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32/01 Finanzverfahren, allgemeines AbgabenrechtNorm
B-VG Art7 / GesetzLeitsatz
Abweisung eines Antrags auf Aufhebung von Bestimmungen des FinStrG sowie der BAO; Sanktionssystem des Finanzstrafrechts mit Normensystem des Strafgesetzbuches nicht vergleichbar; keine Unsachlichkeit der maximalen Strafdrohung für Abgabenhinterziehung wegen Anknüpfung an Erfolgsunwert der Tat und individueller Schuld des (Beitrags-)Täters; Mindeststrafe für Finanzvergehen zum Schutz finanzieller Interessen des Staates nicht unverhältnismäßig; Differenzierung zwischen gerichts- und verwaltungsbehördlichen Verfahren bei Unterschreitung der Mindeststrafe im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers; hinreichende Bestimmtheit der Blankettstrafnorm betreffend die missbräuchliche Umgehung der AbgabepflichtSpruch
I. Der Antrag wird abgewiesen, soweit er sich auf §23 Abs1 bis 4 des Bundesgesetzes vom 26. Juni 1958, betreffend das Finanzstrafrecht und das Finanzstrafverfahrensrecht (Finanzstrafgesetz – FinStrG), BGBl Nr 129/1958, idF BGBl I Nr 104/2010, §33 Abs5 Finanzstrafgesetz, BGBl Nr 129/1958, idF BGBl I Nr 14/2013, §34 Finanzstrafgesetz, BGBl Nr 129/1958, idF BGBl I Nr 118/2015, und §22 des Bundesgesetzes vom 28. Juni 1961, betreffend allgemeine Bestimmungen und das Verfahren für die von den Abgabenbehörden des Bundes verwalteten Abgaben (Bundesabgabenordnung – BAO), BGBl Nr 194/1961, bezieht.
II. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Antrag
Mit dem vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 litd B-VG gestützten Antrag begehrt der Antragsteller
"1. §33 FinStrG idF BGBl I Nr 14/2013 und §34 FinStrG idF BGBl I 118/2015 und §23 FinStrG idF BGBl I Nr 104/2010 und §22 BAO idF BGBl Nr 194/1961
2. in eventu
a) §33 FinStrG idF BGBl I Nr 14/2013 zur Gänze, in eventu teilweise, in eventu in Kombination mit §34 FinStrG idF BGBl I Nr 118/2015 zur Gänze, in eventu teilweise, und
b) §23 FinStrG idF BGBl I Nr 104/2010 zur Gänze, in eventu teilweise, und
c) §22 BAO idF BGBl Nr 194/1961 zur Gänze, in eventu teilweise.
3. in eventu §33 FinStrG idF BGBl I Nr 14/2013 und §23 Abs4 FinStrG idF BGBl I Nr 104/2010, in eventu in Kombination mit §34 FinStrG idF BGBl I Nr 118/2015
4. in eventu
a) §33 FinStrG idF BGBl I Nr 14/2013, in eventu in Kombination mit §34 FinStrG idF BGBl I Nr 118/2015, und
b) die Wortfolge ', wenn die Ahndung der Finanzvergehen nicht dem Gericht obliegt' in §23 Abs4 zweiter Satz FinStrG idF BGBl I Nr 104/2010
5. in eventu
a) §33 Abs5 FinStrG idF BGBl I Nr 104/2010, in eventu in Kombination mit §34 FinStrG idF BGBl I Nr 118/2015, und/oder
b) §23 Abs4 FinStrG idF BGBl I Nr 104/2010
6. in eventu
a) §33 Abs5 FinStrG idF BGBl I Nr 104/2010, in eventu in Kombination mit §34 FinStrG idF BGBl I Nr 118/2015, und/oder
b) die Wortfolge ', wenn die Ahndung der Finanzvergehen nicht dem Gericht obliegt' in §23 Abs4 zweiter Satz FinStrG idF BGBl I Nr 104/2010
7. in eventu §22 BAO idF BGBl Nr 194/1961
8. in eventu für den Fall der Aufhebung (von Teilen des) §23 und/oder des §33 FinStrG:
a) §1 FinStrG idF BGBl I 161/2005 (bzw Teile davon) und/oder
b) die Wendung '(§23)' in §19 Abs6 FinStrG idF BGBl 414/1988
c) §22 Abs4 FinStrG idF BGBl I 163/2015, in eventu den Klammerausdruck '(§33)'
d) §35 Abs2 FinStrG idF BGBl I Nr 28/1999, in eventu die Wendung ' und in den Fällen des §33 Abs3 litb bis f'
e) die Wendung ' 33,' in §38 Abs1 FinStrG idF BGBl I 163/2015, §38a Abs2 FinStrG idF BGBl I 104/2010, §39 Abs3 FinStrG idF BGBl I 104/2010, §41 Abs1 [FinStrG BGBl] I 28/1999, §146 Abs1 FinStrG idF BGBl I 104/2010 und §146 Abs2 litb FinStrG idF BGBl I 163/2015
f) §138 Abs2 litd FinStrG idF BGBl I 104/2010
g) §188 Abs3 litb FinStrG idF BGBl 335/1975"
als verfassungswidrig aufzuheben.
II. Rechtslage
Die maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar (die angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):
1. §33 Finanzstrafgesetz (FinStrG), BGBl 129/1958, idF BGBl I 14/2013:
"Abgabenhinterziehung
§33. (1) Der Abgabenhinterziehung macht sich schuldig, wer vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht eine Abgabenverkürzung bewirkt.
(2) Der Abgabenhinterziehung macht sich weiters schuldig, wer vorsätzlich
a) unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem §21 des Umsatzsteuergesetzes 1994 entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung von Umsatzsteuer (Vorauszahlungen oder Gutschriften) oder
b) unter Verletzung der Verpflichtung zur Führung von dem §76 des Einkommensteuergesetzes 1988 sowie dazu ergangener Verordnungen entsprechenden Lohnkonten eine Verkürzung von Lohnsteuer, Dienstgeberbeiträgen zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen oder Zuschlägen zum Dienstgeberbeitrag
bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiß hält.
(3) Eine Abgabenverkürzung nach Abs1 oder 2 ist bewirkt,
a) mit Bekanntgabe des Bescheides, mit dem bescheidmäßig festzusetzende Abgaben zu niedrig festgesetzt wurden oder wenn diese infolge Unkenntnis der Abgabenbehörde von der Entstehung des Abgabenanspruches mit dem Ablauf der gesetzlichen Erklärungsfrist (Anmeldefrist, Anzeigefrist) nicht festgesetzt werden konnten,
b) wenn Abgaben, die selbst zu berechnen sind, ganz oder teilweise nicht entrichtet (abgeführt) wurden,
c) mit Bekanntgabe des Bescheides, mit dem Abgabengutschriften, die bescheidmäßig festzusetzen sind, zu Unrecht oder zu hoch festgesetzt wurden,
d) wenn Abgabengutschriften, die nicht bescheidmäßig festzusetzen sind, zu Unrecht oder zu hoch geltend gemacht wurden,
e) wenn eine Abgabe zu Unrecht erstattet oder vergütet oder eine außergewöhnliche Belastung zu Unrecht abgegolten wurde, oder
f) wenn auf einen Abgabenanspruch zu Unrecht ganz oder teilweise verzichtet oder eine Abgabenschuldigkeit zu Unrecht ganz oder teilweise nachgesehen wurde.
(4) Der Abgabenhinterziehung macht sich ferner schuldig, wer vorsätzlich eine Abgabenverkürzung dadurch bewirkt, daß er Sachen, für die eine Abgabenbegünstigung gewährt wurde, zu einem anderen als jenem Zweck verwendet, der für die Abgabenbegünstigung zur Bedingung gemacht war, und es unterläßt, dies der Abgabenbehörde vor der anderweitigen Verwendung anzuzeigen.
(5) Die Abgabenhinterziehung wird mit einer Geldstrafe bis zum Zweifachen des für den Strafrahmen maßgeblichen Verkürzungsbetrages (der ungerechtfertigten Abgabengutschrift) geahndet. Dieser umfasst nur jene Abgabenbeträge (ungerechtfertigte Gutschriften), deren Verkürzung im Zusammenhang mit den Unrichtigkeiten bewirkt wurde, auf die sich der Vorsatz des Täters bezieht. Neben der Geldstrafe ist nach Maßgabe des §15 auf Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu erkennen.
(6) Betrifft die Abgabenhinterziehung eine Verbrauchsteuer, so ist auf Verfall nach Maßgabe des §17 zu erkennen. Der Verfall umfaßt auch die Rohstoffe, Hilfsstoffe, Halbfabrikate, Geräte und Vorrichtungen."
2. §34 FinStrG, BGBl 129/1958, idF BGBl I 118/2015:
"Grob fahrlässige Abgabenverkürzung
§34. (1) Der grob fahrlässigen Abgabenverkürzung macht sich schuldig, wer die im §33 Abs1 bezeichnete Tat grob fahrlässig begeht; §33 Abs3 gilt entsprechend.
(2) Der grob fahrlässigen Abgabenverkürzung macht sich auch schuldig, wer die im §33 Abs4 bezeichnete Tat grob fahrlässig begeht.
(3) Die grob fahrlässige Abgabenverkürzung wird mit einer Geldstrafe bis zum Einfachen des maßgeblichen Verkürzungsbetrages (der ungerechtfertigten Abgabengutschrift) geahndet. §33 Abs5 zweiter Satz ist sinngemäß anzuwenden."
3. §23 FinStrG, BGBl 129/1958, idF BGBl I 104/2010:
"Strafbemessung; Anrechnung der Vorhaft.
§23. (1) Grundlage für die Bemessung der Strafe ist die Schuld des Täters.
(2) Bei Bemessung der Strafe sind die Erschwerungs- und die Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Dabei ist darauf Bedacht zu nehmen, ob die Verkürzung oder der Abgabenausfall endgültig oder nur vorübergehend hätte eintreten sollen. Im Übrigen gelten die §§32 bis 35 StGB sinngemäß.
(3) Bei Bemessung der Geldstrafe sind auch die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Täters zu berücksichtigen.
(4) Bei Finanzvergehen, deren Strafdrohung sich nach einem Wertbetrag richtet, hat die Bemessung der Geldstrafe mit mindestens einem Zehntel des Höchstmaßes der angedrohten Geldstrafe zu erfolgen. Die Bemessung einer diesen Betrag unterschreitenden Geldstrafe aus besonderen Gründen ist zulässig, wenn die Ahndung der Finanzvergehen nicht dem Gericht obliegt.
(5) Die verwaltungsbehördliche und die gerichtliche Verwahrung sowie die verwaltungsbehördliche und die gerichtliche Untersuchungshaft sind auf die Strafe anzurechnen, wenn der Täter die Haft
a) in dem Verfahren wegen des Finanzvergehens, für das er bestraft wird, oder
b) sonst nach der Begehung dieser Tat wegen des Verdachts eines Finanzvergehens oder, bei Anrechnung durch das Gericht, wegen des Verdachts einer anderen mit Strafe bedrohten Handlung
erlitten hat, jedoch in beiden Fällen nur, soweit die Haft nicht bereits auf eine andere Strafe angerechnet oder der Verhaftete dafür entschädigt worden ist. Wird auf mehrere Strafen erkannt, so hat die Anrechnung zunächst auf diejenigen Strafen zu erfolgen, die nicht bedingt nachgesehen werden, im übrigen zunächst auf die Freiheitsstrafe, sodann auf die Geldstrafe und schließlich auf den Wertersatz.
(6) Für die Anrechnung der Vorhaft auf die Geldstrafe und den Wertersatz sind die an deren Stelle tretenden Ersatzfreiheitsstrafen maßgebend.
(7) Hat der Täter für die Tat, derentwegen er im Inland bestraft wird, schon im Ausland eine Strafe verbüßt, so ist sie auf die im Inland verhängte Strafe anzurechnen."
4. §26 FinStrG, BGBl 129/1958, idF BGBl I 104/2010:
"Bedingte Strafnachsicht; bedingte Entlassung.
§26. (1) Für die bedingte Nachsicht der durch die Gerichte für Finanzvergehen verhängten Geldstrafen, Wertersätze und Freiheitsstrafen sowie für die bedingte Entlassung aus einer solchen Freiheitsstrafe gelten die §§43, 43a, 44 Abs1, 46, 48 bis 53, 55 und 56 StGB sinngemäß. Die Strafe des Verfalls darf nicht bedingt nachgesehen werden. Eine Geldstrafe darf nur bis zur Hälfte bedingt nachgesehen werden. Der nicht bedingt nachgesehene Teil der Geldstrafe muss jedoch mindestens 10% des strafbestimmenden Wertbetrages betragen.
(2) War mit dem Finanzvergehen eine Abgabenverkürzung oder ein sonstiger Einnahmenausfall verbunden, so hat das Gericht dem Verurteilten die Weisung zu erteilen, den Betrag, den er schuldet oder für den er zur Haftung herangezogen werden kann, zu entrichten. Wäre die unverzügliche Entrichtung für den Verurteilten unmöglich oder mit besonderen Härten verbunden, so ist ihm hiefür eine angemessene Frist zu setzen, die ein Jahr nicht übersteigen darf."
5. §19 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl 60/1974, idF BGBl I 52/2009:
"Geldstrafen
§19. (1) Die Geldstrafe ist in Tagessätzen zu bemessen. Sie beträgt mindestens zwei Tagessätze.
(2) Der Tagessatz ist nach den persönlichen Verhältnissen und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Rechtsbrechers im Zeitpunkt des Urteils erster Instanz zu bemessen. Der Tagessatz ist jedoch mindestens mit 4 Euro und höchstens mit 5 000 Euro festzusetzen.
(3) Für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe ist eine Ersatzfreiheitsstrafe festzusetzen. Ein Tag Ersatzfreiheitsstrafe entspricht dabei zwei Tagessätzen."
6. §22 Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl 194/1961:
"§22. (1) Durch Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechtes kann die Abgabepflicht nicht umgangen oder gemindert werden.
(2) Liegt ein Mißbrauch (Abs1) vor, so sind die Abgaben so zu erheben, wie sie bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen, Tatsachen und Verhältnissen angemessenen rechtlichen Gestaltung zu erheben wären."
III. Anlassverfahren, Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 23. Juni 2016, Z 012 Hv 89/14i, wurde der Antragsteller unter anderem wegen der Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach §33 Abs1 FinStrG durch Tatbeitrag nach §11 dritter Fall FinStrG für schuldig erkannt. Die strafbestimmenden Wertbeträge wurden mit € 1.221.026,60 und € 2.137.137,82 (gesamt € 3.358.164,42) festgesetzt. Der Antragsteller wurde nach §33 Abs5 FinStrG zu einer Geldstrafe im Ausmaß von € 2.100.000,– verurteilt, wobei für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von zwölf Monaten festgesetzt wurde. Gemäß §26 FinStrG iVm §43a Abs1 StGB wurde ein Teil, nämlich € 1.050.000,–, sowie die Ersatzfreiheitstrafe im Ausmaß von sechs Monaten, unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Ferner wurde der Antragsteller gemäß §33 Abs5 iVm 15 FinStrG zu einer Freiheitsstrafe von fünfzehn Monaten verurteilt, wobei ihm die verhängte Freiheitsstrafe gemäß §43 Abs1 StGB unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.
2. Nach den Feststellungen des erstinstanzlichen Gerichtes hat der Antragsteller dazu beigetragen, dass die Geschäftsführer zweier Gesellschaften mbH Zahlungen aus einer missbräuchlichen, fremdunüblichen Genussrechtsvereinbarung als gewinnmindernde Betriebsausgabe in Jahressteuererklärungen zur Körperschaftsteuer geltend gemacht haben, wodurch es zu einer Abgabenverkürzung von insgesamt € 3.358.164,42 gekommen ist.
3. Aus Anlass der gegen dieses Urteil erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung stellt der Antragsteller unter einem den vorliegenden Gesetzesprüfungsantrag. Darin legt der Antragsteller seine Bedenken wie folgt dar:
3.1. Verfassungswidrigkeit von §33 Abs5 FinStrG
3.1.1. Nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg 10.367/1985, 11.795/1988, 13.455/1993, 13.527/1993) seien verschiedene Verfahrensordnungen grundsätzlich nicht vergleichbar, weil sie jeweils eigene Ordnungssysteme darstellen würden. Dennoch sei nicht ausgeschlossen, dass ein Vergleich verschiedener Ordnungssysteme zu einer unsachlichen Ungleichbehandlung iSd Gleichheitssatzes führen könne. Dies sei "etwa bei grundlegenden rechtlichen Wertungsgesichtspunkten, welche die verschiedenen Ordnungssysteme prägen, der Fall" (beispielsweise strenge Wiederaufnahmevoraussetzungen bei rechtskräftig abgeschlossenen Strafverfahren, VfSlg 11.865/1988, 13.135/1992, 13.778/1994).
3.1.2. Das Sanktionensystem des Finanzstrafgesetzes werde – anders als das Tagessatzsystem des Strafgesetzbuches und die klar bestimmte Strafhöhe in Verwaltungsstrafbestimmungen – den "Grundprinzipien" hinsichtlich der Strafhöhe, wonach Geldstrafen in der Regel gedeckelt seien und eine Orientierung an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Täters erfolge, nicht gerecht. Die Strafdrohung in §33 Abs5 FinStrG sei nach oben hin offen und orientiere sich in keiner Weise an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Rechtsunterworfenen.
Das Sanktionensystem des Finanzstrafgesetzes wie auch jenes des Strafgesetzbuches würden "Ansprüche der öffentlichen Hand" schützen – das Strafgesetzbuch zumindest teilweise (§§153b ff. StGB), weshalb vom gleichen Unrechtsgehalt von Finanzvergehen nach dem Finanzstrafgesetz und Delikten nach dem Strafgesetzbuch auszugehen sei. Die Sanktionensysteme des Strafgesetzbuches und des Finanzstrafgesetzes könnten daher "im Sinne des Art7 B-VG verglichen" werden. Dabei ergäben sich grundlegende Unterschiede, die sachlich nicht zu rechtfertigen seien: Das im Strafgesetzbuch vorgesehene Tagessatzsystem (§19 StGB) orientiere sich zentral an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Täters und die höchstmögliche Geldstrafe betrage € 3.600.000,– (720 Tagessätze zu € 5.000,–). Demgegenüber sehe §33 Abs5 FinStrG eine Anknüpfung am Verkürzungsbetrag vor, wodurch die Geldstrafe nach oben hin offen sei. Auch könne die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Rechtsunterworfenen nicht ausreichend berücksichtigt werden. Da sich das Sanktionensystem des Finanzstrafgesetzes somit in grundlegenden Bereichen von jenem des Strafgesetzbuches unterscheide, ergebe sich zwangsläufig eine Verletzung des Gleichheitssatzes.
3.1.3. Die Anknüpfung des §33 Abs5 FinStrG am Verkürzungsbetrag führe insbesondere dann zu unsachgemäßen Ergebnissen, wenn Rechtsunterworfener und Anknüpfungssubjekt betreffend die Abgabenhinterziehung auseinanderfielen: Im konkreten Fall sei nicht der Täter selbst der Abgabepflichtige gewesen, sondern eine Gesellschaft, weshalb sich die Strafdrohung nicht nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Täters richte, sondern nach jener der abgabepflichtigen Gesellschaft. Die Strafdrohung knüpfe somit an die finanzielle Leistungsfähigkeit eines vom Täter verschiedenen Rechtssubjektes an. Da die finanzielle Leistungsfähigkeit einer Gesellschaft und des Täters stark divergieren könnten, spiegle die höchst mögliche Strafe nicht die Schuld des Täters wider. Insbesondere bei einer Verurteilung wegen Beitragstäterschaft wiege diese Problematik schwer, weil die Leistungsfähigkeit des Beitragstäters in überhaupt keinem Zusammenhang zu jener der Gesellschaft stehe.
An der unsachlichen Strafhöhe würden auch die Strafzumessungsregeln in §23 FinStrG nichts ändern: Eine derart exzessive Strafdrohung, wie sie §33 Abs5 FinStrG enthalte, könne nicht ausreichend durch die Anwendung der genannten Strafzumessungsvorschrift ausgeglichen oder abgeschwächt werden. Dies rühre bereits von der bloßen Möglichkeit her, eine derart hohe Strafe wie im Beschwerdefall über € 6.000.000,– verhängen zu können. Es müsste daher von vorneherein das Gesetz die Verhängung einer derart unsachlich hohen, weil nicht der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit entsprechenden Strafe unterbinden.
3.1.4. Darüber hinaus berücksichtige die "Geldsummenstrafe tat- und schuldbezogene Aspekte sowie wirtschaftliche Faktoren in nur einem Bemessungsvorgang" (keine Bemessung in zwei Schritten wie im Tagessatzsystem). Dadurch würde im Urteil ein absoluter Betrag als Strafe festgesetzt, aus dem nicht ersichtlich sei, inwieweit die festgesetzte Geldstrafe durch die Schwere der Tat, General- und Spezialprävention oder durch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters bestimmt sei. Aus diesem Grund würde in der Praxis die persönliche Leistungsfähigkeit bei der Strafbemessung nicht berücksichtigt. Auch werde die Verschiedenheit der wirtschaftlichen Verhältnisse bei verschiedenen Tätern nicht angemessen berücksichtigt. Die Kombination der Geldsummenstrafe (und somit die unzureichende Einbeziehung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Täters bei der Strafzumessung) mit der durch §33 Abs5 FinStrG ermöglichten unsachlichen Strafhöhe führe zur Verfassungswidrigkeit der Bestimmung.
3.2. Verfassungswidrigkeit von §23 Abs4 erster Satz FinStrG
3.2.1. Zum einen widerspreche die Normierung einer Mindeststrafe an sich dem Sachlichkeitsgebot, zum anderen sei das festgesetzte Zehntel durch die Abhängigkeit von der Strafdrohung des §33 Abs5 FinStrG unverhältnismäßig hoch. Zudem führe ein Vergleich der in §19 StGB geregelten Mindeststrafen mit §23 Abs4 FinStrG zu einer sachlich nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlung.
3.2.2. Die Festlegung der Mindeststrafe begrenze den Spielraum des Richters bei der Strafzumessung, da diese völlig losgelöst von den finanziellen Verhältnissen des Täters sei. Nach der Rechtsprechung könne ein aus präventiven Erwägungen erforderlich befundenes Strafausmaß auch ohne die Festlegung einer Mindeststrafe erreicht werden, da bereits die Ausschöpfung der normierten Höchststrafe zur Verwirklichung der durch §33 FinStrG angestrebten Ziele ausreiche. Auch sei kein Fall denkbar, in dem der Täter den Strafbetrag als bloßen Preis des erwarteten Nutzens kalkuliere, da sich die Strafdrohung stets nach dem Verkürzungsbetrag richte. Auch bezüglich des von einer Abgabenhinterziehung ausgehenden Gefährdungspotentials sei die Mindeststrafe nicht geboten, da der Verfassungsgerichtshof bei Entwicklung dieses Kriteriums an Fälle gedacht habe, in denen eine Gefahr für Mensch und Umwelt bestehe. Eine Abgabenhinterziehung sei solchen Fällen nicht vergleichbar, weshalb eine Mindeststrafe nicht zwingend erforderlich sei. Doch selbst wenn eine Mindeststrafdrohung gerechtfertigt erscheine, müsste das Gesetz dennoch eine Möglichkeit bieten, davon abzuweichen und diese zu unterschreiten.
3.2.3. Auf Grund der Koppelung des §23 Abs4 FinStrG an das Höchstausmaß der angedrohten Geldstrafe erreiche die Mindeststrafe eine Höhe, die bereits existenzvernichtend sei. Der Anlassfall sei ein gutes Beispiel dafür. Auf Grund der fehlenden Möglichkeit der Unterschreitung der Mindeststrafdrohung sei die Bestimmung unsachlich.
3.3. Verfassungswidrigkeit von §23 Abs4 zweiter Satz FinStrG
3.3.1. §23 Abs4 zweiter Satz FinStrG sehe vor, dass das Unterschreiten der Mindeststrafe von einem Zehntel des Höchstmaßes der angedrohten Geldstrafe aus besonderen Gründen zulässig sei, wenn die Ahndung der Finanzvergehen nicht dem Gericht obliege. Darin sei eine unsachliche Differenzierung zwischen dem Strafgesetzbuch und dem Finanzstrafgesetz zu sehen: Nach §41 StGB könne bei beträchtlichem Überwiegen der Milderungsgründe das gesetzliche Mindestmaß der zu verhängenden Freiheitsstrafe unterschritten werden und in Kombination mit §37 StGB könne bei Unterschreiten der Mindeststrafe auch noch anstelle einer Freiheitsstrafe eine Geldstrafe verhängt werden. Diese Möglichkeiten sehe das Finanzstrafgesetz nicht vor.
3.3.2. §23 Abs4 zweiter Satz FinStrG behandle das finanzbehördliche und das gerichtliche Finanzstrafverfahren unterschiedlich: Nach §53 Abs1 FinStrG sei das Gericht zur Ahndung von Finanzvergehen zuständig, wenn das Finanzvergehen vorsätzlich begangen worden sei und der strafbestimmende Wertbetrag über € 100.000,– liege. Bei den in die Zuständigkeit der Gerichte und der Verwaltungsbehörden fallenden Abgabenverkürzungen handle es sich um dieselben Taten und trotzdem würden die Rechtsfolgen vom Gesetzgeber hinsichtlich der Möglichkeit des Unterschreitens der Mindeststrafdrohung unterschiedlich geregelt, je nachdem, ob die Abgabenverkürzung unter oder über € 100.000,– liege. Eine Begründung für die unterschiedliche Behandlung der beiden Fälle sei nicht ersichtlich. Mit dem Strafzweck könne die Unterscheidung nicht gerechtfertigt werden, da sich dieser bereits in der abstrakten Strafdrohung widerspiegele.
Keine taugliche Argumentation wäre ein Hinweis auf den größeren Unrechtsgehalt von Straftaten, die in eine gerichtliche Zuständigkeit fallen. Denn sogar das Strafgesetzbuch sehe für Delikte mit größerem Unrechtsgehalt eine Möglichkeit zur Unterschreitung der Mindeststrafdrohung vor. Gerade im gerichtlichen Strafverfahren wäre eine Unterschreitung der Mindeststrafdrohung erforderlich, da bei sehr hohen, € 100.000,– übersteigenden Verkürzungsbeträgen die Festsetzung von zumindest einem Zehntel der Strafdrohung eine existenzvernichtende finanzielle Belastung für den Täter darstellen könne.
3.4. Zusammenfassend führt der Antragsteller gegen die Verfassungsmäßigkeit der §§33 Abs5 und 23 Abs4 FinStrG wörtlich aus:
"Die Verfassungswidrigkeit ergibt sich aus dem Zusammenspiel der §§33 Abs5, 23 Abs4 FinStrG:
- Die Abhängigkeit der Höchststrafe des §33 FinStrG vom Verkürzungsbetrag ist unsachlich, weil dadurch implizit auf die Vermögensverhältnisse der GmbH abgestellt wird. Im Falle eines Missverhältnisses zwischen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Täters und jener der GmbH führt diese Regelung zu einer unverhältnismäßig hohen Strafdrohung. Zwar ist bei der Strafzumessung gemäß §23 Abs3 FinStrG die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Täters zu berücksichtigen. Aber:
- Die Mindeststrafdrohung des §23 Abs4 FinStrG knüpft an die Regelung des §33 Abs5 FinStrG, und somit ebenfalls an den Verkürzungsbetrag an. Sohin kann bereits die Festsetzung der Mindeststrafe eine unsachliche Höhe erreichen. Das Gesetz bietet keine Möglichkeit, auf Fälle, in denen zwischen wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit des Täters und Verkürzungsbetrag ein großes Missverhältnis besteht, einzugehen. Denn:
- §23 Abs4 FinStrG schließt eine Unterschreitung der Mindeststrafe im gerichtlichen Finanzstrafverfahren aus.
- Letztlich ergibt auch ein Vergleich mit den Regelungen des StGB, dass die […] im FinStrG [erlassenen Regelungen] zum einen unsachlich sind und zum anderen eine sachliche Begründung der unterschiedlichen Behandlung der beiden Rechtsmaterien nicht gegeben ist."
3.5. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen §22 BAO
3.5.1. §22 BAO verstoße gegen Art18 B-VG. Das Wort "Mißbrauch" sei zu unbestimmt. Selbst bei Ausschöpfung aller Interpretationsmethoden lasse sich nicht verlässlich beurteilen, welche Verhaltensweisen als "Mißbrauch" iSd §22 BAO gelten würden. Die Gesetzesmaterialien vermögen nicht die Unbestimmtheit zu beseitigen; die Auslegungsproblematik würde nur auf eine andere Ebene verlagert, da die Begriffe "ungewöhnlich", "offensichtlich" und "unangemessen" selbst interpretationsbedürftig seien.
3.5.2. Für den Rechtsunterworfenen sei somit die Grenze zwischen erlaubter Verwendung von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechtes sowie deren Missbrauch nicht erkennbar. Die Unbestimmtheit des Begriffes "Mißbrauch" wiege umso schwerer, als §22 BAO zur Begründung von finanzstrafrechtlicher Verantwortlichkeit herangezogen werde und daher ein hoher Determinierungsgrad erforderlich sei. Ein eingriffsnahes Gesetz wie die angefochtene Bestimmung, die von den Gerichten zur Begründung einer Strafbarkeit herangezogen werde, müsse zum Schutz des Betroffenen hinreichend bestimmt sein. §22 BAO hätte mit der erforderlichen Bestimmtheit erkennen zu geben, das Heranziehen welcher Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechtes sich im Bereich des Zulässigen befinden würde und welche als Missbrauch gelten würde. Vor diesem Hintergrund liege auch eine Verletzung des Art7 EMRK vor, wonach Strafvorschriften klar zu determinieren seien.
4. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie den im Antrag erhobenen Bedenken entgegentritt und beantragt, den Antrag abzuweisen.
4.1. Zu den Prozessvoraussetzungen bringt die Bundesregierung Folgendes wörtlich vor:
"Gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die als Partei in einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, aus Anlass eines gegen diese Entscheidung erhobenen Rechtsmittels.
Nach Ansicht der Bundesregierung ist die Präjudizialität des §33 Abs5 FinStrG offenkundig und wohl auch hinsichtlich des §23 Abs4 FinStrG (zumindest denkmöglich) zu bejahen. Verneinte man die Präjudizialität dieser Bestimmung, weil über den Antragsteller eine höhere Strafe als die Mindeststrafe nach §23 Abs4 FinStrG verhängt wurde, kann nach Ansicht der Bundesregierung ein untrennbarer Zusammenhang dieser Bestimmung mit §33 Abs5 FinStrG angenommen werden, als die Aufhebung der Wortfolge ' , wenn die Ahn[d]ung der Finanzvergehen nicht dem Gericht obliegt' in §23 Abs4 FinStrG einen geringeren Eingriff in die Rechtsordnung bewirken würde. Sollte nämlich der Verfassungsgerichtshof den im Zusammenhang mit dem Gleichheitsgrundsatz und dem Sachlichkeitsgebot vorgebrachten Bedenken des Antragstellers an der Unverhältnismäßigkeit der Mindeststrafdrohung folgen, genügte nach Ansicht der Bundesregierung – wie vom Antragsteller mit Eventualantrag in Punkt V.6b des Antrags begehrt – die Aufhebung der Wortfolge ' , wenn die Ahn[d]ung der Finanzvergehen nicht dem Gericht obliegt' in §23 Abs4 FinStrG, um die Rechtslage zu bereinigen und würde insoweit auch eine Rechtslage wie vor der Novelle BGBl I Nr 104/2010 wiederhergestellt.
Der [Antragsteller] hält jedoch auch §22 BAO für präjudiziell und entscheidungsrelevant (Pkt. III 8.2 und III. 9.2. des Antrags).
Nach Ansicht der Bundesregierung verkennt der Antragsteller dabei, dass §22 BAO keine Tatbestandsvoraussetzung für die Abgabenhinterziehung nach §33 Abs1 FinStrG darstellt (siehe dazu auch noch unten Pkt. IV.3). Insofern würde eine Aufhebung des §22 BAO auch nichts an der Situation des Antragstellers ändern. Die Missbrauchsregelung des §22 BAO ist nämlich Ausfluss der wirtschaftlichen Betrachtungsweise (§21 BAO, vgl VfSlg 8.807/1980). Auch wenn man sich §22 BAO wegdenkt, würde der Antragsteller nach wie vor wegen Abgabenhinterziehung nach §33 FinStrG zu bestrafen sein (weil durch den – nicht entsprechend offengelegten – unberechtigten Abzug von Aufwendungen die Körperschaftsteuer zu gering festgesetzt wurde). Die Aufhebung des §22 BAO vermag daher die behauptete Verfassungswidrigkeit nicht zu beseitigen."
4.2. Zu den verfassungsrechtlichen Bedenken bringt die Bundesregierung Folgendes wörtlich vor:
"1. Zu den Bedenken im Hinblick auf die behauptete Verletzung des Gleichheitssatzes sowie des Sachlichkeitsgebotes durch §33 Abs5 FinStrG
Der Antragsteller vergleicht zunächst in seinem Antrag das Sanktionensystem des StGB mit jenem des FinStrG und leitet daraus eine Verletzung des Gleichheitssatzes ab. Ferner behauptet er in Teil IV.1.2., dass §33 Abs5 FinStrG gegen das Sachlichkeitsgebot verstoße.
1.1. Zum Gleichheitssatz
Den Bedenken im Zusammenhang mit dem Gleichheitssatz ist [entgegenzuhalten], dass das StGB und das FinStrG unterschiedliche Ordnungssysteme darstellen, die (grundsätzlich) nicht miteinander vergleichbar sind. Bei der Regelung unterschiedlicher Ordnungssysteme ist nämlich jedes System für sich am Gleichheitssatz zu messen (vgl VfSlg 5727/1968, 7331/1974 uva.). Mit anderen Worten steht es dem Normsetzer frei, sich in den einzelnen Bereichen der Verfahren für durchaus eigenständige Ordnungssysteme zu entscheiden, die den Erfordernissen und Besonderheiten unterschiedlicher Verfahren adäquat Rechnung tragen, sofern nur die strittigen Regelungen in sich – d.h. jeweils für sich betrachtet ? gleichheitsgemäß gestaltet sind (VfSlg 12.863/1991).
Daraus folgt, dass weder ein Vergleich der Strafdrohung im §33 Abs5 FinStrG mit der höchstmöglichen Geldstrafe im StGB, noch ein Vergleich der Strafdrohungen zwischen dem Delikt der Abgabenhinterziehung (§33 FinStrG) mit Delikten des Kriminalstrafrechts, die (auch) Ansprüche der öffentlichen Hand schützen, angebracht ist. Zum einen sieht nämlich das StGB für Vermögensdelikte mit einem Schadensbetrag, der dem gerichtszuständigkeitsbegründenden Betrag im FinStrG entspricht, primär die Freiheitsstrafe als Strafmittel vor, Geldstrafen sind nur für minder schwere Delikte vorgesehen (wohingegen das FinStrG primär die Geldstrafe als Strafart vorschreibt); zum anderen ist die Rechtsgutverletzung eine andere (bei Untreue wird etwa das Rechtsgut 'Eigentum' geschützt, bei der Abgabenhinterziehung das Rechtsgut des Anspruchs der Besteuerungshoheit). Dies rechtfertigt eine eigenständige Strafrahmensbildung für die Abgabenhinterziehung.
Auch der Versuch mittels Bezugnahme auf 'systemübergreifende' Prinzipien der Strafhöhe (vgl Teil IV.1.1.a) des Antrags) eine Ungleichbehandlung aufzuzeigen, scheitert daran, dass die genannten Prinzipien – dazu zählen erstens die Deckelung von Geldstrafen und zweitens die an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Rechtsunterworfenen orientierte Zumessung der Geldstrafe – nicht nur im StGB sondern auch im FinStrG erfüllt sind. Das FinStrG sieht nämlich in §33 Abs5 vor, dass die Abgabenhinterziehung mit einer Geldstrafe bis zum Zweifachen des für den Strafrahmen maßgeblichen Verkürzungsbetrages (der ungerechtfertigten Abgabengutschrift) geahndet wird: Dies entspricht einer Deckelung. Was die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Rechtsunterworfenen anbelangt, genügt es auf §23 Abs3 FinStrG hinzuweisen. Darin heißt es: 'Bei Bemessung der Geldstrafe sind auch die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Täters zu berücksichtigen.' Selbst bei Heranziehung 'systemübergreifender' Prinzipien kann daher mangels Ungleichbehandlung im gegenständlichen Fall keine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes angenommen werden.
1.2. Zum Sachlichkeitsgebot
Die Bundesregierung teilt auch nicht die Bedenken im Zusammenhang mit dem Sachlichkeitsgebot.
a.) Zum Strafrahmen
Sowohl das FinStrG als auch das StGB weisen jeweils innerhalb ihres (Ordnungs-)Systems unterschiedliche in sich geschlossene Strafbestimmungen mit unterschiedlichen Strafdrohungen auf. Die unterschiedliche Strafrahmenbildung in den beiden Rechtsregimen ist nach dem Gleichheitsgrundsatz nicht nur zulässig, sondern möglicherweise sogar geboten.
Für die Strafrahmenbildung nach dem FinStrG sind der Erfolgsunwert der Tat sowie das Verschulden des Täters maßgebend. So drohen als Obergrenze bei vorsätzlicher Abgabenhinterziehung nach §33 FinStrG das Zweifache, bei grob fahrlässiger Abgabenverkürzung das Einfache (zB §34 Abs3 FinStrG) und bei gewerbsmäßiger Abgabenhinterziehung das Dreifache (§38 Abs1 FinStrG) dieses Verkürzungsbetrages als Sanktion.
Im Hinblick auf die kriminalpolitischen Zwecke eines effektiven Schutzes der Erhebung der für die Finanzierung der Staatsaufgaben erforderlichen finanziellen Mittel ist die im gegenständlichen Fall zum Tragen kommende Strafdrohung für Abgabenhinterziehung (§33 FinStrG) mit dem zweifachen Verkürzungsbetrag sachgerecht und verhältnismäßig. Das Übermaßverbot ist eingehalten und ein exzessives Missverhältnis zwischen Strafrahmen und Verschuldensgrad vermieden. Der Verfassungsgerichtshof ist in VfSlg 12.151/1989 (betreffend die Wiener Vergnügungssteuer) sowie in VfSlg 12.282/1990 (betreffend die Wiener Anzeigenabgabe) von einer Verletzung des Sachlichkeitsgebots aufgrund des Vorliegens eines extremen Missverhältnisses zwischen dem Gewicht der strafbaren Handlung und der jeweiligen Sanktion ausgegangen. Im Unterschied zu §33 Abs5 FinStrG lag das Verhältnis zwischen Verkürzungsbetrag und möglicher Höchststrafe damals allerdings nicht so wie hier bei 1 zu 2, sondern vielmehr bei 1 zu 30 (vgl VfSlg 12.151/1989) bzw bei 1 zu 50 (vgl VfSlg 12.282/1990). Insofern lässt sich zwischen §33 Abs5 FinStrG und der Judikatur zur Wiener Vergnügungssteuer bzw Anzeigenabgabe keine Parallele ziehen.
Der verursachte Schaden (nämlich der Verkürzungsbetrag) findet sohin Eingang in die Strafrahmenbildung und zeigt den Erfolgsunwert der Tat. Eine gesetzlich vorgesehene Strafdrohung führt per se auch nicht zu einer Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz des Täters. Dementsprechend ist keine Unsachlichkeit der angedrohten Höchststrafe erkennbar.
b.) Zur konkreten Strafbemessung
Vom Strafrahmen ist die konkrete Strafbemessung zu unterscheiden. Nach der Konzeption des FinStrG hängt diese einerseits von der Höhe der Schuld und andererseits von der Berücksichtigung der persönlichen Verhältnissen und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Rechtsunterworfenen ab. Damit entspricht die Strafbemessung systematisch den Strafzumessungsvorschriften des StGB, auf die in §23 Abs2 FinStrG auch ausdrücklich verwiesen wird. Obgleich es sich dabei um eine Geldsummenstrafe handelt, ist für die konkrete Ausmessung der Strafhöhe nach §23 Abs3 FinStrG auf die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Täters Bedacht zu nehmen.
Hieraus folgt, dass das Argument des Antragstellers, wonach die konkrete Strafdrohung unsachlich sei, da §33 Abs5 FinStrG stets und ohne jegliche Unterscheidung am Verkürzungsbetrag anknüpfe, nicht nachvollziehbar ist. Die jeweils verhängte Strafe richtet sich – wie gezeigt ? flexibel nach der Schuld eines jeden Beteiligten. Starre Vorgaben werden unterlassen, im Rahmen der Strafbemessung wird vielmehr auf die persönlichen Verhältnisse und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des jeweiligen Täters Rücksicht genommen.
Zusammenfassend ist somit festzustellen, dass weder der Strafrahmen des §33 Abs5 FinStrG noch die oben zitierten Bestimmungen über die konkrete Strafbemessung zu einem unverhältnismäßigen und damit unsachlichen Ergebnis führen.
2. Zu den Bedenken im Hinblick auf die behauptete Verletzung des Gleichheitssatzes sowie des Sachlichkeitsgebotes durch §23 Abs4 FinStrG
Im Hinblick auf §23 Abs4 FinStrG behauptet der Antragsteller (wiederum) eine Verletzung des Gleichheitssatzes bzw des Sachlichkeitsgebotes.
? Erstens zeige ein Vergleich zwischen §23 Abs4 FinStrG und den entsprechenden Bestimmungen des StGB das Vorliegen einer nicht rechtfertigbaren Ungleichbehandlung auf.
? Zweitens würde die Differenzierung zwischen [finanzbehördlichem] und gerichtlichem Finanzstrafverfahren (vgl §23 Abs4 zweiter Satz FinStrG) zu einem unsachlichen Ergebnis führen.
? Drittens führe die Normierung einer Mindeststrafe in §23 Abs4 FinStrG zu einem unverhältnismäßigen Ergebnis.
Die Bundesregierung teilt diese Bedenken nicht.
2.1. Zum Vergleich zwischen FinStrG und StGB
Was die Bezugnahmen auf das StGB in den Teilen IV.2.1. und IV.3.1. des Antrages anbelangt, wird – zur Vermeidung von Wiederholungen – (nochmals) auf die Zulässigkeit des Vorsehens unterschiedlicher Ordnungssysteme hingewiesen (vgl dazu die obigen Ausführungen in Teil III.1.1.).
2.2. Zur Differenzierung zwischen finanzbehördlichem und gerichtlichem Finanzstrafverfahren (§23 Abs4 zweiter Satz FinStrG)
In §23 Abs4 zweiter Satz FinStrG wird vorgesehen, dass die Bemessung einer ein Zehntel des Höchstmaßes der angedrohten Geldstrafe unterschreitende Strafe aus besonderen Gründen zulässig ist, wenn die Ahnung der Finanzvergehen nicht dem Gericht obliegt. Anders formuliert, wird nur im gerichtlichen Finanzstrafverfahren – im Unterschied zum finanzbehördlichen Verfahren – eine Mindeststrafe vorgesehen.
Die hier vorgenommene Differenzierung lässt sich zunächst damit erklären, dass die Mindeststrafe im Sanktionensystem für das gerichtliche Finanzstrafverfahren (anders als im verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren) im Zusammenspiel mit der Möglichkeit einer bedingten Strafnachsicht steht. Die Grundlage dafür findet sich in der Bestimmung des §26 Abs1 FinStrG. Demnach können Geldstrafen im gerichtlichen Finanzstrafverfahren bis zur Hälfte bedingt nachgesehen werden (§26 Abs1 FinStrG), wobei der nicht bedingt nachgesehene Teil der Geldstrafe jedoch mindestens 10% des strafbestimmenden Wertbetrages betragen muss (in concreto wären dies: 335.816,44 Euro). Die niedrigste auszusprechende Geldstrafe gemäß §33 Abs5 iVm §23 Abs4 FinStrG beträgt demnach 10% des zweifachen Verkürzungsbetrages, wobei diese Strafe im gerichtlichen Verfahren bis zur Hälfte bedingt nachgesehen werden kann. Der unbedingte Teil der Geldstrafe würde sohin nur noch 5% des Strafrahmens ausmachen.
Neben der speziell für Gerichtsverfahren zur Anwendung kommenden Möglichkeit einer bedingten Strafnachsicht, spricht auch das größere Gefährdungspotential des Verhaltens, das mit gerichtlichen Finanzstrafen bedroht ist, für die in §23 Abs4 zweiter Satz FinStrG vorgenommene Differenzierung. Gerichtliche Finanzstrafverfahren gemäß §53 FinStrG sind nur für vorsätzliche Finanzvergehen (ausgenommen Finanzordnungswidrigkeiten) mit einem Verkürzungsbetrag von mehr als 100.000 Euro (bei Zolldelikten mehr als 50.000 Euro) vorgesehen. Nach Ansicht der Bundesregierung rechtfertigt im Fall von gerichtlichen Finanzstrafverfahren die Höhe des verursachten Schadens (in Form der Abgabenverkürzung) und damit die Schwere des Erfolgsunwerts der Tat das Vorsehen einer Mindestgeldstrafe.
2.3. Zur Verhältnismäßigkeit der Normierung einer Mindeststrafe (in §23 Abs4 FinStrG)
Eine Sanktion, die für ein bestimmtes Fehlverhalten vorgesehen ist, hat dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu entsprechen: Bei dem genannten Grundsatz handelt es sich um ein regulatives Rechtsprinzip, welches die Angemessenheit des Mittels für einen verfolgten Zweck (die Adäquanz) im Auge hat (Lewisch, Verfassung und Strafrecht, 194 ff). Gleiches gilt freilich für Mindeststrafen: Diese werden nicht nur im FinStrG, sondern auch im StGB sowie im Verwaltungsstrafrecht vorgesehen und haben vielfach einer verfassungsrechtlichen Prüfung (bereits) standgehalten (vgl etwa VfSlg 19.960/2015, 15.677/1999, 18.219-18.421/2007,18.422/2007 ua).
Ausgehend von der in §23 Abs4 erster Satz FinStrG normierten Mindeststrafe – in Höhe von einem Zehntel des Höchstmaßes der angedrohten Geldstrafe – geht die Bundesregierung davon aus, dass diese in Relation zum Schadensbetrag (Verkürzungsbetrag) verhältnismäßig ist, da sie dem kriminalpolitischen Zweck einer effektiven, abschreckenden und sachgerechten Sanktionierung zum Schutz der finanziellen Mittel des Staates dient.
Die Bundesregierung erachtet es nicht als unsachlich, wenn der Gesetzgeber im Rahmen seines rechtspolitischen Gestaltungsspielraums in §23 Abs4 FinStrG eine Mindeststrafe vorsieht. Angesichts des Unrechtsgehalts der Tat erscheint die Mindeststrafdrohung im Ausgangsverfahren verhältnismäßig: Durch die Mindeststrafdrohung kann das erklärte Ziel des Gesetzgebers, Abgabenhinterziehungen zu verhindern, effizienter erreicht werden als ohne diese (vgl in diesem Sinne VfSlg