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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AsylG 1991 §4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde
1. der MM, geboren 1961, 2. der PM, geboren 1980, 3. der KM, geboren 1983, 4. des AM, geboren 1989, 5. der SM, geboren am 11. Juli 1996, und 6. der UM, geboren 1979, alle in Hönigsberg, alle vertreten durch Dr. Johannes Sammer, Rechtsanwalt in 8680 Mürzzuschlag, Königsbrunngasse 11, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 15. Juli 1997, Zl. Fr 1198/2-1996, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark (der belangten Behörde) vom 15. Juli 1997 wurden die Beschwerdeführer
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Staatsbürger von Afghanistan - gemäß § 17 Abs. 1 iVm § 19 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen.
Die belangte Behörde begründete dies im Wesentlichen damit, dass die Beschwerdeführer - die erstbeschwerdeführende Partei ist die Mutter der zweit- bis sechstbeschwerdeführenden Parteien - am 4. März 1996 "illegal" in das Bundesgebiet eingereist seien. Ihr Asylantrag sei mit Bescheid des Bundesministers für Inneres, rechtswirksam erlassen am 9. Juli 1996, abgewiesen worden. Somit sei festgestellt, dass die Fremden nicht Flüchtlinge im Sinn der Genfer Flüchtlingskonvention seien. Seitens des Bundesasylamtes sei ihnen eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nicht gewährt worden, ihr Aufenthalt sei somit im Sinn des § 15 FrG von Anfang an unrechtmäßig. Dass ein Antrag auf Gewährung von Verfahrenshilfe eingebracht worden sei (erkennbar gemeint: zur Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gegen den zuvor genannten Bescheid des Bundesministers für Inneres), ändere nichts daran, dass sich die Beschwerdeführer in Österreich "illegal" aufhielten. Im Hinblick darauf - die Beschwerdeführer seien nicht im Besitz von für afghanische Staatsangehörige notwendigen Sichtvermerken bzw. Aufenthaltsberechtigungen - sei die Ausweisung der Beschwerdeführer gerechtfertigt, wobei lediglich auf § 19 FrG Rücksicht genommen werden müsse. Diesbezüglich zeige sich, dass durch die Ausweisung nicht wesentlich in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführer eingegriffen werde; sie hätten in Österreich
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gemäß ihren eigenen Angaben - keine Verwandten oder Angehörigen, es werde die gesamte Familie ausgewiesen. Die Beschwerdeführer seien überdies einkommens- und vermögenslos, weshalb bereits eine Unterstützung seitens des Sozialhilfeverbandes Mürzzuschlag erforderlich gewesen sei. Auf Grund des kurzen Aufenthaltes (im Inland) und der Tatsache, dass in absehbarer Zeit keine Aussicht auf eine Erwerbstätigkeit bestehe, könne von einer Integration nicht gesprochen werden. Die Ausweisung sei (somit) zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) dringend geboten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes "sowie" wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde, die die Akten des Verwaltungsverfahrens bereits im Zuge eines anderen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens vorgelegt hatte, sah von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerde bekämpft zunächst die behördliche Annahme, dass sich die Beschwerdeführer nicht rechtmäßig in Österreich aufhielten. Ihnen komme nämlich eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach § 7 Asylgesetz 1991 zu, weil sie gemäß § 6 leg. cit. eingereist seien und weil "der eingereichten VwGH-Beschwerde gegen den Asylantrag" aufschiebende Wirkung zuerkannt worden sei. Da die vorläufige Aufenthaltsberechtigung bei Vorliegen ihrer Voraussetzungen ex lege eintrete, sei es irrelevant, dass die Ausstellung der Bescheinigung nach § 7 Abs. 4 Asylgesetz 1991 unterlassen worden sei.
Zu diesem Vorbringen (und zur entsprechenden Passage in der Begründung des angefochtenen Bescheides) ist zunächst klarstellend auszuführen, dass die fünftbeschwerdeführende Partei bereits in Österreich (am 11. Juli 1996) geboren wurde und - jedenfalls nach der Aktenlage - keinen Asylantrag gestellt hat. Aber auch die anderen Beschwerdeführer haben, wie aus den Verwaltungsakten ersichtlich, lediglich einen an den Asylantrag des Ehegatten bzw. Vaters Ismail T.M. - der gemeinsam mit den Beschwerdeführern am 4. März 1996 in das Bundesgebiet eingereist ist - anknüpfenden Ausdehnungsantrag nach § 4 Asylgesetz 1991 gestellt. Gemäß § 4 zweiter Satz leg. cit. haben Familienmitglieder, die einen Ausdehnungsantrag einbringen, im Verfahren über die Gewährung von Asyl dieselbe Rechtsstellung wie der Asylwerber. Das bedeutet insbesondere, dass ihr aufenthaltsrechtlicher Status jenem des Hauptasylwerbers folgt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. Februar 1999, Zl. 97/21/0900).
Was nun den Hauptasylwerber, den Ehegatten bzw. Vater der Beschwerdeführer, anlangt, so wurde er - wie sich aus den zum ihn betreffenden hg. Verfahren Zl. 97/21/0719 vorgelegten Verwaltungsakten ergibt - mit Bescheid der belangten Behörde vom 4. Februar 1997 rechtskräftig ausgewiesen, ohne dass gegen diesen Bescheid Beschwerde an einen der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts erhoben worden wäre. Damit steht fest, dass dem Ehegatten/Vater der Beschwerdeführer jedenfalls ab Erlassung dieses Bescheides (17. Februar 1997) kein asylrechtliches vorläufiges Aufenthaltsrecht zukam, weshalb sich auch die hier beschwerdeführenden Parteien nicht auf eine derartige Berechtigung berufen können (vgl. abermals das zuvor genannte hg. Erkenntnis vom 12. Februar 1999). Dass im Zeitpunkt der Erlassung des hier angefochtenen Bescheides den Beschwerden der Beschwerdeführer gegen die ihre Ausdehnungsanträge abweisenden Bescheide des Bundesministers für Inneres vom 5. Juli 1996 seitens des Verwaltungsgerichtshofes mit Beschlüssen vom 12. November 1996, Zl. AW 96/20/0553, und vom 15. Jänner 1997, Zl. AW 97/20/0007, die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden war, vermag an diesem Ergebnis nichts zu ändern, weil damit nur der Eintritt der an die Erlassung der Bescheide des Bundesministers für Inneres geknüpften Wirkungen suspendiert wurde.
Dass der inländische Aufenthalt der Beschwerdeführer auf Grund eines anderen Titels rechtmäßig sein könnte, bringen die Beschwerdeführer nicht vor. Sie bestreiten auch nicht die behördliche Feststellung, dass sie nicht über die für afghanische Staatsangehörige erforderlichen Sichtvermerke verfügen. Von daher geht jedoch die Verfahrensrüge, die belangte Behörde hätte ihre "Einreiseart" in das Bundesgebiet feststellen müssen, ins Leere, weil eine Einreise - wie auch immer sie erfolgt sein mag - ohne den erforderlichen Sichtvermerk, von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen, nicht zur Rechtmäßigkeit eines Aufenthalts im Inland führen kann (§ 15 Abs. 1 Z. 1 FrG). Zusammenfassend hegt der Verwaltungsgerichtshof daher gegen die Ansicht der belangten Behörde, dass sich die Beschwerdeführer unrechtmäßig im Inland aufhalten, keine Bedenken.
Unter dem Blickwinkel des § 19 FrG rügt die Beschwerde, dass die belangte Behörde die gebotene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an einer Ausweisung der Beschwerdeführer und deren gegenläufigen privaten Interessen unterlassen habe. Sie setzt damit voraus, dass mit der verfügten Ausweisung in das Privat- oder Familienleben der Beschwerdeführer eingegriffen werde.
Auch die belangte Behörde geht von einem derartigen Eingriff aus. Wenn sie jedoch zu dem Ergebnis gelangte, dass dieser Eingriff "nicht wesentlich" sei, so kann ihr nicht mit Erfolg entgegengetreten werden. Zutreffend verweist die belangte Behörde in diesem Zusammenhang auf den noch nicht allzu langen inländischen Aufenthalt der Beschwerdeführer, auf ihre Einkommens- und Vermögenslosigkeit und auf den Umstand, dass die gesamte Familie (auch der Ehegatte bzw. Vater; siehe oben) ausgewiesen wurde. Im Hinblick darauf und unter Bedachtnahme auf den hohen Stellenwert, der den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) zukommt (vgl. für viele etwa das hg. Erkenntnis vom 23. März 1999, Zl. 97/21/0486, mwN), erweist sich die Schlussfolgerung der belangten Behörde - die entgegen den Beschwerdeausführungen erkennbar eine Interessenabwägung vorgenommen hat -, die Ausweisung der Beschwerdeführer sei zur Erreichung der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Sinn des Art. 8 Abs. 2 EMRK dringend geboten, als zutreffend. Wenn die Beschwerdeführer im Rahmen der Verfahrensrüge in diesem Zusammenhang ausführen, die belangte Behörde wäre verpflichtet gewesen, im Sinn des § 19 FrG Erkundigungen einzuholen, so ist ihnen zu entgegnen, dass die Parteien bei jenen Umständen, deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann, zu entsprechendem Vorbringen und Beweisanbot verpflichtet sind (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. April 1998, Zl. 98/21/0145).
Als Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften rügen die Beschwerdeführer weiters, dass ihre Berufungen entgegen dem im bekämpften Bescheid enthaltenen Verweis diesem nicht angeschlossen gewesen seien. Der Bescheid sei daher nicht überprüfbar.
Die behauptete Rechtswidrigkeit liegt indes nicht vor. Gemäß § 67 iVm § 60 AVG sind in der Begründung eines Berufungsbescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Diesen Anforderungen entspricht der angefochtene Bescheid. Dem Gesetz lässt sich hingegen nicht entnehmen, dass in einem Berufungsbescheid auch das Berufungsvorbringen wiederzugeben wäre.
Abschließend zeigt die Beschwerde zwar zutreffend auf, dass der einer Einvernahme der Erstbeschwerdeführerin am 11. Juli 1996 beigezogene "amtliche Dolmetscher" (so die belangte Behörde) gemäß dem Protokoll über diese Einvernahme tatsächlich ein knapp neun Jahre alter iranischer Staatsangehöriger gewesen ist. Die Beschwerde übersieht jedoch, dass der Einvernahme vom 11. Juli 1996 eine weitere Einvernahme vom 30. Juli 1996 - mit einem erwachsenen afghanischen Staatsbürger als Dolmetscher, dessen Eignung nicht in Zweifel gezogen wurde - folgte, wobei Gelegenheit bestanden hätte, das Ergebnis der Einvernahme vom 11. Juli 1996 zu korrigieren oder zu ergänzen. Davon haben die Beschwerdeführer jedoch, wie im Gesamten nachfolgenden Verfahren, keinen Gebrauch gemacht. Im Übrigen wird auch in der Beschwerde nicht dargelegt, welches Ergebnis die Einvernahme der Erstbeschwerdeführerin unter Beiziehung eines geeigneten Dolmetschers schon am 11. Juli 1996 erbracht hätte. Der insoweit erhobenen Verfahrensrüge kann daher, weil die Relevanz des geltend gemachten Verfahrensfehlers nicht dargelegt wurde, kein Erfolg beschieden sein.
Nach dem Gesagten war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Ein Kostenzuspruch entfiel, weil die belangte Behörde keine Kosten verzeichnet hat.
Wien, am 15. Oktober 1999
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1997210718.X00Im RIS seit
11.07.2001