssteller verschuldet wurde (AIDA 2.2017).

Quellen:

-

AIDA - Asylum Information Database (2.2017): Country Report:

France,

http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_fr_2016update.pdf , Zugriff 24.1.2018

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FTA - France terre d'asile (4.4.2017): L'Allocation pour demandeur d'asile revalorisée de 1,20€,

http://www.france-terre-asile.org/actualites/actualites/actualites-choisies/l-allocation-pour-demandeur-d-asile-revalorisee-de-1-20, Zugriff 24.1.2018

Unterbringung

In Frankreich gibt es 303 Unterbringungszentren für Asylwerber (Centre d'Accueil pour Demandeurs d'Asile - CADA) mit rund 34.000 Plätzen, ein spezielles Zentrum für UMA, zwei Transitzentren mit 600 Plätzen, 262 Notunterbringungen mit rund 18.000 Plätzen, sowie eine nicht näher genannte Anzahl an privaten Unterbringungsplätzen. Damit verfügt das Land über etwa 56.000 Unterbringungsplätze (AIDA 2.2017).

Der Zugang zu Unterbringung erweist sich in der Praxis jedoch als sehr kompliziert. Bei der Zuweisung zur CADA muss mit längerer Wartezeit gerechnet werden, die je nach Region zwischen 51 bis 101 Tage beträgt. In Paris gibt es auch Beispiele dafür, dass Asyl gewährt wurde, ohne dass die Personen jemals Zugang zu Unterbringung gehabt hätten. Berichten zufolge reichen die derzeitigen Unterbringungsplätze der CADA nicht aus (AIDA 2.2017). Die Schaffung weiterer Unterbringungsplätze (insgesamt 12.500 Plätze davon 7.500 in CADA) ist in den nächsten zwei Jahren geplant (FRC 12.1.2018; vgl. FRC 22.12.2017).

Im Oktober 2016 wurde die informelle Siedlung in Calais, der sog. Dschungel, geräumt, in der tausende von Migranten und Asylsuchende (laut AI mehr als 6.500 Personen, laut USDOS 5.600) lebten. Man brachte 5.243 Bewohner in Erstaufnahmelager (CAO) in ganz Frankreich und stellte ihnen Informationen über das Asylverfahren zur Verfügung (AI 2.22.2017; vgl. AI 1.6.2017, USDOS 3.3.2017, AIDA 2.2017). Trotzdem leben noch etwa 350 bis 600 Migranten unter prekären Bedingungen in und um Calais. Großbritannien und Frankreich wollen die Sicherheit an der gemeinsamen Grenze jedoch verbessern. Der französische Präsident und die britische Premierministerin unterzeichneten dazu im Januar 2018 ein neues Abkommen (Zeit 19.1.2018).

Trotz der Bestrebungen der lokalen Behörden und Interessenvertreter bleiben viele Migranten und Asylwerber weiterhin obdachlos und leben landesweit in illegalen Camps (AIDA 2.2017).

Quellen:

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Amnesty International submission for the UN Universal Periodic Review, 29th session of the UPR Working Group, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1503902006_eur2167922017english.pdf, Zugriff 24.1.2018

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FRC - Forum Réfugiés Cosi (12.1.2018): Réforme de l'asile : le raccourcissement des délais ne doit pas se faire au détriment des conditions d'accès à la protection, http://www.forumrefugies.org/s-informer/communiques/reforme-de-l-asile-le-raccourcissement-des-delais-ne-doit-pas-se-faire-au-detriment-des-conditions-d-acces-a-la-protection, Zugriff 24.1.2018

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FRC - Forum Réfugiés Cosi (22.12.2017): Asile et Immigration :

Forum réfugiés-Cosi salue l'ouverture par le Premier ministre d'une consultation et alerte sur plusieurs enjeux, http://www.forumrefugies.org/s-informer/communiques/asile-et-immigration-forum-refugies-cosi-salue-l-ouverture-par-le-premier-ministre-d-une-consultation-et-alerte-sur-plusieurs-enjeux, Zugriff 24.1.2018

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Zeit (19.1.2018): May und Macron verschärfen Grenzschutz, http://www.zeit.de/politik/ausland/2018-01/grossbritannien-theresa-may-emmanuel-macron-calais-frankreich-grenzschutz-sandhurst, Zugriff 29.1.2018

Medizinische Versorgung

Am 1. Januar 2016 wurde in Frankreich der neue allgemeine Krankenversicherungsschutz (protection universelle maladie - PUMA) eingeführt. Deren medizinischen Leistungen können Asylwerber im ordentlichen, aber auch im Schnell- und im Dublinverfahren in Anspruch nehmen, sobald sie die Bestätigung über ihr laufendes Asylverfahren erhalten (Cleiss 2017; vgl. AIDA 2.2017, Ameli 12.10.2017). Bei PUMA besteht Beitragsfreiheit, wenn das jährliche Einkommen pro Haushalt unter 9.534 Euro liegt (AIDA 2.2017). In Frankreich besteht generell die Möglichkeit, eine Zusatzversicherung abzuschließen, um die Gesundheitsausgaben zu decken, die nicht von der Pflichtversicherung übernommen werden. Einkommensschwachen Personen kommt jedoch kostenfrei ein Allgemeiner Zusatzkrankenschutz (couverture maladie universelle complémentaire - CMU-C) zu, der die vollständige Kostenübernahme von Leistungen sichert (Cleiss 2017; vgl. Ameli 15.11.2017, RSB o.D.). Dies kann auch von Asylwerbern in Anspruch genommen werden (Ameli 12.10.2017). Weiters besteht die Möglichkeit für illegale Einwanderer nach drei Monaten Aufenthalt in Frankreich, von der sogenannten staatlichen medizinische Hilfe (aide médicale de l'état - AME) zu profitieren, selbst wenn andere Sozialleistungen reduziert oder entzogen worden sein sollten (AIDA 2.2017; vgl. Le Fonds CMU 2.5.2017, Ameli 13.10.2017). Neben Personen mit einem niedrigen Einkommen können auch Asylwerber die in Krankenhäusern eingerichteten Bereitschaftsdienste zur ärztlichen Versorgung der Bedürftigsten (permanences d'accès aux soins de santé - PASS) in Anspruch nehmen, während sie auf den Zugang zu CMU oder AME warten. Obwohl gesetzlich vorgeschrieben ist, dass alle Krankenhäuser die PASS anbieten müssen, ist das in der Praxis nicht immer der Fall (AIDA 2.2017).

Zugang zu mentaler Gesundheitsversorgung wird von der Gesetzgebung nicht explizit erwähnt, Asylwerber können aber im Rahmen der PUMA oder AME theoretisch psychiatrische oder psychologische Hilfe in Anspruch nehmen. Viele Therapeuten nehmen jedoch keine nicht-frankophonen Patienten. Traumatisierte oder Opfer von Folter können sich von einigen NGOs betreuen lassen, die sich speziell diesen Themen widmen, z.B. Primo Levi in Paris oder die Osiris-Zentren in Marseille, Mana in Bordeaux, das Forum réfugiés-Cosi Essor-Zentrum in Lyon oder Awel in La Rochelle. Die Zahl dieser spezialisierten Zentren in Frankreich ist aber gering und ungleich verteilt und kann den wachsenden Bedarf nicht decken (AIDA 2.2017).

Die Mitarbeiter der CADA sind verpflichtet, innerhalb von 15 Tagen nach Ankunft im Unterbringungszentrum eine ärztliche Untersuchung durchzuführen (AIDA 2.2017).

Im Falle der Ablehnung des Asylantrags haben Personen ein Jahr lang ab der Ausstellung des negativen Beschieds Anspruch auf medizinische Versorgung bei Krankheiten oder Mutterschaft, solange sie sich weiterhin in Frankreich aufhalten (Ameli 12.10.2017).

Quellen:

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AIDA - Asylum Information Database (2.2017): Country Report:

France,

http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_fr_2016update.pdf, Zugriff 24.1.2018

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Ameli - L'Assurance Maladie (12.10.2017): Vous êtes demandeur d'asile,

https://www.ameli.fr/assure/droits-demarches/europe-international/protection-sociale-france/demandeur-dasile, Zugriff 24.1.2018

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Ameli - L'Assurance Maladie (13.10.2017): Aide médicale de l'État (AME) : vos démarches,

https://www.ameli.fr/assure/droits-demarches/situations-particulieres/situation-irreguliere-ame, Zugriff 24.1.2018

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Ameli - L'Assurance Maladie (15.11.2017): CMU complémentaire :

conditions et démarches,

https://www.ameli.fr/assure/droits-demarches/difficultes-financieres/complementaire-sante/cmu-complementaire, Zugriff 24.1.2018

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Cleiss - Centre des liaisons européennes et internationales de sécurité sociale (2017): Das französische Sozialversicherungssystem, http://www.cleiss.fr/docs/regimes/regime_france/al_1.html, Zugrif 24.1.2018

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Le Fonds CMU - Fonds de financement de la protection complémentaire de la couverture universelle du risque maladi (2.5.2017): Are you an undocumented immigrant?, http://www.cmu.fr/undocumented-immigrant.php, Zugriff 24.1.2018

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RSB - Rosny sous-Bois (o.D.): ACS - AME - CMU-C - PUMA, http://www.rosny93.fr/ACS-AME-CMU-C-PUMA, Zugriff 24.1.2018

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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - France, https://www.ecoi.net/local_link/337141/479905_de.html, Zugriff 24.1.2018

In den Bescheiden wurde festgestellt, dass die Erstbeschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Asylantragstellung 15 Jahre alt und demnach minderjährig gewesen sei. Frankreich habe einer Übernahme der Beschwerdeführer ausdrücklich zugestimmt. Durch die Ausweisung der gesamten Familie aus Österreich nach Frankreich bleibe die Einheit der Familie gewahrt. Sodann wurde ausgeführt, dass aus den Angaben der Beschwerdeführer keine stichhaltigen Gründe für die Annahme glaubhaft gemacht worden seien, dass diese tatsächlich konkret Gefahr liefen, in Frankreich Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden oder dass diesen eine Verletzung ihrer durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte drohen könnte. Frankreich habe sich ausdrücklich bereit erklärt, die Beschwerdeführer im Rahmen der Verpflichtungen aus der Dublin-Verordnung zur Prüfung ihrer Asylanträge zu übernehmen und es könne daher nicht erkannt werden, dass den Beschwerdeführern der Zugang zum Asylverfahren in Frankreich verweigert werden würde. Im vorliegenden Fall handle es sich um ein Familienverfahren und habe sich für sämtliche Beschwerdeführer dieselbe Ausweisungsentscheidung ergeben. Auch wenn die Erstbeschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Asylantragstellung in Österreich minderjährig gewesen sei, sei festzuhalten, dass Frankreich mit Schreiben vom 17.03.2016 einer Übernahme ausdrücklich zugestimmt habe. Die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer hätten im Jahr 2015 in ihrem Heimatland traditionell geheiratet; die standesamtliche Trauung habe am XXXX in Österreich stattgefunden. Obwohl bei ihrer Einreise in das österreichische Bundesgebiet keine obligatorische Zivilehe bestanden habe, hätten sie im Heimatland bereits ein aufrechtes Familienleben geführt; die Genannten seien gemeinsam im Familienverband eingereist. Nach Zitierung der Bestimmung des Art. 8 Abs. 4 Dublin III-VO wurde festgehalten, dass es im vorliegenden Fall ex post betrachtet unter Einbeziehung der Erwägung der Dublin III-VO (beispielsweise 14. Erwägungsgrund) dem Wohl der mittlerweile volljährigen Erstbeschwerdeführerin diene, dass die Einheit der Familie gewahrt bleibe. Im Sinne des Art. 2 lit. g Dublin III-VO gelte die Erstbeschwerdeführerin als Familienangehörige des Zweitbeschwerdeführers bzw. vice versa, insbesondere da die Genannten in ihrem Herkunftsland ein gemeinsames Familienleben und bei ihrer Einreise in das Hoheitsgebiet eine dauerhafte Beziehung geführt hätten. Durch die Ausweisung der gesamten Familie aus Österreich nach Frankreich bleibe die Einheit der Familie gewahrt, weshalb die im gegenständlichen Verfahren getroffene Ausweisungsentscheidung keinen Eingriff in das in Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf ein Familienleben darstelle. Insgesamt sei davon auszugehen, dass die Anordnung der Außerlandesbringung nicht zu einer relevanten Verletzung der Dublin III-VO sowie von Art. 7 GRC bzw. Art. 8 EMRK führe und die Zurückweisungsentscheidung daher unter diesen Aspekten zulässig sei. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG treffe zu und es habe sich kein zwingender Anlass für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts ergeben.

Gegen diese Bescheide wurden fristgerecht Beschwerden eingebracht und darin zunächst auf das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführer in Österreich verwiesen. Die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer hätten laufend Deutschkurse besucht, Beziehungen zur einheimischen Bevölkerung gepflegt und würden in Österreich die Sikh-Tempel besuchen. Die Drittbeschwerdeführerin sei in Österreich geboren. Die Beschwerdeführer seien in Österreich gut integriert. Die lange Dauer des Zulassungsverfahrens sei nicht den Beschwerdeführern zuzurechnen. Im Übrigen würde die belangte Behörde die aktuelle Kritik am französischen Asylsystem verharmlosen und die Berichte seitens UNHCR sowie Medienberichte außer Acht lassen. Die belangte Behörde habe keine ausreichenden Ermittlungen bezüglich der speziellen Gefährdungssituation für die Beschwerdeführer in Frankreich unternommen. Ebenso sei auf ein allfälliges Risiko einer Kettenabschiebung Bedacht zu nehmen. Bei vollständiger Ermittlung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes hätte Österreich die Zuständigkeit für das Asylverfahren übernehmen müssen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer, Staatsangehörige von Afghanistan, sind mittels gültiger französischer Schengenvisa in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten eingereist und haben am 10.02.2016 in Österreich um internationalen Schutz angesucht.

Nach einem entsprechenden Konsultationsverfahren zwischen der österreichischen und der französischen Dublin-Behörde stimmte Frankreich mit Schreiben vom 17.03.2016 der Übernahme der Erstbeschwerdeführerin und des Zweitbeschwerdeführers gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO ausdrücklich zu. Hinsichtlich des Zweitbeschwerdeführers ist jedenfalls eine Zuständigkeit Frankreichs nach Art 12 Abs 2 Dublin III-VO anzunehmen (Anm: hinsichtlich der Erstbeschwerdeführerin siehe weiter unten).

Bei Asylantragstellung in Österreich war die Erstbeschwerdeführerin minderjährig, der Zweitbeschwerdeführer volljährig. Dem volljährigen Zweitbeschwerdeführer ist keine (gerichtlich angeordnete) Obsorge für die (damals minderjährige) Erstbeschwerdeführerin zugekommen. Die damals mj Erstbeschwerdeführerin ist auch nicht in Begleitung eines für sie nach dem Recht oder den Gepflogenheiten des betreffenden Mitgliedstaates verantwortlichen Erwachsenen in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten eingereist (Art 2 lit j Dublin III-VO), womit diese zum maßgeblichen Zeitpunkt der Asylantragstellung in Österreich (vgl Art 7 Abs 2 Dublin III-VO) als unbegleitete Minderjährige iSd Art 2 lit j Dublin III-VO zu qualifizieren ist.

Nach übereinstimmenden Angaben haben die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer aufgrund eines Arrangements ihrer Eltern am XXXX in Afghanistan nach traditionellem Ritus geheiratet. Die Erstbeschwerdeführerin hatte zu diesem Zeitpunkt das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet; der Zweitbeschwerdeführer hatte das 18. Lebensjahr offenbar bereits vollendet. Vor ihrer gemeinsamen Flucht lebten die Genannten in Afghanistan im gemeinsamen Haushalt.

In Afghanistan sind für die Gültigkeit der Ehe grundsätzlich erforderlich eine Heiratsurkunde, die Eheregistrierung sowie die Mitteilung der Eheschließung an die zuständige Personenstandsbehörde. Eine nicht registrierte Ehe ist aber bei Nachweis durch eine öffentliche Urkunde gültig (vgl Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht; S 16). Eine öffentliche Urkunde, welche eine traditionelle Eheschließung der Beschwerdeführer nachweisen würde, wurde im Verfahren nicht vorgelegt. Fallgegenständlich ist somit nicht vom Bestehen einer staatlich anerkannten gültigen Ehe zum Zeitpunkt der Asylantragstellung in Österreich auszugehen (siehe hiezu auch unten).

Am XXXX erfolgte die standesamtliche Eheschließung der Erstbeschwerdeführerin und des Zweitbeschwerdeführers in Österreich.

Am XXXX wurde die Drittbeschwerdeführerin als eheliches Kind der Erstbeschwerdeführerin und des Zweitbeschwerdeführers in Österreich geboren. Die Genannten leben in Österreich im gemeinsamen Haushalt.

Am 12.12.2016 wurde für die Drittbeschwerdefüh

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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