TE Lvwg Erkenntnis 2018/6/25 LVwG-340-32/2017-R11

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Veröffentlicht am 25.06.2018
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Entscheidungsdatum

25.06.2018

Norm

MSG Vlbg 2010 §8 Abs1
MSV Vlbg 2010 §9 Abs1 litc
ABGB §947
ASVG §330a
ASVG §707a Abs2

Text

Im Namen der Republik!

Erkenntnis

Das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg hat durch sein Mitglied Mag. Pathy über die Beschwerde des H G, N, vertreten durch M G, N, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft B vom 31.08.2017 betreffend Mindestsicherung, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:

Gemäß § 28 Abs 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird der Beschwerde teilweise Folge gegeben und der angefochtene Bescheid so abgeändert, dass sein Spruch wie folgt lautet:

„Für Herrn H G werden die Unterkunfts- und Verpflegskosten im Haus N ab dem 13.02.2017 übernommen.

Herr H G muss von den eigenen Einkünften einsetzen

a) 80 % der monatlichen Pension;

b) das Pflegegeld, soweit es 10 % der Stufe 3 übersteigt.

Rechtsgrundlagen: §§ 1, 5 Abs 3 und § 8 Mindestsicherungsgesetz iVm § 1 Abs 3, § 5 Abs 1 und 4, § 6 Abs 3 und § 9 Mindestsicherungsverordnung.“

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig.

Begründung

Angefochtener Bescheid

1.   Im angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer Mindestsicherung gewährt. Der Spruch des Bescheides lautet auszugsweise:

„Für Herrn H[…] G[…] werden die Unterkunfts- und Verpflegskosten im Haus N[…] ab dem 13.02.2017 übernommen.

Herr H[…] G[…] muss von den eigenen Einkünften einsetzen

a) 80 % der monatlichen Pension abzüglich des Unterhaltsanspruches der Ehegattin

b) das Pflegegeld, soweit es 10 % der Stufe 3 übersteigt, sowie

c) 100 % der gesetzlichen Zinsen gemäß § 947 ABGB aus dem Übergabevertrag vom 18.08.2015, das sind monatlich € 280,54 von Frau M[…] G[…] und € 379,34 von Herr He[…] G[…].

[…].“

2.   Der Bescheid wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Beschwerdeführer Liegenschaftsanteile an seine Frau und seinen Sohn übergeben habe.

Nach § 947 ABGB sei der Geschenkgeber im Fall seiner Hilfsbedürftigkeit befugt, vom Geschenknehmer die gesetzlichen Zinsen von der geschenkten Sache zu fordern, soweit deren Wert noch vorhanden sei. Die gesetzlichen Zinsen würden jährlich 4 % des Verkehrswertes betragen. Der Beschwerdeführer müsse die gesetzlichen Zinsen von den Geschenknehmern einfordern.

Im Übrigen müssten sämtliche Einkünfte zur Deckung der Kosten eingesetzt werden. Der § 9 Abs 2 der Mindestsicherungsverordnung lege fest, welche Einkünfte außer Ansatz zu lassen seien. Danach seien 20 % der Pension und 10 % des Pflegegeldes der Stufe 3 außer Ansatz zu lassen.

Beschwerde

3.   Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer rechtzeitig Beschwerde erhoben. Sie lautet auszugsweise wie folgt:

„Hiermit erheben wir Einspruch gegen das Schreiben vom 31.08.2017 innerhalb der einmonatigen Einspruchsfrist.

Wie mit Ihnen persönlich am 06.02.17 besprochen, bekommt die Ehegattin einen wesentlichen Teil der Pension ihres Mannes H[…] G[…] gut geschrieben um allfällige Lebenserhaltungs-und Betriebskosten des Wohnhauses zu decken.

Unserer Meinung nach ist dieses im Bescheid nicht klar angeführt bzw. berücksichtigt, wie sich die Kosten errechnet haben – besonders der Unterhaltsanspruch für M[…] G[…].

Laut unserer Berechnung besteht eine Differenz von ca. EUR 633.-/Monat, wie folgt:

Eigenpension M[…] G[…] ca.                                                           460,00

+ Differenz Pension + Pflegegeld H[…] G[…] abzüglich ihrer Vorschreibung

Kosten Altersheim ca.                                                                    227,00

+ Schenkungszinsen Sohn He[…] G[…] ca.                                         380,00

Betrag zur Verfügung pro Monat                                                   1067,00

Minus

Gegenüberstellung Kosten (Auflistung Betriebskosten Wohnhaus) exkl. Ansparung

ca.                                                                                                        1330,00

Lebenserhaltung (Lebensmittel etc.) v. M G zuzüglich Heimzusatzkosten

geschätzt ca.                                                                                       370,00

Gesamtausgaben somit pro Monat                                          1700,00

Differenz EUR 633,00

s. bitte Kostenaufstellung im Anhang

Wie wird der Regress ab 01.Januar 2018 bzgl.He[…] G[…] behandelt?

Somit erhöht sich der Fehlbetrag/Differenz gegenüber M[…] G[…] um weitere Euro 380,- auf gesamt Euro 1013,-!?

Wir bitten Sie um baldmöglichste Rückantwort bzw. eines Terminvorschlages Ihrerseits. Da wir mit den Zahlungen beim Pflegeheim schon im Rückstand sind.“

Sachverhalt

4.   Der Beschwerdeführer ist pflegebedürftig und lebt seit Februar 2017 in einem Pflegeheim. Zuvor hat er mit seiner Frau im gemeinsamen Haus in N gelebt.

Der Beschwerdeführer bezieht im Jahr 2017 eine Pension von 1.216,76 Euro monatlich netto (ohne Sonderzahlungen). Außerdem erhält er Pflegegeld der Stufe 6 von 1.285,20 Euro.

Mit Übergabsvertrag vom 08.05./18.08.2015 hat der Beschwerdeführer Liegenschaftsanteile an seinen Sohn und seine Frau geschenkt und übergeben.

Erwägungen zur Feststellung des Sachverhalts

5.   Es wurde eine mündliche Verhandlung durchgeführt, an der ein Vertreter der Bezirkshauptmannschaft sowie die Ehefrau und der Sohn des Beschwerdeführers teilgenommen haben.

Der Sachverhalt wird auf Grund des Akteninhaltes und der Angaben in der mündlichen Verhandlung als erwiesen angenommen. Er ist unstrittig.

Maßgebliche Rechtsvorschriften

6.   Das Gesetz über die Mindestsicherung (MSG) lautet auszugsweise:

„§ 8

Form und Ausmaß der Mindestsicherung

[LGBl.Nr. 64/2010]

(1) Mindestsicherung wird grundsätzlich in Form von Geldleistungen gewährt. Sofern ansonsten der Erfolg der Mindestsicherung gefährdet würde, kann eine Geldleistung an einen Hilfsbedürftigen auch durch Zahlung an diejenige Person erbracht werden, der gegenüber der Hilfsbedürftige zwecks Bedarfsdeckung eine Leistung in Anspruch nimmt oder nehmen kann; weiters kann eine Geldleistung an einen Hilfsbedürftigen, der nach § 5 Abs. 3 in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, durch Zahlung an den Rechtsträger der stationären Einrichtung erbracht werden. […] Das Ausmaß der Mindestsicherungsleistung ist im Einzelfall unter Berücksichtigung eines zumutbaren Einsatzes der eigenen Kräfte, insbesondere der eigenen Arbeitskraft, und Mittel zu bestimmen.

(2) Beim Einsatz der eigenen Kräfte ist auf die persönliche und familiäre Situation des Hilfsbedürftigen, insbesondere auf den Gesundheitszustand, das Lebensalter, die Arbeitsfähigkeit, die Zumutbarkeit einer Beschäftigung, die geordnete Erziehung der Kinder, die Führung eines Haushaltes und die Pflege von Angehörigen Bedacht zu nehmen.

(3) Die eigenen Mittel, wozu das gesamte verwertbare Vermögen und Einkommen gehört, dürfen bei der Bemessung der Mindestsicherung insoweit nicht berücksichtigt werden, als dies mit der Aufgabe der Mindestsicherung unvereinbar wäre oder für den Hilfsbedürftigen oder dessen Angehörige eine besondere Härte bedeuten würde. Kleinere Einkommen und Vermögen, insbesondere solche, die der Berufsausübung dienen, sind nicht zu berücksichtigen. […]

(4) […]

(5) Das Einkommen eines im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten, eingetragenen Partners oder Lebensgefährten ist bei der Bemessung der Mindestsicherung insoweit zu berücksichtigen, als es dessen eigenen Bedarf nach Kernleistungen sowie allfällige Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Dritten übersteigt. Das Einkommen eines unterhaltsverpflichteten Kindes ist nicht zu berücksichtigen.

(6) […]

(7) Die Landesregierung hat durch Verordnung nähere Vorschriften über die Arten, die Form und das Ausmaß der Mindestsicherung zu erlassen; weiters darüber, inwieweit das Vermögen und das Einkommen nicht zu berücksichtigen sind. Für die Bemessung des Aufwandes im Rahmen des ausreichenden Lebensunterhaltes sind pauschale Sätze festzusetzen. Die Vorgaben der staatsrechtlichen Vereinbarung über eine Bedarfsorientierte Mindestsicherung sind zu berücksichtigen.“

7.   Die Verordnung der Landesregierung über Arten, Form und Ausmaß der Mindestsicherung, über den Einsatz eigenen Einkommens und Vermögens und den Ersatz der Mindestsicherung (Mindestsicherungsverordnung- MSV) lautet auszugsweise:

„§ 1

Lebensunterhalt und Wohnbedarf

[LGBl.Nr. 71/2010]

[(1) und (2) …]

(3) Zum Lebensunterhalt und Wohnbedarf in einer stationären Einrichtung (stationäre Mindestsicherung) zählen neben dem Taschengeld (§ 6 Abs. 4) jedenfalls auch der Aufwand für die dort anfallenden Unterkunfts- und Verpflegskosten.

(4) […]

[…]

§ 6

Deckung des Lebensunterhalts

[LGBl.Nr. 71/2010 in der Fassung LGBl.Nr. 117/2016]

[(1)  bis (3) …]

(4) Im Falle eines Aufenthaltes in einer Kranken- oder Kuranstalt, in einer stationären Therapieeinrichtung, in einem Heim oder in einer vergleichbaren Einrichtung wird die Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes zur Abdeckung kleinerer persönlicher Bedürfnisse durch ein monatliches Taschengeld für volljährige Personen in Höhe von 22 v.H. des gemäß Abs. 1 lit. a vorgesehenen Mindestsicherungssatzes und für minderjährige Personen in Höhe von 30 v.H. dieses Taschengeldbetrages gewährt, soweit ein solches nicht durch andere Einkünfte oder Ansprüche gesichert ist.

[(5) und (6) …]

[…]

§ 9

Berücksichtigung von eigenen Mitteln

sowie Leistungen Dritter

[LGBl.Nr. 71/2010 in der Fassung LGBl.Nr.117/2016]

(1) Nach Maßgabe der Abs. 2 - 6 sind bei der Ermittlung des Anspruchs auf Leistungen der Mindestsicherung

     a) […]

     b) in einer stationären Einrichtung die Einkünfte und das verwertbare Vermögen der hilfsbedürftigen Person sowie die ihr zur Verfügung stehenden Leistungen Dritter

zu berücksichtigen.

(2) Bei der Ermittlung des Anspruchs gemäß Abs. 1 dürfen folgende Einkünfte nicht berücksichtigt werden:

     [a) bis d) …]

     e) ein Pflegegeld oder andere pflegebezogene Geldleistungen, es sei denn, es handelt sich um eine Hilfe für pflegebedürftige Menschen; handelt es sich um eine Hilfe zur Deckung des Pflegeaufwands in einer stationären Einrichtung bleibt jedenfalls ein Betrag im Ausmaß von 10 v.H. des Pflegegeldes der Stufe 3 außer Ansatz,

     f) bei hilfsbedürftigen Personen, die in einer stationären Einrichtung unterstützt werden und die eine Rente, eine Pension oder ein Rehabilitationsgeld bzw. ein Umschulungsgeld bei vorübergehender Invalidität bzw. Berufungsunfähigkeit beziehen, 20 v.H. der Rente, der Pension, des Ruhe- oder Versorgungsgenusses, des Rehabilitationsgeldes bzw. des Umschulungsgeldes, mindestens jedoch monatlich ein Betrag in Höhe des Taschengeldes gemäß § 6 Abs. 4 zuzüglich allfälliger Sonderzahlungen; der außer Ansatz bleibende Betrag ist auf ein Taschengeld und andere Leistungen anzurechnen,

     [g) bis i) …]

[(3) bis (5) ...]

(6) Hinsichtlich der Bedarfsdeckung durch Dritte ist das Einkommen eines Haushaltsangehörigen bei der Bemessung des Bedarfs des Hilfsbedürftigen grundsätzlich nicht zu berücksichtigen. Abweichend davon ist bei der Ermittlung des Bedarfs eines Ehegatten, eingetragenen Partners oder Lebensgefährten das Einkommen des im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten, eingetragenen Partners oder Lebensgefährten insoweit zu berücksichtigen, als dieses dessen eigenen Bedarf nach Kernleistungen sowie allfälligen Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Dritten übersteigt. Die Gewährung von Kernleistungen kann davon abhängig gemacht werden, dass die Person, der bedarfsdeckende Ansprüche gegen Dritte zustehen, diese verfolgt, soweit dies nicht offenbar aussichtslos oder unzumutbar ist.“

8.   Das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz (ASVG) lautet auszugsweise:

„ABSCHNITT IIa

Verbot des Pflegeregresses

[BGBl. Nr. 189/1955 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 125/2017]

§ 330a. (Verfassungsbestimmung) Ein Zugriff auf das Vermögen von in stationären Pflege-einrichtungen aufgenommenen Personen, deren Angehörigen, Erben/Erbinnen und Geschenknehmer/inne/n im Rahmen der Sozialhilfe zur Abdeckung der Pflegekosten ist unzulässig.

[…]

Weitere Schlussbestimmungen zu Art. 1 des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 125/2017

[BGBl. Nr. 189/1955 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 125/2017]

§ 707a. (1) […]

(2) (Verfassungsbestimmung) § 330a samt Überschrift in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 125/2017 tritt mit 1. Jänner 2018 in Kraft. Ab diesem Zeitpunkt dürfen Ersatzansprüche nicht mehr geltend gemacht werden, laufende Verfahren sind einzustellen. Insoweit Landesgesetze dem entgegenstehen, treten die betreffenden Bestimmungen zu diesem Zeit-punkt außer Kraft. Nähere Bestimmungen über den Übergang zur neuen Rechtslage können bundesgesetzlich getroffen werden. Die Durchführungsverordnungen zu einem auf Grund dieser Bestimmung ergehenden Bundesgesetz sind vom Bund zu erlassen.“

9.   Der § 947 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB) lautet:

„Ausnahmen:

1) wegen Dürftigkeit;

§ 947. Geräth der Geschenkgeber in der Folge in solche Dürftigkeit, daß es ihm an dem nöthigen Unterhalte gebricht; so ist er befugt, jährlich von dem geschenkten Betrage die gesetzlichen Zinsen, in so weit die geschenkte Sache, oder derselben Werth noch vorhanden ist, und ihm der nöthige Unterhalt mangelt, von dem Beschenkten zu fordern, wenn sich anders dieser nicht selbst in gleich dürftigen Umständen befindet. Aus mehrern Geschenknehmern ist der frühere nur in so weit verbunden, als die Beyträge der spätern zum Unterhalte nicht zu-reichen.“

Rechtliche Beurteilung

10. Der Beschwerdeführer ist in einem Pflegeheim untergebracht, seine Einkünfte und sein Vermögen reichen nicht aus, um diese Unterkunfts- und Verpflegskosten abzudecken. Er hat daher Anspruch auf Mindestsicherung.

Bei der Bemessung der Mindestsicherung ist grundsätzlich das gesamte Vermögen und Einkommen des Beschwerdeführers zu berücksichtigen. Er hat auch Ansprüche gegen Dritte geltend zu machen, soweit ihm dies möglich und zumutbar ist.

Schenkungszinsen gemäß § 947 ABGB (Lit. c im Spruch des angefochtenen Bescheides)

11. Der Beschwerdeführer hat Liegenschaftsanteile an seine Frau und seinen Sohn geschenkt. Er kann daher von den Beschenkten die gesetzlichen Zinsen vom geschenkten Betrag verlangen (vgl. § 947 ABGB).

Die Bezirkshauptmannschaft hat im angefochtenen Bescheid die Auffassung vertreten, der Beschwerdeführer müsse seinen Anspruch gemäß § 947 ABGB geltend machen. Sie hat daher in der lit c des Spruches des angefochtenen Bescheides die gesetzlichen Zinsen bei der Berechnung des Mindestsicherungsanspruches berücksichtigt.

12. Der § 330a ASVG verbietet den Zugriff auf das Vermögen von in stationären Pflegeeinrichtungen aufgenommenen Personen, deren Angehörigen, Erben und Geschenknehmer im Rahmen der Sozialhilfe zur Abdeckung der Pflegekosten (Verbot des Pflegeregresses).

Dieses Verbot des Pflegeregresses ist am 01.01.2018 in Kraft getreten. Ab diesem Zeitpunkt dürfen Ersatzansprüche nicht mehr geltend gemacht werden und laufende Verfahren sind einzustellen.

13. Ein laufendes Verfahren ist ein Verfahren, das bereits vor dem 01.01.2018 begonnen hat und am 01.01.2018 noch nicht beendet ist. Ein Verfahren, das vor dem 01.01.2018 begonnen hat, wird sich im Normalfall auch auf Pflegekosten beziehen, die vor dem 01.01.2018 entstanden sind.

Das Verbot des Pflegeregresses erstreckt sich daher auch auf Ersatzansprüche, die Gegenstand eines laufenden Verfahrens sind und sich auf Pflegekosten beziehen, die vor dem 01.01.2018 entstanden sind.

14. Ein solches Verfahren liegt hier vor: Der Beschwerdeführer hat bereits im Jahr 2017 Mindestsicherung beantragt. Im Rahmen dieses Verfahrens soll auf das Vermögen des Beschwerdeführers zur Abdeckung der Pflegeheimkosten zurückgegriffen werden. Das Verfahren ist noch anhängig.

15. Das Verbot des Pflegeregresses bezieht sich auch auf Forderungen nach § 947 ABGB.

Bei der Geltendmachung einer Forderung nach § 947 ABGB handelt es sich um einen Zugriff auf das Vermögen eines Geschenknehmers im Rahmen der Sozialhilfe.

Die Forderung gemäß § 947 ABGB setzt eine Schenkung voraus. Die geschenkte Sache oder ihr Wert müssen noch vorhanden sein. Mit der Forderung greift die hilfsbedürftige Person im Ergebnis auf die geschenkte Sache. Dabei ist nicht entscheidend, dass sich die Forderung lediglich auf die gesetzlichen Zinsen bezieht, zumal der Anspruch auch dann besteht, wenn die geschenkte Sache keine Erträge abwirft.

Die hilfsbedürftige Person muss nach den einschlägigen Vorschriften des Mindestsicherungsgesetzes diese Forderung geltend machen. Insofern erfolgt dieser Zugriff auch im Rahmen der Sozialhilfe.

Auch in der Literatur wird die Meinung vertreten, dass die Abschaffung des Pflegeregresses der Geltendmachung der Forderung nach § 947 ABGB entgegensteht (vgl Josef Müllner, Zulässigkeit und schwanken der sozialhilferechtlichen Ersatzpflicht des Geschenknehmers, ZFV 4/2017).

16. Der Beschwerdeführer ist daher nicht verpflichtet, die gesetzlichen Zinsen gemäß § 947 ABGB zur Abdeckung der Unterkunfts- und Verpflegskosten einzusetzen. Die lit c des angefochtenen Bescheides muss daher ersatzlos entfallen.

Berechnung des Mindestsicherungsanspruchs (Lit. a und b im Spruch des angefochtenen Bescheides)

17. Nach § 9 Abs 2 MSV dürfen bei der Berechnung der Mindestsicherung nicht berücksichtigt werden: 20 % der Pension und das Pflegegeld, soweit es 10 % des Pflegegeldes der Stufe 3 übersteigt. Im Übrigen hat der Beschwerdeführer seine Pension und sein Pflegegeld einzusetzen.

18. Dem Beschwerdeführer steht seine Pension uneingeschränkt zur Verfügung. Er muss sie daher zur Bezahlung Pflegeheimkosten einsetzen. Der § 9 Abs 2 MSV sieht lediglich vor, dass der hilfsbedürftigen Person 20 % ihrer Pension verbleiben sollen.

Die MSV enthält aber keine Regelung, wonach einer hilfsbedürftigen Person mehr als diese 20 % verbleiben müssen, um allfällige Unterhaltsansprüche eines Ehegatten abzudecken. Die Bezirkshauptmannschaft hat daher zu Unrecht den Unterhaltsanspruch der Ehegattin von jener Pension abgezogen, die der Beschwerdeführer zur Bezahlung der Pflegeheimkosten einsetzen muss.

Der angefochtene Bescheid war daher, weil kein Verschlechterungsverbot gilt, so abzuändern, dass der Beschwerdeführer 80 % seine Pension zur Bezahlung der Heimkosten einsetzen muss. Sollte die Ehegattin über kein ausreichendes Einkommen verfügen, dann steht es ihr frei, ebenfalls Mindestsicherung zu beantragen.

Ergebnis

19. Der angefochtene Bescheid war dahingehend abzuändern, dass der Beschwerdeführer 80 % seiner Pension (ohne weitere Abzüge) einsetzen muss und der Einsatz der Schenkungszinsen (lit c des Spruches des angefochtenen Bescheides) zu entfallen hat.

Die vom Beschwerdeführer monatlich einzusetzenden Beträge berechnen sich daher wie folgt: 973,40 Euro (80 % der Pension von 1.216,76 Euro) und 1.240 Euro (Pflegegeld der Stufe 6 von 1.285,20 Euro abzüglich 45,18 Euro [10 % des Pflegegeldes der Stufe 3]).

Zulässigkeit der Revision

20. Die Revision ist zulässig, da im gegenständlichen Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im konkreten Fall fehlt.

In diesem Verfahren geht es um die Fragen, was im § 707a Abs 2 ASVG unter einem „laufen-den Verfahren“ zu verstehen ist und ob eine Forderung nach § 947 ABGB zu einem Vermögen gehört, auf das gemäß § 330a ASVG nicht zur Abdeckung von Pflegekosten zu-rückgegriffen werden darf. Soweit ersichtlich gibt es dazu noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes.

Schlagworte

Pflegeregressverbot, Schenkungszinsen

Anmerkung

Erkenntnis wurde vom Verwaltungsgerichtshof (24-10.2018, Ro 2018/10/0037) im Umfang des Spruchpunktes lit. a) (Wortfolge „80 % der monatlichen Pension“) wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGVO:2018:LVwG.340.32.2017.R11

Zuletzt aktualisiert am

21.11.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Vorarlberg LVwg Vorarlberg, http://www.lvwg-vorarlberg.at
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