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L66506 Flurverfassung Zusammenlegung landw GrundstückeNorm
AgrGG Stmk 1985 §34;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck und die Hofrätin Dr. Hinterwirth sowie den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision der Agrarbezirksbehörde für Steiermark gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 1. August 2018, Zl. LVwG 53.28-3398/2017-5, betreffend die Erlassung vorläufiger Satzungen in einem Spezialteilungsverfahren (mitbeteiligte Parteien: 1) Ing. S N, 2) A P, 3) Dr. B P, alle in D, und
4) F regGenmbH, vertreten durch Dr. Robert Mogy, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Bahnhofstraße 41), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Zur Vorgeschichte wird auf die Darstellung des Sachverhaltes im hg. Erkenntnis vom 21. Juni 2018, Ra 2018/07/0345, verwiesen.
2 Der Verwaltungsgerichtshof hatte mit diesem Erkenntnis ein Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark (Verwaltungsgericht) wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben. Der Verwaltungsgerichtshof vertrat dabei die Ansicht, dass - entgegen der Meinung des Verwaltungsgerichts - auch in einem Fall der Spezialteilung von agrargemeinschaftlichen Grundstücken, die im Einzelbesitz oder in Einzelnutzung stehen, ohne dass die Teilung in den öffentlichen Büchern durchgeführt worden sei (§ 34 des Steiermärkischen Agrargemeinschaftengesetzes - StAgrGG), die Erlassung vorläufiger Verwaltungssatzungen grundsätzlich zulässig sei.
3 Im fortgesetzten Verfahren prüfte das Verwaltungsgericht das Vorliegen der - im ersten Rechtsgang noch nicht relevanten - Voraussetzungen für die Erlassung vorläufiger Satzungen nach § 6 Abs. 3 Z 2 iVm Z 1 StAgrGG.
4 Mit dem nun in Revision gezogenen Erkenntnis vom 1. August 2018 hob es neuerlich den Bescheid der Agrarbezirksbehörde vom 20. Oktober 2017 ersatzlos auf.
5 Dies wurde damit begründet, dass die Agrarbehörde nach Einleitung des Spezialteilungsverfahrens von den ihr rechtlich zur Verfügung stehenden Möglichkeiten lediglich die Verwaltung der Gemeinschaft und nicht auch die Ausübung der Nutzungsrechte vorläufig geregelt habe. Dafür habe sie als Voraussetzungen zu prüfen gehabt, ob dies zur Sicherung der geregelten und zweckmäßigen Benutzung und Bewirtschaftung der gemeinschaftlichen Grundstücke, zur Erreichung einer pfleglichen Behandlung und zur Wahrung der nachhaltigen Ertragsfähigkeit derselben (§ 6 Abs. 3 Z 1 leg. cit.) geboten sei. Die Erlassung der vorläufigen Verwaltungssatzungen "für die ordnungsgemäße Durchführung des Spezialteilungsverfahrens" sei als Voraussetzung hingegen nicht formuliert.
6 Nun sei aber weder im Verfahren vor der Behörde noch im Beschwerdeverfahren hervorgekommen, dass die geregelte und zweckmäßige Benutzung der Grundstücke oder ihre pflegliche Behandlung sowie die Wahrung der nachhaltigen Ertragsfähigkeit derselben nicht oder unzureichend stattfinde. Der in der Amtsrevision (gemeint wohl: in der im ersten Rechtsgang erhobenen Amtsrevision) enthaltene Vorwurf einer willkürlichen physischen Inbesitznahme durch einzelne Agrargemeinschaftsmitglieder entbehre aufgrund des amtlichen Vermessungsergebnisses, das eine Zustimmung aller mitbeteiligten Parteien zum Grenzverlauf beinhalte, jeder Grundlage.
7 Nach § 9 StAgrGG seien die Mitbesitzer und Miteigentümer, nicht aber die Agrargemeinschaft Verfahrensparteien; nur diese seien auch von einem eventuellen Geldausgleich betroffen (§ 16 Abs. 3 leg. cit.). Im Spezialteilungsverfahren sei weder eine Zustimmung der Agrargemeinschaft zu behördlichem Handeln noch der Miteigentümer als Parteien für die Durchführung und den Abschluss des Verfahrens vorgesehen. Für die Vermessung und Kennzeichnung der Grenzen gemäß § 52 Abs. 1 leg. cit. seien dort genannte Bestimmungen des Vermessungsgesetzes sinngemäß anzuwenden, sodass es zulässig erscheine, dass auch für die Vermessung der Außengrenzen nicht Organe der Agrargemeinschaft, sondern alle Miteigentümer beigezogen würden.
8 Die im Teilungsverfahren entstandenen Kosten und Umlagen seien nach §§ 62 bis 64 StAgrGG entweder von den Mitgliedern als Parteien oder der Agrargemeinschaft zu bestreiten. Bei einer lediglich aus drei nicht identen Eigentümern dreier Stammsitzliegenschaften (der Mindestanzahl) bestehenden Agrargemeinschaft sei die Vorschreibung nach diesen Bestimmungen direkt an die Mitglieder ohne die zusätzlichen Verfahrensschritte des § 62 Abs. 2 und 3 leg. cit. im Interesse der Raschheit gelegen und mit einer Kostenersparnis verbunden. Für die erfolgte Aufstellung vorläufiger Verwaltungssatzungen gemäß § 6 Abs. 3 Z 2 StAgrGG fehlten nach dem Vorgesagten daher die in Z 1 genannten Voraussetzungen, weshalb sie in Stattgebung der Beschwerde aufzuheben gewesen sei.
9 Die ordentliche Revision wurde nicht zugelassen. 10 In der gegen dieses Erkenntnis erhobenen Amtsrevision
macht die revisionswerbende Agrarbehörde Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend.
11 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
12 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
13 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
14 Die Amtsrevisionswerberin verweist in ihren Zulässigkeitsausführungen darauf, dass das angefochtene Erkenntnis der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (etwa VwGH 29.1.2009, 2009/07/0015) widerspreche. Das Verwaltungsgericht habe sich seinerseits auf keine Rechtsprechung stützen können, aus welcher hervorginge, dass im Falle einer Teilung einer unregulierten Agrargemeinschaft die in § 6 Abs. 3 Z 1 StAgrGG genannten Voraussetzungen jedenfalls fehlten und die Erlassung von Satzungen generell dem Interesse der Raschheit und Kostenersparnis widersprächen. Darin liege eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung.
15 § 34 StAgrGG regelt die Behandlung agrargemeinschaftlicher Grundstücke, die im Einzelbesitz oder in Einzelnutzung stehen; darunter sind Grundstücke zu verstehen, die früher einer gemeinschaftlichen Benutzung unterlagen, inzwischen aber infolge physischer Teilung in Einzelbesitz übergegangen sind, ohne dass die Teilung in den öffentlichen Büchern durchgeführt wurde, oder Grundstücke, die sich zwar im Einzelbesitz oder in Einzelnutzung befinden, aber in den öffentlichen Büchern als Eigentum einer Agrargemeinschaft eingetragen sind.
16 Es steht außer Streit, dass es sich im vorliegenden Fall um die (eingeleitete) Spezialteilung eines solchen agrargemeinschaftlichen Grundstückes handelt.
17 Die im vorliegenden Fall zur Anwendung gelangende
Bestimmung des § 6 Abs. 3 StAgrGG lautet:
"Überwachung der Agrargemeinschaften
§ 6 (1) ...
(3) Auf Grund dieses Überwachungsrechtes kann die Agrarbehörde auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen durch vorläufigen Bescheid
1. bei Agrargemeinschaften, bei welchen ein Teilungs- oder
Regulierungsverfahren noch nicht eingeleitet ist, die Verwaltung der Gemeinschaft sowie die Ausübung der Nutzungsrechte vorläufig regeln, wenn dies zur Sicherung der geregelten und zweckmäßigen Benutzung und Bewirtschaftung der gemeinschaftlichen Grundstücke, zur Erreichung einer pfleglichen Behandlung und zur Wahrung der nachhaltigen Ertragsfähigkeit derselben geboten erscheint; durch vorläufigen Bescheid können insbesondere Verwaltungssatzungen vorgeschrieben, bestehende ergänzt oder abgeändert und der Bezug einer oder mehrerer Nutzungen verhältnismäßig gekürzt werden;
2. nach Einleitung eines Teilungs- oder
Regulierungsverfahrens bis zur Übergabe der Teilflächen (Abfindungsgrundstücke) oder bis zur Rechtskraft des Regulierungsplanes die Ausübung der Nutzungsrechte unter der in Z 1 angegebenen Voraussetzungen vorläufig regeln und auch vorläufige Verwaltungssatzungen erlassen. Solche vorläufige Bescheide dürfen eine Entscheidung über den Bestand oder das Ausmaß von Anteilsrechten nicht enthalten.
(4) ...."
18 Die Amtsrevisionswerberin verweist auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zum Verständnis des § 6 Abs. 3 leg. cit.; diesen Entscheidungen (VwGH 1.6.2006, 2005/07/0042; 29.1.2009, 2009/07/0015) ist (gleichlautend) Folgendes zu entnehmen:
"Die Erlassung von (vorläufigen) Satzungen samt Wirtschaftsplänen (hier: Almwirtschaftplan und Weideordnung) und die dadurch geschaffene klare organisatorische und bewirtschaftungstechnische Struktur einer Agrargemeinschaft, insbesondere die in den Wirtschaftsplänen getroffenen Regelungen, dient regelmäßig den in § 6 Abs. 3 Stmk AgrGG 1985 genannten Interessen (Sicherung der geregelten und zweckmäßigen Benutzung und Bewirtschaftung, Erreichung einer pfleglichen Behandlung und Wahrung der nachhaltigen Ertragsfähigkeit der gemeinschaftlichen Grundstücke). Daraus folgt, dass nur in besonderen Fällen die Erlassung vorläufiger Satzungen bei einer unregulierten Agrargemeinschaft zur Wahrung dieser Interessen nicht als geboten erscheint."
19 Aus der genannten Rechtsprechung ergibt sich, dass die in § 6 Abs. 3 Z 1 StAgrGG genannten Voraussetzungen für die vorläufige Regelung der Ausübung der Nutzungsrechte (Sicherung der geregelten und zweckmäßigen Benutzung und Bewirtschaftung der gemeinschaftlichen Grundstücke, Erreichung einer pfleglichen Behandlung, Wahrung der nachhaltigen Ertragsfähigkeit) auch als Voraussetzungen für die Erlassung vorläufiger Satzungen angesehen wurden; dies wurde von der amtsrevisionswerbenden Agrarbehörde auch nicht in Zweifel gezogen.
20 In den diesen Erkenntnissen zugrunde gelegenen Fällen wurden aber nicht nur Satzungen, sondern auch Wirtschaftspläne vorläufig erlassen; die dortigen Fallgestaltungen erscheinen daher mit dem hier vorliegenden Fall, in dem es lediglich zur Erlassung vorläufiger Satzungen kam, schon deshalb nicht vergleichbar. Weiters handelte es sich in diesen Fällen auch nicht - wie im vorliegenden Fall - um die Spezialteilung von Grundstücken nach § 34 StAgrGG.
21 Der Verwaltungsgerichtshof verwies in diesen Entscheidungen ausdrücklich darauf, dass in besonderen Fällen die Erlassung vorläufiger Satzungen bei einer unregulierten Agrargemeinschaft zur Wahrung der obgenannten Interessen auch nicht als geboten erscheinen könne.
22 In der Spezialteilung von im Miteigentum der Mitglieder stehenden agrargemeinschaftlichen Grundstücken, die im Einzelbesitz oder in Einzelnutzung stehen (§ 34 leg. cit.), kann nun eine solche besondere Fallgestaltung liegen. Ob dies aber konkret der Fall ist, wird letztlich immer im Einzelfall zu entscheiden sein. Eine generelle Annahme, wonach die Erlassung vorläufiger Satzungen im Interesse der ordnungsgemäßen Durchführung eines Spezialteilungsverfahrens immer geboten ist, wie die Amtsrevisionswerberin meint, ist weder der Rechtslage noch der Rechtsprechung zu entnehmen.
23 Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung läge angesichts der gebotenen einzelfallbezogenen Betrachtung in diesem Zusammenhang daher nur dann vor, wenn die Beurteilung des Verwaltungsgerichtes über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erlassung vorläufiger Satzungen in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (vgl. etwa VwGH 31.3.2016, Ro 2016/07/0002, 0019, mwN). Dass dies vorliegend der Fall wäre, vermochte die Amtsrevisionswerberin nicht aufzuzeigen und ist für den Verwaltungsgerichtshof auch nicht ersichtlich.
24 Ergänzend wird bemerkt, dass die Amtsrevision, soweit in ihr die Ansicht vertreten wird, mit dem in Revision gezogenen aufhebenden Erkenntnis des Verwaltungsgerichts sei allen Beschwerdeanträgen der erstmitbeteiligten Partei stattgebend Rechnung getragen worden, die Rechtslage verkennt. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde - insofern in Stattgebung der Beschwerde - der Bescheid der Amtsrevisionswerberin, mit dem vorläufige Satzungen erlassen worden waren, ersatzlos behoben; in dieser ersatzlosen Behebung erschöpft sich auch der normative Inhalt dieser Entscheidung. Eine darüber hinausgehende Rechtsgestaltung wurde nicht vorgenommen; insbesondere wurde nicht über die übrigen - die Sache des Verfahrens zudem überschreitenden - Beschwerdeanträge der erstmitbeteiligten Partei abgesprochen.
25 In der Revision werden nach dem Vorgesagten somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
26 Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 25. Oktober 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018070452.L00Im RIS seit
22.11.2018Zuletzt aktualisiert am
11.12.2018