Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und durch die Hofrätinnen und Hofräte Hon. Prof. Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*****, vertreten durch Dr. Peter Schaden, Mag. Werner Thurner, Rechtsanwälte in Graz, und der Nebenintervenientin H***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Roland Grilc und andere, Rechtsanwälte in Klagenfurt am Wörthersee, gegen die beklagte Partei K*****versicherung auf Gegenseitigkeit, *****, vertreten durch Mag. Christiane Hoja-Trattnig, Rechtsanwältin in Klagenfurt am Wörthersee, wegen Feststellung, über die Rekurse der klagenden und der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 15. März 2018, GZ 7 R 56/17k-32, womit das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 26. Juni 2017, GZ 25 Cg 99/15w-25, aufgehoben wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Den Rekursen wird keine Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Zwischen der Beklagten und der Nebenintervenientin besteht ein Betriebshaftpflicht-versicherungsvertrag, dem die Allgemeinen und die Ergänzenden Allgemeinen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHVB 1993 und EHVB 1993) zugrundeliegen.
Die AHVB 1993 lauten auszugsweise wie folgt:
„Art 7
Ausschlüsse vom Versicherungsschutz
[…]
2. Die Versicherung erstreckt sich nicht auf Schadenersatzverpflichtungen der Personen, die den Schaden, für den sie von einem Dritten verantwortlich gemacht werden, rechtswidrig und vorsätzlich herbeigeführt haben. Dem Vorsatz wird gleich gehalten
2.1 eine Handlung oder Unterlassung, bei welcher der Schaden mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden musste, jedoch in Kauf genommen wurde (zB im Hinblick auf die Wahl einer kosten- oder zeitsparenden Arbeitsweise);
[…]“
Abschnitt A der EHVB 1993 lautet auszugsweise wie folgt:
„Abschnitt A
Allgemeine Regelungen für alle Betriebsrisiken
1. Erweiterung des Versicherungsschutzes
[…]
3. Mitversichert sind im Rahmen der Punkte 1. und 2. Schadenersatzverpflichtungen
3.1 der gesetzliche Vertreter des Versicherungsnehmers und solcher Personen, die er zur Leitung oder Beaufsichtigung des versicherten Betriebs oder eines Teils desselben angestellt hat;
3.2 sämtlicher übriger Arbeitnehmer für Schäden, die sie in Ausübung ihrer gesetzlichen Verrichtung verursachen, jedoch unter Ausschluss von Personenschäden soweit es sich um Arbeitsunfälle unter Arbeitnehmern des versicherten Betriebs im Sinn der Sozialversicherungsgesetze handelt.
[…]
3. Bewusstes Zuwiderhandeln gegen Vorschriften
Der Versicherer ist von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt wurde und bewusst – insbesondere im Hinblick auf die Wahl einer kosten- oder zeitsparenden Arbeitsweise – den für den versicherten Betrieb oder Beruf geltenden Gesetzen, Verordnungen oder behördlichen Vorschriften zuwidergehandelt wurde, und zwar durch einen Versicherungsnehmer oder dessen gesetzlichen Vertreter oder dessen leitenden Angestellten im Sinn des Arbeitsverfassungsgesetzes (BGBl Nr 22/1974) in der jeweils geltenden Fassung bzw über Veranlassung oder mit Einverständnis einer dieser Personen.
[...]“
Am 4. 7. 2013 ereignete sich auf einer Baustelle, auf der die Nebenintervenientin Arbeiten durchführte, ein Arbeitsunfall, bei dem ein Versicherter des klagenden Sozialversicherungsträgers verletzt wurde.
Die Klägerin begehrt die Feststellung, die Beklagte sei gegenüber der Nebenintervenientin sowie gegenüber M***** O*****, aufgrund und im Umfang des zwischen der Beklagten und der Nebenintervenientin abgeschlossenen Versicherungsvertrags schuldig, für den Schadensfall vom 4. 7. 2013 Deckungsschutz für die Regressansprüche der Klägerin zu gewähren.
Im Zuge des Arbeitsunfalls vom 4. 7. 2013 sei der Versicherte der Klägerin, der während der Fertigstellung von Dachdeckungsarbeiten sieben Meter vom Dach gestürzt sei, schwer verletzt worden. Ursache für diesen Arbeitsunfall sei gewesen, dass der Vorarbeiter der Beklagten, M***** O*****, für die Durchführung der Dachdeckungsarbeiten keine Sicherheitsmaßnahmen zur Vermeidung der Absturzgefahr angeordnet habe, obwohl solche erforderlich gewesen wären. Auch der Geschäftsführer der Nebenintervenientin sei am Unfallstag vor Ort gewesen und habe gesehen, dass keine Sicherheitsvorrichtungen vorhanden seien. Es sei keine Unterweisung vor Ort durchgeführt werden und keine Evaluierung der Baustelle erfolgt. Sicherheits- und Gesundheitsschutzdokumente existierten nicht, sodass ein Organisationsverschulden der Nebenintervenientin vorliege. Das Verhalten des M***** O***** und des Geschäftsführers sei als grob schuldhaft zu beurteilen, weshalb die Klägerin Regressansprüche nach § 334 ASVG gegenüber M***** O***** und gegenüber der Nebenintervenientin habe. Da die Beklagte die Deckung ungerechtfertigt abgelehnt habe, könne die Klägerin als geschädigte Dritte eine Klage auf Feststellung der Deckungspflicht des Versicherers gegenüber den ersatzpflichtigen Versicherten erheben.
Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Aufgrund des Vorliegens der Risikoausschlüsse des Art 7.2 AHVB 1993 sowie des Abschnitts A Z 1.3 EHVB und des Abschnitts A Z 3 EHVB bestehe Leistungsfreiheit der Beklagten. Dem stellvertretenden Partieführer M***** O*****, dem sämtliche Sicherheitsnormen bekannt gewesen seien, sei bewusst gewesen, dass er gegen diese verstoße. Der Versicherungsnehmer sei selbst nicht auf der Baustelle anwesend gewesen, doch habe er sich eines Vertreters, nämlich M***** O***** bedient. Dieser habe einen wesentlichen Teilbereich des Betriebs eigenverantwortlich geleitet und sei auch befugt gewesen, allen ihm in diesem Teilbereich unterstellten Arbeitnehmern Weisungen betreffend Inhalt und Organisation ihrer Tätigkeit zu erteilen. Er sei nicht nur Erfüllungsgehilfe der Versicherungsnehmerin gewesen, sondern auch leitender Angestellter iSd § 36 ArbVG. Sollte M***** O***** als normaler Arbeitnehmer angesehen werden, bestünde ebenfalls kein Versicherungsschutz, da in diesem Fall Abschnitt A Z 1.3.2 EHVB 1993 zur Anwendung gelange, wonach Personenschäden, soweit es sich um Arbeitsunfälle unter Arbeitnehmern des versicherten Betriebs im Sinn der Sozialversicherungsgesetze handle, ausgeschlossen seien.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es bejahte einen grob fahrlässigen Verstoß gegen § 87 Abs 3 BauV einerseits sowie die Risikoausschlüsse gemäß Art 7.2 AHVB 1993 und nach Abschnitt A Z 3 EHVB 1993 andererseits. Die Risikoausschlüsse würden sich aus dem vorsätzlichen Verhalten der Mitarbeiter der Nebenintervenientin ergeben. Der Versicherte der Klägerin sei in Sicherheitsvorschriften nicht unterwiesen und auch nicht angewiesen worden, ein Sicherheitsgeschirr zu verwenden. Der Betriebsleiter und für die Baustelle allein Verantwortliche, A***** K*****, als leitender Angestellter, und M***** O***** hätten den Schaden, die Körperverletzung eines Mitarbeiters, ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden.
Das Berufungsgericht gab den Berufungen der Klägerin und der Nebenintervenientin Folge und hob das Ersturteil zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es bejahte einen Begründungsmangel des Erstgerichts aufgrund des Vorliegens widersprüchlicher Feststellungen. Der von seinem Versicherungsnehmer in Anspruch genommene Versicherer sei zwar gemäß § 67 VersVG Legalzessionar und berechtigt, sich beim Schädiger zu regressieren. Auch wenn der Schadenersatzanspruch unverändert auf ihn übergehe, sei er jedoch in Bezug auf die Haftpflichtversicherung des Schädigers nicht geschädigter Dritter iSd §§ 156, 157 VersVG, sodass er ganz allgemein Umstände zu behaupten und zu beweisen habe, aus denen sich die unmittelbare Wirkung des festzustellenden Rechts auf seine Rechtsstellung, die eben nicht jene des geschädigten Dritten sei, ergebe. Die Stellung der Klägerin sei im Deckungsprozess vergleichbar mit jener des Legalzessionars nach § 67 VersVG. Sie sei ebenfalls nicht unmittelbar Geschädigte, sondern habe nur einen von der Höhe der für den unmittelbar Geschädigten zu erbringenden Sozialversicherungsleistungen abhängigen Regressanspruch gemäß § 334 ASVG. Wie der in den Opferschutz der Haftpflichtversicherung nicht einbezogene Legalzessionar nach § 67 VersVG habe auch die Klägerin ganz allgemein Umstände zu behaupten und zu beweisen, aus denen sich die unmittelbare Wirkung des festzustellenden Rechts auf ihre Rechtsstellung ergebe. Da das Gericht die Parteien in der Entscheidung nicht mit einer Rechtsauffassung überraschen dürfe, die diese nicht beachtet hätten und auf die sie das Gericht nicht aufmerksam gemacht habe, komme eine Bestätigung der Klagsabweisung durch das Erstgericht nicht in Betracht. Der Klägerin sei vielmehr im fortgesetzten Verfahren Gelegenheit zu geben, Vorbringen zu ihrem für die gegenständliche Feststellungsklage erforderlichen rechtlichen Interesse zu erstatten. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil dieser sich noch nicht mit der Frage befasst habe, ob Sozialversicherungsträger, die Regressansprüche nach § 334 ASVG gegen den Schädiger behaupten, als geschädigte Dritte iSd §§ 156, 157 VersVG anzusehen seien, die ein rechtliches Interesse an der Feststellung hätten, dass der Haftpflichtversicherer dem Schädiger Deckung zu gewähren habe.
Gegen diesen Aufhebungsbeschluss wenden sich die Rekurse der Klägerin und der Beklagten.
Die Klägerin beantragt, den Beschluss dahin abzuändern, dass der Klage stattgegeben werde; hilfsweise dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens unter Überbindung der Rechtsansicht aufzutragen, dass ein rechtliches Interesse der Klägerin an der begehrten Feststellung bestehe.
Die Beklagte begehrt, die Abänderung des Aufhebungsbeschlusses dahin, dass das klagsabweisende Urteil des Erstgerichts bestätigt werde; hilfsweise wird die Aufhebung des Beschlusses und Zurückverweisung der Rechtssache an das Berufungsgericht beantragt.
Die Klägerin und die Nebenintervenientin begehren, dem Rekurs der Beklagten keine Folge zu geben.
Die Beklagte begehrt, dem Rekurs der Klägerin keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Rekurse sind zulässig, sie sind aber nicht berechtigt.
Aus Gründen der Zweckmäßigkeit werden die Rechtsmittel gemeinsam behandelt.
1.1 Bei der Beurteilung des Wesens des Anspruchs des Versicherungsnehmers aus der Haftpflichtversicherung sind das Deckungs- und Haftpflichtverhältnis zu unterscheiden. Der Versicherungsanspruch in der Haftpflichtversicherung ist auf die Befreiung von begründeten und die Abwehr von unbegründeten Haftpflichtansprüchen gerichtet. Unbeschadet dieser beiden Komponenten (Befreiungs- und Rechtsschutzanspruch) handelt es sich um einen einheitlichen Anspruch des Versicherungsnehmers. Er wird in dem Zeitpunkt fällig, in dem der Versicherungsnehmer von einem Dritten auf Schadenersatz wegen eines unter das versicherte Risiko fallenden Ereignisses oder einer sonstigen Eigenschaft in Anspruch genommen wird, unabhängig davon, ob die Haftpflichtforderung begründet ist, weil Versicherungsschutz auch die Abwehr unberechtigter Ansprüche in sich schließt (RIS-Justiz RS0080384, RS0081228, RS0080013, RS0080086, RS0079963). Ab der Inanspruchnahme durch den Dritten steht dem Versicherungsnehmer (vorerst nur) ein rechtliches Interesse an der Feststellung des Versicherungsschutzes (der Deckungspflicht) zu, wenn der Versicherer die Deckung ablehnt (RIS-Justiz RS0038928 [T5]).
1.2 Schon der vorweggenommene Deckungsprozess des Schädigers gegen seinen Haftpflichtversicherer ist ein Ausnahmefall, weil ein Rechtsschutzinteresse regelmäßig das Bestehen eines Haftpflichtanspruchs des Geschädigten gegen den Schädiger voraussetzt. Der Schädiger hat jedoch als Versicherungsnehmer Anspruch auf eine eindeutige Auskunft darüber, ob der Versicherer im Haftpflichtprozess den Rechtsschutz übernimmt (7 Ob 164/14i mwN). In diesem vorweggenommenen Deckungsprozess findet eine Prüfung des Haftpflichtanspruchs nicht statt. Feststellungen über Tatfragen, die Gegenstand des Haftpflichtprozesses sind, sind für den Deckungsprozess nicht bindend, daher überflüssig und soweit sie getroffen wurden, für die Frage der Deckungspflicht unbeachtlich (RIS-Justiz RS0081927).
2.1 In der (freiwilligen) Haftpflichtversicherung hat der am Versicherungsvertrag nicht beteiligte geschädigte Dritte grundsätzlich keine rechtliche Handhabe, den Versicherer direkt in Anspruch zu nehmen. Dennoch kann er eine Klage auf Feststellung der Deckungspflicht des Versicherers – bezogen auf den Versicherungsnehmer – erheben (vgl RIS-Justiz RS0120609). Ein solches Feststellungsinteresse besteht vor allem dann, wenn dem geschädigten Dritten der Deckungsanspruch als Befriedigungsobjekt entzogen zu werden droht; etwa durch Verjährung oder durch Ablauf der Frist des § 12 Abs 3 VersVG, die auch durch die Klage des Dritten gewahrt werden kann, oder wenn der Versicherer seine Eintrittspflicht verneint und der Versicherungsnehmer nichts weiter unternimmt (7 Ob 164/14i mwN).
2.2 Der Grund dafür, dem geschädigten Dritten ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung des Deckungsschutzes zuzubilligen, ergibt sich aus der Sozialbindung (Opferschutz), wie sie in den §§ 156 Abs 1, 157 VersVG zum Ausdruck kommt. Gemäß § 156 Abs 1 VersVG sind Verfügungen über die Entschädigungsforderung aus dem Versicherungsverhältnis dem Dritten gegenüber unwirksam. Durch die Anordnung soll verhindert werden, dass der Versicherungsnehmer auf die Deckungsforderung verzichtet oder die Entschädigungsforderung nicht entgegennimmt. § 157 VersVG gewährt dem geschädigten Dritten bei Insolvenz des Versicherungsnehmers einen Anspruch auf abgesonderte Befriedigung aus der Entschädigungsforderung des Versicherungsnehmers. Damit wird dem Gedanken Rechnung getragen, dass die Haftpflichtversicherung eine soziale Reflexwirkung zugunsten des geschädigten Dritten hat. Die Bestimmungen bewirken den Schutz des Geschädigten; durch sie soll gewährleistet werden, dass die Versicherungsentschädigung ihm zugute kommt (7 Ob 164/14i mwN).
2.3 Der Oberste Gerichtshof hat bereits dahin Stellung genommen, dass der von seinem – geschädigten – Versicherungsnehmer in Anspruch genommene Versicherer (dort Sachversicherer) zwar gemäß § 67 VersVG Legalzessionar und berechtigt ist, sich beim Schädiger zu regressieren, er aber, auch wenn der Schadenersatzanspruch unverändert auf ihn übergeht, doch in Bezug auf die Haftpflichtversicherung nicht geschädigter Dritter iSd §§ 156, 157 VersVG ist, sodass er ein rechtliches Interesse an der Feststellung, dass der Haftpflichtversicherer dem Schädiger Deckung zu gewähren habe, auch nicht aus dem aus den genannten Bestimmungen zum Ausdruck kommenden Opferschutz ableiten kann. Der in den Opferschutz der Haftpflichtversicherung nicht einbezogene Legalzessionar nach § 67 VersVG hat daher ganz allgemein Umstände zu behaupten und zu beweisen, aus denen sich die unmittelbare Wirkung des festzustellenden Rechts auf seine Rechtsstellung – die aber nicht jene des geschädigten Dritten ist – ergibt (RIS-Justiz RS0129880 = 7 Ob 164/14i = krit: Huber ZVR 2016/54).
3. Die Klägerin stützt hingegen hier ihre Regressansprüche ausschließlich auf § 334 ASVG.
3.1 Hat der Dienstgeber oder ein ihm gemäß § 333 Abs 4 ASVG Gleichgestellter den Arbeitsunfall oder die Berufskrankheit vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit verursacht, so hat er dem Träger der Sozialversicherung – außer in den Fällen des § 213a – alle nach diesem Bundesgesetz zu gewährenden Leistungen zu ersetzen (§ 334 Abs 1 ASVG).
Der Rückgriffsanspruch des Sozialversicherungs-trägers nach § 334 ASVG ist originärer Natur. Er steht dem Sozialversicherungsträger kraft eigenen Rechts zu und geht nicht wie der Anspruch nach § 332 ASVG im Wege der Legalzession auf ihn über. Er ist unabhängig davon, ob dem Versicherten ein privatrechtlicher Schadenersatzanspruch gegen den Schädiger zusteht oder nicht (RIS-Justiz RS0085367; Krejci-Böhler in Tomandl, SV-System28 Kapitel 3.3.4.2; Auer-Mayer in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm Vor §§ 332 bis 337 ASVG Rz 12).
3.2 Bereits vor diesem Hintergrund kommt eine Übertragung der Rechtsprechung zur Legalzession nach § 67 VersVG nicht in Betracht. Vielmehr ist der Sozialversicherungsträger, der den Schädiger nach § 334 ASVG in Anspruch nimmt und damit einen eigenständigen Rückgriffsanspruch geltend macht, in Bezug auf die Haftpflichtversicherung geschädigter Dritter iSd §§ 156, 157 VersVG. Ein solches Feststellungsinteresse besteht – wie ausgeführt – vor allem dann, wenn dem geschädigten Dritten der Deckungsanspruch als Befriedigungsobjekt entzogen zu werden droht, etwa durch Verjährung oder durch Ablauf der Frist des § 12 Abs 3 VersVG, die auch durch die Klage des Dritten gewahrt werden kann, oder wenn der Versicherer seine Eintrittspflicht verneint und der Versicherungsnehmer nichts weiter unternimmt.
4. Richtig verweist das Berufungsgericht im Ergebnis darauf, dass das Gericht die Parteien in seiner Entscheidung nicht mit einer Rechtsauffassung überraschen darf, die sie nicht beachtet haben und auf die sie das Gericht nicht aufmerksam gemacht hat (RIS-Justiz RS0037300).
Die Aufhebung des Ersturteils durch das Berufungsgericht zur Erörterung des Feststellungsinteresses der Klägerin ist vorzunehmen, weil die Klägerin bisher keine Behauptungen zu ihrem – oben dargestellten – Feststellungsinteresse als geschädigte Dritte iSd §§ 156, 157 VersVG aufgestellt hat, beschränkt sie sich doch im erstgerichtlichen Verfahren lediglich darauf, auf die Deckungsablehnung der Beklagten hinzuweisen. Die Deckungsablehnung durch den Haftpflichtversicherer (allein) lässt aber ein rechtliches Interesse eines geschädigten Dritten iSd §§ 156, 157 VersVG anstelle des Versicherungsnehmers Deckungsklage einzubringen, nicht erkennen.
5. Im Übrigen begründete das Berufungsgericht die Aufhebung des Ersturteils und die Zurückverweisung der Rechtssache an das Erstgericht auch mit – infolge widersprüchlicher Feststellungen vorliegende – Feststellungsmängeln des Erstgerichts, die eine abschließende Beurteilung nicht ermöglichen. Da dem Obersten Gerichtshof kein gesicherter Sachverhalt vorliegt, kann weder eine Beurteilung der Funktion von M***** O***** im Sinne der Bedingungen noch des Vorliegens der eingewandten Risikoausschlüsse vorgenommen werden.
6. Im fortgesetzten Verfahren ist aber jedenfalls zu beachten, dass die Klägerin sowohl, die Nebenintervenientin als auch M***** O***** nach § 334 ASVG in Anspruch nimmt. Sie begehrt demnach die Feststellung der Deckungspflicht der Beklagten gegenüber der Nebenintervenientin (als Versicherungsnehmerin) und gegenüber M***** O***** (wohl als Mitversichertem).
6.1 Zu klären ist daher die Funktion von M***** O***** und als er im Rahmen der Betriebshaftpflichtversicherung der Nebenintervenientin für den hier maßgeblichen Ersatzanspruch versichert ist.
6.2 Weiters wurde die Frage der Verpflichtung der Beklagten zum Versicherungsschutz bisher ohne Unterscheidung zwischen der Deckungspflicht gegenüber der Nebenintervenientin und jener gegenüber M***** O***** behandelt. Tatsächlich ist hier aber eine gesonderte Prüfung erforderlich, ein Umstand mit dem sich bisher weder die Parteien in ihrem Vorbringen, noch die Vorinstanzen in ihren Entscheidungen befassten.
6.3 Daraus resultiert aber auch, dass die Klägerin in ihrem Vorbringen zu differenzieren haben wird, aufgrund welchen konkreten Verhaltens sie M***** O***** gegenüber einen Regressanspruch geltend macht und auf welches Verhalten welcher der Nebenintervenientin zuzurechnenden Person sie den Regressanspruch dieser gegenüber stützt.
Die Beklagte wiederum hat zu konkretisieren, aufgrund welcher Umstände sie welchen Ausschlussgrund zum einen der Deckungspflicht gegenüber M***** O***** und zum anderen jener gegenüber der Nebenintervenientin entgegenhält, um ihre jeweilige Leistungsfreiheit zu begründen.
6.4 In weiterer Folge bedarf es dann konkreter und widerspruchsfreier Feststellungen, die die Beurteilung der Funktion der handelnden Personen und des Vorliegens der jeweils eingewandten Risikoausschlüsse ermöglichen.
7. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.
Textnummer
E123218European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:0070OB00105.18V.0926.000Im RIS seit
22.11.2018Zuletzt aktualisiert am
19.03.2021