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L92055 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Salzburg;Norm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching sowie die Hofrätin Dr. Leonhartsberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Bleiweiss, über die Revision der K H in S, vertreten durch Dr. Herbert Hübel, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Paris-Lodron-Straße 5, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg vom 30. Oktober 2017, Zl. 405- 9/333/1/14-2017, betreffend Sozialhilfe (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Stadt Salzburg), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Salzburg hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen, im Beschwerdeverfahren ergangenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg vom 30. Oktober 2017 wurde der Antrag der Revisionswerberin vom 24. April 2017 auf Gewährung von Sozialhilfe durch Kostentragung des Aufenthaltes in einer näher genannten Pflegeeinrichtung abgewiesen (Spruchpunkt I.). Weiters wurde ausgesprochen, dass gemäß § 25a VwGG die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei (Spruchpunkt II.).
2 Begründend ging das Verwaltungsgericht nach Darstellung des Verfahrensganges - soweit für das vorliegende Verfahren von Relevanz - davon aus, dass die Revisionswerberin seit 14. April 2017 in einer näher genannten Pflegeeinrichtung in Salzburg aufhältig sei. Sie habe mit Antrag vom 14. April 2017, bei der belangten Behörde eingegangen am 24. April 2017, die Gewährung von Sozialhilfe durch Kostenübernahme ab 14. April 2017 gemäß § 17 Salzburger Sozialhilfegesetz (Sbg. SHG) beantragt. Die Revisionswerberin habe im Zuge ihres Eintritts in die Pflegeeinrichtung die Ermächtigung erteilt, die jeweiligen Heimkosten von ihrem Girokonto einzuziehen. Dem Girokonto der Revisionswerberin seien in diesem Zusammenhang folgende Abbuchungen (Lastschriften) zu entnehmen:
"Wert 25.04.2017 - Heimkostenanzahlung April 2017: EUR 524,00 Wert 04.05.2017 - Kaution: EUR 300,00 Wert 05.05.2017 - Heimkostenanzahlung Mai 2017: EUR 925,60 Wert 11.05.2017 - Offener Saldo Heimkosten April und Mai 2017: EUR 4.113,60"
Bedingt durch den Einzug der Heimkosten sowie der Kaution vom Girokonto der Revisionswerberin seien sämtliche Ansprüche des Heimträgers gegen die Revisionswerberin für die Aufenthaltsmonate April und Mai 2017 mit 11. Mai 2017 gedeckt gewesen. Die Revisionswerberin habe mit Antrag vom 9. Juni 2017, bei der belangten Behörde eingegangen am 14. Juni 2017, wiederum die Gewährung von Sozialhilfe durch Kostenübernahme ab 1. Juni 2017 beantragt.
3 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, bedingt durch die neuerliche Antragseinbringung für den Zeitraum ab 1. Juni 2017 sei die Frage der Gewährung von Sozialhilfe im gegenständlichen Verfahren für den Zeitraum vom 14. April 2017 bis 31. Mai 2017 zu beurteilen.
4 Der in § 7 Sbg. SHG normierte Grundsatz der Subsidiarität der Unterstützung von Hilfsbedürftigen durch Leistungen der öffentlichen Hand sei bereits dem vormaligen Fürsorgerecht immanent gewesen. Dieser Grundsatz sei vom Fürsorge- auf das Sozialhilferecht übertragen worden. Aus dem tragenden Grundsatz des Prinzips der Subsidiarität ergebe sich, dass Personen, die grundsätzlich zum Bezug von Sozialhilfe berechtigt seien, zunächst ihre eigenen Ressourcen (erzielbares Einkommen, Vermögen, Ansprüche gegen Dritte) einzusetzen hätten und die Sozialhilfe nur zur Abdeckung des verbleibenden Bedarfs gewährt werde. Eine Notlage liege daher bei bereits erfolgter faktischer Bedürfnisdeckung nicht (mehr) vor. Bei der Hilfegewährung sei grundsätzlich situationsbezogen auf die aktuelle Notlage abzustellen. Demgemäß scheide im Regelfall die Gewährung von Leistungen für die Vergangenheit, die bereits aus eigenen Mitteln finanziert worden seien, aus. Die Subsidiarität (Nachrangigkeit) der Sozialhilfe komme dann zum Tragen, wenn der Hilfeempfänger seine Notlage bereits selbst überwunden habe (Verweis auf VwGH 22.2.2017, Ro 2015/10/0051; 24.2.2016, Ra 2015/10/0047, VwSlg. 19307 A; 28.5.2013, 2010/10/0189; 29.2.2012, 2011/10/0060; 15.5.2007, 2001/11/0177; 2.5.2005, 2003/10/0213; 31.3.2003, 2002/10/0238).
5 Da sich die Revisionswerberin bezogen auf den Bedarfszeitraum 14. April 2017 bis 31. Mai 2017 nicht mehr in einer aktuellen Notlage im Sinne des § 2 Sbg. SHG befinde, da diese bereits aus eigenen Mitteln beseitigt worden sei, sei davon auszugehen, dass nunmehr eine Leistungsgewährung für die Vergangenheit geltend gemacht werde. Diese scheide jedoch im Regelfall aus. Dies gelte auch für die Deckung vormals aushaftender Ansprüche gegenüber dem Heimträger (Verweis auf VwGH 31.3.2003, 2002/10/0238: 31.3.2003, 2002/10/0239; 25.2.2003, 2002/10/0196).
6 Auch sei das Verwaltungsgericht in Anbetracht der neuerlichen Antragstellung nicht zur Erstellung einer Prognose dahingehend angehalten, inwieweit nach der aufgezeigten eigenen Überwindung der Notlage aufgrund der Umstände des Einzelfalls mit der Gefahr einer (weiteren) finanziellen Notlage bzw. der Gefahr eines im weitesten Sinne finanziellen Rückschlages zu rechnen sei. Anzumerken sei, dass der Umstand, dass die Entrichtung der Heimkosten vom Girokonto der Revisionswerberin auf Betreiben des Heimträgers erfolgt sei, nicht entscheidungsrelevant sei, da der Heimträger dazu seitens der Revisionswerberin selbst ermächtigt worden sei.
7 Die Revisionswerberin habe demnach für den hier relevanten Zeitraum vom 14. April 2017 bis 31. Mai 2017 keinen Anspruch auf Gewährung von Sozialhilfe. Auf das weitere - auf das Unterschreiten des sog. Schonvermögens gemäß § 8 Abs. 2 Z 2 Sbg. SHG iVm § 1 der Verordnung LGBl. Nr. 88/2016 gerichtete - Vorbringen der Revisionswerberin sei daher nicht mehr einzugehen gewesen.
8 Den Ausspruch nach § 25a Abs. 1 VwGG begründete das Verwaltungsgericht im Wesentlichen mit einem Verweis auf den Wortlaut des Art. 133 Abs. 4 B-VG.
9 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision. 10 Das Verwaltungsgericht legte die Verfahrensakten vor. 11 Die belangte Behörde erstattete keine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
12 Das Salzburger Sozialhilfegesetz, LGBl. Nr. 19/1975
idF Nr. 123/2017 (Sbg. SHG), lautet auszugsweise:
"Individuelle und familiengerechte Hilfe
§ 2
(1) Bei der Gewährung der Sozialhilfe ist auf die Eigenart und Ursache der Notlage sowie auf die persönlichen Verhältnisse des Hilfesuchenden Bedacht zu nehmen. Dabei ist auf seinen körperlichen und geistig-seelischen Zustand und den Grad seiner sozialen Anpassung und auf die persönliche Bereitschaft Rücksicht zu nehmen, im Rahmen seiner Möglichkeiten an der Beseitigung der Notlage mitzuwirken. Der Einsatz der eigenen Mittel und Kräfte darf die Notlage des Hilfesuchenden nicht verschlechtern.
...
Einsetzen und Fortdauer der Hilfe
§ 3
Die Sozialhilfe hat rechtzeitig einzusetzen. Sozialhilfe ist nicht nur zur Beseitigung einer bestehenden Notlage, sondern auch vorbeugend zu gewähren, wenn dadurch einer drohenden Notlage entgegengewirkt werden kann. Die Sozialhilfe ist auch nach Beseitigung der Notlage fortzusetzen, soweit das notwendig ist, um die Wirksamkeit der geleisteten Hilfe zu sichern oder Rückschläge zu vermeiden.
...
Subsidiarität
§ 7
Die Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes ist nicht zu gewähren, soweit andere Personen oder Einrichtungen auf Grund gesetzlicher, statutarischer oder vertraglicher Regelung Hilfe leisten. Zuwendungen der freien Wohlfahrtspflege sowie der Familienförderung des Landes sind dabei aber nicht zu berücksichtigen.
Einsatz der eigenen Mittel
§ 8
(1) Die Hilfe ist nur insoweit zu gewähren, als der Einsatz des Einkommens und des verwertbaren Vermögens des Hilfesuchenden nicht ausreicht, um den Lebensbedarf (§ 10) zu sichern.
(2) Als nicht verwertbar gelten:
1. Gegenstände, die zur persönlichen Fortsetzung einer
Erwerbstätigkeit oder zur Befriedigung angemessener kultureller
Bedürfnisse dienen;
2. Vermögen bis zur Höhe des Zehnfachen des Richtsatzes für
Alleinunterstützte (§ 12 Abs. 1 Z 1) bei Hilfe Empfängern, die in Anstalten oder Heimen (§ 17) untergebracht sind.
(3) Die Verwertung des Vermögens darf nicht verlangt werden, wenn dadurch die Notlage verschärft oder von einer vorübergehenden zu einer dauernden wird.
...
Unterbringung in Anstalten oder Heimen
§ 17
(1) Der Lebensbedarf kann mit Zustimmung des Hilfesuchenden durch Unterbringung in Anstalten oder Heimen gesichert werden, wenn der Hilfesuchende auf Grund seines körperlichen oder geistigseelischen Zustandes oder auf Grund der familiären und häuslichen Verhältnisse nicht imstande ist, ein selbständiges und unabhängiges Leben zu führen oder wenn er besonderer Pflege bedarf. Unter den familiären und häuslichen Verhältnissen sind für diese Art der Hilfeleistung auch die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Angehörigen des Hilfesuchenden mitzuberücksichtigen. Die Landesregierung kann durch Verordnung näheres hierüber bestimmen. Die Aufnahme des Hilfe Suchenden in ein Senioren- oder Seniorenpflegeheim setzt voraus, dass dieses den Mindeststandards nach dem Salzburger Pflegegesetz entspricht.
(2) Den in Anstalten oder Heimen untergebrachten Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet haben, ist im Sinn einer Mindestsicherungsleistung ein Taschengeld in der Höhe von 20 % des Mindeststandards gemäß § 10 Abs 1 Z 1 und Abs 4 MSG zu gewähren, soweit ihnen nicht auf Grund des § 8 Abs 5 ein solcher Betrag ihres Einkommens verbleibt. Das Taschengeld gebührt in den Monaten März, Juni, September und Dezember in eineinhalbfacher Höhe. Die Bestimmung des § 12 Abs 6 vorletzter Satz ist sinngemäß anzuwenden.
(2a) Die Landesregierung hat den sich nach Abs 2 erster Satz ergebenden Betrag gleichzeitig mit den jeweiligen Mindeststandards der Bedarfsorientierten Mindestsicherung gemäß § 10 Abs 4 MSG im Landesgesetzblatt kundzumachen.
..."
13 Die Revisionswerberin macht (unter anderem) geltend, das Verwaltungsgericht übersehe, dass hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen für die Gewährung von Sozialhilfe auf den Zeitpunkt der Antragstellung abzustellen sei. Zum Zeitpunkt der Antragstellung hätten die Heimkosten für die Aufenthaltsmonate April und Mai 2017 unberichtigt ausgehaftet. Entgegen der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtes sei nicht "von einer beantragten Leistungsgewährung für die Vergangenheit" auszugehen. Das Verwaltungsgericht übersehe auch, dass der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu entnehmen sei, dass die Gewährung von Leistungen für die Vergangenheit, die bereits aus eigenen Mitteln zur Abwendung eines akuten Notfalls finanziert worden seien, nicht ausgeschlossen und sehr wohl möglich sei. Würde man der Argumentation des Verwaltungsgerichtes folgen, würde die Sicherung des gesetzlich vorgesehenen Schonvermögens ad absurdum geführt werden, weil Heimplatzbewohner vor der rechtskräftigen Erledigung ihres Antrages im Ergebnis vor die Wahl gestellt würden, entweder ihren Heimplatz mangels vorläufiger Zahlung bzw. Einräumung einer Einzugsermächtigung zu verlieren oder keine Sozialhilfe gewährt zu bekommen. Es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob es sich bei einem drohenden Verlust eines Heimplatzes bzw. der drohenden Kündigung eines Heimplatzes um eine "akute Notlage" handle.
14 Die Revision erweist sich als zulässig und begründet. 15 Das Verwaltungsgericht verweist zutreffend auf die
ständige Rechtsprechung der Verwaltungsgerichtshofes, wonach bei der Hilfegewährung grundsätzlich situationsbezogen auf die aktuelle Notlage abzustellen ist und demgemäß im Regelfall die Gewährung von Leistungen für die Vergangenheit, die bereits aus eigenen Mitteln finanziert worden sind, ausscheidet (vgl. VwGH 2.9.2008, 2005/10/0194; 27.9.2007, 2001/11/0331;
27.9.2007, 2001/11/0232; 15.5.2007, 2001/11/0177; 22.11.2004, 2004/10/0013; 5.5.2003, 2002/10/0203; 5.5.2003, 2002/10/0030;
31.3.2003, 2002/10/0238; 25.2.2003, 2003/10/0196 (ergangen zum Wiener Sozialhilfegesetz); siehe weiters VwGH 21.10.2009, 2008/10/0186 (ergangen zum Tiroler Grundsicherungsgesetz) sowie VwGH 14.12.2007, 2004/10/0170 (ergangen zum Oberösterreichischen Sozialhilfegesetz)).
16 Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichtes liegt allerdings im Revisionsfall gar kein Fall einer Gewährung von Leistungen für die Vergangenheit im Sinne der zitierten hg. Judikatur vor, hat die Revisionswerberin doch nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtes vor Begleichung auch nur der ersten Anzahlung an den Heimträger (im Wege einer vom Heimträger veranlassten Abbuchung vom Girokonto der Revisionswerberin) am 25. April 2017 einen mit 14. April 2017 datierten und am 24. April 2017 bei der belangten Behörde eingelangten Antrag auf Sozialhilfe gestellt. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichtes lässt sich die Abweisung des Antrages der Revisionswerberin daher nicht darauf stützen, dass diese mit ihrem Antrag die Gewährung von Leistungen für die Vergangenheit, die bereits aus eigenen Mitteln finanziert worden sind, begehrt hat.
17 Das angefochtene Erkenntnis ist daher mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
18 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 24. Oktober 2018
Schlagworte
Maßgebende Rechtslage maßgebender SachverhaltBesondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017100190.L00Im RIS seit
21.11.2018Zuletzt aktualisiert am
30.11.2018