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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
ASVG §4 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler und den Hofrat Dr. Strohmayer als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision der P GmbH in Wien, vertreten durch Celar Senoner Weber-Wilfert Rechtsanwälte GmbH in 1070 Wien, Mariahilferstraße 88a, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. August 2018, Zl. W126 2117954-1/26E, betreffend Pflichtversicherung nach dem ASVG und dem AlVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:
Niederösterreichische Gebietskrankenkasse; mitbeteiligte Parteien:
1. J R, W; 2. Pensionsversicherungsanstalt in 1020 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1, 3. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt in 1200 Wien, Adalbert Stifterstraße 65-67; weitere Partei:
Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
4 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis sprach das Verwaltungsgericht aus, dass der Erstmitbeteiligte auf Grund seiner Tätigkeit als Außendienstmitarbeiter für die revisionswerbende Partei vom 3. September 2008 bis 31. Jänner 2012 als Dienstnehmer gemäß § 4 Abs. 1 iVm Abs. 2 ASVG der Voll- (Kranken-, Unfall-, Pensions-)versicherung und gemäß § 1 Abs. 1 AlVG der Arbeitslosenversicherung unterliege. Der Erstmitbeteiligte sei für die revisionswerbende Partei auf Grund eines "Handelsvertretervertrages" auf Provisionsbasis unter der Leitung eines Vorgesetzten als Außendienstmitarbeiter (Aquisition von Fototerminen mit Kindergärten und Schulen) mit Konkurrenz- und Geheimhaltungsklausel sowie Berichterstattungspflicht tätig gewesen. Der Erstmitbeteiligte habe keine eigene unternehmerische Struktur besessen und keine Mitarbeiter gehabt. KFZ, Mobiltelefon und Visitkarten seien ihm von der revisionswerbenden Partei zur Verfügung gestellt worden. Etwa fünf Kundentermine pro Tag seien ihm von den "Terminisiererinnen" der revisionswerbenden Partei über ein betriebsinternes EDV-System vorgegeben worden. Diese Termine habe er grundsätzlich einhalten müssen. Des Weiteren habe er eine Liste von Stammkunden abarbeiten und an "Meetings" teilnehmen müssen. Erkrankungen seien zu melden gewesen. Der Erstmitbeteiligte habe seinen Lebensunterhalt nur mit den Einkünften aus dieser Tätigkeit finanziert.
5 In rechtlicher Hinsicht - unter Zitierung entsprechender Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes - verneinte das Verwaltungsgericht das Vorliegen einer "generellen Vertretungsbefugnis" sowie eines "sanktionslosen Ablehnungsrechts". Die Bindung an Arbeitsort und Arbeitszeit ergebe sich aus der Natur der Sache (auch ein selbständig Erwerbstätiger müsste derartigen Sachzwängen Rechnung tragen) und sei nicht unterscheidungskräftig. Dies gelte nicht für die Pflicht, an Meetings teilzunehmen. Das Ausmaß der zeitlichen Inanspruchnahme des Erstmitbeteiligten grenze an Vollzeitbeschäftigung, was für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis spreche. Der Erstmitbeteiligte sei unter einem Vorgesetzten in eine Unternehmenshierarchie eingegliedert gewesen und im Namen der revisionswerbenden Partei aufgetreten. Termine, Produkte und Preise seien vorgegeben gewesen. Seine Berichterstattungspflicht habe eine umfassende Kontrollmöglichkeit über seine Tätigkeit eröffnet. Ein relevanter eigener unternehmerischer Spielraum habe nicht bestanden. Eine Gesamtabwägung spreche für das Vorliegen einer Beschäftigung in persönlicher Abhängigkeit iSd § 4 Abs. 2 ASVG.
6 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
7 Die revisionswerbende Partei erblickt entgegen diesem Ausspruch eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung darin, dass das Verwaltungsgericht zu Unrecht ein "sanktionsloses Ablehnungsrecht" (in Bezug auf einzelne Termine) des Erstmitbeteiligten verneint habe.
8 Dazu genügt der Hinweis, dass das Verwaltungsgericht diese Frage fallbezogen im Einklang mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (etwa VwGH 11.4.2018, Ra 2017/08/0099- 0106) und auf Basis einer schlüssigen Beweiswürdigung verneint hat.
9 Im Übrigen bringt die revisionswerbende Partei vor, es könne unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles zusammengefasst nicht von einer persönlichen Abhängigkeit des Erstmitbeteiligten gesprochen werden.
10 Die Entscheidung über das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung iSd § 4 Abs. 2 ASVG ist das Ergebnis einer im Einzelfall vorzunehmenden Gesamtabwägung der maßgeblich für bzw. gegen das Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses sprechenden Umstände und Merkmale. Wurde diese - wie hier - auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen, so ist eine solche einzelfallbezogene Beurteilung im Allgemeinen nicht revisibel. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht diese Gesamtabwägung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte. Das war hier nicht der Fall. Der Frage, ob die besonderen Umstände des Einzelfalles auch eine andere Entscheidung gerechtfertigt hätten, kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu (VwGH 12.01.2018, Ra 2017/08/0032, mwN).
11 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 30. Oktober 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018080217.L00Im RIS seit
22.11.2018Zuletzt aktualisiert am
11.02.2019