TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/10 W168 2181204-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.09.2018
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Entscheidungsdatum

10.09.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W168 2181204 - 1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter MMag. Dr. Bernhard MACALKA über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX alias XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.11.2017, Zl.1051107009 - 150118527, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 03.07.2018 zu Recht erkannt:

A)

A) Die Beschwerde wird gemäß den §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 55, 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG, und §§ 52, 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Afghanistan, reiste schlepperunterstützt unberechtigt in das Bundesgebiet ein und stellte am 01.02.2015 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag gab der Beschwerdeführer zusammengefasst an, aus der Provinz Sar-i Pul zu stammen, schiitischer Moslem zu sein und der Volksgruppe der Hazara anzugehören. Nach fünfjährigem Schulbesuch sei er bis zu seiner Ausreise als Hilfsarbeiter tätig gewesen. Seine gesamte Familie sei im Iran aufhältig. Er selbst sei im Oktober 2014 aus dem Iran kommend Richtung Türkei ausgereist. Mittels Schlauchboot wäre er schließlich von dort nach Griechenland gelangt. Danach sei er schlepperunterstützt weiter nach Serbien und von dort aus mit einem Kastenwagen bis nach Österreich gereist. Als Fluchtgrund führte der Beschwerdeführer aus, dass er Afghanistan bereits als Kind mit seinen Eltern verlassen habe. Auf der Flucht von Afghanistan in den Iran seien sie bombardiert und beschossen worden, wovon der Beschwerdeführer bis heute eine Narbe am linken Fuß hätte. Nach dem Verlassen Afghanistans habe der Beschwerdeführer mit seiner Familie im Iran gelebt. Da sie jedoch im Iran als Afghanen keine Rechte gehabt hätten, seien ihre Häuser angezündet und zerstört worden. Sein Leben wäre im Iran nicht mehr sicher gewesen. Deshalb habe er beschlossen den Iran zu verlassen.

3. Der Beschwerdeführer wurde am 09.10.2017 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen. Zu seiner Person führte diser aus, er sei afghanischer Staatsangehöriger, stamme aus der Provinz Sar-i Pul, gehöre dem schiitischen Islam und der Volksgruppe der Hazara an. Er habe im bisherigen Verfahren die Wahrheit angegeben. Er befinde sich gegenwärtig nicht in medizinischer Behandlung, habe jedoch einen Riss im Trommelfell und sei deswegen operiert worden Er sei traditionell verheiratet und habe drei Kinder. Seine Ehefrau sei derzeit im Iran aufhältig. Seine Kinder würden über die iranische Staatsbürgerschaft verfügen.

Auf Aufforderung, einen kurzen Lebenslauf bezüglich seiner Person zu schildern, gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, in Afghanistan geboren zu sein und bis zum 13. Lebensjahr seinen Eltern bei der Viehhaltung geholfen zu haben. Im Alter von 15 Jahren habe er mit seinen Eltern Afghanistan verlassen und sei nach einem einmonatigen Aufenthalt in Pakistan in den Iran gereist. In Iran habe er immer in der Landwirtschaft gearbeitet und hätte dort ein eigenes Grundstück in Pacht bewirtschaftet.

An die letzte Nacht vor der Flucht könne sich der Beschwerdeführer nicht erinnern, er sei jedenfalls mithilfe eines Schleppers, dem er 2000 Euro gezahlt habe, nach Österreich eingereist. Er halte sich seit dem 01.02.2015 in Österreich auf und habe in keinem anderen Land um Asyl angesucht.

Der Beschwerdeführer habe im Herkunftsstaat weder Familienangehörige noch Freunde. Er sei im Heimatland weder vorbestraft oder inhaftiert gewesen noch habe er Probleme mit den Behörden gehabt. Auch bestehe gegen den Beschwerdeführer keine aktuelle Fahndungsmaßnahme wie ein Haftbefehl oder eine Strafanzeige und er sei nicht politisch tätig oder Mitglied einer politischen Partei gewesen. Die Frage, ob dieser im Herkunftsstaat aufgrund seines Religionsbekenntnisses bzw. seiner Volksgruppenzugehörigkeit bedroht worden wäre, wurde vom Beschwerdeführer verneint. Auch habe er keine gröberen Probleme mit Privatpersonen gehabt und im Heimatland nicht an bewaffneten oder gewalttätigen Auseinandersetzungen aktiv teilgenommen.

Zum Fluchtgrund befragt, führte der Beschwerdeführer wie folgend aus:

F: Schildern Sie die Gründe, warum Sie Ihr Heimatland verlassen und einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, von sich aus vollständig, detailliert und wahrheitsgemäß.

Sie werden darauf hingewiesen, dass falsche Angaben die Glaubwürdigkeit Ihres Vorbringens beeinträchtigen können.

Soweit Sie auf Ereignisse Bezug nehmen, werden Sie auch aufgefordert, den Ort und die Zeit zu nennen, wann diese stattfanden und die Personen, die daran beteiligt waren.

Sie haben jetzt auch Gelegenheit, sich zu den Fragen, die von ihnen mit "Ja" oder "Nein" beantwortet wurden, zu äußern.

A: Ich habe gemeinsam mit meinen Eltern in Mian Dareh gelebt. Dann kam ein Kampf in unserem Dorf zu Stande. Die Mujaheddin haben unser Gebiet als Trainingsareal in Besitz genommen. Daraufhin begann ein großer Kampf. Damals kämpfte die Provinz Sare Pol gegen Russland. Meine Familie musste die Soldaten mit essen und lebensnotwendiger Versorgung unterstützen. Russland gewann den Kampf und besetzte Sare Pol. Daraufhin flüchteten meine Eltern mit mir. Während der Flucht nach Pakistan wurden wir von den Russen bombardiert. Es waren ca. 1500 Menschen von Sare Pol nach Pakistan unterwegs. Auch ich wurde bei dieser Bombardierung verletzt.

F: Wurde Ihre Familie gezielt verfolgt oder flüchteten Sie aufgrund der allgemeinen Besetzung Russlands?

A: Nein. Alle in unserem Dorf mussten fliehen es war keine gezielte Verfolgung gegen Familienmitglieder von mir.

F: Was würde Sie konkret erwarten, wenn Sie jetzt in ihren Herkunftsstaat zurückkehren müssten?

A: Ich habe in Afghanistan nirgends einen Platz zum Leben. Als ich minderjährig war musste ich Afghanistan verlassen. Ich kenne niemanden in Afghanistan. Mittlerweile besetzen die Taliban Sare Pol.

F: Warum haben Sie die Geburtsurkunde Ihres Vaters vorgelegt?

A: Ich will damit beweisen, dass ich Afghane bin.

Anm. AW legt drei Ausdrucke vor.

Was möchten Sie mit diesen Ausdrucken beweisen?

A: Bei den drei Personen handelt es sich um

HAJI Baz Panahi, mein Onkel mütterlicherseits,

ABDUL RASHID NASIRI, der Cousin von meinem Vater

Mohammad Ali ZAKI, der Schwiegersohn vom Cousin meines Vaters

Diese drei wurden im Jahr 2016 von den Taliban getötet obwohl sie Geld bezahlten.

Vorh. Sie gaben vorher an, Sie hätten niemanden mehr in Afghanistan.

Jetzt geben Sie an dass diese drei Personen von den Taliban in Sare Pol getötet wurden.

A: Ja diese lebten im Iran, dann sind Sie wieder nach Afghanistan zurückgezogen und deshalb wurden Sie getötet.

F: Warum sind diese getötet worden?

A: Diese drei wurden getötet weil diese Hazara sind.

F: Was wollten Sie beweisen, mit der Vorlage dieser drei Männer?

A: Diese gingen zurück wurden jedoch getötet weil sie Hazara sind.

F: Aus welchen Gründen haben Sie den Iran verlassen?

A: Ich musste alle sechs Monate meine Aufenthaltskarte verlängern lassen. Eines Tages kaufte ich eine Satellitenschüssel, dass darf man nicht. Deshalb durfte ich mir meinen Aufenthaltstitel nicht mehr verlängern lassen. Deshalb habe ich den Iran verlassen.

F: Warum können Ihre Familienmitglieder noch im Iran leben?

A: Die haben keine Dokumente mehr. Das Leben ist jetzt sehr schwer für diese.

Vorh. Die Aufenthaltsberechtigung wurde bereits 2011 nicht mehr verlängert, warum sind Sie erst 2015 ausgereist?

A: Ich habe versucht illegal dort weiter zu leben. Aber die Polizei kam dann immer öfter zu uns. Sie beschuldigten mich mit den Satelliten zu handeln. So konnte ich oft am Abend nicht nach Hause kommen. Die Lage wurde immer schlechter deshalb habe ich mich entschlossen zu flüchten.

F: Haben Sie sämtliche Gründe, die Sie veranlasst haben, Ihr Heimatland zu verlassen, vollständig geschildert?

A: Ja

Zu seinen Lebensumständen in Österreich befragt, erklärte der Beschwerdeführer, in Österreich keine Verwandte zu haben. Er habe einen Deutschkurs auf dem Niveau A1 besucht und könne ein Zertifikat auf dem Niveau A2 vorweisen. Zudem habe er beim Deutschunterricht im Rahmen der Flüchtlingshilfe teilgenommen. Im Bundesgebiet hätte dieser bereits zahlreiche Freunde gefunden und beziehe keine Leistungen mehr von der Grundversorgung. Neben der Bezahlung seiner anfallenden Mietkosten würde dieser seiner im Iran lebenden Familie Geldleistungen überweisen. In Österreich lebe dieser in keiner Lebensgemeinschaft. Er sei in keinem Verein tätig, habe aber bereits zahlreiche ehrenamtliche Tätigkeiten absolviert. Er sei weder von einer gerichtlichen Untersuchung als Zeuge oder Opfer in Österreich oder von einem zivil-oder strafrechtlichen Gerichtsverfahren betroffen gewesen. In Österreich würde dieser über keinen nennenswerten Privatbesitz verfügen. Die Länderfeststellungen zu Afghanistan dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht verzichtete dieser auf die Möglichkeit hierzu eine Stellungnahme abzugeben.

Der Beschwerdeführer legte im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme folgende Unterlagen vor:

-Geburtsurkunde des Vaters im Original

-Befristete Aufenthaltskarte vom Iran im Original

-

Bestätigung für eine Abendschule im Iran im Original

-

Heiratsurkunde aus Afghanistan im Original

-befristete Arbeitserlaubnis vom Iran im Original

-Aufenthaltskarte vom Iran im Original

-Kopie von den Aufenthaltskarten der Frau und Kinder im Iran im Original

-Zertifikat einer Deutschprüfung auf dem Niveau A1

-zwei Kursbestätigungen vom 10.05.2017 und vom 25.01.2017, wonach der Beschwerdeführer vom 01.02.2017 bis 10.05.2017 sowie vom 21.10.2017 bis 25.01.2017 Deutschkurse auf A1 Niveau besucht habe

-Empfehlungsschreiben vom 02.10.2017

-Teilnahmebestätigungen vom 25.09.2017 über 10 Einheiten Deutschunterricht

-Teilnahmebestätigung vom 22.05.2015 über Deutschunterricht vom 06.03.2015-18.05.2015

-Arztbrief eines Klinikums vom 08.05.2017 über einen stationären Aufenthalt des Beschwerdeführers vom 03.05.2017 bis 08.05.2017 mit der Diagnose bei Entlassung chronische Otitis media links (Mittelohrentzündung), am 11.05.2017 wurde ein Kontrolltermin vereinbart

-Aufenthaltsbestätigung vom 09.05.2017, wonach sich der Beschwerdeführer vom 03.05.2017 bis 08.05.2017 in stationärer Pflege befunden habe.

-Dienstzeugnis vom 06.10.2017, dass der Beschwerdeführer seit 26.06.2017 als Erntehelfer beschäftigt sei

-12 Empfehlungsschreiben den Beschwerdeführer betreffend

-Übersetzung einer Kopie vom Original eines Heiratsvertrages

-Übersetzung einer Kopie vom Original einer Identitätskarte

-Übersetzung einer Kopie vom Original einer befristeten Aufenthaltskarte des Iran

-Übersetzung einer Kopie vom Original einer befristeten Arbeitserlaubnis für den Iran

Mit nunmehr angefochtenem Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Weiters wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

Begründend wurde zu Spruchpunkt I. ausgeführt, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan keine, auf asylrelevante Gründe gestützte Gefährdung, die über gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Heimatstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgehe, geltend machen habe können. Die Tatsache, dass der Beschwerdeführer Hazara oder Schiit bzw. Ismailit sei, stelle für sich allein noch keine konkrete Verfolgungsgefährdung dar. Zu Spruchpunkt II. führte das BFA aus, dass sich aus den Länderfeststellungen hinsichtlich seiner Heimatprovinz Sar-i Pul ergebe, dass derzeit eine relevante Gefährdungslage vorliege. Den zugrunde gelegten Länderfeststellungen sei zu entnehmen, dass die Sicherheitslage in der Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers volatil und eine ausreichende Versorgung nicht vorhanden sei. Aufgrund der in der Provinz auftretenden Sicherheitsprobleme könnte eine allfällige Rückführung in diese Region mit einer ernstzunehmenden Gefahr für Leib und Leben verbunden sein, weshalb ihm eine Rückkehr in die Herkunftsprovinz nicht zugemutet werden könne. Infrage komme jedoch als innerstaatliche Schutzalternative Kabul. Die Sicherheitslage in Kabul sei nicht derart gelagert, dass alleine der Umstand, dort zu leben, zu einer realen Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention führen würde oder es für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde. Der Beschwerdeführer sei volljährig, gesund und im erwerbsfähigen Alter und sei mit den kulturellen Gepflogenheiten im Herkunftsstaat vertraut, da er sein gesamtes Leben in Afghanistan bzw. im Iran verbracht habe. Des Weiteren verfüge er über Schulbildung und habe bereits Berufserfahrungen als Landwirt und in der Viehzucht gesammelt. Diese würden ihm im Fall der Ansiedelung in Kabul von Nutzen sein, um damit auch die grundlegendsten Bedürfnisse abdecken zu können. Der Beschwerdeführer verfüge über Familienangehörige im Iran, eine Unterstützung durch diese könne angenommen werden, da diese über finanzielle Einkünfte verfügen würden. In Spruchpunkt IV wurde dargelegt, dass der Beschwerdeführer über keine Familienangehörigen in Österreich verfüge und somit kein im Sinne von Art. 8 EMRK schützenswertes Familienleben in Österreich vorliege. Der Beschwerdeführer spreche und verstehe bereits teilweise die deutsche Sprache. Er habe einige Deutschkurse besucht und bereits das ÖSD Zertifikat A2 bestanden. Er arbeite als Saisonarbeiter, sei in keinem Verein tätig und gehe keiner ehrenamtlichen Tätigkeit nach. Der Beschwerdeführer verfüge über stärkere Bindungen zum Herkunftsstaat: Es habe nicht festgestellt werden können, wie viele Jahre der Beschwerdeführer tatsächlich in Afghanistan gelebt habe, er spreche jedoch die Landessprache als Muttersprache. Der Beschwerdeführer habe im Iran fünf Jahre lang die Abendschule besucht und sei unzählige Jahre Arbeiten auf der Landwirtschaft bzw. Viehzucht nachgegangen. Im Gegensatz dazu sei er in Österreich schwächer integriert, da er Deutsch auf einfachem Niveau spreche und sich in keinem Verein ehrenamtlich betätigt habe. Die Beziehungen zu seinen Freunden könne keine stärkere Bindung zu Österreich als zu seinem Herkunftsstaat herstellen. Eine darüber hinausgehende Integration sei nicht hervorgekommen, die kurze Aufenthaltsdauer spreche gegen eine verfestigte Eingliederung.

Mit Verfahrensanordnung vom 17.11.2017 wurde dem Beschwerdeführer der Verein Menschenrechte Österreich als Rechtsberater zur Seite gestellt.

Gegen verfahrensgegenständlich angefochtenen Bescheid wurde Beschwerde erhoben und ausgeführt, dass der Beschwerdeführer illegal im Iran gewesen sei, als seine Aufenthaltsberechtigung nicht mehr verlängert worden sei. In weiterer Folge habe er Probleme mit der Polizei bekommen und sei vor der Gefahr gestanden, nach Afghanistan abgeschoben zu werden. Wie er bereits erwähnt habe, gehöre er der Volksgruppe der Hazara und dem schiitisch-muslimischen Glauben an. Für Hazara sei ein Leben in Afghanistan nicht möglich und eine Rückkehr sei nicht zumutbar. Schiitische Hazara seien generell gesellschaftlicher Diskriminierung ausgesetzt. Aus Recherchen gehe deutlich hervor, dass Hazara ethnisch begründeten Diskriminierungen ausgesetzt seien. Die Behörde erkenne selbst, dass die Lage in Sar-i Pul gefährlich sei und es sich um eine volatile Provinz Afghanistans handle, gehe jedoch davon aus, dass der Beschwerdeführer in Kabul in Sicherheit wäre. Es sei jedoch schlichtweg falsch, wenn die Behörde davon ausgehe, dass ein Leben in Kabul möglich wäre und die Stadt als "relativ" sicher einzustufen sei. Es wurde auf Zeitungsberichte verwiesen, die ein gegenteiliges Bild darstellen würden. Es sei nicht nachvollziehbar, wie die belangte Behörde angesichts dieser Berichte dennoch von einer zumutbaren Rückkehr nach Afghanistan ausgehen könne, da sich die Familie des Beschwerdeführers nicht mehr in Afghanistan aufhalte und er auf kein soziales Netz zurückgreifen könne. Insgesamt würden seine Volksgruppenzugehörigkeit, die allgemeine Sicherheitslage sowie das nicht vorhandene soziale Auffangnetz eine ausweglose und lebensbedrohliche Situation für den Beschwerdeführer darstellen. Er habe keinen Bezug mehr zu Afghanistan, da er den Großteil seines Lebens im Iran verbracht habe und in Afghanistan auch keine familiären Anknüpfungspunkte mehr habe. Bezüglich seiner Integration wolle der Beschwerdeführer auf die detaillierten Aussagen im Rahmen seiner Einvernahme und den vorgelegten Beweismitteln verweisen. Er habe Deutschkurse besucht und sei nun auch für den Kurs A2 angemeldet, wolle seine Deutschkenntnisse auch weiterhin verbessern und habe bereits Einheimische als Freunde gefunden. Der Beschwerde wurde Anmeldebestätigung der Volkshochschule Oberösterreich für einen Deutschkurs angeschlossen. Es wurde die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

Am 03.07.2018 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung statt, an welcher der Beschwerdeführer teilgenommen hat. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist zu der Verhandlung nicht erschienen.

Mit dem Beschwerdeführer wurden die Situation aufgrund der mit der Ladung übermittelten aktuell vorliegenden Länderfeststellungen besprochen und diesem ausführlich Gelegenheit eingeräumt hierzu Stellung zu nehmen. Ebenso wurden im Zuge der Verhandlung vor dem BVwG mit dem Beschwerdeführer seiner Befürchtungen in Bezug auf die Rückkehr, bzw. seine in Österreich gesetzten integrativen Schritte, sowie seine Zukunftserwartungen besprochen.

Im Rahmen der Verhandlung führte der Beschwerdeführer aus, dass er sich geistig und körperlich in der Lage fühle, an der Verhandlung teilzunehmen.

Zu seinen Lebensumständen im Herkunftsstaat befragt, brachte der Beschwerdeführer vor, dass er sich seit dem Jahre 1986 nicht mehr in Afghanistan befunden hätte. Im Iran würden ndie Frau, eine Tochter und zwei Söhne des Beschwerdeführers leben. Er habe etwa einmal im Monat mit diesen Kontakt. Diesen würde es jetzt gut gehen. In Afghanistan würden sich keine weiteren Familienangehörigen befinden. Im Iran würden sich zudem die Eltern und ein Bruder aufhalten, der ebenfalls in der Landwirtschaft arbeiten würde. Die Frau des BF würde im Iran durch Wäschewaschen ihren Lebensunterhalt verdienen, bzw. würde der Beschwerdefüher sie unterstützen. Er selbst hätte im Iran in der Landwirtschaft gearbeitet. Das monatliche Einkommen wäre unterschiedlich gewesen. unterschiedlich im Iran verdient. Befragt zu Befürchtungen bei einer Rückkehr nach Afghanistan führte der Beschwerdefürher aus, dass die Gründe warum er Afghanistan verlassen habe noch immer vorherschen würden. Er würde noch immer persönlich konkret bedroht werden. Es wären die Nachbarn die ihn bedrohen bzw. auch töten würden. Die Taliban würden die Hazara aus dem Dorf vertreiben wollen. Es wäre eine allgemeine Bedrohung, durch diese würde jedoch auch er getötet werden. Er wäre sich zu 100% sicher, dass die Gefahr bestehen würde. Vorgehalten, dass nach den vorliegenden Länderberichten zu Afghainstan die großen Städte in Afghanistan nachhaltig unter Regierungskontrolle stehen und dort keine unmittelbare Bedrohung durch die Taliban bestehen würde, fürhte der BF aus, dass er dies bestätigen könne. Jedoch gäbe es die Möglichkeit für jemanden der bereits seit 30 Jahren nicht mehr in Afghanistan gelebt habe dorthin zu ziehen. Bezüglich seiner Familie hätte er Angst, dass diese weil sie keine Dokumente hätten jederzeit von der Polizei nach Afhanistan abgeschoben werden könnten. Die Schleppung hätte €2000 gekostet. Vorgehalten, dass mit diesem Geld eine Existenzsicherung für eine längere Zeit in Afghanistan möglich gewesen wäre, antwortete der BF, dass er in Afghainstan nicht überleben würde, bzw. er nie zurückkehren wolle. In Afghanistan hätte er niemanden der ihm unterstützten würde. Er hätte da er sich für solch eine lange Zeit nicht mehr in Afghanistan aufgehalten habe keine Möglichkeit dort zu wohen und sich dort eine Lebensgrundlage zu bilden. Es könne nicht gesagt werden, dass er dort nette Leute treffen würde und nicht welche, die ihm Schaden wollten.Es würde Leute geben, die zurückkehren und sofort erschossen werden würden. Er würde nicht sagen, dass er ein General wäre, der sofort erschossen würde. Er hätte diese Begründung sogar mit seinen Zimmergenossen besprochen. Er wäre nicht hierhergekommen, damie es ihm wirtschaftlich besser gehen würde. Er könne einfach im Iran nicht mehr weiterleben.

Befragt zu integrativen Schritten, führte der BF aus, dass er einen Deutschkurs besucht habe und die Prüfungen A1 und A2 absolviert habe. Auch würde er seit zwei Jahren immer Saisonarbeiten verrichten würde. In der sonstigen Zeit würde er von der Grundversorgung leben. In Österreich würden gute Freunde leben, bzw. würde auch die bei der Verhandlung anwesende Vertrauensperson gute Bekannte von ihm sein. Auch koche er gerne mit Freunden. Auch legte der Beschwerdeführer eine Bescheinigung betreffend der Absolvierung eines Erste Hilfe Grundkurses des ÖRK, eine Teilnahmebestätigung eines Deutschunterrichtes im Rahmen der Flüchtlingshilfe der Pfarre Bad Hall, Kurstbestätigungen betreffend der Absolvierung von A2 Deutschkursen, ein A2 Zertifikat, sowie 11 Unterstützung- bzw. Empfehlungsschreiben von Privatpersonen vor.

Die Vertretung legte abschließend befragt eine gutachterliche Stellungnahme vom 15.09.2017 von Frau Hila Asef betreffend Rückkehrer aus dem Iran und einen Auszug des Gutachtens von Frau Stahlmann vom 28.03.2018 vor.

Mit Datum 10.07.2018 langte ein Empfehlungs- / Unterstützungsschreiben der bei der Verhandlung vor dem BVwG anwesenden Vertrauensperson ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan, gehört der Volksgruppe der Hazara an, hat Dari als Muttersprache und ist Muslim schiitischer Ausrichtung. Seine Identität steht nicht fest. Der Beschwerdeführer stammt aus der Provinz Shar-i Pul, half dort seinen Eltern bei der Viehzucht und zog mit seiner Familie im Jugendalter in den Iran, wo er auch fünf Jahre lang die Abendschule besuchte und als Hilfsarbeiter arbeitete. Der Beschwerdeführer ist verheiratet und hat drei Kinder. Seine gesamte Familie (Eltern, Bruder, Ehefrau und Kinder) befindet sich derzeit im Iran, in Afghanistan hat der Beschwerdeführer keine verwandtschaftlichen Anknüpfungspunkte. Es kann nicht festgestellt werden, dass drei Verwandte des Beschwerdeführers aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara getötet wurden.

Der Beschwerdeführer leidet an keinen schweren körperlichen oder psychischen Erkrankungen. Er stand jedoch wegen einem Trommelfellriss in stationärer Behandlung und leidet an einer chronischen Mittelohrentzündung.

Bei dem Beschwerdeführer handelt es sich um einen jungen arbeitsfähigen Mann bei dem eine grundsätzliche Teilnahme am Erwerbsleben gegeben ist.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer Afghanistan aufgrund einer Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verlassen hat.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter bedroht wäre.

Nicht festgestellt werden kann, dass dem Beschwerdeführer wegen seiner Zugehörigkeit zur Religionsgemeinschaft der Schiiten oder zur Volksgruppe der Hazara Verfolgung in Afghanistan droht.

Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Niederlassung insbesondere in der Stadt Kabul, besteht für den Beschwerdeführer als arbeitsfähigen Mann im berufsfähigen Alter ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf keine berücksichtigungswürdige Bedrohungssituation, bzw. läuft dieser dort auch nicht in Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

Weiters kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer alleine deshalb weil er sich den Großteil seines bisherigen Lebens im Iran aufgehalten hat, bzw. sich zuletzt in Europa aufgehalten hat und er als afghanischer Staatsangehöriger, der aus dem Iran sowie aus Europa nach Afghanistan zurückkehrt ist, gerade aus diesen Gründen in Afghanistan einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt wäre oder eine existenzbedrohende Notlage zu erwarten hätte.

Der unbescholtene Beschwerdeführer ist seit seiner Antragstellung im Februar 2015 durchgehend ausschließlich nur auf Grund des vorläufigen Aufenthaltsrechts während des Asylverfahrens rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig. Der Beschwerdefüher bestreitet seinen Lebensunterhalt überwiegend aus Mitteln der Grundversorgung. Der Beschwerdeführer hat an mehreren Kursen (insb. Deutschkursen) teilgenommen und übte ehrenamtlichen Tätigkeiten, wie auch eine Beschäftigung als Erntehelfer aus. Der Beschwerdeführer verfügt über geringe Deutschkenntnisse; er hat in Österreich Deutschkurse besucht und Zertifikate über eine abgelegte Prüfung auf dem Niveau A1 vorgelegt. Er verfügt in Österreich über keine Verwandten und keine sonstigen engen familienähnlichen Bindungen. Das Vorliegen einer insgesamt besonders berücksichtigungswürdigen Integration in Österreich kann in casu nicht festgestellt werden.

Der Beschwerdeführer lebt überwiegend von der Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Im Bundesgebiet verfügt er über keinerlei Familienangehörige und hat keine sonstigen rechtlich relevanten sozialen Kontakte. Das Vorliegen eines besonders zu berücksichtigenden Nahe - bzw. Abhängigkeitsverhältnisses zu Personen im Bundesgebiet ist nicht dargelegt worden.

Das BFA hat ein insgesamt mängelfreies Verfahren durchgeführt. Die belangte Behörde ist im gegenständlichen Verfahren ihrer Ermittlungspflicht durch die Vornahme einer detaillierten Befragung nachgekommen und dem angefochtenen Bescheid ist ein im vorliegenden Verwaltungsakt dokumentiert umfassendes Ermittlungsverfahren vorangegangen. Der Sachverhalt wurde unter schlüssiger Beweiswürdigung des Bundesamtes festgestellt und rechtlich korrekt durch das BFA gewürdigt.

In der Beschwerde, als auch in der Verhandlung vor dem BVwG, sowie den Stellungnahmen konnten keine wesentlichen, bzw. verfahrensrelevant neuen Sachverhaltselemente glaubhaft bzw. substantiiert begründet dargelegt werden, welche geeignet wären, die von der belangten Behörde getroffenen Entscheidungen grundlegend in Frage zu stellen. Für die in der Beschwerde und den in den Stellungnahmen gestellten Anträge ergeben sich keine konkreten Anhaltspunkte.

Das Bestehen von besonderen Gründen die für ein Verbleiben der beschwerdeführenden Partei im Bundesgebiet sprechen sind dem vorliegenden Verwaltungsakt nicht zu entnehmen.

1.2. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor höchst volatil; die Regierung und die Taliban wechselten sich während des Berichtszeitraumes bei Kontrolle mehrerer Distriktzentren ab - auf beiden Seiten waren Opfer zu beklagen (UN GASC 21.9.2017). Der Konflikt in Afghanistan ist gekennzeichnet von zermürbenden Guerilla-Angriffen, sporadischen bewaffneten Zusammenstößen und gelegentlichen Versuchen Ballungszentren zu überrennen. Mehrere Provinzhauptstädte sind nach wie vor in der Hand der Regierung; dies aber auch nur aufgrund der Unterstützung durch US-amerikanische Luftangriffe. Dennoch gelingt es den Regierungskräften kleine Erfolge zu verbuchen, indem sie mit unkonventionellen Methoden zurückschlagen (The Guardian 3.8.2017).

Der afghanische Präsident Ghani hat mehrere Schritte unternommen, um die herausfordernde Sicherheitssituation in den Griff zu bekommen. So hielt er sein Versprechen den Sicherheitssektor zu reformieren, indem er korrupte oder inkompetente Minister im Innen- und Verteidigungsministerium feuerte, bzw. diese selbst zurücktraten; die afghanische Regierung begann den strategischen 4-Jahres Sicherheitsplan für die ANDSF umzusetzen (dabei sollen die Fähigkeiten der ANDSF gesteigert werden, größere Bevölkerungszentren zu halten); im Rahmen des Sicherheitsplanes sollen Anreize geschaffen werden, um die Taliban mit der afghanischen Regierung zu versöhnen; Präsident Ghani bewilligte die Erweiterung bilateraler Beziehungen zu Pakistan, so werden unter anderen gemeinsamen Anti-Terror Operationen durchgeführt werden (SIGAR 31.7.2017).

Zwar endete die Kampfmission der US-Amerikaner gegen die Taliban bereits im Jahr 2014, dennoch werden, laut US-amerikanischem Verteidigungsminister, aufgrund der sich verschlechternden Sicherheitslage 3.000 weitere Soldaten nach Afghanistan geschickt. Nach wie vor sind über 8.000 US-amerikanische Spezialkräfte in Afghanistan, um die afghanischen Truppen zu unterstützen (BBC 18.9.2017).

Sicherheitsrelevante Vorfälle

In den ersten acht Monaten wurden insgesamt 16.290 sicherheitsrelevante Vorfälle von den Vereinten Nationen (UN) registriert; in ihrem Berichtszeitraum (15.6. bis 31.8.2017) für das dritte Quartal, wurden 5.532 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert - eine Erhöhung von 3% gegenüber dem Vorjahreswert. Laut UN haben sich bewaffnete Zusammenstöße um 5%

erhöht und machen nach wie vor 64% aller registrierten Vorfälle aus. 2017 gab es wieder mehr lange bewaffnete Zusammenstöße zwischen Regierung und regierungsfeindlichen Gruppierungen. Im Gegensatz zum Vergleichszeitraums des Jahres 2016, verzeichnen die UN einen Rückgang von 3% bei Anschlägen mit Sprengfallen [IEDs - improvised explosive device], Selbstmordangriffen, Ermordungen und Entführungen - nichtsdestotrotz waren sie Hauptursache für zivile Opfer. Die östliche Region verzeichnete die höchste Anzahl von Vorfällen, gefolgt von der südlichen Region (UN GASC 21.9.2017).

Laut der internationalen Sicherheitsorganisation für NGOs (INSO) wurden in Afghanistan von 1.1.-31.8.2017 19.636 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (Stand: 31.8.2017) (INSO o.D.).

(Grafik: Staatendokumentation gemäß Daten aus INSO o.D.)

Zivilist/innen

Landesweit war der bewaffnete Konflikt weiterhin Ursache für Verluste in der afghanischen Zivilbevölkerung. Zwischen dem 1.1. und 30.6.2017 registrierte die UNAMA 5.243 zivile Opfer (1.662 Tote und 3.581 Verletzte). Dies bedeutet insgesamt einen Rückgang bei zivilen Opfern von fast einem 1% gegenüber dem Vorjahreswert. Dem bewaffneten Konflikt in Afghanistan fielen zwischen 1.1.2009 und 30.6.2017 insgesamt 26.512 Zivilist/innen zum Opfer, während in diesem Zeitraum 48.931 verletzt wurden (UNAMA 7.2017).

Im ersten Halbjahr 2017 war ein Rückgang ziviler Opfer bei Bodenoffensiven zu verzeichnen, während sich die Zahl ziviler Opfer aufgrund von IEDs erhöht hat (UNAMA 7.2017).

Die Provinz Kabul verzeichnete die höchste Zahl ziviler Opfer - speziell in der Hauptstadt Kabul: von den 1.048 registrierten zivilen Opfer (219 Tote und 829 Verletzte), resultierten 94% aus Selbstmordattentaten und Angriffen durch regierungsfeindliche Elemente. Nach der Hauptstadt Kabul verzeichneten die folgenden Provinzen die höchste Zahl ziviler Opfer: Helmand, Kandahar, Nangarhar, Uruzgan, Faryab, Herat, Laghman, Kunduz und Farah. Im ersten Halbjahr 2017 erhöhte sich die Anzahl ziviler Opfer in 15 von Afghanistans 34 Provinzen (UNAMA 7.2017)

(UNAMA 7.2017)

High-profile Angriffe:

Der US-Sonderbeauftragten für den Aufbau in Afghanistan (SIGAR), verzeichnete in seinem Bericht für das zweite Quartal des Jahres 2017 mehrere high-profil Angriffe; der Großteil dieser fiel in den Zeitraum des Ramadan (Ende Mai bis Ende Juni). Einige extremistische Organisationen, inklusive dem Islamischen Staat, behaupten dass Kämpfer, die während des Ramadan den Feind töten, bessere Muslime wären (SIGAR 31.7.2017).

Im Berichtszeitraum (15.6. bis 31.8.2017) wurden von den Vereinten Nationen folgende High-profile Angriffe verzeichnet:

Ein Angriff auf die schiitische Moschee in der Stadt Herat, bei dem mehr als 90 Personen getötet wurden (UN GASC 21.9.2017; vgl.: BBC 2.8.2017). Zu diesem Attentat bekannte sich der ISIL-KP (BBC 2.8.2017). Taliban und selbsternannte ISIL-KP Anhänger verübten einen Angriff auf die Mirza Olang Region im Distrikt Sayyad in der Provinz Sar-e Pul; dabei kam es zu Zusammenstößen mit regierungsfreundlichen Milizen. Im Zuge dieser Kämpfe, die von 3.-5.August anhielten, wurden mindestens 36 Menschen getötet (UN GASC 21.9.2017). In . Kabul wurde Ende August eine weitere schiitische Moschee angegriffen, dabei wurden mindestens 28 Zivilist/innen getötet; auch hierzu bekannte sich der ISIL-KP (UN GASC 21.9.2017; vgl.: NYT 25.8.2017).

Manche high-profile Angriffe waren gezielt gegen Mitarbeiter/innen der ANDSF und afghanischen Regierungsbeamte gerichtet; Zivilist/innen in stark bevölkerten Gebieten waren am stärksten von Angriffen dieser Art betroffen (SIGAR 31.7.2017).

"Green Zone" in Kabul

Kabul hatte zwar niemals eine formelle "Green Zone"; dennoch hat sich das Zentrum der afghanischen Hauptstadt, gekennzeichnet von bewaffneten Kontrollpunkten und Sicherheitswänden, immer mehr in eine militärische Zone verwandelt (Reuters 6.8.2017).

Eine Erweiterung der sogenannten Green Zone ist geplant; damit wird Verbündeten der NATO und der US-Amerikaner ermöglicht, auch weiterhin in der Hauptstadt Kabul zu bleiben ohne dabei Risiken ausgesetzt zu sein. Kabul City Compound - auch bekannt als das ehemalige Hauptquartier der amerikanischen Spezialkräfte, wird sich ebenso innerhalb der Green Zone befinden. Die Zone soll hinkünftig vom Rest der Stadt getrennt sein, indem ein Netzwerk an Kontrollpunkten durch Polizei, Militär und privaten Sicherheitsfirmen geschaffen wird. Die Erweiterung ist ein großes öffentliches Projekt, das in den nächsten zwei Jahren das Zentrum der Stadt umgestalten soll; auch sollen fast alle westlichen Botschaften, wichtige Ministerien, sowie das Hauptquartier der NATO und des US-amerikanischen Militärs in dieser geschützten Zone sein. Derzeit pendeln tagtäglich tausende Afghaninnen und Afghanen durch diese Zone zu Schulen und Arbeitsplätzen (NYT 16.9.2017).

Nach einer Reihe von Selbstmordattentaten, die hunderte Opfer gefordert haben, erhöhte die afghanische Regierung die Sicherheit in der zentralen Region der Hauptstadt Kabul - dieser Bereich ist Sitz ausländischer Botschaften und Regierungsgebäude. Die Sicherheit in diesem diplomatischen Bereich ist höchste Priorität, da, laut amtierenden Polizeichef von Kabul, das größte Bedrohungsniveau in dieser Gegend verortet ist und eine bessere Sicherheit benötigt wird. Die neuen Maßnahmen sehen 27 neue Kontrollpunkte vor, die an 42 Straßen errichtet werden. Eingesetzt werden mobile Röntgengeräte, Spürhunde und Sicherheitskameras. Außerdem werden 9 weitere Straßen teilweise gesperrt, während die restlichen sechs Straßen für Autos ganz gesperrt werden. 1.200 Polizist/innen werden in diesem Bereich den Dienst verrichten, inklusive spezieller Patrouillen auf Motorrädern. Diese Maßnahmen sollen in den nächsten sechs Monaten schrittweise umgesetzt werden (Reuters 6.8.2017).

Eine erweiterter Bereich, die sogenannte "Blue Zone" soll ebenso errichtet werden, die den Großteil des Stadtzentrums beinhalten soll - in diesem Bereich werden strenge Bewegungseinschränkungen, speziell für Lastwagen, gelten. Lastwagen werden an einem speziellen externen Kontrollpunkt untersucht. Um in die Zone zu gelangen, müssen sie über die Hauptstraße (die auch zum Flughafen führt) zufahren (BBC 6.8.2017; vgl. Reuters 6.8.2017).

ANDSF - afghanische Sicherheits- und Verteidigungskräfte

Die Stärkung der ANDSF ist ein Hauptziel der Wiederaufbaubemühungen der USA in Afghanistan, damit diese selbst für Sicherheit sorgen können (SIGAR 20.6.2017). Die Stärke der afghanischen Nationalarmee (Afghan National Army - ANA) und der afghanischen Nationalpolizei (Afghan National Police - ANP), sowie die Leistungsbereitschaft der Einheiten, ist leicht gestiegen (SIGAR 31.7.2017).

Die ANDSF wehrten Angriffe der Taliban auf Schlüsseldistrikte und große Bevölkerungszentren ab. Luftangriffe der Koalitionskräfte trugen wesentlich zum Erfolg der ANDSF bei. Im Berichtszeitraum von SIGAR verdoppelte sich die Zahl der Luftangriffe gegenüber dem Vergleichswert für 2016 (SIGAR 31.7.2017).

Die Polizei wird oftmals von abgelegen Kontrollpunkten abgezogen und in andere Einsatzgebiete entsendet, wodurch die afghanische Polizei militarisiert wird und seltener für tatsächliche Polizeiarbeit eingesetzt wird. Dies erschwert es, die Loyalität der Bevölkerung zu gewinnen. Die internationalen Truppen sind stark auf die Hilfe der einheimischen Polizei und Truppen angewiesen (The Guardian 3.8.2017).

Regierungsfeindliche Gruppierungen:

Taliban

Die Taliban waren landesweit handlungsfähig und zwangen damit die Regierung erhebliche Ressourcen einzusetzen, um den Status Quo zu erhalten. Seit Beginn ihrer Frühjahrsoffensive im April, haben die Taliban - im Gegensatz zum Jahr 2016 - keine größeren Versuche unternommen Provinzhauptstädte einzunehmen. Nichtsdestotrotz, gelang es den Taliban zumindest temporär einige Distriktzentren zu überrennen und zu halten; dazu zählen der Distrikt Taywara in der westlichen Provinz Ghor, die Distrikte Kohistan und Ghormach in der nördlichen Provinz Faryab und der Distrikt Jani Khel in der östlichen Provinz Paktia. Im Nordosten übten die Taliban intensiven Druck auf mehrere Distrikte entlang des Autobahnabschnittes Maimana-Andkhoy in der Provinz Faryab aus; die betroffenen Distrikte waren: Qaramol, Dawlat Abad, Shirin Tagab und Khwajah Sabz Posh. .

Im Süden verstärkten die Taliban ihre Angriffe auf Distrikte, die an die Provinzhauptstädte von Kandahar und Helmand angrenzten (UN GASC 21.9.2017).

IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh

Die Operationen des ISIL-KP in Afghanistan sind weiterhin auf die östliche Region Afghanistans beschränkt - nichtsdestotrotz bekannte sich die Gruppierung landesweit zu acht nennenswerten Vorfällen, die im Berichtszeitraum von den UN registriert wurden. ISIL-KP verdichtete ihre Präsenz in der Provinz Kunar und setze ihre Operationen in Gegenden der Provinz Nangarhar fort, die von den ANDSF bereits geräumt worden waren. Angeblich wurden Aktivitäten des ISIL-KP in den nördlichen Provinzen Jawzjan und Sar-e Pul, und den westlichen Provinzen Herat und Ghor berichtet (UN GASC 21.9.2017).

Im sich zuspitzenden Kampf gegen den ISIL-KP können sowohl die ANDSF, als auch die Koalitionskräfte auf mehrere wichtige Erfolge im zweiten Quartal verweisen (SIGAR 31.7.2017): Im Juli wurde im Rahmen eines Luftangriffes in der Provinz Kunar der ISIL-KP-Emir, Abu Sayed, getötet. Im August wurden ein weiterer Emir des ISIL-KP, und drei hochrangige ISIL-KP-Führer durch einen Luftangriff getötet. Seit Juli 2016 wurden bereits drei Emire des ISIL-KP getötet (Reuters 13.8.2017); im April wurde Sheikh Abdul Hasib, gemeinsam mit 35 weiteren Kämpfern und anderen hochrangigen Führern in einer militärischen Operation in der Provinz Nangarhar getötet (WT 8.5.2017; vgl. SIGAR 31.7.2017). Ebenso in Nangarhar, wurde im Juni der ISIL-KP-Verantwortliche für mediale Produktionen, Jawad Khan, durch einen Luftangriff getötet (SIGAR 31.7.2017; vgl.: Tolonews 17.6.2017).

Politische Entwicklungen

Die Vereinten Nationen registrierten eine Stärkung der Nationalen Einheitsregierung. Präsident Ghani und CEO Abdullah einigten sich auf die Ernennung hochrangiger Posten - dies war in der Vergangenheit Grund für Streitigkeiten zwischen den beiden Führern gewesen (UN GASC 21.9.2017).

Die parlamentarische Bestätigung einiger war nach wie vor ausständig; derzeit üben daher einige Minister ihr Amt kommissarisch aus. Die unabhängige afghanische Wahlkommission (IEC) verlautbarte, dass die Parlaments- und Distriktratswahlen am 7. Juli 2018 abgehalten werden (UN GASC 21.9.2017).

Quellen: - BBC (18.9.2017): US sends 3,000 more troops to Afghanistan, http://www.bbc.com/news/world-us-canada-41314428, Zugriff 20.9.2017 - BBC (2.8.2017): Herat mosque blast: IS says it was behind Afghanistan attack,

http://www.bbc.com/news/world-asia-40802572, Zugriff 21.9.2017 - INSO - International NGO Safety Organisation (o.D.): Afghanistan - Total incidents per month for the current year to date, http://www.ngosafety.org/country/afghanistan, Zugriff 19.9.2017 - INSO - The International NGO Safety Organisation (2017): Afghanistan - Gross Incident Rate, http://www.ngosafety.org/country/afghanistan, Zugriff 19.9.2017 - NYT - The New York Times (16.9.2017): U.S. Expands Kabul Security Zone, Digging In for Next Decade, https://www.nytimes.com/2017/09/16/world/asia/kabul-green-zone-afghanistan.html?mcubz=3, Zugriff 20.9.2017 - NYT - The New York Times (25.8.2017): ISIS Claims Deadly Attack on Shiite Mosque in Afghanistan, https://www.nytimes.com/2017/08/25/world/asia/mosque-kabul-attack.html?mcubz=3, Zugriff 21.9.2017 - Reuters (13.8.2017): Senior Islamic State commanders killed in Afghanistan air strike: U.S. military, https://www.reuters.com/article/us-afghanistan-airstrike/senior-islamic-state-commanders-killed-in-afghanistan-air-strike-u-s-military-idUSKCN1AT06J, Zugriff 19.9.2017

-

Reuters (6.8.2017): Kabul 'Green Zone' tightened after attacks in Afghan capital,

https://www.reuters.com/article/us-afghanistan-security/kabul-green-zone-tightened-after-attacks-in-afghan-capital-idUSKBN1AM0K7, Zugriff 20.9.2017 - SIGAR - Special Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (30.7.2017): QUARTERLY REPORT TO THE

UNITED STATES CONGRESS,

https://www.sigar.mil/pdf/quarterlyreports/2017-07-30qr.pdf, Zugriff 19.9.2017 - SIGAR - Special Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (20.6.2017): Afghan national army: dod may have spent up to $28 million more than needed to procure camouflage uniforms that may be inappropriate for the Afghan environment,

https://www.sigar.mil/pdf/special%20projects/SIGAR-17-48-SP.pdf, Zugriff 20.9.2017 - The Guardian (3.8.2017): The war America can't win: how the Taliban are regaining control in Afghanistan, https://www.theguardian.com/world/2017/aug/03/afghanistan-war-helmand-taliban-us-womens-rights-peace, Zugriff 19.9.2017 - Tolonews (17.6.2017): Daesh Media Leader Killed

In Nangarhar Air Strike,

http://www.tolonews.com/afghanistan/daesh-media-leader-killed-nangarhar-air-strike, Zugriff 19.9.2017 - UNAMA - UN Assistance Mission in Afghanistan:

Afghanistan (7.2017): Protection of Civilians in Armed Conflict; Midyear Report 2017,

https://unama.unmissions.org/sites/default/files/protection_of_civilians_in_armed_conflict_midyear_report_2017_july_2017.pdf, Zugriff 20.9.2017 - UN GASC - General Assembly Security Council (21.9.2017): The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security, as of September 15th 2017, https://unama.unmissions.org/report-secretary-general-situation-afghanistan-and-its-implications-international-peace-and-7, Zugriff 21.9.2017 - WT - The Washington Times (8.5.2017): Pentagon confirms Abdul Hasib, head of ISIS in Afghanistan, killed by U.S., Afghan special forces,

http://www.washingtontimes.com/news/2017/may/8/abdul-hasib-head-isis-afghanistan-killed-us-afghan/,

Zugriff 19.9.2017 KI vom 27.6.2017: Afghanische Flüchtlinge im Iran (betrifft: Abschnitt 23 Rückkehrer)

Aus gegebenem Anlass darf auf folgendes hingewiesen werden:

Informationen zur Situationen afghanischer Flüchtlinge im Iran können dem Länderinformationsblatt Iran entnommen werden (LIB Iran - Abschnitt 21/Flüchtlinge). Länderkundliche Informationen, die Afghanistan als Herkunftsstaat betreffen, sind auch weiterhin dem Länderinformationsblatt Afghanistan zu entnehmen. KI vom 22.6.2017:

Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q2.2017 (betrifft: Abschnitt 3 Sicherheitslage)

Den Vereinten Nationen zufolge war die Sicherheitslage in Afghanistan im Berichtszeitraum weiterhin volatil: zwischen 1.3. und 31.5.2017 wurden von den Vereinten Nationen 6.252 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert - eine Erhöhung von 2% gegenüber dem Vorjahreswert. Bewaffnete Zusammenstöße machten mit 64% den Großteil registrierter Vorfälle aus, während IEDs [Anm.:

improvised explosive device] 16% der Vorfälle ausmachten - gezielte Tötungen sind hingegen um 4% zurückgegangen. Die östlichen und südöstlichen Regionen zählten auch weiterhin zu den volatilsten; sicherheitsrelevante Vorfälle haben insbesondere in der östlichen Region um 22% gegenüber dem Vorjahr zugenommen. Die Taliban haben hauptsächlich folgende Provinzen angegriffen: Badakhshan, Baghlan, Farah, Faryab, Helmand, Kunar, Kunduz, Laghman, Sar-e Pul, Zabul und Uruzgan. Talibanangriffe auf afghanische Sicherheitskräfte konnten durch internationale Unterstützung aus der Luft abgewiesen werden. Die Anzahl dieser Luftangriffe ist mit einem Plus von 112% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Jahres 2016 deutlich gestiegen (UN GASC 20.6.2017).

Laut der internationalen Sicherheitsorganisation für NGOs (INSO) wurden in Afghanistan 11.647 sicherheitsrelevante Vorfälle von 1.1.-31.5.2017 registriert (Stand: 31.5.2017) (INSO o.D.).

ANDSF - afghanische Sicherheits- und Verteidigungskräfte

Laut einem Bericht des amerikanischen Verteidigungsministeriums behielten die ANDSF, im Berichtszeitraum 1.12.2016-31.5.2017 trotz aufständischer Gruppierungen, auch weiterhin Kontrolle über große Bevölkerungszentren: Die ANDSF waren im Allgemeinen fähig große Bevölkerungszentren zu schützen, die Taliban davon abzuhalten gewisse Gebiete für einen längeren Zeitraum zu halten und auf Talibanangriffe zu reagieren. Die ANDSF konnten in städtischen Gebieten Siege für sich verbuchen, während die Taliban in gewissen ländlichen Gebieten Erfolge erzielen konnten, in denen die ANDSF keine dauernde Präsenz hatten. Spezialeinheiten der afghanischen Sicherheitskräfte (ASSF - Afghan Special Security Forces) leiteten effektiv offensive Befreiungsoperationen (US DOD 6.2017).

Bis Ende April 2017 lag die Truppenstärke der afghanischen Armee [ANA - Afghan National Army] bei 90,4% und die der afghanischen Nationalpolizei [ANP - Afghan National Police] bei 95,1% ihrer Sollstärke (UN GASC 20.6.2017).

High-profile Angriffe:

Als sichere Gebiete werden in der Regel die Hauptstadt Kabul und die regionalen Zentren Herat und Mazar-e Sharif genannt. Die Wahrscheinlichkeit, hier Opfer von Kampfhandlungen zu werden, ist relativ geringer als zum Beispiel in den stark umkämpften Provinzen Helmand, Nangarhar und Kunduz (DW 31.5.2017).

Hauptstadt Kabul

Kabul wird immer wieder von Attentaten erschüttert (DW 31.5.2017):

Am 31.5.2017 kamen bei einem Selbstmordattentat im hochgesicherten Diplomatenviertel Kabuls mehr als 150 Menschen ums Leben und mindestens 300 weitere wurden schwer verletzt als ein Selbstmordattentäter einen Sprengstoff beladenen Tanklaster mitten im Diplomatenviertel in die Luft sprengte (FAZ 6.6.2017; vgl. auch:

al-Jazeera 31.5.2017; The Guardian 31.5.2017; BBC 31.5.2017; UN News Centre 31.5.2017). Bedeutend ist der Angriffsort auch deswegen, da dieser als der sicherste und belebteste Teil der afghanischen Hauptstadt gilt. Kabul war in den Wochen vor diesem Anschlag relativ ruhig (al-Jazeera 31.5.2017).

(The Guardian 31.5.2017) [Anm.: man beachte, dass die Opferzahlen in dieser Grafik, publiziert am Tag des Anschlags, noch überhöht angegeben wurden]

Zunächst übernahm keine Gruppe Verantwortung für diesen Angriff; ein Talibansprecher verlautbarte nicht für diesen Vorfall verantwortlich zu sein (al-Jazeera 31.5.2017). Der afghanische Geheimdienst (NDS) macht das Haqqani-Netzwerk für diesen Vorfall verantwortlich (The Guardian 2.6.2017; vgl. auch: Fars News 7.6.2017); schlussendlich bekannte sich der Islamische Staat dazu (Fars News 7.6.2017).

Nach dem Anschlag im Diplomatenviertel in Kabul haben rund 1.000 Menschen, für mehr Sicherheit im Land und eine Verbesserung der Sicherheit in Kabul demonstriert (FAZ 2.6.2017). Bei dieser Demonstration kam es zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Demonstranten und den Sicherheitskräften (The Guardian 2.6.2017); dabei wurden mindestens sieben Menschen getötet und zahlreiche verletzt (FAZ 2.6.2017).

Auf der Trauerfeier für einen getöteten Demonstranten- den Sohn des stellvertretenden Senatspräsidenten - kam es am 3.6.2017 erneut zu einem Angriff, bei dem mindestens 20 Menschen getötet und 119 weitere verletzt worden waren. Polizeiberichten zufolge, waren während des Begräbnisses drei Bomben in schneller Folge explodiert (FAZ 3.6.2017; vgl. auch: The Guardian 3.6.2017); die Selbstmordattentäter waren als Trauergäste verkleidet (The Guardian 3.6.2017). Hochrangige Regierungsvertreter, unter anderem auch Regierungsgeschäftsführer Abdullah Abdullah, hatten an der Trauerfeier teilgenommen (FAZ 3.6.2017; vgl. auch: The Guardian 3.6.2017).

Herat

Anfang Juni 2017 explodierte eine Bombe beim Haupteingang der historischen Moschee Jama Masjid; bei diesem Vorfall wurden mindestens 7 Menschen getötet und 15 weitere verletzt (Reuters 6.6.2017; vgl. auch: TMN 7.6.2017). Zu diesem Vorfall hat sich keine Terrrorgruppe bekannt (TMN 7.6.2017; vgl. auch: US News 12.6.2017). Sirajuddin Haqqani - stellvertretender Leiter der Taliban und Führer des Haqqani Netzwerkes - verlautbarte, die Taliban wären für diese Angriffe in Kabul und Herat nicht verantwortlich (WP 12.6.2017).

Mazar-e Sharif

Auf der Militärbase Camp Shaheen in der nördlichen Stadt Mazar-e Sharif eröffnete Mitte Juni 2017 ein afghanischer Soldat das Feuer auf seine Kameraden und verletzte mindestens acht Soldaten (sieben US-amerikanische und einen afghanischen) (RFE/RL 17.6.2017).

Die Anzahl solcher "Insider-Angriffe" [Anm.: auch green-on-blue attack genannt] hat sich in den letzten Monaten erhöht. Unklar ist, ob die Angreifer abtrünnige Mitglieder der afghanischen Sicherheitskräfte sind oder ob sie Eindringlinge sind, die Uniformen der afghanischen Armee tragen (RFE/RL 17.6.2017). Vor dem Vorfall im Camp Shaheen kam es dieses Jahr zu zwei weiteren registrierten Insider-Angriffen: der erste Vorfall dieses Jahres fand Mitte März auf einem Militärstützpunkt in Helmand statt: ein Offizier des afghanischen Militärs eröffnete das Feuer und verletzte drei US-amerikanische Soldaten (LWJ 11.6.2017; vgl. auch: al-Jazeera 11.6.2017).

Der zweite Vorfall fand am 10.6.2017 im Zuge einer militärischen Operation im Distrikt Achin in der Provinz Nangarhar statt, wo ein afghanischer Soldat drei US-amerikanische Soldaten tötete und einen weiteren verwundete; der Angreifer wurde bei diesem Vorfall ebenso getöte

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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