TE Vwgh Beschluss 2018/10/3 Ra 2017/12/0094

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Veröffentlicht am 03.10.2018
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §38
B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §17

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie die Hofrätinnen Mag.a Nussbaumer-Hinterauer und MMag. Ginthör als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Berger, über die Revision des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft (nunmehr der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort), gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 31. Juli 2017, Zl. W129 2144931-1/2Z, betreffend Aussetzung eines Verfahrens i.A. Neufestsetzung des Vorrückungsstichtages (mitbeteiligte Partei: Dr. U U in W, vertreten durch Dr. Martin Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 5), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Bund hat der Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Die Mitbeteiligte steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Ihre Dienststelle war das Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft (nunmehr: Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort), wo sie im November 2016 als Leiterin der Abteilung C1/9 in Verwendung stand.

2        Mit Schreiben vom 29. Jänner 2015 beantragte die Mitbeteiligte unter Hinweis auf das Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 11. November 2014, C-530/13, Schmitzer, die Neufestsetzung ihres Vorrückungsstichtages.

3        Mit Bescheid vom 3. März 2015 wies die Dienstbehörde diesen Antrag mangels gesetzlicher Grundlage zurück.

4        Der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde der Mitbeteiligten gab das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 24. Oktober 2016 unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. September 2016, Ro 2015/12/0025, statt. Das Gericht vertrat die Ansicht, über den auf § 113 Abs. 10 Gehaltsgesetz 1956, BGBl. Nr. 54 (GehG), gestützten Antrag der Mitbeteiligten sei meritorisch zu entscheiden.

5        In der Folge wies die Dienstbehörde mit Bescheid vom 24. November 2016 den Antrag der Mitbeteiligten vom 29. Jänner 2015 auf Neufestsetzung ihres Vorrückungsstichtages gemäß § 113 Abs. 10 GehG ab. Begründend führte die Behörde zusammengefasst aus, die besoldungsrechtliche Stellung der Mitbeteiligten sei spätestens seit 1. März 1993 auf Grund ihrer damals erfolgten freien Beförderung nicht mehr durch den Vorrückungsstichtag (21. Oktober 1983) bestimmt. Daran ändere auch die am 1. Jänner 2003 erfolgte tabellarische Überleitung der Mitbeteiligten in das neue Besoldungsschema des Allgemeinen Verwaltungsdienstes nichts. Da eine Neufestsetzung des Vorrückungsstichtages keine Änderung ihrer besoldungsrechtlichen Stellung, insbesondere keine Einreihung in eine höhere Gehaltsstufe der Verwendungsgruppe A1 bewirken könne, sei der Antrag der Mitbeteiligten vom 29. Jänner 2015 abzuweisen.

6        Gegen diesen Bescheid erhob die Mitbeteiligte Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, in der sie der oben wiedergegebenen Rechtsansicht der Dienstbehörde entgegen trat.

7        Mit dem angefochtenen Beschluss setzte das Bundesverwaltungsgericht das Beschwerdeverfahren gemäß § 17 VwGVG in Verbindung mit § 38 AVG bis zur Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union über das ihm mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. Juni 2017, W128 2148285-1/2Z, (Anmerkung: zur Rechtssache C-396/17, Martin Leitner) vorgelegte Vorabentscheidungsersuchen aus. Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Gericht für nicht zulässig.

8        Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, die Beschwerde gleiche in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht in den wesentlichen Aspekten der zu W128 2148285-1/2Z protokollierten Beschwerde, in der das Bundesverwaltungsgericht den Gerichtshof der Europäischen Union mit dem Ersuchen um Vorabentscheidung zu folgenden Fragen der Auslegung des Unionsrechts befasst habe:

„1.1. Ist das Unionsrecht, insbesondere Art. 1, 2 und 6 der Richtlinie 2000/78/EG iVm Art. 21 der Grundrechtecharta, dahin auszulegen, dass es einer nationalen Regelung entgegensteht, die zur Beseitigung einer Diskriminierung von Beamten im Dienststand eine Überleitungsregelung vorsieht, bei der anhand eines ‚Überleitungsbetrages‘, der zwar in Geld bemessenen wird, aber dennoch einer bestimmten, konkret zuordenbaren Einstufung entspricht, die Einreihung vom bisherigen Biennalsystem in ein neues (in sich geschlossen für neueintretende Beamte diskriminierungsfreies) Biennalsystem erfolgt und somit die Altersdiskriminierung auf Beamte im Dienststand unvermindert fortwirkt?

1.2. Ist das Unionsrecht, insbesondere Art. 17 der Richtlinie 2000/78/EG sowie Art. 47 GRC, dahin auszulegen, dass es einer nationalen Regelung entgegensteht, die verhindert, dass Beamte im Dienststand, entsprechend der vom Gerichtshof der Europäischen Union mit Urteil vom 11.11.2014, C-530/13 (Schmitzer) getroffenen Auslegung zu Art. 9 und 16 der Richtlinie 2000/78, ihre besoldungsrechtliche Stellung unter Berufung auf Art. 2 der Richtlinie 2000/78 zum Zeitpunkt vor der Überleitung in das neue Besoldungssystem feststellen lassen können, indem die entsprechenden Rechtsgrundlagen rückwirkend mit dem Inkrafttreten ihres historischen Stammgesetzes für nicht mehr anwendbar erklärt werden und insbesondere ausgeschlossen wird, dass Vordienstzeiten vor dem 18. Geburtstag angerechnet werden können?

1.3. Für den Fall der Bejahung der Frage 1.2:

Gebietet der im Urteil vom 22.11.2005, C-144/04 (Mangold) und weitere, postulierte Anwendungsvorrang des Unionsrechts, dass die rückwirkend außer Kraft getretenen Bestimmungen für Beamte im Dienststand zum Zeitpunkt vor der Überleitung weiterhin anzuwenden sind, sodass diese Beamten rückwirkend diskriminierungsfrei im Altsystem eingereiht werden können und sohin diskriminierungsfrei in das neue Besoldungssystem übergeleitet werden?

1.4. Ist das Unionsrecht, insbesondere Art. 1, 2 und 6 der Richtlinie 2000/78/EG iVm Art. 21 und 47 der Grundrechtecharta, dahin auszulegen, dass es einer nationalen Regelung entgegensteht, die eine bestehende Altersdiskriminierung (in Bezug auf die Anrechnung von Vordienstzeiten vor dem 18. Lebensjahr) bloß deklarativ beseitigt, indem bestimmt wird, dass die unter der Diskriminierung real zurückgelegten Zeiten rückwirkend nicht mehr als diskriminierend anzusehen sind, obwohl die Diskriminierung faktisch unverändert fortwirkt?“

9        Die Beantwortung dieser Fragen im Wege eines Vorabentscheidungsverfahrens sei für das vorliegende, gleichgelagerte Beschwerdeverfahren präjudiziell, zumal auch dem vorliegenden Verfahren ein Antrag auf Neufestsetzung des Vorrückungsstichtages bzw. auf Feststellung der daraus resultierenden besoldungsrechtlichen Stellung zugrunde liege.

10       Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts.

11       Die Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte Kostenersatz.

12       Die Revision bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit vor, die dem Gerichtshof der Europäischen Union in der Rechtssache C-396/17, Martin Leitner, zur Vorabentscheidung vorgelegten Rechtsfragen seien im Hinblick auf das vorliegende Verfahren nicht präjudiziell. Zum einen werde die besoldungsrechtliche Stellung der Mitbeteiligten nicht durch den Vorrückungsstichtag bestimmt. Zum anderen liege dem zuletzt genannten Vorabentscheidungsersuchen kein vergleichbarer Sachverhalt zugrunde. Das Bundesverwaltungsgericht habe sohin das Verfahren unterbrochen, obwohl hierfür die nach § 38 AVG erforderlichen Voraussetzungen nicht gegeben gewesen seien.

Mit diesem Vorbringen wird eine Rechtsfrage im Sinn von Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht aufgezeigt:

13       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

14       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Hat das Verwaltungsgericht - wie im gegenständlichen Fall - ausgesprochen, dass die Revision nicht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist, hat die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

15       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof hingegen nur im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

16       § 175 Abs. 79 und 79a Gehaltsgesetz 1956, BGBl. Nr. 54 (im Folgenden: GehG) in der Fassung dieser Absätze nach dem am 6. Dezember 2016 ausgegebenen BGBl. I Nr. 104/2016, lautet auszugsweise:

„§ 175 ...

(79) In der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 32/2015 treten in Kraft: ...

2.   der Entfall der § 7a, § 113 und § 113a samt Überschriften mit dem der Kundmachung folgenden Tag; diese Bestimmungen sind in laufenden und künftigen Verfahren nicht mehr anzuwenden,

3.   die §§ 8 und 12 samt Überschrift mit dem 1. Februar 1956; diese Bestimmungen sind in allen vor 11. Februar 2015 kundgemachten Fassungen in laufenden und künftigen Verfahren nicht mehr anzuwenden, ...

(79a) Verfahren im Sinne von Abs. 79 Z 2 und 3 sind insbesondere alle Verfahren vor Verwaltungsbehörden, vor dem Bundesverwaltungsgericht oder einem Landesverwaltungsgericht, dem Verwaltungsgerichtshof oder vor den ordentlichen Gerichten, welche

1.   die Feststellung eines Vorrückungsstichtages,

2.   die Feststellung einer besoldungsrechtlichen Stellung unter Anwendung der Bestimmungen nach § 12 über die Anrechnung von Vordienstzeiten in einer Fassung, die vor dem 11. Februar 2015 kundgemacht wurde,

3.   Leistungen für einen Zeitraum vor Ablauf des 11. Februar 2015 auf Grundlage einer behaupteten rechtlichen Stellung, wie sie sich aus einer Feststellung nach Z 1 oder 2 ergeben würde, oder

4.   Leistungen für einen Zeitraum nach Ablauf des 11. Februar 2015 auf Grundlage einer behaupteten rechtlichen Stellung, wie sie sich aus einer Feststellung nach Z 1 oder 2 ergeben würde,

zum Gegenstand haben.“

17       Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass die Beurteilung des Verwaltungsgerichts, ob eine im gemäß § 38 AVG zu unterbrechenden Verfahren zu beurteilende Rechtsfrage „ähnlich“ im Verständnis der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (siehe dazu VwGH 19.9.2001, 2001/16/0439) ist, jedenfalls dann, wenn sie nicht offenkundig unzutreffend ist, nicht revisibel ist (vgl. VwGH 13.9.2017, Ra 2017/12/0068).

18       Im vorliegenden Fall erweist sich die Rechtsansicht des Bundesverwaltungsgerichts, welches von der Präjudizialität des in der Rechtssache C-396/17, Martin Leitner, (vor dem Hintergrund der Regelungen des § 175 Abs. 79 Z 2 und Z 3 sowie Abs. 79a GehG in der Fassung BGBl. I Nr. 104/2016) ergangenen Vorabentscheidungsersuchens ausging, schon deshalb als nicht unvertretbar, weil für den Fall, dass § 113 Abs. 10 GehG im vorliegenden Verfahren nicht anzuwenden wäre, der verfahrenseinleitende Antrag der Mitbeteiligten nicht inhaltlich zu behandeln, sondern zurückzuweisen wäre.

19       Sofern die Revision darauf verweist, dass Gegenstand des der Rechtssache C-396/17, Martin Leitner, zugrundeliegenden verwaltungsgerichtlichen Ausgangsverfahrens Ansprüche eines Exekutivbediensteten seien, bleibt offen, aus welchem Grund dieser Umstand für die Beurteilung der „Ähnlichkeit“ der in Rede stehenden Rechtsfragen ausschlaggebend sein könnte.

20       Aus den dargelegten Erwägungen erweist sich die Revision mangels Vorliegens der Voraussetzungen nach Art. 133 Abs. 4 B-VG als nicht zulässig. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 und Abs. 3 VwGG in nicht-öffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

21       Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 3. Oktober 2018

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017120094.L00

Im RIS seit

04.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

07.06.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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