TE Vwgh Erkenntnis 1999/10/15 97/19/1139

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.10.1999
beobachten
merken

Index

20/02 Familienrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §5 Abs1;
EheG §23;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde der 1969 geborenen SK in Wien, vertreten durch Mag. O, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 12. März 1997, Zl. 307.445/2-III/11/96, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit einem als Erstantrag bezeichneten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vom 1. August 1995, eingelangt bei der Aufenthaltsbehörde erster Instanz am 22. August 1995, beantragte die Beschwerdeführerin die Erteilung einer derartigen Bewilligung zum Zwecke der Familienzusammenführung bzw. Familiengemeinschaft mit ihrem Ehegatten, einem österreichischen Staatsbürger. Der Landeshauptmann von Wien wies mit Bescheid vom 5. Jänner 1996 diesen Antrag gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z 6 des Fremdengesetzes 1992 (FrG) ab. Die Beschwerdeführerin erhob Berufung, in der sie vorbrachte, Ehegattin eines österreichischen Staatsbürgers zu sein, einen Befreiungsschein zu besitzen und in die Quote für Angehörige österreichischer Staatsangehöriger zu fallen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies der Bundesminister für Inneres die Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 AufG und § 10 Abs. 1 Z 4 FrG ab. Auf Grund der dem Antrag beigelegten Heiratsurkunde sei ersichtlich, dass die Beschwerdeführerin am 7. Juli 1993 einen österreichischen Staatsbürger geehelicht habe. Der Ehegatte habe jedoch anlässlich einer niederschriftlichen Einvernahme zu Protokoll gegeben, dass die gegenständliche Ehe eine Scheinehe gewesen sei. Es seien ihm S 15.000,-- versprochen worden, die er jedoch nie erhalten habe. Es habe zwar eine gemeinsame Meldung gegeben, ein gemeinsamer Wohnsitz habe nie bestanden und sei die gegenständliche Ehe auch nie vollzogen worden. Es sei auch bei der Staatsanwaltschaft Wien vorgesprochen worden, um die Ehe für nichtig erklären zu lassen. In der Berufung hingegen habe die Beschwerdeführerin angegeben, dass ein Fall von Familienzusammenführung mit einem Österreicher vorliege und die Ehe- und Beistandspflicht zu wahren sei. Mit Schreiben vom 13. Februar 1997 sei die Beschwerdeführerin aufgefordert worden, zu den Erhebungen der Behörde betreffend Eingehen einer Scheinehe Stellung zu nehmen. Diesbezüglich sei am 4. März 1997 eine Stellungnahme erfolgt, welche jedoch den Tatbestand der Scheinverehelichung nicht entkräften habe können.

Auf Grund der vorangeführten niederschriftlichen Angaben des österreichischen Gatten sowie der Feststellung, dass die Beschwerdeführerin bereits kurz nach der Verehelichung einen Befreiungsschein erhalten habe, erscheine der Tatbestand der Scheinverehelichung als bewiesen, zumal die Beschwerdeführerin zuvor keiner legalen Beschäftigung nachgegangen sei oder einen Sichtvermerk für das Bundesgebiet besessen habe. Der Oberste Gerichtshof gehe in seiner Judikatur davon aus, dass auch die ausschließliche oder überwiegende Absicht, durch die Eheschließung nur die unbeschränkte Aufenthaltsmöglichkeit und/oder den ungehinderten Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt zu erlangen, also auch ohne die Erfüllung der Voraussetzungen für die österreichische Staatsbürgerschaft anzustreben, für die Nichtigerklärung der Ehe ausreiche. Auch nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stelle die rechtsmissbräuchliche Eingehung einer Ehe durch einen Fremden zwecks Beschaffung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen ein Verhalten dar, welches dazu führe, dass die öffentliche Ordnung durch den weiteren Aufenthalt des Fremden in Österreich gefährdet wäre. Auf Grund des angeführten Sachverhaltes und der eindeutigen Rechtsprechung sei der Antrag der Beschwerdeführerin gemäß § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z 4 FrG abzulehnen und sie somit vom weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet auszuschließen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der der belangten Behörde unterlaufene Verfahrensmängel gerügt werden.

Während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens legte die belangte Behörde eine Mitteilung der Staatsanwaltschaft Wien vom 23. Juli 1997 vor, wonach die Ehe der Beschwerdeführerin mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 30. April 1997 für nichtig erklärt worden sei.

Über Vorhalt des Verwaltungsgerichtshofes erklärte die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 1. Oktober 1999 zum Ehenichtigkeitsurteil, es sei richtig, dass die Ehe mit dem genannten Urteil für nichtig erklärt worden sei. Allerdings sei diese Nichtigerklärung lediglich auf Grund der extensiven Interpretation des § 23 EheG erfolgt. Darüberhinaus sei im fremdenrechtlichen Verfahren zu beachten, dass die inkriminierte Eheschließung bereits am 7. Juli 1993, somit zu einem nunmehr über sechs Jahre zurückliegenden Zeitpunkt geschlossen worden sei. Die Beschwerdeführerin habe sich in dieser Zeit wohlverhalten und sei zwischenzeitig Mutter eines österreichischen Staatsbürgers geworden, als dessen Vater der damalige Ehegatte der Beschwerdeführerin gelte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 5 Abs. 1 AufG lautete:

"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist."

§ 10 Abs. 1 Z 4 FrG lautete:

"§ 10. (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen, wenn

...

4. der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde;"

Weder nach dem Beschwerdevorbringen noch nach der Aktenlage verfügte die Beschwerdeführerin jemals über eine Aufenthaltsbewilligung oder einen am 1. Juli 1993 gültigen gewöhnlichen Sichtvermerk. Die belangte Behörde wertete den Antrag daher zu Recht nicht als Verlängerungsantrag. Der angefochtene Bescheid ist demnach auch nicht gemäß § 113 Abs. 6 oder 7 des Fremdengesetzes 1997 mit Ablauf des 31. Dezember 1997 außer Kraft getreten.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Eingehen einer Ehe nur zum Schein, um sich eine fremdenrechtlich bedeutsame Bewilligung zu verschaffen, ein Verhalten, das eine gravierende Missachtung der den Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet regelnden Vorschriften bildet. Es rechtfertigt grundsätzlich die Annahme, der weitere Aufenthalt des Fremden werde die öffentliche Ordnung im Sinne des § 10 Abs. 1 Z 4 FrG gefährden. Voraussetzung für die Annahme dieser fremdenrechtlichen Konsequenzen ist allerdings die eindeutige und mängelfreie Feststellung, dass die Ehe in der Absicht geschlossen wurde, die Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Bewilligungen zumindest (erheblich) zu erleichtern (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. November 1996, Zl. 96/19/1601).

Nach dem gemäß § 67 AVG von der Berufungsbehörde anzuwendenden § 60 leg. cit. sind in der Begründung des Berufungsbescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Demnach muss in der Bescheidbegründung in einer eindeutigen, die Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichenden und in einer der nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes zugänglichen Weise dargetan werden, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrundegelegt wurde, aus welchen Erwägungen die belangte Behörde zu der Ansicht gelangte, dass gerade dieser Sachverhalt vorliege und aus welchen Gründen sie die Subsumtion dieses Sachverhaltes unter einem bestimmten Tatbestand als zutreffend erachte (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 12. März 1999, Zl. 98/19/0027).

In der Begründung des angefochtenen Bescheides geht die belangte Behörde in Bezug auf das Vorliegen einer Scheinehe ausschließlich von dem Sachverhalt aus, der sich aus der Aussage des Ehegatten der Beschwerdeführerin ergibt. Die belangte Behörde führt in der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht mit einem Wort aus, weshalb die Aussagen des Ehegatten der Beschwerdeführerin glaubhafter seien als diejenigen der Beschwerdeführerin im Berufungsverfahren, die im Übrigen - was die Stellungnahme der Beschwerdeführerin vom 4. März 1997 betrifft - überhaupt nicht wiedergegeben werden. Sie begnügt sich vielmehr mit der nicht näher begründeten Feststellung, dass die Äußerungen der Beschwerdeführerin "den Tatbestand der Scheinverehelichung nicht habe entkräften können." Welche Überlegungen die belangte Behörde dazu veranlasst haben, den Aussagen des Ehegatten höhere Glaubwürdigkeit zuzubilligen als der in der genannten Stellungnahme erfolgten Darstellung der Beschwerdeführerin, geht aus dem angefochtenen Bescheid somit nicht hervor und entzieht sich daher der Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof (vgl. zuletzt das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1999, Zl. 97/19/0454).

Allerdings führte dieser Verfahrensmangel nur dann zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides, wenn die belangte Behörde bei seiner Vermeidung zu einem anderen Bescheid gelangen hätte können. Nun wurde die Ehe der Beschwerdeführerin mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 30. April 1997 gemäß § 23 EheG für nichtig erklärt. Dabei wurde auf Grund der Ergebnisse dieses Verfahrens festgestellt, dass die Ehe von der Beschwerdeführerin nur deshalb geschlossen worden sei, um dieser eine Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung und eine Anwartschaft auf die österreichische Staatsbürgerschaft zu verschaffen.

Wird der von der belangten Behörde auf Grund eines mangelhaften Verfahrens angenommene Sachverhalt durch ein nachfolgendes rechtskräftiges Urteil bestätigt, ist nicht anzunehmen, dass die belangte Behörde bei Vermeidung der Verfahrensmängel zu einem anderen Bescheid hätte kommen können (vgl. in diesem Zusammenhang das hg. Erkenntnis vom 27. Oktober 1950, SlgNr. 1717/A). Daher ist auch im vorliegenden Fall der der belangten Behörde vorzuwerfende Verfahrensmangel nicht relevant.

Im Übrigen wird zum Vorbringen der Beschwerdeführerin betreffend den Zeitablauf zwischen der Eheschließung am 7. Juli 1993 und der (diesbezüglich relevanten) Bescheiderlassung am 28. April 1997 bemerkt, dass dieser Zeitraum von weniger als 4 Jahren zu kurz erscheint um trotz eines allfälligen Wohlverhaltens der Beschwerdeführerin in der Zwischenzeit davon ausgehen zu können, die Gefährdungsprognose des § 10 Abs. 1 Z 4 FrG sei nicht mehr gegeben (vgl. in diesem Zusammenhang das hg. Erkenntnis vom 12. November 1996, Zl. 96/19/3068, wo sogar bei einem Zeitraum von etwas mehr als sieben Jahren die Gefährdungsprognose noch als gerechtfertigt angesehen wurde).

Nach ständiger Rechtsprechung stellt das Eingehen einer Ehe zum Schein zur Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen einen Rechtsmissbrauch dar, welcher als Gefährdung der Ordnung auch im Sinne des Art. 8 Abs. 2 MRK zu qualifizieren ist, sodass diesfalls ein durch Versagung der Aufenthaltsbewilligung allenfalls bewirkter Eingriff in das Privatleben (mit dem Sohn der Beschwerdeführerin) gerechtfertigt ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 1996, Zl. 96/19/1381).

Aus den obgenannten Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 15. Oktober 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1997191139.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten