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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art133 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie den Hofrat Mag. Nedwed und die Hofrätin MMag. Ginthör als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des A A, vertreten durch MMag. Dr. Franz Stefan Pechmann, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Prinz-Eugen-Straße 70/2/1.1, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Mai 2018, Zl. L521 2154773- 1/12E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber ist irakischer Staatsangehöriger, Angehöriger der arabischen Volksgruppe sowie der sunnitischen Glaubensrichtung. Er lebte vor seiner Ausreise aus dem Irak im Jahr 2014 in Bagdad und stellte am 6. Juni 2015 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der Revisionswerber an, den Irak aufgrund der schlechten Sicherheitslage und wegen der sich gegenseitig bekämpfenden Milizen verlassen zu haben. Die sunnitischen Einwohner hätten unter der zunehmenden schiitischen Dominanz gelitten und der Revisionswerber sei auch persönlich bedroht worden.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht den Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz in der Sache zur Gänze ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 Asylgesetz 2005, erließ eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers in den Irak zulässig sei und setzte eine zweiwöchige Frist für die freiwillige Ausreise fest. Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Gericht für nicht zulässig.
3 Das Bundesverwaltungsgericht sprach insbesondere aufgrund der auch in der mündlichen Verhandlung vage gebliebenen Angaben des Revisionswerbers betreffend eine behauptete individuelle Bedrohung dem diesbezüglichen Fluchtvorbringen die Glaubwürdigkeit ab. Soweit der Revisionswerber auf in den Jahren 2008 und 2009 eingetretene Ereignisse verweise, mangle es an einem zeitlichen Zusammenhang zu seiner Ausreise. Von einer Gruppenverfolgung der Angehörigen der sunnitischen Minderheit sei im Hinblick auf die getroffenen Feststellungen zur Situation im Irak nicht auszugehen. Betreffend die Nichtzuerkennung von subsidiärem Schutz setzte sich das Bundesverwaltungsgericht ausführlich mit der aktuellen Sicherheitslage im Irak und insbesondere in Bagdad, mit dem persönlichen Risikoprofil des Revisionswerbers sowie mit dem von diesem zur Sicherheitslage im Irak erstatteten Vorbringen auseinander. Es gelangte dabei zu dem Ergebnis, dass nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit von einer individuellen Gefährdung des Revisionswerbers durch terroristische Anschläge oder bürgerkriegsähnliche Zustände bei dessen Rückkehr nach Bagdad auszugehen sei. Weiters hielt das Gericht fest, der Revisionswerber sei ein arbeitsfähiger und gesunder Mann mit hervorragender Schulbildung und einem akademischen Studium. Er verfüge als Sportartikelhändler und als Verwaltungsangestellter über Berufserfahrung. Der Revisionswerber werde daher bei seiner Rückkehr in den Irak in der Lage sein, ein ausreichendes Einkommen zur Sicherstellung des eigenen Lebensunterhaltes zu erwirtschaften. Ferner sei davon auszugehen, dass er erneut bei seiner Familie Unterstützung durch Zurverfügungstellung von Wohnraum und Nahrung finden werde, zumal ihm eine solche Unterstützung bereits vor seiner Ausreise gewährt worden sei. Das Elternhaus des Revisionswerbers in Bagdad stehe nach wie vor im Eigentum seiner Verwandten und beziehe seine Mutter eine Pension, sodass eine hinreichende Absicherung der Grundbedürfnisse gegeben sei.
4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zur Begründung ihrer Zulässigkeit geltend macht, es stelle sich im Hinblick auf das Vorliegen einer Bedrohungssituation des Revisionswerbers im Irak eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung. Dem Revisionswerber drohe - was das Verwaltungsgericht aufgrund eines mangelhaft geführten Verfahrens verkannt habe - bei einer allfälligen Rückkehr in den Irak individuelle Verfolgung, worauf dieser auch ausdrücklich in seiner Einvernahme unter Bezugnahme auf eine "zunehmende schiitische Dominanz" hingewiesen habe. Im Übrigen würde der Revisionswerber im Fall seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mangels familiären Netzwerkes in eine ausweglose Lage geraten. Durch das Ignorieren der vorliegenden Beweismittel und die mangelnde Auseinandersetzung mit deren Bedeutung für das Verfahren sei das Bundesverwaltungsgericht von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen. Gleiches gelte auch für die Annahme mangelnder Integrationsbemühungen des Revisionswerbers.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 Soweit sich die Revision gegen die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichtes wendet und ins Treffen führt, dem Revisionswerber drohe bei einer Rückkehr in den Irak individuelle Verfolgung, ist festzuhalten, dass das Verwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung dem diesbezüglichen Fluchtvorbringen des Revisionswerbers im Rahmen einer schlüssigen und nachvollziehbaren Beweiswürdigung die Glaubwürdigkeit absprach. Zur Überprüfung der Beweiswürdigung ist der Verwaltungsgerichtshof im Allgemeinen als Rechtsinstanz nicht berufen (VwGH 29.6.2018, Ra 2018/18/0138).
9 Die Zulässigkeitsbegründung lässt zudem nicht erkennen, mit welchen Beweismitteln sich das Bundesverwaltungsgericht nicht auseinander gesetzt habe, und sie legt darüber hinaus auch die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht dar.
10 Hinsichtlich des nicht weiter konkretisierten Vorbringens, der Revisionswerber würde bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mangels familiären Netzwerkes in eine ausweglose Lage geraten, ist ebenfalls auf die Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts zu verweisen. Im vorliegenden Fall traf das Gericht ausführliche und konkrete, sowohl die persönliche Situation des Revisionswerbers, als auch die allgemeine Sicherheitslage im Herkunftsstaat (insbesondere in Bagdad) betreffende Feststellungen. Diese vermochte der Revisionswerber mit seinem pauschal gehaltenen Vorbringen zur Zulässigkeit der Revision nicht zu entkräften. Auch ist eine solche einzelfallbezogene Beurteilung im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel (vgl. VwGH 12.10.2016, Ra 2016/18/0039, mwN; zu den Voraussetzungen für die Annahme eines realen Risikos bzw. einer ernsthaften Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt siehe VwGH 21.2.2017, Ra 2016/18/0137).
11 Schließlich setzte sich das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen einer vertretbaren Interessenabwägung im Sinne von Art. 8 EMRK mit den persönlichen und familiären Interessen des Revisionswerbers im Bundesgebiet auseinander. Dass diese Abwägung nicht entsprechend den Leitlinien der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfolgt wäre, legt die Revision nicht dar.
12 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 25. Oktober 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018180381.L00Im RIS seit
21.11.2018Zuletzt aktualisiert am
17.12.2018