TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/14 W163 1234651-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.09.2018
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Entscheidungsdatum

14.09.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §55
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs3
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W163 1234651-2/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Daniel Leitner als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.02.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 07.06.2018 zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids wird stattgegeben und XXXX gemäß § 55 Abs. 1 Z 1 iVm § 54 Abs. 2 AsylG 2005 der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung" für die Dauer von 12 Monaten erteilt.

II. Die Spruchpunkte II., III. und IV. des angefochtenen Bescheides werden gemäß § 28 Abs 2 VwGVG ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I.1. Verfahrensgang

1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) stellte nach unrechtmäßiger und schlepperunterstützter Einreise in das österreichische Bundesgebiet erstmals am 13.01.2003 einen Asylantrag. Dieser wurde vom Bundesasylamt und im Instanzenzug vom unabhängigen Bundesasylsenat am 19.02.2007 rechtskräftig abgewiesen. Die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde wurde vom Verwaltungsgerichtshof angelehnt.

1.2. Mit Bescheid der BPD Wien, Fremdenpolizeiliches Büro, vom 28.08.2007, GZ XXXX , wurde der BF gem. § 53 FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, ausgewiesen.

Der dagegen erhobenen Berufung wurde mir Berufungsbescheid der Sicherheitsdirektion Wien vom 21.09.2007, Zl. XXXX , nicht Folge gegeben und der angefochtene Bescheid gem. § 66 Abs. 4 AVG bestätigt.

1.3. Am 13.03.2008 ab 10.44 Uhr wurde der BF vor der BPD Wien, Fremdenpolizeiliches Büro, hinsichtlich der Sicherung der Ausreise, der Verhängung eines gelinderen Mittels und der Erlangung eines Heimreisezertifikats niederschriftlich einvernommen.

Am 13.03.2008 um 14.23 Uhr stellte der BF einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Bescheid der BPD Wien, Fremdenpolizeiliches Büro, vom gleichen Tag wurde gem. § 77 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG von der Anordnung der Schubhaft gegen den BF Abstand genommen und als Anwendung eines gelinderen Mittels zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung (§ 10 AsylG) und der Abschiebung angeordnet, dass er sich in Wien weiterhin an der von ihm benutzten Unterkunft aufzuhalten habe und sich an konkret bezeichneten Wochentagen beim Fremdenpolizeilichen Büro zu melden habe.

Der BF kam im Folgenden dieser Verpflichtung nicht nach.

1.4. Mit Bescheid der BPD Wien vom 17.03.2008, Zl. XXXX , wurde gem. § 76 Abs. 2 Z 3 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG gegen den Beschwerdeführer die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung (§ 10 AsylG) und der Abschiebung (§ 46 FPG) angeordnet.

Am 30.03.2008 wurde der BF in Schubhaft genommen.

1.5. Am 11.04.2008 ersuchte die BPD Wien, Fremdenpolizeiliches Büro, das BMI Abteilung II/3 um Beschaffung eines Heimreisezertifikats bei den indischen Behörden.

1.6. Der BF wurde infolge eines Hungerstreiks am 05.05.2008 wegen Haftunfähigkeit aus der Schubhaft entlassen.

Am 28.05.2008 und 14.07.2008 ersuchte die BPD Wien, Fremdenpolizeiliches Büro, das BMI Abteilung II/3 wiederum um die Beschaffung eines Heimreisezertifikats.

1.7. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 24.10.2008, Zl. XXXX , wurde der Antrag auf internationalen Schutz vom 13.03.2008 gem. § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und der BF gem. § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Indien ausgewiesen.

1.8. Am 24.02.2009 langte eine Verbalnote der indischen Botschaft ein, wonach die Botschaft nicht imstande sei, die Nationalität des BF aus Basis der von ihm angegebenen Adresse zu identifizieren, sodass kein "Emergency Certificate" für den BF (Identität: XXXX ) ausgestellt werden könne.

1.9. Der BF wurde mit Ladungsbescheid vom 22.01.2009 für den 24.02.2009 zur BPD Wien, Fremdenpolizeiliches Büro, geladen. Der BF erschien zu diesem Termin nicht.

Aufgrund des Nichterscheinens des BF zu diesem Termin ergingen Festnahmeaufträge gem. § 74 Abs. 2 Z 1 FPG.

Der BF konnte im Folgenden nicht an seiner Wohnadresse angetroffen werden.

1.10. Am 26.11.2010 und 17.01.2011 wurde erneut das Ersuchen um Ausstellung eines Heimreisezertifikats in Erinnerung gerufen.

Am 18.01.2011, 13.04.2011, 21.07.2011, 25.07.2012 wurde die Ausstellung eines Heimreisezertifikats bei der Botschaft der Republik Indien urgiert.

1.11. Am 17.12.2012 und am 21.05.2013 wurde der BF jeweils wegen rechtswidrigen Aufenthalts gem. § 120 Abs. 1a FPG angezeigt.

1.12. Bei einer am 25.09.2013 im Rahmen einer Identitätsfeststellung vorgenommenen Personendurchsuchung wurde beim BF u.a. ein indischer Reisepass vorgefunden. Der Reisepass wurde gem. § 38 FPG sichergestellt.

Aus den im Akte einliegend Reisepasskopien ergeben sich folgende Identitätsdaten:

"Given Names: XXXX

Nationality: Indian

Sex: M

Date of Birth: XXXX

Palce of Birth: XXXX "

Zudem ergibt sich aus dem Reisepass Folgendes:

Das Feld "Surname" (Nachname) ist im Reisepass nicht ausgefüllt.

Das Ausstellungdatum des Reisepasses ist der 25.01.2006. Das Ablaufdatum des Reisepasses ist der 24.07.2006. Die Gültigkeit des Reisepasses wurde verlängert bis 24.01.2007. Die Gültigkeit des Reisepasses wurde ein zweites Mal verlängert bis 24.01.2016.

Im Reisepass finden sich auch Stempel/Anmerkungen der indischen Botschaft in Rom, datiert mit 16.02.2010 und 22.05.2010. Der Reisepass wurde als Duplikat als Ersatz für den verlorenen Reisepass Nr. XXXX (datiert mit 20.08.1993), ausgestellt in XXXX , ausgestellt.

Laut Reisepass hat der Vater des BF den Namen XXXX und die Mutter den Namen XXXX .

1.13. In der Einvernahme vor der LPD Wien, Fremdenpolizeiliches Büro, am 20.11.2013 äußerte der BF, dass er seiner Ausreiseverpflichtung aufgrund gesundheitlicher Probleme nicht nachgekommen sei.

1.14. Mit Schriftsatz des damaligen rechtsfreundlichen Vertreters des BF vom 02.12.2013 wurde ein Konvolut von medizinischen Unterlagen vorgelegt. Daraus geht hervor, dass eine Person namens " XXXX " vom XXXX bis XXXX in der psychiatrischen Abteilung eines Spitals in Wien in Behandlung gewesen sei. Die Diagnose lautet:

"Schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen F32.3 Lichen simlpex chronicus L28.0), als Therapieempfehlung sind die Medikamente Temesta, Mirtabene und Risperdal genannt.

2.1. Der BF stellte am 07.05.2015 den gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gem. § 55 Abs. 2 AsylG. Mit Schriftsatz seines rechtsfreundlichen Vertreters vom gleich Tag wurde ein Vorbringen zur Lebenssituation des BF erstattet. Vorgelegt wurde unter einem eine Kopie des bereits sichergestellten Reisepasses des BF, eine Meldebestätigung, die Kopie seiner (früheren) Aufenthaltsberechtigungskarte gem. § 36b AsylG, ein Mietvertrag und ein Konvolut von Unterstützungsschreiben.

2.2. Der BF wurde am 23.02.2016 niederschriftlich vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) einvernommen. Dabei legte er eine "Bekanntgabe familiärer Bindungen in Indien" und eine Fachärztliche Stellungnahme (Diagnose: Paranoide Schizophrenie F20.0) vor.

2.3. Hinsichtlich der Behandelbarkeit Paranoider Schizophrenie holte das BFA eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation (04.03.2016) und eine Chefärztliche Beurteilung/Gutachten ein (31.03.2016).

2.4. Am 22.04.2016 wurde neuerlich bei der indischen Botschaft um die Ausstellung eines Heimreisezertifikats ersucht.

2.5. Am 11.07.2017 wurde eine fachärztliche Stellungnahme vom 29.06.2017 (Diagnose: Paranoide Schizophrenie F20.0) vorgelegt.

2.6. Am 08.11.2017 wurde der BF vor dem BFA niederschriftlich eivernommen. Im Folgenden übermittelte das BFA die Verständigung vom Ergebnis einer Beweisaufnahme vom 19.12.2017. Dazu langte am 11.01.2018 eine schriftliche Stellungnahme ein .

2.7. Das BFA hat mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid, zugestellt am 19.02.2018, den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gem. § 55 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gem. § 10 Abs. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG und § 52 Abs. 3 FPG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt II.). Gem. § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung gem. § 46 FPG nach Indien zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gem. § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

2.8. Gegen den oben genannten Bescheid des BFA richtet sich die beim BFA fristgerecht am 19.03.2018 eingebrachte Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG). Es wurde beantragt, der Beschwerde stattzugeben und den Bescheid im angefochtenen Umfang aufzuheben oder abzuändern.

2.9. Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem BVwG am 03.04.2018 vom BFA vorgelegt.

3.1. Das BVwG führte in der gegenständlichen Rechtssache am 07.06.2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der BF und sein rechtfreundlicher Vertreter persönlich teilnahmen. Ein Vertreter des BFA nahm an der Verhandlung nicht teil.

3.2. Am 20.06.2018 langte eine Stellungnahme ein.

I.2. Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens (Sachverhalt)

Das BVwG geht auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens von folgendem für die Entscheidung maßgebenden Sachverhalt aus:

a) Zur Person der beschwerdeführenden Partei

1. Der BF führt den Namen XXXX , geboren am XXXX . Die Identität des BF wird entsprechend dem im September 2013 sichergestellten Reisepass festgestellt.

Der BF führt auch die Namen XXXX und XXXX , zudem führt er auch die Geburtsdaten XXXX und XXXX .

Der BF ist Staatsangehöriger von Indien und stammt aus der Stadt XXXX im Distrikt XXXX im Bundesstaat Punjab.

Die Familie des Beschwerdeführers (seine Gattin und die beiden gemeinsamen Kinder sowie seine Eltern) lebt am Heimtatort des Beschwerdeführers. Die Familie lebt vom Betrieb ihrer kleinen Landwirtschaft. Der Vater des BF heißt XXXX , seine Mutter XXXX .

Die Muttersprache des BF ist Punjabi.

Der BF ist in Indien geboren und aufgewachsen. Er hat in Indien acht Jahre lang die Schule besucht. Danach hat er in der eigenen Landwirtschaft der Familie gearbeitet, womit er den Lebensunterhalt verdiente.

2. Im 31. Lebensjahr reiste der BF aus Indien aus und gelangte im Jänner 2003 ins österreichische Bundesgebiet.

Seitdem lebt der BF fast durchgehend im österreichischen Bundesgebiet. Der BF reiste in diesem Zeitraum einige Male nach Italien, die Dauer der jeweiligen dortigen Aufenthalte ist nicht feststellbar, der BF war aber weit überwiegend in Österreich aufhältig.

3. Der BF versteht zum Entscheidungszeitpunkt die deutsche Sprache kaum und kann nicht eigenständig in der deutschen Sprache kommunizieren. Er kann einfache, den Lebensalltag betreffende Fragen nur teilweise sinnerfassend verstehen und nur teilweise sinnzusammenhängenden Antworten auf einfachem Niveau in deutscher Sprache formulieren. Mit Hilfestellung kann der BF an ihn gestellte, einfache Fragen nachvollziehen und sinngemäß beantworten. Der BF hat keine Deutschprüfung abgelegt.

4. Der BF hat in Österreich einen entfernten Verwandten, nämlich einen Schwiegersohn seines Onkels mütterlicherseits. Zwischen diesem und dem BF besteht kein Abhängigkeitsverhältnis. Zuletzt hat dieser den BF im Jahr 2013 finanziell unterstützt, sie haben zueinander selten Kontakt.

5. Der BF war beginnend 2003 bis September 2012 als Zeitungszusteller tätig. Danach hatte der BF mehrere Jahre keine geregelte Arbeit, half aber anderen Personen beim Zeitungszustellen. Im November 2017 arbeitete der BF wiederum als Zeitungszusteller und verdiente damit EUR 450,- monatlich. Derzeit ist der BF nicht erwerbstätig.

Der BF bezieht Leistungen aus der Grundversorgung und bekommt EUR 365,- monatlich von der Caritas. Er ist nicht selbsterhaltungsfähig. Der BF ist arbeitsfähig und kann einfache körperliche Arbeiten verrichten.

6. Der BF engagiert sich bei freiwilligen Tätigkeiten im Sikh-Tempel.

Der BF hat in Österreich Kontakt zu indischen Staatsangehörigen. Eine besondere Beziehungsintensität besteht nicht.

7. Der BF war seit Jänner 2006 im Besitz eines Reisepasses, den er sich bei der indischen Botschaft in Wien ausstellen ließ. Er ließ die Gültigkeitsdauer des Reisepasses zwei Mal verlängern - zuerst bis Jänner 2007 und dann bis Jänner 2016.

Der BF machte vor österreichischen Behörden durchwegs falsche Angaben zum Besitz eines Identitäts- bzw. Reisedokuments. Die Existenz des Reisepasses stellte sich erst mit der zufälligen Sicherstellung desselben im September 2013 heraus.

Der BF hat gegenüber österreichischen staatlichen Behörden zumeist einen dreiteiligen Namen (somit auch einen "Nachnamen") angegeben, sein von der indischen Botschaft in Wien ausgestellter Reisepass weist ihn aber unter einem zweiteiligen Namen (ohne diesen "Nachnamen") aus. Der BF verschleierte dadurch seine Identität.

Der BF trat im Rahmen seiner medizinischen Behandlungen und bei Stellung des zweiten Antrags auf internationalen Schutz unter einem Namen auf, der seinem tatsächlichen Namen nicht entspricht, sondern verwendete hier einen Kosenamen. Der BF verwendete diesen Kosenamen auch, um damit im Verkehr mit Behörden Verwirrung zu stiften. Der BF gab bei Stellung seines zweiten Antrags auf internationalen Schutz einen anderen (falschen) Geburtsort und ein anderes (falsches) Geburtsdatum an.

Beim Ausfüllen des Formblatts zur Erlangung eines Reisedokuments gab der BF bezüglich des Geburts- und Wohnorts des BF in Indien und bezüglich seines Geburtsdatums falsche Daten an, ebenso bezüglich der Namen seiner Eltern. Dies war ursächlich dafür, dass die indische Botschaft kein Heimreisezertifikat für den BF ausstellte.

Der BF verschleierte aufgrund der mehrfachen Falschangabe zu seinen Identitätsdaten seine Identität und tat dies in der Absicht, damit Verwirrung zu stiften. Der BF erschwerte und behinderte mit diesem Verhalten die Klärung seiner Identität und die Beschaffung eines Heimreisezertifikats.

8. Der BF leidet seit einigen Jahren an einer Paranoiden Schizophrenie F20.0 und depressiven Episoden mit Stimmungseinbrüchen und massiven Schlafstörungen. Die paranoide Symptomatik konnte und kann durch eine entsprechende Medikation gut behandelt werden. Er nimmt seit Oktober 2013 regelmäßig fachärztliche Kontrolltermine in Form regelmäßiger Behandlung in einem sozialpsychiatrischen Ambulatorium wahr. Als medikamentöse Therapie werden dem BF die Medikamente Risperdal (2mg und 3mg), Gladem und Mirtabene empfohlen. Der BF nimmt an Medikamenten Mirtabene, Sertalin und Risperdal ein. Die Medikamente Mirtabene (Mirtazapin), Gladem (Sertalin) und Risperdal (Risperidon) sind in Indien erhältlich. Eine medizinische Versorgung bei Paranoider Schizophrenie kann in Indien in mehreren öffentlichen oder privaten Krankenhäusern in ambulanter oder stationärer Behandlung gewährt werden.

Der BF hat zu seiner Familie zehn Mal monatlich Kontakt. Die Familie des BF ist von seiner Krankheit informiert und sie sprechen darüber immer am Telefon. Der BF kann bei einer Rückkehr bezüglich seiner Erkrankung von seiner Familie unterstützt werden. Die Familie verfügt über einen Scooter und ein Motorrad, sodass eine Mobilität gegeben ist. Die dem Heimatort am nächsten liegende größere Stadt, XXXX , ist vom Heimatort gut 20km entfernt.

9. Der BF war in einigen Zeiträumen unbekannten Aufenthalts und für die österreichischen Behörden nicht greifbar. Er befolgte mitunter Ladungen nicht und war streckenweise an seiner Meldeadresse nicht aufhältig.

10. Über den BF wurde mit Straferkenntnis vom 13.03.2008, XXXX wegen unrechtmäßigen Aufenthalts gem. § 67 iVm § 120 Abs. 1 Z 2 FPG, eine Geldstrafe von EUR 300,- verhängt.

Am 17.12.2012 und am 21.05.2013 wurde der BF jeweils wegen rechtswidrigen Aufenthalts gem. § 120 Abs. 1a FPG angezeigt. Der BF wurde am 04.11.2013 wegen rechtswidrigen Aufenthalts gem. § 120 Abs. 1a FPG angezeigt.

Der BF ist strafgerichtlich unbescholten.

11. Der oben unter I.1. dargestellte Verfahrensgang wird der Entscheidung als Sachverhaltsfeststellung zugrunde gelegt.

b) Zur Situation im Herkunftsstaat (LIB der Staatendokumentation 9.1.2017, Aktualität überprüft am 21.12.2017):

1. Politische Lage

Indien ist mit über 1,2 Milliarden Menschen und einer multireligiösen und multiethnischen Gesellschaft die bevölkerungsreichste Demokratie der Welt (CIA Factbook 12.12.2016; vgl. auch: AA 16.8.2016, BBC 27.9.2016). Die - auch sprachliche - Vielfalt Indiens wird auch in seinem föderalen politischen System reflektiert, in welchem die Macht von der Zentralregierung und den Bundesstaaten geteilt wird (BBC 27.9.2016). Die Zentralregierung hat deutlich größere Kompetenzen als die Regierungen der Bundesstaaten (AA 9.2016a). Im Einklang mit der Verfassung haben die Bundesstaaten und Unionsterritorien ein hohes Maß an Autonomie und tragen die Hauptverantwortung für Recht und Ordnung (USDOS 13.4.2016). Die Hauptstadt New Delhi hat einen besonderen Rechtsstatus (AA 9.2016a).

Die Gewaltenteilung zwischen Parlament und Regierung entspricht britischem Muster (AA 16.8.2016), der Grundsatz der Gewaltenteilung von Legislative, Exekutive und Judikative ist durchgesetzt (AA 9.2016a). Die Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit, die über einen dreistufigen Instanzenzug verfügt, ist verfassungsmäßig garantiert (AA 16.8.2016). Das oberste Gericht in New Delhi steht an der Spitze der Judikative (GIZ 11.2016). Die Entscheidungen der staatlichen Verwaltung (Bürokratie, Militär, Polizei) unterliegen überdies der Kontrolle durch die freie Presse des Landes, die nicht nur in den landesweiten Amtssprachen Hindi und Englisch, sondern auch in vielen der Regionalsprachen publiziert wird. Indien hat zudem eine lebendige Zivilgesellschaft (AA 9.2016a).

Indien ist eine parlamentarische Demokratie und verfügt über ein Mehrparteiensystem und ein Zweikammerparlament (USDOS 13.4.2016). Die Legislative besteht aus einer Volkskammer (Lok Sabha) und einer Staatenkammer (Rajya Sabha). Darüber hinaus gibt es Parlamente auf Bundesstaatsebene (AA 16.8.2016).

Der Präsident ist das Staatsoberhaupt und wird von einem Wahlausschuss gewählt, während der Premierminister Leiter der Regierung ist (USDOS 13.4.2016). Das Präsidentenamt bringt vor allem repräsentative Aufgaben mit sich, im Krisenfall verfügt der Präsident aber über weitreichende Befugnisse. Seit Juli 2012 ist Präsident Pranab Kumar Mukherjee indisches Staatsoberhaupt (AA 9.2016a). Das wichtigste Amt innerhalb der Exekutive bekleidet aber der Premierminister (GIZ 11.2016).

Wahlen zum Unterhaus finden nach einfachem Mehrheitswahlrecht ("first-past-the-post") alle fünf Jahre statt, zuletzt im April/Mai 2014 mit knapp 830 Millionen Wahlberechtigten (AA 16.8.2016). Dabei standen sich drei große Parteienbündnisse gegenüber: Die United Progressive Alliance (UPA) unter Führung der Kongresspartei, die National Democratic Alliance (NDA) unter Führung der Bharatiya Janata Party (BJP - Indische Volkspartei) und die so genannte Dritte Front, die aus elf Regional- und Linksparteien besteht sowie die aus einem Teil der India-Against-Corruption-Bewegung hervorgegangene Aam Aadmi Party (AAP) (GIZ 11.2016; vgl. auch: FAZ 16.5.2014). Abgesehen von kleineren Störungen, verliefen die Wahlen korrekt und frei (AA 16.8.2016).

Als deutlicher Sieger mit 336 von 543 Sitzen löste das Parteienbündnis NDA (AA 16.8.2016), mit der hindu-nationalistischen BJP (AA 9.2016a) als stärkster Partei (282 Sitze), den Kongress an der Regierung ab (AA 16.8.2016). Die seit 2004 regierende Kongress-geführte Koalition unter Manmohan Singh erlitt hingegen große Verluste, womit Sonia Gandhi und Sohn Rahul nun auf die Oppositionsbank rücken (Eurasisches Magazin 24.5.2014; vgl. auch:

FAZ 16.5.2014, GIZ 11.2016). Die AAP, die 2013 bei der Wahl in Delhi 28 von 70 Sitzen erringen konnte, errang landesweit nun nur vier Sitze (GIZ 11.2016; vgl. auch: FAZ 16.5.2014). Der BJP Spitzenkandidat, der bisherige Ministerpräsident von Gujarat, Narendra Modi, wurde zum Premierminister gewählt (AA 16.8.2016) und steht seit 16.5.2014 (GIZ 11.2016) einem 65-köpfigen Kabinett vor (AA 16.8.2016).

Die seit 2014 im Amt befindliche neue Regierung will nicht nur den marktwirtschaftlichen Kurs fortsetzen, sondern ihn noch intensivieren, indem bürokratische Hemmnisse beseitigt und der Protektionismus verringert werden soll. Ausländische Investoren sollen verstärkt aktiv werden (GIZ 12.2016).

Unter Premierminister Modi betreibt Indien eine aktivere Außenpolitik als zuvor. Die frühere Strategie der "strategischen Autonomie" wird zunehmend durch eine Politik "multipler Partnerschaften" mit allen wichtigen Ländern in der Welt überlagert. Wichtigstes Ziel der indischen Außenpolitik ist die Schaffung eines friedlichen und stabilen globalen Umfelds für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes und die Profilierung als aufstrebende Großmacht (AA 9.2016b). Ein ständiger Sitz im VN-Sicherheitsrat ist dabei weiterhin ein strategisches Ziel (GIZ 12.2016). Gleichzeitig strebt Indien eine stärkere regionale Verflechtung mit seinen Nachbarn an. Indien ist Dialogpartner der südostasiatischen Staatengemeinschaft (Association of Southeast Asian Nations - ASEAN) und Mitglied im "ASEAN Regional Forum" (ARF). Auch bilateral hat Indien in den letzten Monaten seine Initiativen in den Nachbarländern verstärkt. Überdies nimmt Indien am East Asia Summit und seit 2007 auch am Asia-Europe Meeting (ASEM) teil. In der BRICS-Staatengruppe (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) hat Indien im Februar 2016 von Russland den diesjährigen Vorsitz übernommen. Bei ihrem Treffen in Ufa im Juli 2015 beschloss die Shanghai Cooperation Organisation (SCO), Indien und Pakistan nach Abschluss der Beitrittsprozeduren als Vollmitglieder aufzunehmen (AA 9.2016b).

Die Beziehungen zum gleichfalls nuklear gerüsteten Nachbarn Pakistan haben sich jüngst erneut zugespitzt. In den Jahrzehnten seit der Unabhängigkeit haben sich wiederholt Phasen des Dialogs und der Spannungen bis hin zur kriegerischen Auseinandersetzung abgelöst.

Größtes Hindernis für eine Verbesserung der Beziehungen ist weiterhin das Kaschmirproblem (AA 9.2016b).

Indien ist durch das Nuklearabkommen mit den USA ein Durchbruch gelungen. Obwohl es sich bis heute weigert, dem Atomwaffensperrvertrag beizutreten, bedeutet das Abkommen Zugang zu Nukleartechnologie. Ebenfalls positiv hat sich das Verhältnis Indiens zu China entwickelt. Zwar sind die strittigen Grenzfragen noch nicht geklärt, aber es wurden vertrauensbildende Maßnahmen vereinbart, um zumindest in dieser Frage keinen Konflikt mehr herauf zu beschwören. Auch ist man an einer weiteren Steigerung des bilateralen Handels interessiert, der sich binnen eines Jahrzehnts mehr als verzehnfacht hat (GIZ 12.2016).

Die Beziehungen zu Bangladesch sind von besonderer Natur, teilen die beiden Staaten doch eine über 4.000 km lange Grenze, kontrolliert Indien die Oberläufe der wichtigsten Flüsse Bangladeschs, und war Indien maßgeblich an der Entstehung Bangladeschs beteiligt. Schwierige Fragen wie Transit, Grenzverlauf, ungeregelter Grenzübertritt und Migration, Wasserverteilung und Schmuggel werden in regelmäßigen Regierungsgesprächen erörtert. Die Beziehungen des Landes zur EU sind vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht von besonderer Bedeutung. Die EU ist der größte Handels- und Investitionspartner Indiens. Der Warenhandel in beide Richtungen hat sich faktisch stetig ausgeweitet (GIZ 12.2016).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

-

AA - Auswärtiges Amt (9.2016a): Indien, Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_AC539C62A8F3AE6159C84F7909652AC5/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Innenpolitik_node.html, Zugriff 5.12.2016

-

AA - Auswärtiges Amt (9.2016b): Indien, Außenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_F210BC76845F7B2BE813A33858992D23/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Aussenpolitik_node.html, Zugriff 29.12.2016

-

BBC - British Broadcasting Corporation (27.9.2016): India country profile - Overview,

http://www.bbc.co.uk/news/world-south-asia-12557384, Zugriff 5.12.2016

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CIA - Central Intelligence Agency (15.11.2016): The World Factbook

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India,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/in.html, Zugriff 9.1.2017

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Eurasisches Magazin (24.5.2014): Wohin geht die größte Demokratie der Erde?,

http://www.eurasischesmagazin.de/artikel/Indien-nach-den-Wahlen-eine-Analyse/14017, Zugriff 4.1.2017

-

FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (16.5.2014): Modi ist Mann der Stunde,

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/fruehaufsteher/wahlentscheid-in-indien-modi-ist-der-mann-der-stunde-12941572.html, Zugriff 4.1.2017

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (12.2016): Indien,

http://liportal.giz.de/indien/geschichte-staat.html, Zugriff 5.12.2016

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmBH (11.2016): Indien, Wirtschaftssystem und Wirtschaftspolitik, http://liportal.giz.de/indien/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 5.12.2016

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USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/322482/461959_de.html, Zugriff 5.12.2016

2. Sicherheitslage

Indien ist reich an Spannungen entlang von Ethnien, Religionen, Kasten und auch Lebensperspektiven. Widersprüche, Gegensätze oder Konflikte entladen sich in den gesellschaftlichen Arenen und werden von der Politik aufgegriffen, verarbeitet und teilweise instrumentalisiert (GIZ 11.2016). Blutige Terroranschläge haben in den vergangenen Jahren in Indiens Millionen-Metropolen wiederholt Todesopfer gefordert (Eurasisches Magazin 24.5.2014). Die Spannungen im Nordosten des Landes gehen genauso weiter wie die Auseinandersetzung mit den Naxaliten (GIZ 11.2016). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der "Naxaliten" in Frage gestellt (AA 16.8.2016).

Terroristische Anschläge in den vergangenen Jahren (Dezember 2010 in Varanasi, Juli 2011

Mumbai, September 2011 New Delhi und Agra, April 2013 in Bangalore, Mai 2014 Chennai und Dezember 2014 Bangalore) und insbesondere die Anschläge in Mumbai im November 2008 haben die Regierung unter Druck gesetzt. Von den Anschlägen der letzten Jahre wurden nur wenige restlos aufgeklärt und die als Reaktion auf diese Vorfälle angekündigten Reformvorhaben zur Verbesserung der indischen Sicherheitsarchitektur wurden nicht konsequent umgesetzt (AA 24.4.2015). Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2011 1.073 Todesopfer durch terrorismusrelevante Gewalt, für das Jahr 2012 803, für das Jahr 2013 885, für das Jahr 2014 976 für das Jahr 2015 722 und für das Jahr 2016 835 [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 9.1.2017).

Konfliktregionen sind Jammu und Kashmir, die nordöstlichen Regionen und der maoistische Gürtel. In Jharkhand und Bihar setzten sich die Angriffe von maoistischen Rebellen auf Sicherheitskräfte und Infrastruktur fort. In Punjab kam es bis zuletzt durch gewaltbereite Regierungsgegner immer wieder zu Ermordungen und Bombenanschlägen. Neben den islamistischen Terroristen tragen die Naxaliten (maoistische Untergrundkämpfer) zur Destabilisierung des Landes bei. Von Chattisgarh aus kämpfen sie in vielen Unionsstaaten (von Bihar im Norden bis Andrah Pradesh im Süden) mit Waffengewalt gegen staatliche Einrichtungen. Im Nordosten des Landes führen zahlreiche Separatistengruppen einen Kampf gegen die Staatsgewalt und fordern entweder Unabhängigkeit oder mehr Autonomie (United Liberation Front Assom, National Liberation Front Tripura, National Socialist Council Nagaland, Manipur People's Liberation Front etc.). Der gegen Minderheiten wie Moslems und Christen gerichtete Hindu-Radikalismus wird selten von offizieller Seite in die Kategorie Terror eingestuft, vielmehr als "communal violence" bezeichnet (ÖB 12.2016).

Gegen militante Gruppierungen, die meist für die Unabhängigkeit bestimmter Regionen eintreten und/oder radikalen Auffassungen anhängen, geht die Regierung mit großer Härte und Konsequenz vor. Sofern solche Gruppen der Gewalt abschwören, sind in der Regel Verhandlungen über ihre Forderungen möglich. Gewaltlose Unabhängigkeitsgruppen können sich politisch frei betätigen (AA 16.8.2016).

Pakistan und Indien

Pakistan erkennt weder den Beitritt Jammu und Kaschmirs zur indischen Union im Jahre 1947 noch die seit dem ersten Krieg im gleichen Jahr bestehende de-facto-Aufteilung der Region auf beide Staaten an. Indien hingegen vertritt den Standpunkt, dass die Zugehörigkeit Jammu und Kaschmirs in seiner Gesamtheit zu Indien nicht zur Disposition steht (AA 9.2016b). Seit 1947 gab es bereits drei Kriege, davon zwei aufgrund des umstrittenen Kaschmirgebiets. Friedensgespräche, die 2004 begannen, wurden trotz Spannungen wegen der Kaschmirregion und sich immer wieder ereignenden schweren Bombenaschlägen bis zu den von Islamisten durchgeführten Anschlägen in Mumbai 2008, fortgesetzt (BBC 27.9.2016).

Indien wirft Pakistan vor, Infiltrationen von Terroristen auf indisches Staatsgebiet zumindest zu dulden, wenn nicht zu befördern. Größere Terroranschläge in Indien in den Jahren 2001 und 2008 und der jüngste terroristische Angriff auf eine Militärbasis im indischen Teil Kaschmirs hatten die Spannungen in den bilateralen Beziehungen erheblich verschärft. Indien reagierte auf den Anschlag, bei dem 18 indische Soldaten ums Leben kamen, mit einer begrenzten Militäroperation ("surgical strike") im pakistanisch kontrollierten Teil Kaschmirs, die sich nach indischen Angaben gegen eine bevorstehende terroristische Infiltration richtete. In der Folge kommt es immer wieder zu Schusswechseln zwischen Truppenteilen Indiens und Pakistans an der Waffenstillstandslinie in Kaschmir. Indien sieht Pakistan in der Verantwortung für die terroristischen Bedrohungen an seiner Nordwestgrenze und erhöht den Druck auf den Nachbarn, um wirksame pakistanische Maßnahmen gegen den Terrorismus zu erreichen (AA 9.2016b). Bei einem Treffen in New York Ende September 2013 vereinbarten die Premierminister Singh und Sharif lediglich, den Waffenstillstand künftig besser einhalten zu wollen (GIZ 11.2016a). Der von 2014-2015 Hoffnung gebende Dialogprozess zwischen beiden Seiten ist über die aktuellen Entwicklungen zum Stillstand gekommen. Noch am Weihnachtstag 2015 hatte Premierminister Modi seinem pakistanischen Amtskollegen einen Überraschungsbesuch abgestattet und damit kurzzeitig Hoffnungen auf eine Entspannung aufkeimen lassen (AA 9.2016b).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (24.4.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien

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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

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AA - Auswärtiges Amt (9.2016b): Indien - Außenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_09493FC61FD08185D486477F8D93E1EE/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Aussenpolitik_node.html, Zugriff 5.12.2016

-

BBC - British Broadcasting Corporation (27.9.2016): India country profile - Overview,

http://www.bbc.co.uk/news/world-south-asia-12557384, Zugriff 5.12.2016

-

Eurasisches Magazin (24.5.2014): Wohin geht die größte Demokratie der Erde?,

http://www.eurasischesmagazin.de/artikel/Indien-nach-den-Wahlen-eine-Analyse/14017, Zugriff 5.12.2016

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (11.2016a): Indien,

http://liportal.giz.de/indien/geschichte-staat.html, Zugriff 5.12.2016

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ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2016):

Asylländerbericht Indien

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SATP - South Asia Terrorism Portal (9.1.2017): Data Sheet - India Fatalities: 1994-2016,

http://www.satp.org/satporgtp/countries/india/database/indiafatalities.htm, Zugriff 9.1.2017

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2.1. Punjab

Laut Angaben des indischen Innenministeriums zu den Zahlen der Volkszählung im Jahr 2011 leben von den 21 Mio. Sikhs 16 Millionen. im Punjab (MoHA o.D.) und bilden dort die Mehrheit (USDOS 10.8.2016).

Der Terrorismus im Punjab ist Ende der 1990er Jahre nahezu zum Erliegen gekommen. Die meisten hochkarätigen Mitglieder der verschiedenen militanten Gruppen haben den Punjab verlassen und operieren aus anderen Unionsstaaten oder Pakistan. Finanzielle Unterstützung erhalten sie auch von Sikh-Exilgruppierungen im westlichen Ausland (ÖB 12.2016). Nichtstaatliche Kräfte, darunter organisierte Aufständische und Terroristen, begehen jedoch zahlreiche Morde und Bombenanschläge im Punjab und Konfliktregionen wie etwa Jammu und Kaschmir (USDOS 13.4.2016). Im Juli 2015 griffen Mitglieder einer bewaffneten Gruppe eine Polizeiwache und einen Busbahnhof in Gurdaspur im Bundesstaat Punjab an und töteten drei Zivilpersonen und vier Polizisten. 15 Personen wurden verletzt (USDOS 2.7.2016; vgl. auch: AI 24.2.2016). Es handelte sich dabei um den ersten größeren Anschlag seit den Aktivitäten militanter Sikhs in 1980er und 1990er Jahren (USDOS 2.7.2016).

Im Oktober 2015 gab es in fünf Distrikten des Punjab weitverbreitete und gewalttätige Proteste der Sikhs gegen die Regierung in Punjab. Dabei hat die Polizei auf Protestanten geschossen und zwei Personen getötet sowie 80 Personen verletzt. Grund der Proteste waren Berichte, laut denen unbekannte Täter das heilige Buch der Sikhs entweiht hätten. Die Polizei hat ein Duzend Protestanten wegen versuchten Mordes, Beschädigung öffentlichen Eigentums und des Tragens von illegalen Waffen festgenommen. Was die Aufarbeitung der Gewaltausbrüche im Jahr 1984, bei denen 3.000 Menschen, darunter hauptsächlich Sikhs, ums Leben gekommen seien betrifft, so kommen Gerichtsverfahren nur langsam voran. Zivilgesellschaftliche Aktivisten und Interessensverbände der Sikhs zeigen sich weiterhin besorgt, dass die Regierung die Verantwortlichen noch nicht zur Rechenschaft ziehen konnte (USDOS 10.8.2016).

Der illegale Waffen- und Drogenhandel von Pakistan in den indischen Punjab hat sich in letzter Zeit verdreifacht. Im Mai 2007 wurden dem indischen Geheimdienst Pläne der ISI bekannt, die gemeinsam mit BKI und anderen militanten Sikh- Gruppierungen Anschläge auf Städte im Punjab (Jalandhar, Ludhiana, Pathankot) beabsichtigten. Die Sicherheitsbehörden im Punjab konnten bislang die aufkeimende Wiederbelebung der militanten Sikh-Bewegung erfolgreich neutralisieren (ÖB 12.2016). In Jammu und Kaschmir, im Punjab und in Manipur haben die Behörden besondere Befugnisse ohne Haftbefehl Personen zu suchen und zu inhaftieren (USDOS 13.4.2016; vgl. auch:

BBC 20.10.2015). Menschenrechtsberichten zufolge kommt es im Punjab regelmäßig zu Fällen von Menschenrechtsverletzungen insbesondere der Sicherheitsbehörden (extralegale Tötungen, willkürliche Festnahmen, Folter in Polizeigewahrsam, Todesfolge von Folter etc.) (ÖB 12.2016). Ehrenmorde stellen vor allem in den nördlichen Bundesstaaten Haryana und Punjab weiterhin ein Problem dar. Menschenrechtsorganisationen schätzen, dass bis zu 10% aller Tötungen in diesen Staaten sogenannte Ehrenmorde sind (USDOS 13.4.2016).

Die Staatliche Menschenrechtskommission im Punjab hat in einer Reihe von schweren Menschenrechtsverletzungen durch die Sicherheitskräfte (Folter, Folter mit Todesfolge, extra-legale Tötungen etc.) interveniert. In vielen Fällen wurde die Behörde zu Kompensationszahlungen verpflichtet. Die Menschenrechtskommission erhält täglich 200-300 Beschwerden über Menschenrechtsverletzung und ist in ihrer Kapazität überfordert. Oft sind Unterkastige oder Kastenlose Opfer der polizeilichen Willkür (ÖB 12.2016).

Die Zugehörigkeit zur Sikh-Religion ist kein Kriterium für polizeiliche Willkürakte Die Sikhs, 60% der Bevölkerung des Punjabs, stellen im Punjab einen erheblichen Teil der Beamten, Richter, Soldaten und Sicherheitskräfte. Auch hochrangige Positionen stehen ihnen offen (ÖB 12.2016).

In Indien ist die Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit rechtlich garantiert und praktisch von den Behörden auch respektiert; in manchen Grenzgebieten sind allerdings Sonderaufenthaltsgenehmigungen notwendig. Sikhs aus dem Punjab haben die Möglichkeit sich in anderen Landesteilen niederzulassen, Sikh-Gemeinden gibt es im ganzen Land verstreut. Sikhs können ihre Religion in allen Landesteilen ohne Einschränkung ausüben. Aktive Mitglieder von verbotenen militanten Sikh-Gruppierungen, wie Babbar Khalsa International müssen mit polizeilicher Verfolgung rechnen (ÖB 12.2016).

Quellen:

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AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights - India, http://www.ecoi.net/local_link/319831/466697_de.html, Zugriff 5.1.2017

-

BBC - British Broadcasting Corporation (20.10.2015): Why are Indian Sikhs angry?,

http://www.bbc.com/news/world-asia-india-34578463, Zugriff 5.1.2017

-

MoHA - Government of India, Ministry of Home Affairs, Office of the Registrar General & Census Commissioner, India (o.D.): C-1 Population By Religious Community, http://www.censusindia.gov.in/2011census/C-01.html, Zugriff 5.1.2017

-

ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2016):

Asylländerbericht Indien

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USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/322482/461959_de.html, Zugriff 5.12.2016

-

USDOS - US Department of State (2.7.2016): Country Report on Terrorism 2015 - Chapter 2 - India, http://www.ecoi.net/local_link/324726/464424_de.html, Zugriff 5.1.2017

-

USDOS - US Department of State (10.8.2016): 2015 Report on International Religious Freedom - India, http://www.ecoi.net/local_link/328426/469205_de.html, Zugriff 21.12.2016

[...]

3. Bewegungsfreiheit

Das Gesetz gewährt landesweite Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Migration und Repatriierung und die Regierung respektiert diese Rechte im Allgemeinen (USDOS 13.4.2016). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der "Naxaliten" in Frage gestellt. Abgesehen davon ist Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes gewährleistet (AA 16.8.2016).

Die Regierung lockerte Einschränkungen in Bezug auf Reisen nach Arunachal Pradesh, Nagaland, Mizoram, Manipur und Teilen von Jammu und Kaschmir, außer für Ausländer aus Pakistan, China und Burma. Das Innenministerium und die Bundesstaatenregierungen verlangen vor Reiseantritt von den Bürgern spezielle Genehmigungen einzuholen, um in bestimmte gesperrte Regionen bzw. Sperrzonen zu reisen. Die Sicherheitskräfte untersuchen Wagen und deren Inhaber bei Checkpoints im Kaschmirtal, vor öffentlichen Veranstaltungen in Neu Delhi oder nach großen terroristischen Angriffen (USDOS 13.4.2016).

Die Regierung darf die legale Ausstellung eines Passes, an einen Anwärter, von dem geglaubt wird, dass er in Aktivitäten außerhalb des Landes verwickelt ist, die "schädlich für die Souveränität und Integrität der Nation" sind, verweigern Bürger von Jammu und Kaschmir sind auch weiterhin mit massiven Verzögerungen bei der Ausstellung eines Passes konfrontiert, oft dauert es bis zu zwei Jahre, bis ihnen das Außenministerium einen Pass ausstellt oder erneuert. Die Regierung setzt Antragsteller - geboren in Jammu und Kaschmir -, darunter auch Kinder von Militäroffizieren Berichten zufolge zusätzlichen Kontrollen aus, bevor sie einen Pass erhalten (USDOS 16.8.2016).

Mit dem geplanten Datenverbundsystem für die zentralen Sicherheitsbehörden und die Unionsstaaten, Crime and Criminal Tracking Network System (CCTNS), soll künftig ein Informationsaustausch auf allen Ebenen gewährleistet sein. Für 2012 war eine Anbindung von 15.000 Polizeistationen und 6.000 übergeordneten Stellen vorgesehen. Die Umsetzung des ambitionierten Vorhabens liegt jedoch weit hinter dem ursprünglichen Zeitplan (AA 3.3.2014).

Indien ist das siebtgrößte Land der Erde mit über einer Milliarde Einwohnern (ÖB 12.2016). Es ist davon auszugehen, dass Betroffene sich durch Flucht in einen anderen Landesteil jeglicher Art der privaten/halbstaatlichen Probleme entziehen können, da nicht davon auszugehen ist, dass über das Dorf hinaus Anwohner oder lokale Behörden Hinweise erhalten oder recherchieren können oder sich überhaupt dafür interessieren, was ein Zugezogener in der Vergangenheit gemacht haben könnte. Es fehlen jegliche zentrale Aktenführung oder Informationsaustausch. Es bedarf lediglich eines sehr einfachen, öffentlichen Namensänderungsverfahrens, um seine Identität zu verschleiern (AA 3.3.2014).

Es gibt kein staatliches Melde- oder Registrierungssystem, so dass ein Großteil der Bevölkerung keinen Ausweis besitzt. Dies begünstigt die Niederlassung in einem anderen Landesteil im Falle von Verfolgung. Auch bei laufender strafrechtlicher Verfolgung ist nicht selten ein unbehelligtes Leben in ländlichen Bezirken eines anderen Landesteils möglich, ohne dass die Person ihre Identität verbergen muss (AA 16.8.2016). Ob der Betreffende na

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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