TE Vwgh Beschluss 2018/11/6 Ra 2017/01/0292

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Veröffentlicht am 06.11.2018
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
41/02 Asylrecht;
41/02 Melderecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
41/02 Staatsbürgerschaft;

Norm

AsylG 2005 §57 Abs1 Z3;
BFA-VG 2014 §19 Abs5 Z2;
HerkunftsstaatenV 2009 §1 Z10 idF 2016/II/047;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek sowie die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Fasching, als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revision der A H in G, vertreten durch Mag. Ronald Frühwirth, Rechtsanwalt in 8020 Graz, Grieskai 48, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. Juli 2017, Zl. I409 2122788-1/37E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die Revisionswerberin, eine Staatsangehörige Algeriens, stellte am 15. Juli 2013 einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid der belangten Behörde (BFA) vom 15. Februar 2016 hinsichtlich §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkte I. und II.), ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) erlassen und festgestellt wurde, dass ihre Abschiebung nach Algerien gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.) sowie die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen betrage (Spruchpunkt IV.). Zu § 57 AsylG 2005 wurde ausgeführt, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung von Amts wegen nicht vorliegen würden.

2 Die gegen die Spruchpunkte II. bis IV. dieses Bescheides erhobene Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Erkenntnis vom 3. Juli 2017 mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der erste Spruchteil des Spruchpunktes III. laute: "Eine ¿Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz' gemäß § 57 Asylgesetz 2005 wird nicht erteilt."

3 Die Revision wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.

4 Gestützt auf die Ergebnisse von insgesamt vier mündlichen Verhandlungen traf das BVwG im angefochtenen Erkenntnis die Feststellung, dass es vorkomme, dass die Revisionswerberin von ihrem Ehemann geschlagen werde. Es sei aber wahrscheinlich, dass eine Rückkehr ihres Ehemannes nach Algerien zu einer Verbesserung seines psychischen Gesundheitszustandes führen würde. Sollte sich der Gesundheitszustand des Ehemannes wider Erwarten nicht verbessern und es zu weiteren Übergriffen kommen, bestehe für die Revisionswerberin in Algerien die Möglichkeit, sich scheiden zu lassen und zu ihrer Familie zurückzukehren.

5 Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) lehnte mit Beschluss vom 25. September 2018, E 2847/2017-10, die Behandlung der dagegen von der Revisionswerberin erhobenen Beschwerde ab. Begründend führte der VfGH ua. aus, dem BVwG - das sich mit der Frage der Gefährdung der Revisionswerberin in ihren Rechten (nach Art. 8 EMRK) auseinandergesetzt habe - könne nicht entgegen getreten werden, wenn es auf Grund der Umstände des vorliegenden Falles davon ausgehe, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts von Fremden ohne Aufenthaltstitel das Interesse am Verbleib im Bundesgebiet aus Gründen des Art. 8 EMRK überwiege.

6 In dem vom Verwaltungsgerichtshof durchgeführten Vorverfahren gab die belangte Behörde keine Stellungnahme ab.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10 Zur Zulässigkeit führt die Revision zusammengefasst aus, die Revisionswerberin habe vorgebracht, Opfer von häuslicher Gewalt geworden zu sein, sodass sie in den Anwendungsbereich des § 57 AsylG 2005 falle. Das angefochtene Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0023) ab, indem es das BVwG unterlassen habe, amtswegig zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 vorgelegen hätten und entsprechende Feststellungen dazu zu treffen. Bei Vermeidung dieses Verfahrensmangels wäre ein für die Revisionswerberin vorteilhafteres Ergebnis zu erzielen gewesen.

11 Mit diesen Ausführungen wird eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht dargetan:

12 Gemäß § 57 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen, wenn (1) der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, (2) eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und (3) der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

13 Zwar ist im vorliegenden Fall unstrittig, dass die Revisionswerberin Opfer von (häuslicher) Gewalt durch ihren Ehemann wurde und eine einstweilige Verfügung nach § 382b oder § 382e EO nicht erlassen wurde bzw. das BVwG auch nicht erörtert hat, warum eine solche nicht hätte erlassen werden können.

14 Nach § 57 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz aber überdies nur dann zu erteilen, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass dies zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist (vgl. VwGH 6.9.2018, Ra 2018/18/0191). Der Glaubhaftmachung durch das Opfer, das Aufenthaltsrecht zum Schutz vor weiterer Gewalt in der Familie zu benötigen, ist besonderes Augenmerk zu schenken (vgl.  RV 1803 BlgNR, 24. GP, S. 47).

15 In diesem Zusammenhang hat der Verwaltungsgerichtshof bereits klargestellt, dass die Situation im Herkunftsland in den Blick zu nehmen ist (VwGH Ra 2015/21/0023; 30.8.2017, Ra 2017/18/0119). Im vorliegenden Fall hat sich das BVwG mit der Situation der Betroffenen im Herkunftsland auseinandergesetzt und die Feststellung getroffen, dass für die Revisionswerberin jedenfalls die Möglichkeit bestünde, sich scheiden zu lassen und zu ihrer Familie zurückzukehren.

16 Dieser Einschätzung tritt die Revision im allein maßgeblichen Zulässigkeitsvorbringen nicht entgegen. Der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass die vom BVwG im Einzelfall getroffene Beurteilung auch nicht durch den in den Revisionsgründen enthaltenen Hinweis auf die im Verfahren vor dem BVwG abgegebene Stellungnahme vom 14. Februar 2017 entkräftet wird, zumal sich diese Stellungnahme lediglich allgemein mit der schwierigen Situation von alleinstehenden bzw. geschiedenen Frauen in Algerien befasst.

17 Im Übrigen gilt Algerien als sicherer Herkunftsstaat gemäß § 1 Z 10 Herkunftsstaaten-Verordnung, BGBl. II Nr. 177/2009 idF BGBl. II Nr. 47/2016, was für die Annahme einer grundsätzlich bestehenden staatlichen Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit der algerischen Behörden spricht (vgl. etwa VwGH 10.8.2017, Ra 2017/20/0153, mwN).

18 Dem BVwG kann daher nicht entgegen getreten werden, wenn es im Revisionsfall im Ergebnis davon ausgegangen ist, dass der Revisionswerberin die Glaubhaftmachung, die Aufenthaltsrecht zum Schutz vor weiterer Gewalt in der Familie zu benötigen, nicht gelungen ist. Eine - für das Aufgreifen des Einzelfalls im Revisionsmodell erforderliche - krasse bzw. unvertretbare Fehlbeurteilung durch das BVwG liegt nicht vor (vgl. etwa VwGH 21.6.2018, Ro 2017/01/0006). Ein Abweichen von der hg. Rechtsprechung liegt fallbezogen demnach ebenfalls nicht vor.

19 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 6. November 2018

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017010292.L00

Im RIS seit

22.11.2018

Zuletzt aktualisiert am

20.12.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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