TE Vwgh Erkenntnis 1999/10/15 99/19/0162

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Veröffentlicht am 15.10.1999
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

B-VG Art130 Abs2;
FrG 1997 §113 Abs10;
FrG 1997 §19 Abs5;
FrG 1997 §21 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde des 1982 geborenen VO in Wien, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 30. April 1999, Zl. 309.401/2-III/11/98, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer wurde am 21. August 1982 geboren.

Er beantragte am 12. März 1998 (beim Landeshauptmann von Wien eingelangt am 23. März 1998) die erstmalige Erteilung einer Niederlassungsbewilligung. Als Aufenthaltszweck gab er die Familiengemeinschaft mit Fremden, und zwar mit seinem Vater an. Dieser hatte sich nach den Antragsunterlagen vor dem 1. Jänner 1998 in Österreich auf Dauer für Österreich niedergelassen.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 30. April 1999 wurde dieser Antrag gemäß § 21 Abs. 1 bis 3 des Fremdengesetzes 1997 (FrG 1997) abgewiesen. Nach Wiedergabe des Wortlautes des § 8 Abs. 1 und 3 FrG 1997 sowie des § 21 Abs. 1 bis 3 FrG 1997 führte die belangte Behörde aus, der Familiennachzug sei im Falle des Beschwerdeführers ausgeschlossen, weil dieser bereits das 14. Lebensjahr beendet habe. Gemäß Art. 8 Abs. 2 MRK sei die Versagung des Aufenthaltstitels, sofern damit in das Privat- und Familienleben des Antragstellers eingegriffen würde, nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele notwendig sei. Zwar bestünden durch den Aufenthalt des Vaters des Beschwerdeführers unabsprechbare familiäre Bindungen in Österreich, dennoch könne unter den gegebenen Umständen keinesfalls ein Aufenthaltstitel erteilt werden, weil im Falle des Beschwerdeführers "eine Zweckverfehlung" vorliege, er bislang in seinem Heimatstaat aufhältig gewesen sei und keine soziale Integration in Österreich vorliege.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 19 Abs. 5 und § 21 Abs. 3 FrG 1997 lauten:

"§ 19. ...

(5) Niederlassungsbewilligungen gemäß Abs. 2 sind an den Aufenthaltszweck zu binden. Drittstaatsangehörigen, die sich ohne Erwerbsabsicht auf Dauer in Österreich niederlassen, wird eine Niederlassungsbewilligung für Private erteilt; sie gilt für jeglichen Aufenthaltszweck außer für Erwerbstätigkeit.

...

§ 21. ...

(3) Der Familiennachzug Drittstaatsangehöriger, die sich vor dem 1. Jänner 1998 auf Dauer niedergelassen haben, ist auf die Ehegatten und die Kinder vor Vollendung des 14. Lebensjahres beschränkt. Dasselbe gilt für den Familiennachzug quotenpflichtiger Drittstaatsangehöriger, der nicht gemäß Abs. 2 erfolgte."

Der Beschwerdeführer war bereits im Zeitpunkt der gegenständlichen Antragstellung über 14 Jahre alt. Sein Vater hatte sich schon vor dem 1. Jänner 1998 auf Dauer in Österreich niedergelassen. Die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß §§ 20, 21 Abs. 3 bis 5 FrG 1997 war daher nicht möglich. Anhaltspunkte dafür, dass die Voraussetzungen des § 113 Abs. 10 FrG 1997 im Fall des Beschwerdeführers, der seinen Antrag erst nach Inkrafttreten des FrG 1997 gestellt hat, vorgelegen wären, bestehen nicht.

Wie der Verwaltungsgerichtshof jedoch im Erkenntnis vom 11. Juni 1999, Zl. 99/19/0044, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, ausführte, ist die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zum Zwecke der Familiengemeinschaft mündiger minderjähriger Kinder, die nicht unter die Ausnahmebestimmung des § 113 Abs. 10 FrG 1997 fallen, mit ihren im Inland aufhältigen Eltern im Rahmen der gemäß § 19 Abs. 5 FrG 1997 festgesetzten Quote im Wege einer Ermessensentscheidung nicht ausgeschlossen.

Die belangte Behörde wäre daher verpflichtet gewesen, die vom Beschwerdeführer in seinem Bewilligungsantrag vom 12. März 1998 ins Treffen geführten Gründe (Anwesenheit seines Vaters im Bundesgebiet) einem zu ihrer Verwirklichung tauglichen Aufenthaltszweck (hier des privaten Aufenthaltes) zu subsumieren. Die im Beschwerdefall erkennbar unrichtige Benennung des angestrebten Aufenthaltszweckes der für Mündige, vom hier auch auf Basis der Antragsbehauptungen nicht vorliegenden Fall des § 113 Abs. 10 FrG 1997 abgesehen, gar nicht in Frage kommenden Familiengemeinschaft mit vor dem 1. Jänner 1998 auf Dauer niedergelassenen Fremden, also eine bloße Fehlbezeichnung des Aufenthaltszweckes, hinderte die Behandlung des Antrages des Beschwerdeführers im Rahmen der gemäß § 19 Abs. 5 FrG 1997 festgesetzten Quote nicht (vgl. hiezu auch das zu einer fehlerhaften Bezeichnung des Aufenthaltszweckes nach dem Aufenthaltsgesetz ergangene hg. Erkenntnis vom 10. September 1999, Zl. 98/19/0203).

Die belangte Behörde war daher gehalten, in Anwendung der §§ 8, 19 FrG 1997 eine Ermessensentscheidung darüber zu treffen, ob dem Beschwerdeführer im Rahmen der Quote für Private eine Niederlassungsbewilligung zu erteilen war.

Die von der belangten Behörde vorgenommene Beurteilung gemäß Art. 8 Abs. 2 MRK ist keine solche Ermessensentscheidung. Insbesondere wäre auch der für das Überwiegen der öffentlichen Interessen alleine ins Treffen geführte Grund der "Zweckverfehlung" unzutreffend, weil die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Gründe für seinen Aufenthalt im Bundesgebiet im Rahmen der gemäß § 19 Abs. 5 FrG 1997 festgelegten Quote Berücksichtigung finden könnten.

Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Neben dem Pauschalbetrag für den Ersatz des Schriftsatzaufwandes besteht für die Zuerkennung von Kosten unter dem Titel "20 % ES" keine Rechtsgrundlage.

Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte aus dem Grunde des § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG Abstand genommen werden.

Wien, am 15. Oktober 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1999190162.X00

Im RIS seit

31.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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