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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AsylG 1991;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des A (geboren am 1. Jänner 1966), vertreten durch
Dr. Gerhard O. Mory, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom 19. Oktober 1994, Zl. Fr-5646/1/94, betreffend Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 des Fremdengesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die vorliegende Beschwerde ist gegen einen im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom 19. Oktober 1994 gerichtet, mit dem zum Antrag des Beschwerdeführers, eines türkischen Staatsbürgers, vom 23. März 1994 auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in die Türkei gemäß § 54 iVm § 37 Abs. 1 und 2 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, festgestellt wurde, dass keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, dass er in der Türkei gemäß § 37 Abs. 1 oder 2 FrG bedroht sei.
Der angefochtene Bescheid wurde damit begründet, dass der Beschwerdeführer in seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid im Wesentlichen angeführt habe, dass er bei einer Abschiebung in die Türkei dort sofort verhaftet, einer strafgerichtlichen Verfolgung unterworfen, gefoltert, misshandelt, ja wahrscheinlich sogar getötet würde. Diese Gefahren und Verfolgungen hätten ihre Ursache in seiner ethnischen Abstammung, nämlich seiner kurdischen Volkszugehörigkeit. Auf Grund des "PKK-Sympathisantentums" des Beschwerdeführers wäre er in der Türkei wiederholt schwerst gefoltert und misshandelt und unerträglichen seelischen und körperlichen Strapazen ausgesetzt gewesen. Des Weiteren habe der Beschwerdeführer die angebliche "Gesamtsituation" der kurdischen Bevölkerung in der Türkei dargestellt und behauptet, dass sich die persönlichen Fluchtgründe nicht von der allgemeinen politischen Situation hätten abkoppeln lassen. Der Beschwerdeführer habe auch angeführt, dass der Menschenrechtsvereinigung in Kurdistan mehrere tausend authentische Berichte über Razzien und Folterungen von Betroffenen und Zeugen vorgelegen wären. Abschließend führe der Beschwerdeführer noch einige, das Asylverfahren betreffende Umstände an und vermeine, seinem Asylansuchen müsste wohl stattgegeben werden. Der Beschwerdeführer habe eine Berufungsergänzung mit der Ablichtung zweier Zeitungsartikel der türkischen Zeitschrift "Hürriyet" eingebracht, in denen über seinen Fall berichtet werde. Auf Grund dieser Zeitungsberichte vermeine der Beschwerdeführer, in der Türkei als PKK-Terrorist zu gelten, der im Fall seiner Abschiebung mit dem Tod bedroht wäre.
Am 9. November 1992 habe der Beschwerdeführer vor dem Bundesasylamt, Außenstelle Linz, angegeben, er wäre nach Österreich gekommen, weil er hier um Asyl hätte ansuchen wollen. Da er Kurde wäre, wäre er in der Türkei sehr schlecht behandelt worden und hätte keine Rechte, das heißt kein Recht auf eigene Sprache und auf eigene Kultur. Sein Bruder wäre seit zwei Jahren Mitglied der PKK und man hätte den Beschwerdeführer in seinem Dorf als Dorfwächter vorgeschlagen. Da er dies nicht gewollt hätte, wäre er untergetaucht. Ein Dorfwächter wäre ein von der Gendarmerie Beauftragter, der das Dorf be- und überwachen solle. Hätte der Beschwerdeführer diese Tätigkeit angenommen, so wäre er von der PKK getötet worden. Da er kein Dorfwächter hätte sein wollen, wäre er von der Gendarmerie verfolgt worden. Er wäre PKK-Sympathisant und deshalb am 15. August 1992 für 15 Tage in Haft genommen worden. Weil der Beschwerdeführer der Gendarmerie bezüglich der PKK-Mitglieder, die in sein Dorf gekommen wären, auch nichts gesagt hätte, wäre er auch geschlagen worden. Darauf hin wäre der Beschwerdeführer entlassen und ihm aufgetragen worden, der Gendarmerie zu melden, falls PKK-Mitglieder ins Dorf kämen. Der Beschwerdeführer hätte Mitgliedern der PKK zu essen gegeben und von diesen kurdische Propagandazeitschriften erhalten, um sein Wissen über die Kurden und über die PKK zu erweitern. Zwei Tage, nachdem er entlassen worden wäre, wäre er von seinem Heimatort nach Adana, wo er einige Tage geblieben wäre, gereist und daraufhin bis zu seiner Ausreise Anfang Oktober 1992 in Istanbul geblieben.
Der Beschwerdeführer habe angeführt, dass die Kurden verschiedene Aufgaben besäßen bzw. zugeteilt bekämen. Es würde solche geben, die in Terrororganisationen kämpfen sollten, anderen würde nahe gelegt oder aufgetragen werden, ins Ausland zu gehen, um sich dort eine Arbeit zu suchen und die finanzielle Unterstützung für die PKK-Mitglieder zu gewährleisten. Der Beschwerdeführer hätte sich für die zweite Variante entschieden. Wenn er in Österreich Geld verdiente bzw. eine Arbeit bekäme, würde er selbstverständlich die in der Türkei gegen den türkischen Staat kämpfenden Mitglieder der PKK, falls dies verlangt würde, finanziell unterstützen.
Der Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung von Asyl sei mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 9. November 1992 abgewiesen, die dagegen erhobene Berufung mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 20. Oktober 1993 zurückgewiesen worden.
Anlässlich einer von der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung am 9. März 1994 aufgenommenen Niederschrift habe der Beschwerdeführer angegeben, dass er bei einer eventuellen Rückkehr in sein Heimatland mit Haft zu rechnen hätte. Erst nach Einschaltung eines Rechtsanwaltes habe er mit Schriftsatz vom 23. März 1994 behauptet, dass er gemeinsam mit seinen übrigen Dorfgenossen von der türkischen Regierung und den türkischen Sicherheitskräften in der Heimat schwer verfolgt worden wäre. Regelmäßig wären Hausdurchsuchungen erfolgt, die oft mehrere Stunden angedauert hätten. Der Beschwerdeführer und seine Familienangehörigen hätten an der Wand stehen müssen, den Rücken zur Raummitte gewendet, wobei sie stundenlang die Arme in Hochhaltung gegen die Wand hätten strecken müssen. Die Bedrohungen wären immer massiver geworden und, weil er die Übernahme der Funktion eines "Dorfschützers" abgelehnt hätte, wäre der Beschwerdeführer für 15 Tage in Haft genommen, gefoltert und dabei unter Foltermethoden über die PKK und deren im Dorf mittätige Mitglieder ausgefragt worden.
Auch auf Grund seiner Teilnahme an einer am 9. Oktober 1993 in Wien stattgefundenen Demonstration wäre der Beschwerdeführer in besonderer Weise gefährdet, bei einer Abschiebung in die Türkei "gefoltert, mit dem Tode bedroht, ja möglicherweise sogar exekutiert oder an einen unbekannten Aufenthaltsort gebracht zu werden". Weiters würde ihm auf Grund der Teilnahme an der Demonstration in Wien die Anklage wegen separatistischer Betätigung drohen und könnten gegen ihn deswegen nach dem türkischen Antiterrorgesetz Freiheitsstrafen bis zu 15 Jahren verhängt werden.
In einem Schriftsatz vom 11. April 1994 spreche der Beschwerdeführer nunmehr von einer zweiten Verhaftung, die einen Monat lang angedauert hätte, und während welcher er in ähnlicher Weise wie beim ersten Mal gefoltert worden wäre ("Es wurden Stromstösse in meine Finger eingeleitet. Unter meinen Fußsohlen wurde ich geschlagen, weiters wurde ich ins Gesicht und überallhin geschlagen.").
"Ebenso" spreche der Beschwerdeführer nunmehr auch von einer dritten Verhaftung am 15. August 1992, anlässlich welcher er etwa 16 bis 17 Tage in Haft gewesen wäre und auf verschiedenste Weise gefoltert und misshandelt worden sein wolle.
Das Asylverfahren des Beschwerdeführers sei rechtskräftig negativ abgeschlossen. Österreich gewähre ihm kein Asyl, da keine Verfolgung im Sinn der Genfer Konvention vorliege. Dass der Beschwerdeführer tätsächlich keine Verfolgung im Sinn der Konvention erlitten habe, gehe auch aus der Tatsache hervor, dass er weder in der Berufung gegen den Bescheid des Bundesasylamtes noch in der gegen die Berufungsentscheidung gerichteten Beschwerde über die im Asylantrag gemachten Angaben hinaus Verfolgungsgründe behauptet habe. Es sei somit davon auszugehen, dass die im Asylantrag gemachten Angaben der Wahrheit entsprächen. Es sei daher glaubwürdig, dass der Beschwerdeführer ab 15. August 1992 etwa 15 Tage lang in Haft gewesen wäre. Glaubwürdig sei auch sein Vorbringen, dass er in Adana und Istanbul keinerlei Verfolgung durch die türkischen Behörden ausgesetzt gewesen wäre. Als zur Gänze unglaubwürdig müssten sohin jene Angaben anzusehen sein, die der Beschwerdeführer über dieses Vorbringen hinaus in Verbindung mit seinem Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in die Türkei gemacht habe. Die in diesem Vorbringen behaupteten Folterungen und Misshandlungen hätte er, sollten diese tatsächlich stattgefunden haben, jedenfalls auch in seinem Asylantrag vorgebracht. Der Beschwerdeführer behaupte nunmehr zwar, dass er nicht die Möglichkeit gehabt hätte, bei einer korrekten Interviewsituation die wahren Fluchtgründe vorzulegen, doch sei diese Aussage ebenfalls als zur Gänze unglaubwürdig zu betrachten, da er auch diesen Mangel weder in der Berufung gegen den ablehnenden Asylbescheid noch in der dagegen erhobenen Beschwerde aufgezeigt hätte. Somit sei auch seine Argumentation, die in der Niederschrift des Bundesasylamtes vom 9. November 1992 enthaltenen Angaben entsprächen nicht den tatsächlichen Angaben bei der niederschriftlichen Einvernahme, total unglaubwürdig. Seine Ansicht, diese Amtshandlung wäre verfahrensrechtlich ungültig, weil es sich bei dem damaligen Dolmetscher nicht um einen gerichtlich beeideten Dolmetscher gehandelt hätte, sei verfehlt.
Wie aus dem Gesetzestext ersichtlich sei, müssten stichhaltige Gründe für die Annahme einer Bedrohung im Sinn des § 37 Abs. 1 oder 2 FrG vorliegen. Ein allgemeiner Hinweis auf eine bestimmte Situation für bestimmte Bevölkerungsgruppen sei für sich allein nicht geeignet, einen stichhaltigen Grund für eine Bedrohungssituation im Sinn des § 37 FrG darzustellen. Vielmehr müssten konkrete, den Antragsteller unmittelbar betreffende Umstände hinzukommen, die als solche stichhaltigen Gründe gewertet werden könnten. Ein solcher Umstand müsse zwar nicht bewiesen, wohl aber glaubwürdig vorgebracht werden. Auf Grund des oben Gesagten sei es dem Beschwerdeführer aber nicht gelungen, eine im Sinn des § 37 Abs. 1 oder 2 FrG angeführte Bedrohungssituation seine Person betreffend glaubwürdig zu behaupten.
Selbst das in der Berufungsergänzung gemachte Vorbringen, wonach der Fall des Beschwerdeführers auf Grund zweier Zeitungsberichte in der türkischen Zeitung "Hürriyet" den türkischen Behörden nunmehr bekannt wäre und er somit in der Türkei als "PKK-Terrorist gälte, der im Fall seiner Abschiebung mit dem Tod bedroht wäre", spreche nicht für ihn, da aus diesen keineswegs herausgelesen werden könne, dass er tatsächlich als ein "PKK-Terrorist" gelte und ausserdem sein vollständiger Name in keinem der beiden Berichte genannt sei.
Im Übrigen werde auf die im Bescheid der Erstbehörde vorgenommene Begründung verwiesen. In diesem Bescheid wird zur Begründung der Abweisung des Antrages des Beschwerdeführers auf Feststellung der Unzulässigkeit seiner Abschiebung auf die "abweisenden" Entscheidungen des Bundesasylamtes vom 9. November 1992 und des Bundesministers für Inneres vom 20. Oktober 1993 verwiesen, in denen festgestellt worden sei, dass der Beschwerdeführer in der Türkei keine Verfolgung im Sinn der Genfer Flüchtlingskonvention zu befürchten hätte. Darüber hinaus wird dort "insbesondere" festgehalten, dass im Heimatstaat des Beschwerdeführers gegen ihn ausschließlich wegen seiner Mitgliedschaft zur PKK bzw. deren Unterstützung durch Propaganda ermittelt worden sei. Diese Ermittlungstätigkeit hinsichtlich einer mit terroristischen und kriminellen Aktivitäten operierenden Gruppe könne jedoch keine politische Verfolgung darstellen, weil dadurch die staatliche Einheit aufrecht erhalten und die Sicherheit der Bevölkerung gewährleistet werden solle. Nichts im Vorbringen des Beschwerdeführers spreche für eine von den Behörden seines Heimatstaates ausgehende konkrete, speziell auf seine Person zielende Repressionshandlung. Sein Vorbringen stelle über weite Passagen nur die allgemeine politische Situation der kurdischen Bevölkerung in der Türkei oder das Schicksal anderer Personen aus seinem Heimatdorf dar.
In der Beschwerde werden inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.
Die belangte Behörde legte Kopien der Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Beschwerdeführer erstattete eine Replik zur Gegenschrift der belangten Behörde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren gemäß § 54 Abs. 1 FrG ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vom Antragsteller mit konkreten, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerten Angaben das Bestehen einer aktuellen, also im Fall seiner Abschiebung in den im Antrag genannten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt durch jene nicht abwendbaren Bedrohung im Sinn des § 37 Abs. 1 oder 2 FrG glaubhaft zu machen und von der Behörde das Vorliegen konkreter Gefahren für jeden einzelnen Fremden für sich zu prüfen. Ebenso wie im Asylverfahren ist auch bei der Beurteilung des Vorliegens einer Gefahr gemäß § 37 Abs. 1 oder 2 FrG im Verfahren gemäß § 54 leg. cit. die konkrete Einzelsituation in ihrer Gesamtheit, gegebenenfalls vor dem Hintergrund der allgemeinen Verhältnisse, in Form einer Prognose für den gedachten Fall der Abschiebung des Antragstellers in diesen Staat zu beurteilen. Für diese Beurteilung ist nicht unmaßgeblich, ob etwa allenfalls gehäufte Verstöße der in § 37 Abs. 1 FrG umschriebenen Art durch den genannten Staat bekannt geworden sind. (Vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 1998, Zl. 95/21/0399, m.w.N.)
Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid zusammengefasst deswegen für rechtswidrig, weil er im Verwaltungsverfahren darauf hingewiesen habe, dass er aus einem Gebiet stamme, in dem die PKK besonders aktiv sei, und es zu besonders heftigen Kämpfen zwischen den Regierungstruppen und kurdischen Guerillas komme, wobei sein Geburts- und Heimatort gleichzeitig auch der Geburtsort des Führers der PKK, Abdullah Öcalan, sei. Aus der Art und Weise, wie er vor seiner Flucht aus der Türkei durch die Behörden und Exekutivorgane des türkischen Staates behandelt worden sei (er sei im Zeitraum Dezember 1991 bis August 1992 durch die türkische Exekutive verfolgt, misshandelt und gefoltert worden und habe dabei konkret drei Verhaftungen mit anschließender Inhaftierung, Misshandlung und Folterung erlitten), hätte die belangte Behörde auf eine Gefährdung im Sinn des § 37 Abs. 1 oder 2 FrG schließen müssen. Er habe auch vor seiner Flucht in seiner Heimat bei der türkischen Exekutive als PKK-Sympathisant gegolten und sei deshalb verfolgt sowie gezwungen worden, als Dorfschützer, sohin als Mitglied einer militärischen Sondertruppe, die mit Regierungskräften kooperiere, gegen die PKK und seine eigenen kurdischen Landsleute zu kooperieren und mit Waffengewalt vorzugehen. Die belangte Behörde hätte seine Teilnahme an einer kurdischen Demonstration in Wien berücksichtigen müssen. Auch angesichts der Berichterstattung in zwei türkischen Zeitungsartikeln über seinen Fall und der von ihm im Verwaltungsverfahren vorgelegten ausführlichen Darstellungen der Behandlung abgewiesener kurdischer Asylwerber durch die türkischen Behörden im Fall ihrer Abschiebung in die Türkei sowie über die allgemeine Lage der kurdischen Volksgruppe in der Türkei hätte die belangte Behörde zur Feststellung gelangen müssen, dass in seinem Fall hinsichtlich der Türkei tatsächlich eine Gefährdung im Sinn des § 37 Abs. 1 oder 2 FrG vorliege.
Die belangte Behörde lässt im angefochtenen Bescheid das im Verwaltungsverfahren erstattete Vorbringen des Beschwerdeführers, er sei in seinem Heimatdorf seitens der türkischen Regierung gezwungen worden, die Position eines "Dorfschützers" einzunehmen, unbestritten. Sie hält auch die Angaben des Beschwerdeführers, er sei vor seiner Ausreise aus der Türkei für etwa 15 Tage von der türkischen Gendarmerie inhaftiert und bezüglich der PKK-Mitglieder, die in sein Dorf gekommen seien, befragt worden, wobei er, als er nichts gesagt hätte, auch geschlagen worden sei, für zutreffend. Die belangte Behörde legte ihrem Bescheid ebenso zugrunde, dass der Beschwerdeführer den Mitgliedern der PKK zu essen gegeben habe und von diesen kurdische Propagandazeitschriften erhalten habe, um sein Wissen über die Kurden und über die PKK zu erweitern. Die belangte Behörde hält aber für unglaubwürdig, dass der Beschwerdeführer darüber hinaus für zwei weitere Male festgenommen, inhaftiert und misshandelt worden sei.
Im vorliegenden Zusammenhang kann dahingestellt bleiben, ob die belangte Behörde das erst im Verfahren betreffend seinen Antrag gemäß § 54 Abs. 1 FrG, nicht aber bereits im Asylverfahren erstattete Vorbringen hinsichtlich zweier weiterer Verhaftungen, Anhaltungen und Misshandlungen des Beschwerdeführers auf schlüssige Weise für nicht glaubwürdig erachtet hat.
Bereits unter Zugrundelegung der im angefochtenen Bescheid als glaubwürdig erachteten Angaben des Beschwerdeführers im Asylverfahren durfte die belangte Behörde aus diesem Vorbringen nicht mit der bloßen Begründung, der Beschwerdeführer hätte bloß auf allgemeine Weise auf eine bestimmte Situation für bestimmte Bevölkerungsgruppen in der Türkei hingewiesen, darauf schließen, es lägen deshalb keine stichhaltigen Gründe für die Annahme einer Bedrohung im Sinn des § 37 Abs. 1 oder 2 FrG vor. Die belangte Behörde hätte sich angesichts des von ihr selbst als nicht unglaubwürdig erachteten Vorbringens des Beschwerdeführers, er sei gezwungen worden, die Position eines "Dorfschützers" zu übernehmen, und er sei deshalb untergetaucht, mit der Prognose befassen müssen, ob ihm aus diesem Grunde im Falle seiner Abschiebung in die Türkei entweder seitens der Organe der türkischen Regierung, oder aber von Seiten Dritter eine Bedrohung oder Gefährdung im Sinn des § 37 Abs. 1 oder 2 FrG mit erheblicher Wahrscheinlichkeit bevorstehe. Es genügt nicht, wenn sie seinen Antrag insofern mit der Begründung abweist, er habe bloß allgemeine Hinweise auf die Lage seiner Volksgruppe gegeben. In diesem Zusammenhang hätte sich die belangte Behörde vielmehr mit den vom Beschwerdeführer vorgelegten Berichten über die Situation von Personen in seiner Lage auseinander setzen müssen.
Insoweit sich die belangte Behörde (in Form einer Verweisung auf den Bescheid der Behörde erster Instanz) auf die zur Versagung des Asylantrages des Beschwerdeführers führenden Ergebnisse des Asylverfahrens stützt, vermag sie damit die konkrete Erörterung der Frage einer möglichen Gefährdung gemäß § 37 Abs. 2 FrG nicht zu ersetzen, weil in den Bescheiden im Asylverfahren keine ausreichende Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers (insbesondere Teilnahme an einer Demonstration in Wien, Erwähnung seines Falles in einer türkischen Zeitung) erfolgte.
Soweit die belangte Behörde das vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren erstattete Vorbringen, wonach sein Fall auf Grund von zwei Berichten in der türkischen Zeitung "Hürriyet" den türkischen Behörden nunmehr bekannt sei und er somit in der Türkei als PKK-Terrorist gelte, der im Fall seiner Abschiebung mit dem Tod bedroht sei, mit der Begründung als nicht stichhältig ansieht, dass aus diesen beiden Artikeln keineswegs herausgelesen werden könne, dass der Beschwerdeführer tatsächlich als ein "PKK-Terrorist" gelte und außerdem sein vollständiger Name in keinem der beiden Berichte genannt sei, ist diese Feststellung aktenwidrig, weil der Beschwerdeführer nach der in den Akten des Verwaltungsverfahrens einliegenden beglaubigten Übersetzung eines Berichtes in der Zeitung Hürriyet vom 18. Mai 1994 als "PKK-ler" bzw. als "PKK-Sympathisant" bezeichnet wird und im Übrigen sein Vorname sowie der Anfangsbuchstabe seines Familiennamens angegeben sind. Bei diesem Sachverhalt durfte die belangte Behörde nicht zu dem Ergebnis gelangen, dass den türkischen Behörden die Identität des Beschwerdeführers und die Tatsache, dass er sich zur PKK bekannt habe, nicht bekannt seien. Sie hätte sich vielmehr - zumal angesichts der vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren vorgelegten umfangreichen Unterlagen und Informationen betreffend die Lage der kurdischen Minderheit und der Mitglieder der PKK in der Türkei - damit befassen müssen, ob, und wenn ja, welche Gefahren dem Beschwerdeführer im Fall seiner Abschiebung in die Türkei im Hinblick auf den eingangs genannten Umstand mit beträchtlicher Wahrscheinlichkeit drohten (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 1997, Zl. 95/21/0381).
In diesem Zusammenhang hat sich die belangte Behörde im Übrigen auch nicht mit dem im Verwaltungsverfahren erstatteten Vorbringen des Beschwerdeführers auseinander gesetzt, er habe an einer nicht angemeldeten Versammlung am 9. Oktober 1993 in Wien teilgenommen und dabei gegen die türkische Regierung protestiert, wobei im Hinblick auf einen gegen ihn erstatteten Strafantrag mit erheblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen sei, dass die türkischen Vertretungsbehörden im Detail von seiner Teilnahme an dieser Demonstrationsveranstaltung Kenntnis erlangt hätten und dem Beschwerdeführer deshalb bei seiner Abschiebung eine Anklage wegen terroristischer und separatistischer Betätigung drohe. Auch darin liegt ein Verfahrensmangel, bei dessen Unterbleiben es zu einem anderen, für den Beschwerdeführer günstigen Bescheid hätte kommen können.
Unabhängig von diesen konkreten Umständen hat der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren auch detaillierte Ausführungen zur Behandlung von Angehörigen der kurdischen Volksgruppe, deren Asylantrag in einem anderen Staat abgewiesen worden war und die in die Türkei abgeschoben wurden, durch die türkischen Sicherheitskräfte gemacht und mit konkreten Beispielen auf Fälle von Misshandlungen in diesem Zusammenhang hingewiesen. Auch mit einer solchen möglichen Gefahr hat sich die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage nicht auseinandergesetzt (vgl.
dazu das hg. Erkenntnis vom 1. Juli 1999, Zl. 97/21/0463).
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2
Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm
der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 15. Oktober 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1995210398.X00Im RIS seit
20.11.2000