TE Vwgh Erkenntnis 1999/10/15 99/19/0138

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Veröffentlicht am 15.10.1999
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §112;
FrG 1997 §19 Abs1;
FrG 1997 §7 Abs1;
FrG 1997 §8 Abs1;
FrG 1997 §8 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde des 1977 geborenen HB in B, vertreten durch Dr. H und Dr. C, Rechtsanwälte in P, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 26. Februar 1999, Zl. 124.679/2-III/11/99, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 26. Februar 1999 wies der Bundesminister für Inneres die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 16. September 1998, mit dem ein am 15. März 1995 gestellter Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung -als Antrag auf Erteilung einer Erst-Niederlassungsbewilligung gewertet- abgewiesen wurde, gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit §§ 14 Abs. 3, 21 Abs. 3 und 113 Abs. 10 des Fremdengesetzes 1997 (FrG 1997) ab.

In der Begründung führte der Bundesminister für Inneres aus, der Beschwerdeführer habe am 15. März 1995 über die österreichische Botschaft in Ankara einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gestellt. Der Landeshauptmann von Niederösterreich habe diesen Antrag auf Grund der "nunmehr" geltenden Rechtslage als Antrag auf Erteilung einer Erst-Niederlassungsbewilligung gewertet und abgewiesen. Der Antrag vom 15. März 1995 sei im Wesentlichen damit begründet worden, dass der Beschwerdeführer die Erteilung einer Erst-Niederlassungsbewilligung zum Zwecke der Familiengemeinschaft mit seinem in Österreich lebenden Vater begehre, was aus seinem Antragsformular hervorgehe. Gemäß § 14 Abs. 3 FrG 1997 sei im Antrag der jeweilige Zweck der Reise oder des Aufenthaltes bekannt zu geben; der Antragsteller dürfe diesen Zweck während des Verfahrens nicht ändern. Gemäß § 21 Abs. 3 FrG 1997 sei der Familiennachzug Drittstaatsangehöriger, die sich vor dem 1. Jänner 1998 auf Dauer niedergelassen haben, auf die Ehegatten und die Kinder vor Vollendung des 14. Lebensjahres beschränkt. Im Falle des Beschwerdeführers habe die Behörde festgestellt, dass er nicht nur über 14 Jahre alt, sondern sogar großjährig sei, und somit von seinem Vater nicht mehr wirtschaftlich abhängig sei. Gemäß § 21 Abs. 3 und § 113 Abs. 10 FrG 1997 sei die Erteilung einer Erst-Niederlassungsbewilligung zum Zwecke der Familiengemeinschaft mit seinem Vater aus diesem Grunde ausgeschlossen.

Gemäß § 8 Abs. 1 FrG 1997 könnten Fremden Einreise- und Aufenthaltstitel auf Antrag erteilt werden, sofern diese ein gültiges Reisedokument besitzen und kein Versagungsgrund wirksam wird. Gemäß § 8 Abs. 3 FrG 1997 habe die Behörde bei der Ausübung des in Abs. 1 eingeräumten Ermessens jeweils vom Zweck sowie von der Dauer des geplanten Aufenthaltes des Fremden ausgehend,

1. auf seine persönlichen Verhältnisse, insbesondere seine familiären Bindungen, seine finanzielle Situation und die Dauer seines bisherigen Aufenthaltes,

2. auf öffentliche Interessen, insbesondere die sicherheitspolizeilichen und wirtschaftlichen Belange, die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes und die Volksgesundheit und

3. auf die besonderen Verhältnisse in dem Land des beabsichtigten Aufenthaltes Bedacht zu nehmen.

Dazu habe die Berufungsbehörde festgestellt, dass auf Grund des Alters des Beschwerdeführers die Erteilung einer Erst-Niederlassungsbewilligung zum Zweck der Familiengemeinschaft ausgeschlossen sei, dies vor allem deshalb, weil eine gesetzliche Verpflichtung seines Vaters auf Unterhaltsleistung bei einer derartigen Fallkonstellation - Familienzusammenführung - nicht gegeben sei. Nach der ständigen Judikatur der beiden Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte bestehe kein Rechtsanspruch auf Familienzusammenführung im Hinblick auf Art. 8 MRK für die nationalen Behörden, wenn dies nicht unbedingt (auf Grund einer gesetzlichen Verpflichtung) erforderlich scheine. Somit obliege es im Ermessen nach den bereits angeführten gesetzlichen Kriterien, den Antrag des Beschwerdeführers zu beurteilen. Danach sei der von ihm angeführte Zweck für einen Aufenthaltstitel "ohne gesetzliche Grundlage" und somit "nicht zu erteilen". Weiters sei festzustellen, dass der Beschwerdeführer die Voraussetzungen für die anderen möglichen Aufenthaltszwecke nach dem FrG 1997 im Hinblick auf die Vielzahl der Bewilligungswerber "nur mäßig oder überhaupt nicht" erfülle. Aus diesem Grund habe die Berufungsbehörde die öffentlichen Interessen höher beurteilt als seine privaten Interessen und sein Begehren abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG vor dem Verfassungsgerichtshof. Er brachte vor, am 15. März 1995 beim Landeshauptmann von Niederösterreich einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gestellt zu haben, und zwar zum Zwecke der Familiengemeinschaft mit seinem in Österreich lebenden Vater. Die Behörde sei daraufhin mehr als dreieinhalb Jahre untätig geblieben. Erst als das Fremdengesetz 1997 in Kraft getreten sei, sei ihm - ohne jegliche Vorwarnung - der Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 16. September 1998 zugestellt worden, in dem sein Antrag gemäß § 21 Abs. 3 FrG 1997 "zurückgewiesen" worden sei. In seiner Berufung habe er den vorstehenden Sachverhalt vorgebracht, darauf hingewiesen, dass er zum Zeitpunkt der Stellung seines Erstantrages noch minderjährig gewesen sei, sein Vater bereits seit 1973 ständig und rechtmäßig in Österreich aufhältig sei, über eine fünfjährige Aufenthaltsbewilligung und einen Befreiungsschein verfüge und "voll in Österreich integriert" sei. Überdies habe er darauf hingewiesen, dass auf Grund des Assoziationsabkommens "zwischen EWG und Türkei" für ihn ein Anspruch bestehe, sich rechtmäßig in Österreich niederzulassen.

Nachdem der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 8. Juni 1999, B 656/99-3, die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und sie antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten hatte, wurde der Beschwerdeführer mit hg. Verfügung vom 24. August 1999 gemäß § 34 Abs. 2 VwGG aufgefordert, die Beschwerde zur Behebung der ihr anhaftenden Mängel derart zu ergänzen, dass das Recht, in dem er verletzt zu sein behaupte, bestimmt zu bezeichnen sei, die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützten, anzuführen und ein der Vorschrift des § 42 Abs. 2 VwGG entsprechendes bestimmtes Begehren zu stellen seien. Für die Behebung dieser Mängel wurde eine Frist von vier Wochen bestimmt.

Innerhalb der gesetzten Frist brachte der Beschwerdeführer eine Ergänzung seiner Bescheidbeschwerde ein. Er brachte vor, der angefochtene Bescheid verletze ihn in seinem Recht "auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäss § 3 des Aufenthaltsgesetzes". Die Behauptung der Rechtswidrigkeit stütze sich im Wesentlichen darauf, dass er nach der zum Zeitpunkt seiner Antragstellung geltenden Rechtslage Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gehabt hätte und die damals geltende Rechtslage auf seinen Fall anzuwenden sei. Dies jedenfalls auch unter dem Gesichtspunkt, dass die Behörde völlig grundlos untätig geblieben sei und zugewartet hätte, bis zu seinem Nachteil die letztlich vom Landeshauptmann von Niederösterreich angewendete Rechtslage Platz gegriffen hätte. Mit Säumnisbeschwerde sei er lediglich deshalb nicht vorgegangen, weil er als türkischer Staatsbürger keine Kenntnis von der Möglichkeit einer Säumnisbeschwerde gehabt hätte und gewohnt sei, sich gegenüber den Behörden "unterwürfig zu verhalten". Auch sei er davon ausgegangen, dass die österreichischen Behörden korrekt vorgehen würden, in welcher Hoffnung er allerdings enttäuscht worden sei. Wäre die österreichische Behörde ihrer Entscheidungspflicht nachgekommen, wäre auch deren zuletzt eingesetztes Argument, dass sich zwischenzeitig die Gesetzeslage zu seinem Nachteil geändert habe, "auch nicht annähernd verwendbar gewesen".

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Die maßgeblichen Bestimmungen des FrG 1997 lauten (auszugsweise):

"§ 7. (1) Die Aufenthaltstitel werden als

1.

Aufenthaltserlaubnis oder

2.

Niederlassungsbewilligung

erteilt.

...

(3) Auf Dauer niedergelassene Drittstaatsangehörige, das sind jene, die

1. in Österreich einen Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen haben oder

2. in Österreich zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit an einem Wohnsitz niedergelassen sind,

brauchen außer in den in Abs. 4 genannten Fällen eine Niederlassungsbewilligung.

...

§ 8. (1) Einreise- und Aufenthaltstitel können Fremden auf Antrag erteilt werden,...

(2) Für die Erteilung der Aufenthaltstitel ist zwischen Erstniederlassungsbewilligung und weiterer Niederlassungsbewilligung ... zu unterscheiden.

...

§ 19. (1) Fremden, die sich auf Dauer niederlassen wollen, kann auf Antrag eine Erstniederlassungsbewilligung erteilt werden,

...

...

§ 23. (1) Fremden, die nach Ablauf der Gültigkeitsdauer ihrer Niederlassungsbewilligung auf Dauer niedergelassen bleiben, ist - soferne die Voraussetzung eines zweiten Abschnittes weiterhin gesichert scheinen - auf Antrag eine weitere Niederlassungsbewilligung mit demselben Zweckumfang zu erteilen.

...

§ 112. Verfahren zur Erteilung eines Sichtvermerkes sowie Verfahren zur Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung, die bei Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes anhängig sind, oder gemäß der §§ 113 und 114 anhängig werden, sind nach dessen Bestimmungen - je nach dem Zweck der Reise oder des Aufenthaltes - als Verfahren zur Erteilung eines Einreisetitels oder als Verfahren zur Erteilung eines Erstaufenthaltstitels oder eines weiteren Aufenthaltstitels fortzuführen. ..."

Unbestritten ist im vorliegenden Fall, dass am 1. Jänner 1998, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des FrG 1997, das Verfahren zur erstmaligen Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung über den Antrag des Beschwerdeführers, der noch nie über einen Aufenthaltstitel verfügte, vom 15. März 1995 noch anhängig war. Die Rechtsauffassung der belangten Behörde, das Verfahren sei gemäß §§ 112 FrG 1997 nach diesem Gesetz, im vorliegenden Fall als Verfahren zur Erteilung eines Erstaufenthaltstitels (näherhin: einer Erstniederlassungsbewilligung) fortzuführen gewesen, kann demnach nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Durch die Anwendung nicht des Aufenthaltsgesetzes, sondern des im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides in Geltung stehenden FrG 1997 ist der Beschwerdeführer daher entgegen seinem Vorbringen in dem von ihm alleine geltend gemachten Recht auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 3 des Aufenthaltsgesetzes, im vorliegenden Fall vom Beschwerdeführer anscheinend verstanden als Recht zur Anwendung dieses Gesetzes durch die Behörde, nicht verletzt worden. Da der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 41 Abs. 1 erster Satz VwGG den angefochtenen Bescheid auf Grund des von der belangten Behörde angenommenen Sachverhaltes nur im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte (§ 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG) zu überprüfen hatte - so die ständige hg. Rechtsprechung -, eine Verletzung in dem ausschließlich geltend gemachten Recht auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 3 des Aufenthaltsgesetzes aber nicht erfolgt ist, war der Beschwerde der Erfolg versagt. Soweit der Beschwerdeführer in seiner Beschwerdeergänzung auch vorbringt, er erachte sich durch den angefochtenen Bescheid auch in einem Recht "auf Durchführung eines mängelfreien Verfahrens" verletzt, ist er auch hier im Lichte der ständigen hg. Rechtsprechung darauf zu verweisen, dass er damit ganz offensichtlich nur einen Grund, auf den sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides im Sinne des § 28 Abs. 1 Z. 5 VwGG stützt (behauptete Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften), genannt hat.

Da somit schon der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren gemäß § 35 Abs. 1 VwGG in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 15. Oktober 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1999190138.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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