Entscheidungsdatum
18.09.2018Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W124 1419503-3/10E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. FELSEISEN über die Beschwerde von XXXX alias XXXX , geb. am XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX , StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX ,
1. zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der Spruch des angefochtenen Bescheides zu lauten hat:
"Ihr Antrag auf internationalen Schutz vom XXXX wird gemäß § 68 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF wegen entschiedener Sache zurückgewiesen."
II. Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte III. und IV. des angefochtenen Bescheides gemäß §§ 57, 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005, §§ 9, 18 Abs. 1 Z 6 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9 FPG als unbegründet abgewiesen.
III. Der Beschwerde war hinsichtlich Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides stattzugeben und der Ausspruch über den Verlust des Aufenthaltsrechtes ersatzlos zu beheben.
IV. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass dieser wie folgt zu lauten hat:
"Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG wird gegen Sie ein Einreiseverbot für die Dauer von 12 Monaten erlassen."
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
2. den Beschluss gefasst:
A) Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wird
zurückgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
1. Vorverfahren
1.1 Der Beschwerdeführer (in der Folge: BF) reiste unrechtmäßig in das Bundesgebiet ein und stellte am XXXX erstmalig einen Antrag auf internationalen Schutz. Im Rahmen seiner Erstbefragung gab er an, er heiße XXXX , sei am XXXX in XXXX geboren und sei Staatsangehöriger Indiens. Zu seinen Fluchtgründen führte er aus, er werde aufgrund seiner politischen Gesinnung von Mitgliedern der Congress Partei verfolgt, da er Sympathisant der Partei Akali Dal sei.
Dieses Verfahren wurde in der Folge am XXXX gemäß § 30 AsylG 1997 eingestellt, da der Aufenthalt des BF unbekannt war und er laut Zentralmeldeauskunft nicht in Österreich gemeldet war.
1.2 Aufgrund einer Anfrage der zuständigen Behörden in Großbritannien wurde der BF am XXXX nach den Bestimmungen der Dublin II-Verordnung nach Österreich rücküberstellt, woraufhin er am selben Tag vor der Grenzpolizeiinspektion Schwechat, Flughafen, den zweiten Antrag auf internationalen Schutz stellte.
Eine EURODAC-Abfrage vom selben Tag ergab, dass der BF am XXXX in Großbritannien unter dem Namen XXXX , geboren am XXXX , einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hatte.
Im Rahmen seiner Erstbefragung am XXXX gab der BF an, Religionsangehöriger der Sikh zu sein und führte zu seinen Fluchtgründen aus, seine Mutter sei an einem Herzinfarkt gestorben, als er fünf Jahre alt gewesen sei. Sein Vater sei XXXX nach Großbritannien ausgewandert, woraufhin er bei seinem Großvater gelebt habe. Als dieser XXXX verstorben sei, hätte er niemanden mehr in Indien gehabt. Der BF hätte beschlossen, seine Heimat zu verlassen und seinen Vater in Großbritannien zu suchen. Er habe ihn dort allerdings nicht gefunden. Da er auch in Indien niemanden mehr habe, zumal seine Schwester nach Kanada ausgewandert sei, suche er nun in Österreich um Asyl an.
Im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am XXXX brachte er vor, XXXX habe es in XXXX Auseinandersetzungen zwischen Hindus und Sikhs gegeben. Sein Vater sei verfolgt worden, da er als Sikh eine Ehe mit einer Hindu-Frau eingegangen sei. Zunächst habe er sich in Indien versteckt, sei dann aber im Jahr XXXX ausgereist. Nach Überflutungen hätten der BF und sein Großvater aus ihrem Dorf wegziehen müssen, woraufhin der Großvater gestorben sei. Da der BF im Punjab keine Arbeit gefunden habe, sei er nach XXXX gegangen, wo er mit Unterstützung aus dem Sikh-Tempel eine Arbeit als Eisverkäufer erhalten habe. Im Jahr XXXX sei sein Eiswagen zerstört und er selbst sei verletzt worden. Andere Geschäftsleute hätten die Unbekannten als Hindus erkannt. Dem BF sei zugetragen worden, dass es sich um dieselben Männer handle, die auch seinen Vater verfolgt hätten. Der BF sei von Verfolgung bedroht, da er einer gemischt-religiösen Ehe entstamme. Der Vater habe ihn XXXX , seine Mutter XXXX genannt.
Der Antrag des BF wurde mit Bescheid vom XXXX , Zl. XXXX gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 sowie gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 abgewiesen und der BF gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 nach Indien ausgewiesen, da er keine Verfolgung im Sinne des AsylG glaubhaft machen habe können. Zudem bestünden keine stichhaltigen Gründe gegen eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung sowie gegen eine Ausweisung des BF aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Indien.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde des BF wurde vom Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom XXXX , Zl. XXXX als unbegründet abgewiesen, wobei inhaltlich im Wesentlichen der Entscheidung des BAA gefolgt wurde. Diese Entscheidung wurde dem BF am XXXX durch die PI XXXX persönlich zugestellt.
1.3 Der BF reiste erneut zu einem unbekannten Zeitpunkt aus Österreich aus und wurde am XXXX aus Großbritannien nach Österreich überstellt, woraufhin er den dritten Antrag auf internationalen Schutz stellte.
Die Erstbefragung erfolgte am XXXX vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes der PI Schwechat Sondertransit. Im Wesentlichen gab er an, seine bisher genannten Fluchtgründen würden weiterbestehen. Er habe in Indien niemanden.
Im Zuge der niederschriftlichen Einvernahmen vor dem Bundesamt am XXXX sowie am XXXX gab er zusammengefasst an, er habe in Indien keinen Besitz und keine Familie. In England habe er Freunde und es lebe einer seiner Neffen dort. In Österreich habe er eine Freundin, mit welcher er jedoch keine Beziehung führen würde.
Mit Bescheid vom XXXX , Zl. XXXX , wurde der Antrag des BF gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen, da sich das Vorbringen lediglich auf die bereits im Vorverfahren geschilderten Fluchtgeschichte stütze.
Das BVwG wies die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde mit Erkenntnis vom XXXX , Zl. XXXX , als unbegründet ab.
1.4 Am XXXX beantragte der BF zum vierten Mal vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes internationalen Schutz. Das Verfahren wurde jedoch am XXXX gemäß § 24 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 AsylG eingestellt, da der Aufenthaltsort des BF wegen Verletzung seiner Mitwirkungspflicht weder bekannt noch leicht feststellbar war und eine Entscheidung ohne weitere Einvernahme nicht erfolgen konnte. Nachdem der BF eine neue Meldeadresse bekanntgab, wurde das Verfahren fortgesetzt.
Im Zuge der Einvernahme am XXXX vor dem Bundesamt gab der BF zu seinen Fluchtgründen an, er suche seinen Vater und habe gewusst, dass er in England sei. Er habe keine Probleme in seinem Herkunftsstaat, kenne dort aber niemanden und wolle daher nicht zurück.
Mit Bescheid vom XXXX , Zl. XXXX wurde der Antrag vom XXXX wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF nicht erteilt. Es wurde eine Rückkehrentscheidung gegen ihn erlassen und festgestellt, dass die Ausreise nach Indien zulässig sei. Am XXXX wurde der Bescheid gemäß § 8 Abs. 2 iVm § 23 Zustellgesetz ohne vorhergehenden Zustellversuch bei der Behörde hinterlegt.
1.5 Am XXXX stellte der BF den fünften Antrag auf internationalen Schutz, woraufhin die Erstbefragung des BF durch ein Organ der LPD XXXX erfolgte. Zu seinen Personaldaten gab er an, er heiße XXXX , sei am XXXX geboren, spreche Hindi und gehöre dem Sikhismus an. Hinsichtlich seines Fluchtgrundes führte er aus, er habe in einem Dorf an einem Fluss gelebt. Das Hochwasser habe alles zerstört, daher sei er geflüchtet. In seinem Dorf gebe es jemanden, der ihm gegenüber gewalttätig sei. Im Falle einer Rückkehr nach Indien fürchte er um sein Leben.
Mit Bescheid vom XXXX , Zl. XXXX , wurde dieser Antrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und kein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG2005 oder § 55 AsylG 2005 erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und festgestellt, dass eine Abschiebung nach Indien zulässig ist. Eine Frist zur freiwilligen Ausreise wurde nicht ausgesprochen. Da der Aufenthalt des BF unbekannt war, wurde der Bescheid gemäß § 8 Abs. 2 iVm § 23 ZustG ohne vorhergehenden Zustellversuch bei der Behörde am XXXX hinterlegt.
2. Gegenständliches Verfahren
2.1 Am XXXX stellte der BF den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Die Erstbefragung erfolgte am XXXX durch ein Organ der LPD Oberösterreich. Zu seinen persönlichen Daten gab er an, sein Name sei XXXX , er sei am XXXX geboren, stamme aus Indien und gehöre dem Hinduismus an. Zu den Fluchtgründen, welche er im Rahmen des am XXXX rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens bei seiner Erstbefragung angegebenen habe, seien keine neuen Gründe hinzugekommen. Es sei nicht seine Schuld, dass Österreich negativ entschieden habe. Der Staat Österreich habe ihn damals von England zurückgerufen, weshalb er nun hier Asyl bekommen möchte. Er habe keine Angehörigen in Indien und keinen Grund zurückzukehren.
2.2 Am XXXX erging ein Festnahmeauftrag gemäß § 34 Abs. 2 Z 2 BFA-VG gegen den BF, da sein Aufenthaltsort unbekannt war. Das Verfahren wurde daher gemäß § 24 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 AsylG 2005 eingestellt. Mit XXXX wurde der Festnahmeauftrag nach freiwilliger Bekanntgabe des neuen Aufenthaltsortes widerrufen und das Verfahren fortgesetzt.
2.3 Am 19.03.2018 erfolgte die niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem Bundesamt. Zu seiner Identität gab er an, er habe nie einen Reisepass besessen, verfüge aber über einen indischen Personalausweis, der bei einem Freund sei. Der Name XXXX sei sein Spitzname in England gewesen. Er spreche Punjabi, Hindi, Englisch und etwas Deutsch. Gesundheitlich gehe es ihm gut. Er leide lediglich an Schlafstörungen, welche er medikamentös behandle. In Therapie oder ärztlicher Behandlung befinde er sich nicht.
Er stamme aus dem Dorf XXXX , Bezirk XXXX , Provinz Punjab. Dieses Dorf liege am XXXX . Er sei nie in die Schule gegangen und habe von XXXX verschiedene Gelegenheitsjobs angenommen. Seine Mutter sei XXXX an einem Herzinfarkt verstorben. Zu seinem Vater habe er seit XXXX keinen Kontakt mehr, da er verschwunden sei. Seine Schwester habe XXXX geheiratet und sei nach Kanada ausgewandert. Zu seinen übrigen Verwandten habe er seit XXXX keinen Kontakt mehr. Im April XXXX habe er Indien schließlich verlassen.
In Indien sei er unbescholten, sei niemals vor Gericht gestanden und auch nie inhaftiert worden. Er habe weder gröbere Probleme mit den Behörden oder Militärangehörigen gehabt, noch würden aktuelle staatliche Fahndungsmaßnahmen gegen ihn bestehen. Der BF sei nie politisch aktiv bzw. Mitglied einer Partei oder Organisation gewesen. Mit Privaten habe er keine Schwierigkeiten gehabt und er sei auch nicht wegen seiner Volkszugehörigkeit verfolgt worden.
Zu seinen Fluchtgründen gab er an, seine Mutter habe der Religion der Hindu angehört, sein Vater sei Sikh. Die Familien seien auf beiden Seiten gegen die Ehe gewesen. Die Onkel mütterlicherseits hätten den BF geschlagen, als er acht Jahre alt gewesen sei und hätten ihn auch in XXXX gemeinsam mit anderen Personen attackiert. In Indien habe er ständig Angst gehabt. Er kenne in seinem Herkunftsstaat niemanden mehr und wisse auch nicht, wohin er gehen oder wo er leben solle, wenn er zurückkehren müsse.
In Großbritannien habe er zunächst auch niemanden gekannt, habe aber in einem Sikh-Tempel Leute kennengelernt, die ihm zu Schwarzarbeit verholfen hätten. Die Reise nach Großbritannien sowie die Reise von Indien nach Österreich habe er mit seinen Ersparnissen finanziert.
Er habe weder Verwandte in Österreich noch in anderen EU-Mitgliedstaaten. Derzeit lebe er im Asylheim. In Vereinen sei er nicht tätig. Er beziehe Leistungen aus der Grundversorgung und habe gemeinnützige Arbeit in der Gemeinde XXXX erbracht. Um eine Arbeit zu finden, sei er bereits einmal in der Nähe von XXXX beim AMS gewesen. Es habe jedoch keine Arbeit für ihn gegeben. In Österreich wolle er Deutsch lernen und arbeiten.
Zu den Länderfeststellungen äußerte sich der BF während der Einvernahme nicht, sondern gab bekannt, er werde binnen zwei Wochen eine diesbezügliche Stellungnahme abgeben.
2.4 Mit E-Mail vom XXXX gab die Flüchtlingsbetreuerin XXXX bekannt, der BF habe das übergebene Länderinformationsblatt der Staatendokumentation über Indien (09.01.2017) gelesen und stimme dem Inhalt nicht zu.
2.5 Am XXXX verständigte die Staatsanwaltschaft Wels das Bundesamt über die Einbringung eines Strafantrags zu XXXX gegen den BF wegen § 107 (1,2) 1. Fall StGB.
2.6 Mit Verfahrensanordnung vom XXXX wurde dem BF gemäß § 13 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 der Verlust seines Aufenthaltsrechtes im Bundesgebiet mitgeteilt.
2.7 Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG unter einem festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt III.). Der Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 1 Z 6 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 13 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 ausgesprochen, dass der BF das Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem XXXX verloren hat (Spruchpunkt V.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 6 FPG wurde gegen den BF ein auf 5 Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen.
Zur Erlassung des Einreiseverbotes führte das Bundesamt begründend aus, der BF sei nicht in der Lage, den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nachzuweisen. Der Bezug von Leistungen aus der Grundversorgung reiche nicht aus, zumal die Ausübung einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit nach Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung rechtlich erlaubt sei. Darüber hinaus bestehe die Möglichkeit, gemeinnützige Tätigkeiten oder einer Arbeit auf Werkvertragsbasis nachzugehen.
2.8 Mit Verfahrensanordnung vom XXXX wurde dem BF für ein etwaiges Beschwerdeverfahren amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt. Zudem wurde ihm mitgeteilt, dass er verpflichtet ist, ein Rückkehrberatungsgespräch bis zum XXXX in Anspruch zu nehmen.
2.9 In der gegen diese Entscheidung durch den BF, vertreten durch die XXXX , fristgerecht erhobenen Beschwerde vom XXXX wurde der Bescheid vollinhaltlich angefochten. Weiters wurde beantragt, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen und eine mündliche Verhandlung zur gebotenen Ergänzung des mangelhaft gebliebenen Ermittlungsverfahrens durchzuführen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Behörde hätte gegen ihre gemäß §§ 37 iVm 39 Abs. 2 AVG bestehende Pflicht verstoßen, den maßgeblichen Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln. Konkret seien die Länderfeststellungen unzureichend, da sie nicht auf die Situation einer gemischt-religiösen Familie eingehen würden. Der BF verwies in diesem Zusammenhang auf den Bericht von EASO - European Asylum Support Office sowie die beigelegte ACCORD-Anfrage vom 21.09.2016.
Die Beweiswürdigung sei mangelhaft erfolgt, da es sich bei den Widersprüchen im Vorbringen des BF von der Einvernahme XXXX bzw. der Einvernahme XXXX betreffend seine Eltern lediglich um ein Missverständnis handle. Darüber hinaus wurde erläutert, indische Kinder seien wesentlich selbständiger und es sei daher nachvollziehbar, dass ein Achtjähriger Grundstücke verkaufe, um für sich selbst zu sorgen. Die von der Behörde aufgezeigten Widersprüche seien insgesamt willkürlich und konstruiert.
Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte die Behörde dem BF dem Antrag auf Asyl stattgeben müssen und hätte bei Berücksichtigung der höchstgerichtlichen Judikatur sowie einer korrekten Interessensabwägung die Rückkehrentscheidung dauerhaft für unzulässig erklärt werden müssen.
Die aufschiebende Wirkung sei zuzuerkennen, da bei einer Abschiebung in den Herkunftsstaat die reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK und Art. 3 EMRK drohe.
Das Einreiseverbot sei aufzuheben oder in eventu herabzusetzen, da es die Behörde verabsäumt habe, eine Gefährdungsprognose vorzunehmen und die Dauer des Einreiseverbotes in keiner Weise begründet habe.
2.10 Am XXXX langte die Beschwerdevorlage beim BVwG mit dem Vermerk ein, das Bundesamt verzichte auf die Durchführung und Teilnahme an einer mündlichen Beschwerdeverhandlung. Die Rechtssache wurde in weiterer Folge der nun zur Entscheidung berufenen Abteilung des BVwG zugewiesen.
2.11 Mit Schreiben vom XXXX teilte das Landesgericht XXXX mit, dass das Strafverfahren gegen den BF zu XXXX unter Bestimmung einer Probezeit von 2 Jahren diversionell erledigt wurde.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen
1.1 Der BF ist Staatsangehöriger von Indien, stammt aus dem Dorf XXXX , Bezirk XXXX , Provinz Punjab, gehört der Volksgruppe der Punjabi an und ist ledig. Seine Religionszugehörigkeit und seine Identität konnten nicht festgestellt werden.
1.2 Der BF reiste unrechtmäßig in Österreich ein und stellte am XXXX erstmalig einen Antrag auf internationalen Schutz. Das Verfahren wurde eingestellt, da der BF seiner Meldeverpflichtung nicht nachkam und nicht auffindbar war.
Der BF reiste zu einem unbekannten Zeitpunkt weiter nach Großbritannien und hielt sich dort unrechtmäßig auf. Infolge einer Anhaltung durch die britischen Behörden wurde er am XXXX nach Österreich rücküberstellt und beantragte daraufhin erneut internationalen Schutz.
Zu seinen Fluchtgründen gab er in diesem Vorverfahren an, seine Eltern hätten eine gemischt-religiöse Ehe geführt, weshalb der Vater verfolgt worden sei und aus Indien geflüchtet sei. -Seine Mutter sei bereits XXXX an einem Herzinfarkt gestorben. In der Folge sei er bei seinem Großvater aufgewachsen. Sie hätten ihr Dorf aufgrund von Überflutungen verlassen müssen, woraufhin auch der Großvater gestorben sei. Da der BF im Punjab keine Arbeit gefunden habe, sei er nach XXXX gegangen, wo er mit Unterstützung aus einem Sikh-Tempel eine Arbeit als Eisverkäufer gefunden habe. Dieselben Personen, die seinen Vater verfolgt hätten, hätten ihn schließlich in XXXX verletzt und seinen Eiswagen zerstört. Er habe in Indien nichts mehr, da das Haus verkauft worden sei und seine noch lebenden Angehörigen ausgewandert seien.
Mit Bescheid wurde der Antrag des BF abgewiesen. In weiterer Folge wurde auch seine dagegen erhobene Beschwerde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes rechtskräftig abgewiesen. Daraufhin reiste der BF erneut nach Großbritannien aus, wurde jedoch am XXXX nach Österreich rücküberstellt.
1.3 Am XXXX , XXXX und am XXXX stellte der BF Anträge auf internationalen Schutz, welche allesamt rechtskräftig wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG zurückgewiesen wurden.
Der BF konnte seit der ersten Entscheidung über seinen Antrag auf internationalen Schutz weder in den Vorverfahren noch im gegenständlichen ein neues entscheidungsrelevantes individuelles Vorbringen glaubhaft dartun.
In der Zwischenzeit sind auch keine Umstände eingetreten, wonach dem BF in Indien aktuell mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit seiner Person drohen würde oder ihm im Falle einer Rückkehr nach Indien die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre.
1.4 In der Zeit vom XXXX bis XXXX , von XXXX bis XXXX und von XXXX bis XXXX befand sich der BF im Krankenhaus XXXX . Der BF nutzte sein Verhalten, um nach Linz transferiert zu werden und um seine Freunde dort zu besuchen. Bei seinem letzten Aufenthalt entfernte er sich zweimal unerlaubterweise mehrere Stunden von der Station. Im Kontrollharn vom Folgetag wurde ein fallender Opiatspiegel und erstmaliger Nachweis von Cannabis festgestellt. Im Entlassungszeitpunkt war er frei von selbst- und fremdgefährdendem Verhalten.
Der BF leidet an keiner zwischenzeitlich aufgetretenen lebensbedrohlichen oder im Herkunftsland nicht behandelbaren Krankheit.
1.5 Er ist in der Lage, im Herkunftsstaat trotz fehlender Schulbildung seinen notwendigen Lebensunterhalt durch Gelegenheitsarbeiten zu sichern, da er gesund und arbeitsfähig ist. Neben Punjabi spricht der BF Hindi und Englisch. In Indien hat der BF Verwandte, pflegt jedoch keinen Kontakt zu ihnen.
1.6 In Deutsch erhielt er das ÖSD Zertifikat A1 und war zur Deutschprüfung A2 zumindest angemeldet. Der BF hat in Österreich keine Angehörigen und lebt im Asylheim. Im Zeitraum vom XXXX bis zum XXXX erbrachte er an insgesamt 10 Tagen gemeinnützige Leistungen für die XXXX . Darüber hinaus leistete er von XXXX bis XXXX insgesamt 80 Stunden gemeinnützige Arbeit im Seniorenheim XXXX für den Verein XXXX . Einer Erwerbstätigkeit ist er in Österreich jedoch zu keinem Zeitpunkt nachgegangen.
1.7 Gegen ihn wurde ein Strafantrag wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 erster Fall StGB eingebracht. Das Strafverfahren wurde jedoch unter Bestimmung einer Probezeit von zwei Jahren diversionell erledigt. Bisher ist der BF in Österreich unbescholten.
1.8 Zur Lage im Herkunftsstaat:
a. Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen
KI vom 11.4.2017: Acht Tote und über 200 Verletzten bei Demonstrationen bei Wahl in Srinagar, Kaschmir (Abschnitt 1/Relevant für Abschnitt 3.1)
Im Zuge einer Nachwahl zur Besetzung eines freien Sitzes im indischen Unterhaus, kam es am Sonntag, dem 9.4.2017, in Srinagar, Kaschmir, zu Zusammenstößen zwischen separatistischen, die Wahl boykottierenden Demonstranten und den indischen Sicherheitskräften. Während des Konflikts wurden acht Demonstranten getötet und über 200 Personen, Demonstranten und Sicherheitsbeamte, verletzt (Reuters 10.4.2017).
Am Montag den 10.4.2017 verhängte die indische Polizei eine Ausgangssperre für die Bevölkerung mehrerer Gebiete Kaschmirs, errichtete Straßensperren und schränkte den Verkehr ein (Reuters 10.4.2017).
Die Wahlbeteiligung lag bei nur 7% (Times of India 11.4.2017). Eine zweite Nachwahl, ursprünglich geplant für den 12.4.2017 in Anantnag, wurde in Anbetracht der aktuellen Lage auf den 25.5.2017 verschoben (Reuters 10.4.2017).
Indien beschuldigt Pakistan die Separatisten zu unterstützen, was in Islamabad bestritten wird (Reuters 10.4.2017).
Bei einem weiteren Vorfall am Montag sind vier mutmaßliche Kämpfer erschossen worden, als sie versuchten die umstrittene Grenze von Pakistan kommend, in der Nähe des Keran-Sektors zu infiltrieren (Reuters 10.4.2017).
Da sich seit der Tötung des einflussreichen Separatistenkämpfers Burhan Wani im Juli 2016, die Spannungen in der Region erhöht haben (BBC 10.4.2017), und es seither in Kaschmir wiederholt zu gewalttätigen Protesten kam, in deren Verlauf bisher 84 Zivilisten getötet und über 12.000 Zivilisten und Sicherheitskräfte verletzt wurden (Reuters 10.4.2017), sind vorsorglich etwa 20.000 zusätzliche indische Truppen in die Region entsandt worden (BBC 10.4.2017).
Quellen:
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BBC (10.4.2017): Kashmir violence: Eight killed in clashes during by-election, http://bbc.in/2oo04gV, Zugriff 11.4.2017
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Reuters (10.4.2017): India clamps down on Kashmir transport after poll violence kills 8,
http://in.reuters.com/article/india-kashmir-idINKBN17B06F, Zugriff 11.4.2017
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Times of India (11.4.2017): Lack of pre-emptive policing led to low voter turnout in Kashmir
http://timesofindia.indiatimes.com/india/lack-of-pre-emptive-policing-led-to-low-voter-turnout-in-kashmir/articleshow/58118340.cms, Zugriff 11.4.2017
b. Politische Lage
Indien ist mit über 1,2 Milliarden Menschen und einer multireligiösen und multiethnischen Gesellschaft die bevölkerungsreichste Demokratie der Welt (CIA Factbook 12.12.2016; vgl. auch: AA 16.8.2016, BBC 27.9.2016). Die - auch sprachliche - Vielfalt Indiens wird auch in seinem föderalen politischen System reflektiert, in welchem die Macht von der Zentralregierung und den Bundesstaaten geteilt wird (BBC 27.9.2016). Die Zentralregierung hat deutlich größere Kompetenzen als die Regierungen der Bundesstaaten (AA 9.2016a). Im Einklang mit der Verfassung haben die Bundesstaaten und Unionsterritorien ein hohes Maß an Autonomie und tragen die Hauptverantwortung für Recht und Ordnung (USDOS 13.4.2016). Die Hauptstadt New Delhi hat einen besonderen Rechtsstatus (AA 9.2016a).
Die Gewaltenteilung zwischen Parlament und Regierung entspricht britischem Muster (AA 16.8.2016), der Grundsatz der Gewaltenteilung von Legislative, Exekutive und Judikative ist durchgesetzt (AA 9.2016a). Die Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit, die über einen dreistufigen Instanzenzug verfügt, ist verfassungsmäßig garantiert (AA 16.8.2016). Das oberste Gericht in New Delhi steht an der Spitze der Judikative (GIZ 11.2016). Die Entscheidungen der staatlichen Verwaltung (Bürokratie, Militär, Polizei) unterliegen überdies der Kontrolle durch die freie Presse des Landes, die nicht nur in den landesweiten Amtssprachen Hindi und Englisch, sondern auch in vielen der Regionalsprachen publiziert wird. Indien hat zudem eine lebendige Zivilgesellschaft (AA 9.2016a).
Indien ist eine parlamentarische Demokratie und verfügt über ein Mehrparteiensystem und ein Zweikammerparlament (USDOS 13.4.2016). Die Legislative besteht aus einer Volkskammer (Lok Sabha) und einer Staatenkammer (Rajya Sabha). Darüber hinaus gibt es Parlamente auf Bundesstaatsebene (AA 16.8.2016).
Der Präsident ist das Staatsoberhaupt und wird von einem Wahlausschuss gewählt, während der Premierminister Leiter der Regierung ist (USDOS 13.4.2016). Das Präsidentenamt bringt vor allem repräsentative Aufgaben mit sich, im Krisenfall verfügt der Präsident aber über weitreichende Befugnisse. Seit Juli 2012 ist Präsident Pranab Kumar Mukherjee indisches Staatsoberhaupt (AA 9.2016a). Das wichtigste Amt innerhalb der Exekutive bekleidet aber der Premierminister (GIZ 11.2016).
Wahlen zum Unterhaus finden nach einfachem Mehrheitswahlrecht ("first-past-the-post") alle fünf Jahre statt, zuletzt im April/Mai 2014 mit knapp 830 Millionen Wahlberechtigten (AA 16.8.2016). Dabei standen sich drei große Parteienbündnisse gegenüber: Die United Progressive Alliance (UPA) unter Führung der Kongresspartei, die National Democratic Alliance (NDA) unter Führung der Bharatiya Janata Party (BJP - Indische Volkspartei) und die so genannte Dritte Front, die aus elf Regional- und Linksparteien besteht sowie die aus einem Teil der India-Against-Corruption-Bewegung hervorgegangene Aam Aadmi Party (AAP) (GIZ 11.2016; vgl. auch: FAZ 16.5.2014). Abgesehen von kleineren Störungen, verliefen die Wahlen korrekt und frei (AA 16.8.2016).
Als deutlicher Sieger mit 336 von 543 Sitzen löste das Parteienbündnis NDA (AA 16.8.2016), mit der hindu-nationalistischen BJP (AA 9.2016a) als stärkster Partei (282 Sitze), den Kongress an der Regierung ab (AA 16.8.2016). Die seit 2004 regierende Kongress-geführte Koalition unter Manmohan Singh erlitt hingegen große Verluste, womit Sonia Gandhi und Sohn Rahul nun auf die Oppositionsbank rücken (Eurasisches Magazin 24.5.2014; vgl. auch:
FAZ 16.5.2014, GIZ 11.2016). Die AAP, die 2013 bei der Wahl in Delhi 28 von 70 Sitzen erringen konnte, errang landesweit nun nur vier Sitze (GIZ 11.2016; vgl. auch: FAZ 16.5.2014). Der BJP Spitzenkandidat, der bisherige Ministerpräsident von Gujarat, Narendra Modi, wurde zum Premierminister gewählt (AA 16.8.2016) und steht seit 16.5.2014 (GIZ 11.2016) einem 65-köpfigen Kabinett vor (AA 16.8.2016).
Die seit 2014 im Amt befindliche neue Regierung will nicht nur den marktwirtschaftlichen Kurs fortsetzen, sondern ihn noch intensivieren, indem bürokratische Hemmnisse beseitigt und der Protektionismus verringert werden soll. Ausländische Investoren sollen verstärkt aktiv werden (GIZ 12.2016).
Unter Premierminister Modi betreibt Indien eine aktivere Außenpolitik als zuvor. Die frühere Strategie der "strategischen Autonomie" wird zunehmend durch eine Politik "multipler Partnerschaften" mit allen wichtigen Ländern in der Welt überlagert. Wichtigstes Ziel der indischen Außenpolitik ist die Schaffung eines friedlichen und stabilen globalen Umfelds für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes und die Profilierung als aufstrebende Großmacht (AA 9.2016b). Ein ständiger Sitz im VN-Sicherheitsrat ist dabei weiterhin ein strategisches Ziel (GIZ 12.2016). Gleichzeitig strebt Indien eine stärkere regionale Verflechtung mit seinen Nachbarn an. Indien ist Dialogpartner der südostasiatischen Staatengemeinschaft (Association of Southeast Asian Nations - ASEAN) und Mitglied im "ASEAN Regional Forum" (ARF). Auch bilateral hat Indien in den letzten Monaten seine Initiativen in den Nachbarländern verstärkt. Überdies nimmt Indien am East Asia Summit und seit 2007 auch am Asia-Europe Meeting (ASEM) teil. In der BRICS-Staatengruppe (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) hat Indien im Februar 2016 von Russland den diesjährigen Vorsitz übernommen. Bei ihrem Treffen in Ufa im Juli 2015 beschloss die Shanghai Cooperation Organisation (SCO), Indien und Pakistan nach Abschluss der Beitrittsprozeduren als Vollmitglieder aufzunehmen (AA 9.2016b).
Die Beziehungen zum gleichfalls nuklear gerüsteten Nachbarn Pakistan haben sich jüngst erneut zugespitzt. In den Jahrzehnten seit der Unabhängigkeit haben sich wiederholt Phasen des Dialogs und der Spannungen bis hin zur kriegerischen Auseinandersetzung abgelöst.
Größtes Hindernis für eine Verbesserung der Beziehungen ist weiterhin das Kaschmirproblem (AA 9.2016b).
Indien ist durch das Nuklearabkommen mit den USA ein Durchbruch gelungen. Obwohl es sich bis heute weigert, dem Atomwaffensperrvertrag beizutreten, bedeutet das Abkommen Zugang zu Nukleartechnologie. Ebenfalls positiv hat sich das Verhältnis Indiens zu China entwickelt. Zwar sind die strittigen Grenzfragen noch nicht geklärt, aber es wurden vertrauensbildende Maßnahmen vereinbart, um zumindest in dieser Frage keinen Konflikt mehr herauf zu beschwören. Auch ist man an einer weiteren Steigerung des bilateralen Handels interessiert, der sich binnen eines Jahrzehnts mehr als verzehnfacht hat (GIZ 12.2016).
Die Beziehungen zu Bangladesch sind von besonderer Natur, teilen die beiden Staaten doch eine über 4.000 km lange Grenze, kontrolliert Indien die Oberläufe der wichtigsten Flüsse Bangladeschs, und war Indien maßgeblich an der Entstehung Bangladeschs beteiligt. Schwierige Fragen wie Transit, Grenzverlauf, ungeregelter Grenzübertritt und Migration, Wasserverteilung und Schmuggel werden in regelmäßigen Regierungsgesprächen erörtert. Die Beziehungen des Landes zur EU sind vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht von besonderer Bedeutung. Die EU ist der größte Handels- und Investitionspartner Indiens. Der Warenhandel in beide Richtungen hat sich faktisch stetig ausgeweitet (GIZ 12.2016).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien
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AA - Auswärtiges Amt (9.2016a): Indien, Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_AC539C62A8F3AE6159C84F7909652AC5/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Innenpolitik_node.html, Zugriff 5.12.2016
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AA - Auswärtiges Amt (9.2016b): Indien, Außenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_F210BC76845F7B2BE813A33858992D23/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Aussenpolitik_node.html, Zugriff 29.12.2016
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BBC - British Broadcasting Corporation (27.9.2016): India country profile - Overview,
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https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/in.html, Zugriff 9.1.2017
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Eurasisches Magazin (24.5.2014): Wohin geht die größte Demokratie der Erde?,
http://www.eurasischesmagazin.de/artikel/Indien-nach-den-Wahlen-eine-Analyse/14017, Zugriff 4.1.2017
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FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (16.5.2014): Modi ist Mann der Stunde,
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/fruehaufsteher/wahlentscheid-in-indien-modi-ist-der-mann-der-stunde-12941572.html, Zugriff 4.1.2017
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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (12.2016): Indien,
http://liportal.giz.de/indien/geschichte-staat.html, Zugriff 5.12.2016
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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmBH (11.2016): Indien, Wirtschaftssystem und Wirtschaftspolitik, http://liportal.giz.de/indien/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 5.12.2016
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USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/322482/461959_de.html, Zugriff 5.12.2016
c. Sicherheitslage
Indien ist reich an Spannungen entlang von Ethnien, Religionen, Kasten und auch Lebensperspektiven. Widersprüche, Gegensätze oder Konflikte entladen sich in den gesellschaftlichen Arenen und werden von der Politik aufgegriffen, verarbeitet und teilweise instrumentalisiert (GIZ 11.2016). Blutige Terroranschläge haben in den vergangenen Jahren in Indiens Millionen-Metropolen wiederholt Todesopfer gefordert (Eurasisches Magazin 24.5.2014). Die Spannungen im Nordosten des Landes gehen genauso weiter wie die Auseinandersetzung mit den Naxaliten (GIZ 11.2016). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der "Naxaliten" in Frage gestellt (AA 16.8.2016).
Terroristische Anschläge in den vergangenen Jahren (Dezember 2010 in Varanasi, Juli 2011
Mumbai, September 2011 New Delhi und Agra, April 2013 in Bangalore, Mai 2014 Chennai und Dezember 2014 Bangalore) und insbesondere die Anschläge in Mumbai im November 2008 haben die Regierung unter Druck gesetzt. Von den Anschlägen der letzten Jahre wurden nur wenige restlos aufgeklärt und die als Reaktion auf diese Vorfälle angekündigten Reformvorhaben zur Verbesserung der indischen Sicherheitsarchitektur wurden nicht konsequent umgesetzt (AA 24.4.2015). Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2011 1.073 Todesopfer durch terrorismusrelevante Gewalt, für das Jahr 2012 803, für das Jahr 2013 885, für das Jahr 2014 976 für das Jahr 2015 722 und für das Jahr 2016 835 [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 9.1.2017).
Konfliktregionen sind Jammu und Kashmir, die nordöstlichen Regionen und der maoistische Gürtel. In Jharkhand und Bihar setzten sich die Angriffe von maoistischen Rebellen auf Sicherheitskräfte und Infrastruktur fort. In Punjab kam es bis zuletzt durch gewaltbereite Regierungsgegner immer wieder zu Ermordungen und Bombenanschlägen. Neben den islamistischen Terroristen tragen die Naxaliten (maoistische Untergrundkämpfer) zur Destabilisierung des Landes bei. Von Chattisgarh aus kämpfen sie in vielen Unionsstaaten (von Bihar im Norden bis Andrah Pradesh im Süden) mit Waffengewalt gegen staatliche Einrichtungen. Im Nordosten des Landes führen zahlreiche Separatistengruppen einen Kampf gegen die Staatsgewalt und fordern entweder Unabhängigkeit oder mehr Autonomie (United Liberation Front Assom, National Liberation Front Tripura, National Socialist Council Nagaland, Manipur People's Liberation Front etc.). Der gegen Minderheiten wie Moslems und Christen gerichtete Hindu-Radikalismus wird selten von offizieller Seite in die Kategorie Terror eingestuft, vielmehr als "communal violence" bezeichnet (ÖB 12.2016).
Gegen militante Gruppierungen, die meist für die Unabhängigkeit bestimmter Regionen eintreten und/oder radikalen Auffassungen anhängen, geht die Regierung mit großer Härte und Konsequenz vor. Sofern solche Gruppen der Gewalt abschwören, sind in der Regel Verhandlungen über ihre Forderungen möglich. Gewaltlose Unabhängigkeitsgruppen können sich politisch frei betätigen (AA 16.8.2016).
Pakistan und Indien
Pakistan erkennt weder den Beitritt Jammu und Kaschmirs zur indischen Union im Jahre 1947 noch die seit dem ersten Krieg im gleichen Jahr bestehende de-facto-Aufteilung der Region auf beide Staaten an. Indien hingegen vertritt den Standpunkt, dass die Zugehörigkeit Jammu und Kaschmirs in seiner Gesamtheit zu Indien nicht zur Disposition steht (AA 9.2016b). Seit 1947 gab es bereits drei Kriege, davon zwei aufgrund des umstrittenen Kaschmirgebiets. Friedensgespräche, die 2004 begannen, wurden trotz Spannungen wegen der Kaschmirregion und sich immer wieder ereignenden schweren Bombenaschlägen bis zu den von Islamisten durchgeführten Anschlägen in Mumbai 2008, fortgesetzt (BBC 27.9.2016).
Indien wirft Pakistan vor, Infiltrationen von Terroristen auf indisches Staatsgebiet zumindest zu dulden, wenn nicht zu befördern. Größere Terroranschläge in Indien in den Jahren 2001 und 2008 und der jüngste terroristische Angriff auf eine Militärbasis im indischen Teil Kaschmirs hatten die Spannungen in den bilateralen Beziehungen erheblich verschärft. Indien reagierte auf den Anschlag, bei dem 18 indische Soldaten ums Leben kamen, mit einer begrenzten Militäroperation ("surgical strike") im pakistanisch kontrollierten Teil Kaschmirs, die sich nach indischen Angaben gegen eine bevorstehende terroristische Infiltration richtete. In der Folge kommt es immer wieder zu Schusswechseln zwischen Truppenteilen Indiens und Pakistans an der Waffenstillstandslinie in Kaschmir. Indien sieht Pakistan in der Verantwortung für die terroristischen Bedrohungen an seiner Nordwestgrenze und erhöht den Druck auf den Nachbarn, um wirksame pakistanische Maßnahmen gegen den Terrorismus zu erreichen (AA 9.2016b). Bei einem Treffen in New York Ende September 2013 vereinbarten die Premierminister Singh und Sharif lediglich, den Waffenstillstand künftig besser einhalten zu wollen (GIZ 11.2016a). Der von 2014-2015 Hoffnung gebende Dialogprozess zwischen beiden Seiten ist über die aktuellen Entwicklungen zum Stillstand gekommen. Noch am Weihnachtstag 2015 hatte Premierminister Modi seinem pakistanischen Amtskollegen einen Überraschungsbesuch abgestattet und damit kurzzeitig Hoffnungen auf eine Entspannung aufkeimen lassen (AA 9.2016b).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (24.4.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien
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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien
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AA - Auswärtiges Amt (9.2016b): Indien - Außenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_09493FC61FD08185D486477F8D93E1EE/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Aussenpolitik_node.html, Zugriff 5.12.2016
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BBC - British Broadcasting Corporation (27.9.2016): India country profile - Overview,
http://www.bbc.co.uk/news/world-south-asia-12557384, Zugriff 5.12.2016
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Eurasisches Magazin (24.5.2014): Wohin geht die größte Demokratie der Erde?,
http://www.eurasischesmagazin.de/artikel/Indien-nach-den-Wahlen-eine-Analyse/14017, Zugriff 5.12.2016
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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (11.2016a): Indien,
http://liportal.giz.de/indien/geschichte-staat.html, Zugriff 5.12.2016
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ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2016):
Asylländerbericht Indien
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SATP - South Asia Terrorism Portal (9.1.2017): Data Sheet - India Fatalities: 1994-2016,
http://www.satp.org/satporgtp/countries/india/database/indiafatalities.htm, Zugriff 9.1.2017
c.1. Jammu und Kaschmir
Erhebliches Unruhepotential besteht weiterhin im Bundesstaat Jammu und Kaschmir, wo Angriffe eindringender Militanter, der ungeklärte Konflikt zwischen Indien und Pakistan um die Region, die Unzufriedenheit der mehrheitlich muslimischen kaschmirischen Bevölkerung und teils drakonische Sonderrechte indischer Sicherheitskräfte ein Klima des Misstrauens und der Angst schaffen (AA 9.2016b). Militante Gruppen in Jammu und Kaschmir kämpfen weiterhin gegen Sicherheitskräfte, kaschmirische Einrichtungen und lokale Politiker, die sie für "Statthalter" und "Kollaborateure" der indischen Zentralregierung halten. Überläufer zur Regierungsseite und deren Familien werden besonders grausam "bestraft" (AA 16.8.2016).
Indien zählt weltweit zu den zehn am stärksten vom islamistischen Fundamentalismus betroffenen Staaten. In den letzten zehn Jahren wurden über 6.000 Menschen Opfer islamistischer Gewalt. Den Schwerpunkt bildet dabei der von Indien kontrollierte Teil Kaschmirs. Das zentrale Ziel islamistischer Fundamentalisten in Indien bleibt die Abspaltung Kaschmirs. Im Einklang mit der Dschihad-Ideologie sehen sich viele islamistische Gruppierungen zudem im Krieg gegen alle Ungläubigen und streben die gewaltsame Islamisierung des gesamten Subkontinents an. Befördert wird der Konflikt durch die anhaltende wirtschaftliche Benachteiligung und Diskriminierung vieler Muslime (BPB 12.11.2015).
Seit September 2014 ist es wiederholt zu Feuergefechten gekommen. Zehntausende Zivilisten auf beiden Seiten mussten ihre Häuser verlassen. Indische Regierungsvertreter erklären die Verletzungen des Waffenstillstands als Taktik Pakistans, um Kämpfer und Terroristen in den von Indien kontrollierten Teil Kaschmirs zu schleusen. Die Lage in der Region ist seit Jahrzehnten angespannt, weil dort mehrere bewaffnete Gruppen aktiv sind, u.a. militante Separatistengruppen, die den indischen Staat bekämpfen und in Pakistan Zuflucht finden (BPB 20.11.2015). Seit Monaten wird die Provinz Kaschmir von einer Spirale der Gewalt beherrscht. Die Unruhen sind in ihrer Intensität stärker als die von 2010. Manche Beobachter interpretieren sie gar als die blutigsten in der Geschichte Kaschmirs (GIZ 11.2016).
Der von 2014 bis 2015 Hoffnung gebende Dialogprozess zwischen beiden Seiten ist über die aktuellen Entwicklungen zum Stillstand gekommen (AA 9.2016b). Pakistanische Streitkräfte haben das Waffenstillstandsabkommen allein im August 2014 16mal verletzt. Berichten zufolge waren Aufständische jedoch nicht in der Lage, die internationale Grenze zu überschreiten (FH 28.1.2015). Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2011 183 Todesopfer durch terrorismusrelevante Gewalt, für das Jahr 2012 117, für das Jahr 2013 181, für das Jahr 2014 193 für das Jahr 2015 174 und für das Jahr 2016 267 [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 9.1.2017).
Im indischen Teil Kaschmirs bleibt weiterhin der Armed Forces (Special Powers) Act (AFSPA) in Kraft (USDOS 13.4.2016; vgl. auch:
BPB 20.11.2015). Unter dem Sonderermächtigungsgesetz für das indische Militär kam es wiederholt zu außergerichtlichen Tötungen, Vergewaltigungen und Folter durch Angehörige der Sicherheitskräfte. Im September 2015 wurden sechs indische Soldaten aufgrund ihrer Rolle bei der Tötung von Zivilisten in Kaschmir von einem Militärgericht zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt. Allgemein gilt die steigende Wahlbeteiligung im ind