Entscheidungsdatum
19.09.2018Norm
B-VG Art.133 Abs4Spruch
W200 2137916-1/10E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. SCHERZ als Vorsitzende und die Richter Dr. KUZMINSKI und Mag. SWOBODA als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice Landesstelle Wien vom 08.08.2016, Zl. 114-615072-005, mit dem der Antrag auf Gewährung von Hilfeleistung nach dem Verbrechensopfergesetz in Form
1.) der Heilfürsorge in Form psychotherapeutischer Krankenbehandlung,
2.) der Heilfürsorge hinsichtlich der Kostenübernahme für Arztbesuche,
3.)
des Ersatzes von Verdienstentgang, 4.) der Rehabilitation und
5.)
der Pflegezulage
gemäß § 1 Abs. 1 Verbrechensopfergesetz abgewiesen wurde, zu Recht erkannt:
A) I. Der Beschwerde zu 1.) wird stattgegeben.
Die Übernahme der Selbstkosten für psychotherapeutische Krankenbehandlungen, welche aufgrund der durch die Misshandlungen im Kinderheim XXXX und im Heim der XXXX in XXXX erlittenen Schädigung entstehen bzw. entstanden sind, wird für die Dauer der verbrechenskausalen Notwendigkeit, mindestens jedoch 100 Stunden, - vorbehaltlich der Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen - dem Grunde nach bewilligt
II. Der Beschwerde zu 2.) wird stattgegeben.
Der Ersatz der gesetz- und satzungsmäßigen Kostenbeteiligungen einschließlich Rezeptgebühren, welche aufgrund der durch die Misshandlungen im Kinderheim XXXX und im Heim der XXXX in XXXX erlittenen Schädigung zu entrichten waren bzw. sind, wird gemäß § 4 Abs. 2 letzter Satz VOG - vorbehaltlich der Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen - dem Grunde nach bewilligt.
III. Die Beschwerden zu 3.) - 5.) werden gemäß § 28 Abs. 2 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG)- abgewiesen.
B) Die Revision zu I. - III. ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht
zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer stellte mit Schreiben vom 12.01.2015 beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice; im Folgenden als belangte Behörde bezeichnet) am 19.01.2015 eingelangt einen Antrag auf Gewährung von Hilfeleistungen nach dem Verbrechensopfergesetz in Form von Ersatz des Verdienstentganges, Gewährung von Heilfürsorge hinsichtlich der Kostenübernahme für Arztbesuche, psychotherapeutische Krankenbehandlung sowie Rehabilitation und hinsichtlich einer Pflegezulage. Er sei als Vierjähriger 1963 in die Obsorge der Gemeinde Wien gekommen und im Alter von 15 Jahren zur Mutter entlassen worden. In den diversen Stationen seiner Unterbringung sei er verbal, physisch, psychisch und sexuell schwerstens misshandelt und gedemütigt worden. Eine frühe oberflächliche Beurteilung als hirnorganisch gestörtes und debiles Kind sei von allen Institutionen übernommen worden. Untersuchungen seien nicht erfolgt.
Erst nach der Obsorge der Gemeinde Wien hätte er sich selbst einen Weg bahnen und einiges lernen können. Er hätte es aufgrund seines leider großen Rückstandes nur mehr zum C-Beamten bei der Post geschafft.
Diesem Antrag legte er einen Clearingbericht eines Psychotherapeuten bei.
(Die Mutter des Beschwerdeführers habe ihn zu deren Mutter in Pflege und Erziehung übergeben, da sie im Ausland gearbeitet habe. Als Kind habe der Beschwerdeführer sehr stark geschielt und sei deshalb 1963 am Auge operiert worden. Da er ein sehr unruhiges Kind gewesen sei und einen Entwicklungsrückstand gehabt habe, habe er mehrmals die Kindergärten wechseln müssen. Die mütterliche Großmutter sei berufstätig Alleinerzieherin gewesen, sie habe für einen 15jährigen Sohn gesorgt. Oft habe ihn seine ca. 80jährige Urgroßmutter, welche beinahe taub war, betreut. Sowohl die Mutter, als auch die Großmutter seien einverstanden gewesen, ihn 10/1963 in die Obsorge der Gemeinde Wien zu geben.
Zuerst sei er in die Kinderübernahmestelle, Lustkandlgasse 50,1080 Wien und nach einigen Tagen zu Pflegeeltern gekommen. Die Pflegemutter, Frau (...), sei keiner Arbeit nachgegangen und habe ihn vermutlich wegen des Pflegegeldes betreut. Nach ca. einem halben Jahr sei er wieder in die Kinderübernahmestelle gekommen, dies da er laut Dokumentation unruhig und schwierig gewesen sei. Nach ca. 2 Monaten sei er nach XXXX überstellt worden, in ein Heim der Schwestern XXXX . An das Heim im Traisental habe er keine Erinnerung mehr. Den Aufenthalt dort hätte er allerdings als nicht sehr angenehm abgespeichert. Vage könne er sich an viel psychischen und physischen Druck erinnern.
Am 08. 09.1965 sei er nach XXXX in ein Heim des gleichen Ordens gekommen. Er sei dort in die Volksschule eingeschult worden. Im Heim und in der Schule sei er geschlagen und der Arm verdreht worden. Frau Helmtrud, die Schwester seiner Gruppe, habe ihm die Bekleidung versteckt und ihn am nächsten Tag dafür bestraft. Habe er bei einer der vielen Predigten nach lustigen Worten des Pfarrers gelacht, so sei er körperlich gezüchtigt worden und habe bei diversen Ausflügen nicht teilnehmen dürfen. Er sei oft an den Haaransätzen und am vollen Haar gezogen und gerissen worden, habe Kopfnüsse bekommen, sei an den Ohren gezogen und seine Nase umgedreht worden.
Es habe Schreibstrafen, Strafstehen, heftige Beschimpfungen und Demütigungen gegeben.
Am 23.08.1967 sei wieder ins Julius Tandler Heim gekommen und bis zum 13.11.1967 geblieben. Danach kam es zur Überstellung ins Kinderheim XXXX . Dort habe er die 2. Volksschulklasse wiederholt. Bis zur 4. Volksschule habe es nur anlassbezogene Strafen gegeben, welche ihm angemessen vorkamen. Ab der 4. Klasse Volksschule hätten sich die Übergriffe gehäuft. Die Erzieherin Anita habe ihn mehrmals mit einer Rute äußerst heftig geschlagen. Er habe neuerlich Lernschwierigkeiten bekommen und sei in der Schule nicht mehr mitgekommen. Daraufhin sei er in die Sonderschule abgestuft worden, in der ersten Sonderschulklasse habe der Lehrer Hans Bruno Stark grundlos und gewaltig zugeschlagen. Er sei ins Gesicht geschlagen worden und auf Grund der Wucht des Schlages zu Boden gegangen.
Stundenlang hätten sie abends im Nachthemd und ohne Hausschuhe am kalten Steinboden stehen müssen. Ein Erzieher habe ein Stück Plastikschlauch, mit dem er bei jeder sich bietenden Gelegenheit Schläge austeilte gehabt. Dieser Erzieher habe einen Hilfserzieher unter den Zöglingen rekrutiert, dem er erlaubt habe, körperlich zu strafen. Dieser Hilfserzieher habe ihm einen Stein auf die Stirn geschlagen. Die dadurch entstandene Wunde habe im Wilhelminenspital genäht werden müssen. Die Unfallmeldung habe nicht den Tatsachen entsprochen, der Vorfall sei vertuscht worden.
Hatte er nach einer wöchentlichen Tragezeit eine verschmutzte Unterhose gehabt, dann habe es Konsequenzen gegeben. Er habe seine Unterhose vor der gesamten Gruppe per Hand waschen müssen. Es habe Methode gehabt, ihn vor der ganzen Gruppe zu bestrafen und zu maßregeln. Vermutlich sei dies präventiv gedacht gewesen. Er sei sehr häufig lächerlich gemacht worden und habe sehr darunter gelitten. Besonders gewalttätig sei der Erzieher Neuwirth gewesen, welchen er drei Jahre gehabt habe.
Dieser Erzieher habe oft kollektiv bestraft, weshalb oft die gesamte Gruppe stundenlang Stiegen steigen habe müssen. Mit ca. 12 Jahren sei er von Neuwirth beschuldigt worden, am WC onaniert zu haben. Er sei in seiner körperlichen Entwicklung immer hinten gewesen und habe den Vorwurf nicht verstanden. Ebenso habe ihn dieser Erzieher beschuldigt, dass er sich homosexuell betätigen würde. Für alle Unterstellungen habe es keinen Anlass gegeben. Für seine "Verfehlungen" sei er körperlich schwer gezüchtigt worden. Herr Neuwirth habe ihn im Heim grün und blau geschlagen - er habe danach mehrere Hämatome gehabt. In der Schule sei er hierfür ebenfalls bestraft worden - er habe Schreibstrafen bekommen und habe 150 Kniebeugen absolvieren müssen. Seine angeblichen Taten seien ihm vor der ganzen Klasse vorgehalten worden. Neuwirth habe einen Holzprügel mit farbigen Verzierungen gehabt. Er habe sich nach vorne beugen müssen und sei dann auf das Gesäß geschlagen worden.
Ohrfeigen, also Schläge mit der flachen oder verkehrten Hand, seien alltäglich gewesen, ebenso Stöße mit dem Knie gegen seine Oberschenkel.
Von kräftigeren und älteren Kindern sei mit Gewalt sexuell genötigt worden, als er ca. 14 Jahre alt gewesen sei. Er habe beim Onanieren zuschauen und Kollegen mit der Hand befriedigen müssen.
Rangfolgekämpfe und verbale Demütigungen von älteren und stärkeren Kindern seien üblich gewesen und von den Erziehern geduldet worden.
Bei Schwester Anita habe er immer alles aufessen müssen, egal ob er bereits satt war oder das Essen ihm nicht geschmeckt habe. Oft habe er sich nach so einem Essen unter Zwang am WC übergeben.
Am 29.06.1974 sei er zu seiner Mutter entlassen worden. Damals sei er ca. 15 Jahre alt gewesen und hatte seine Schulpflicht absolviert. Zuerst habe er Einzelhandelskaufmann und dann Gärtner gelernt. Den Gärtner habe er ausgelernt und dann auch seinen Lehrabschluss gemacht.
1981 habe er bei der Post zu arbeiten begonnen, 1987 sei er pragmatisierter Beamter geworden und habe eine C Prüfung erfolgreich abgelegt.
Zusammenfassung und diagnostische Beurteilung: Herr XXXX habe in den ca. 10,5 Jahren, die er in diversen Einrichtungen unter der Obsorge der Stadt Wien verbracht habe, schwere verbale, psychische und physische Gewalt in dichter Folge erlebt. Dazu seien sexuelle Nötigungen von älteren und stärkeren Heimkindern gekommen, welche durch die mangelnde Aufsicht im Heim XXXX ermöglicht worden sein.
Die angebliche zerebrale Schädigung des Kindes XXXX sei nie von einem Neurologen untersucht worden. Es gebe im Akt keinen Befund, welcher sich auf ein bildgebendes Verfahren stütze. Es sei aufgrund einer Vermutung eine zerebrale Schädigung angenommen und keinerlei therapeutische Verbesserung der vorliegenden Störung versucht worden. Die Entlassung mit 15 Jahren zur am Jungen desinteressierten Mutter erstaune.
Nach der "Internationalen Klassifikation psychischer Störungen" liege F 62.0 eine andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung, F 41.9 eine nicht näher bezeichnete Angststörung, F
51.5 Alpträume, F 50, 4 Essattacken bei sonstigen psychischen Störungen und Z 73.4 unzulängliche soziale Fähigkeiten, nicht anderorts klassifizierbar, vor.)
In weiterer Folge konkretisierte der rechtsfreundliche Vertreter, dass der Verdienstentgang darin bestehe, dass der Beschwerdeführer ohne die in dem Heim erlittenen Verletzungen die Matura und zu Beginn seiner Tätigkeit bei der Post die "B-Prüfung" machen hätte können. Tatsächlich hätte er nur die Einstufung "C" und würde mit der Einstufung "B" rund 400, -- bis 500, -- Euro mehr verdienen.
Einem Schreiben des Weissen Ring ist zu entnehmen, dass die Stadt Wien dem Beschwerdeführer eine Entschädigung in der Höhe von 22.000,-- Euro sowie eine Übernahme des Kostenzuschusses der Krankenkasse für insgesamt 80 Therapiestunden als Opfer von Gewalt in Heimen der Wiener Jugendwohlfahrt zuerkannt hat.
In einer Falldokumentation der Ombudsstelle der Erzdiözese Wiens werden die Angaben des Beschwerdeführers zum Aufenthalt in den Heimen der Kongregation der XXXX in XXXX und XXXX wiedergegeben.
(Im Beisein anderer Schwester habe Tante XXXX keine Gewalt ausgeübt. In deren Abwesenheit oder wenn sie gerade nicht hinsahen, habe es von ihr unmotiviert Ohrfeigen und Schläge aufs Gesäß gegeben. In Abwesenheit von Schwestern sei er von älteren Heimkindern oft geschlagen worden.
Sr. XXXX habe in der Nacht die Kleidung von Herrn XXXX versteckt, sodass er sich nicht anziehen habe können. Sie habe ihm dann die Kleidung mit den Worten: "Zieh dich an du Trottel." Die anderen Kinder im Schlafsaal hätten gelacht. Er sei von ihr immer wieder erniedrigt worden: "Du bist ja so dumm."
Tante XXXX habe mit Sr. XXXX in einer Gruppe zusammengearbeitet. Sie habe schmerzhaft Finger und Arme verdreht und willkürlich bestraft. Herr XXXX habe mehrmals nicht auf den Schulausflug mitgehen dürfen und stattdessen den Tag im Bett verbringen müssen. Sie habe ihn an den Haaren gerissen, Kopfnüsse verteilt und gezwungen, Erbrochenes zu essen.
Von einer Schwester, die im August 1967 kam, sei Herr XXXX ständig gedemütigt worden: "Schauts euch den Deppen an, der zu nichts zu gebrauchen ist". Häufig habe sie ihn während der zu machenden Hausaufgaben im Eck stehen lassen. Sie habe auch fest zugeschlagen.)
Zur Prüfung des Beschäftigungsverlaufes hat die belangte Behörde einen Versicherungsdatenauszug der Österreichischen Sozialversicherung eingeholt, der ergab, dass der Beschwerdeführer von 1.9.1974-3.8.1975 Angestelltenlehrling bei Quelle, 1975-1978 Arbeiterlehrling, 1978-1980 bei verschiedenen Arbeitgebern und seit 1981 laufend bei der österreichischen Post beschäftigt ist.
Der Beschwerdeführer übermittelte einen ergänzenden Bericht seines Psychotherapeuten vom 31.03.2016, der sich wie folgt gestaltete:
"Der Patient ist seit 2014 bei mir in psychotherapeutischer Behandlung. Es wird in den Gesprächen versucht, die untenstehend diagnostizierten Störungen zu bearbeiten. Das zentrale Problem des Patienten ist das Bild, welches seine Umwelt ihm in seiner Jugend vermittelte.
Herr XXXX erlebte in den ca. 10,5 Jahren, die er in diversen Einrichtungen unter der Obsorge der Stadt Wien verbringen musste, schwere verbale, psychische und physische Gewalt in dichter Folge. Dazu kamen sexuelle Nötigungen von älteren und stärkeren Heimkindern, welche durch die mangelnde Aufsicht im Heim XXXX möglich wurden.
Die angebliche zerebrale Schädigung des Kindes XXXX wurde nie von einem Neurologen untersucht, oder von Psychologen mittels Testverfahren ausgetestet. Es gibt im Jugendamtsakt keinen Befund, welcher sich auf ein bildgebendes Verfahren stützt. Es wurde aufgrund einer Vermutung eine zerebrale Schädigung angenommen und keinerlei therapeutische Verbesserung der vorliegenden Störung versucht. Die Entlassung mit 15 Jahren zur am Jungen desinteressierten Mutter erstaunt. In den mehr als 10 Heimjahren wurde die erste diagnostische Einordnung nie in Frage gestellt, sondern immer nur übernommen. Anstatt den Entwicklungsrückstand, der durch das soziale Milieu entstanden ist aufzuarbeiten, wurde Herr XXXX zum Idioten erklärt.
Meinem Patienten war es, nach der für ihn wenig förderlichen Heimerziehung, möglich eine Lehre zu beenden und danach bei der Bahnpost zu arbeiten. Bei der Bahnpost gelang es Herrn XXXX auf Anhieb die "C" Prüfung abzulegen. Eine zerebrale Schädigung (Intelligenzminderung) scheint aus heutiger Sicht nie manifest gewesen zu sein.
Nach der "Internationalen Klassifikation psychischer Störungen" liegt F 62.0 eine andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung, F 41.9 eine nicht näher bezeichnete Angststörung, F
51.5 Alpträume, F 50, 4 Essattacken bei sonstigen psychischen Störungen und Z 73.4 unzulängliche soziale Fähigkeiten, nicht anderorts klassifizierbar, vor."
Das vom Sozialministeriumservice eingeholte, äußerst kurz gehaltene nervenfachärztliche Gutachten vom 22.04.2016 ergab zusammengefasst, dass der Beschwerdeführer einen unauffälligen psychiatrischen Status aufweise.
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 08.08.2016 wurde in weiterer Folge der Antrag auf Ersatz des Verdienstentganges, auf Gewährung von Heilfürsorge hinsichtlich der Kostenübernahme für Arztbesuche, psychotherapeutische Krankenbehandlung sowie Rehabilitation und hinsichtlich einer Pflegezulage wird gemäß § 1 Abs. 1 und Abs. 3, § 3, § 4, § 5a, § 6 sowie § 10 Abs. 1 VOG abgewiesen.
Folgenden Sachverhalt stellte die belangte Behörde fest:
"Sie sind am 19. Februar 1959 außerehelich in Wien geboren und österreichischer Staatsangehöriger. Ihre Mutter lebte vor Ihrer Geburt in England und kehrte, als Sie vier Monate alt waren, wieder dorthin zurück. Nach Ihrer Geburt befanden Sie sich in Pflege und Erziehung der mütterlichen Großmutter, die zu dieser Zeit als Bedienerin tätig war und als Alleinerzieherin weiters für einen minderjährigen Sohn zu sorgen hatte, weshalb Sie teilweise von der Mutter Ihrer Großmutter, also Ihrer Urgroßmutter, die zu diesem Zeitpunkt bereits körperlich stark eingeschränkt war, betreut wurden. Aus diesem Grund wurden Sie am 10. Oktober 1963 im Alter von vier Jahren im Einvernehmen mit ihrer Mutter und Ihrer Großmutter auf Grund von "Gefährdung" in die Obhut der Kinderübernahmesteile der Stadt Wien überstellt. In der Folge waren Sie von 30. Oktober 1963 an bei Pflegeeltern aufhältig und wurden ab 31. März 1964 wieder von der Kinderübernahmestelle der Stadt Wien übernommen; Grund für die Rückstellung von der Pflegefamilie war v.a. die Tatsache, dass diese mit Ihrer damals unruhigen Art, u.a. zerstörten Sie Gegenstände und räumten Laden aus, überfordert war. Von 6. Juli 1964 bis 8. September 1965 waren Sie im Kinderheim der Schwestern XXXX und von letztgenanntem Zeitpunkt an bis 23. August 1967 im Kinderheim desselben Ordens in XXXX untergebracht. Danach waren Sie von 23. August 1967 an im Julius Tandler-Heim in Wien und in weiterer Folge von 13. November 1967 bis 29. Juni 1974 durchgehend im Kinderheim XXXX untergebracht.
Während Ihren Heimaufenthalten im Heim der Schwestern XXXX und im Kinderheim XXXX wurden Sie Opfer von physischer und psychischer Gewalt:
Im Rahmen Ihrer Zeit im Heim der Schwestern XXXX waren Sie durchgehend körperlichen Züchtigungen (Ohrfeigen und Schlägen auf das Gesäß [dies konkret durch eine - wie aus dem Verwaltungsakt ersichtlich - namentlich genannte Erzieherin]; "Verdrehen" Ihrer Finger sowie Arme, Ziehen sowie Reißen an den Haaren bzw. den Ohren, "Umdrehen" der Nase und Kopfnüsse [dies konkret durch eine weitere namentlich genannte Erzieherin]) sowie physischen Bestrafungen (stundenlanges "Eckenstehen" und Schreibstrafen) durch die dortigen Schwestern bzw. Erzieherinnen ausgesetzt und sahen sich zudem oftmals mit heftigen Beschimpfungen bzw. Demütigungen durch die übrigen Zöglinge sowie die Schwestern bzw. Erzieherinnen konfrontiert (verbale Erniedrigung vor der Gruppe durch eine namentlich genannte Schwester: "Du bist ja so dumm."; Zwang, das eigene Erbrochene zu essen). Im Zuge der ersten Jahre Ihres Aufenthalts im Kinderheim XXXX (konkret bis zum Ende Ihrer Absolvierung der dritten Volksschulstufe) waren Sie keiner physischen oder psychischen Gewalt ausgesetzt. Ab dem Besuch der vierten Volksschulklasse waren Sie dort regelmäßig körperlicher Gewalt (Ohrfeigen; teils massive Schläge mit Rute [dies konkret durch eine namentlich genannte Erzieherin ca. einmal in der Woche], Holzprügel [dies konkret durch einen namentlich genannten Erzieher], Plastikschlauch oder bloßen Händen [dies konkret einmalig durch Ihren namentlich genannten Sonderschullehrer in der ersten Sonderschulklasse im September 1970 und regelmäßig durch einen namentlich genannten Erzieher ca. einmal im Monat zwischen September 1971 und Juni 1974]) und psychischen Demütigungen bzw. unangemessenen Strafen (Waschen von verdreckter Unterhose vor Gruppe mit der bloßen Hand; stundenlanges Stehen ohne Schuhe auf kaltem Steinboden; stundenlanges Stiegen steigen; Schreibstrafen; 150 Kniebeugen) durch die dortigen Erzieher bzw. Erzieherinnen ausgesetzt.
Der von Ihnen behauptete sexuelle Missbrauch (als Sie ca. 14 Jahre alt waren: Zwang zum Zuschauen beim Onanieren anderer im Heim aufhältiger Zöglinge; Befriedigung anderer im Heim aufhältiger Zöglinge mit der Hand) im Kinderheim XXXX kann nicht mit der für das Verbrechensopfergesetz erforderlichen Wahrscheinlichkeit festgestellt werden.
Sie besuchten in Ihrer Kindheit verschiedene Kindergärten, wurden jedoch auf Grund Ihrer Sehstörung (Sie wurden am 3. Oktober 1963 wegen Strabismus ["Schielen"] operiert) in die Sehgestörtengruppe des Sonderkindergartens Auer von Welsbachpark in Wien überstellt, den Sie von August 1962 bis März 1963 besuchten. U.a. aus Befunden von Untersuchungen vom 22. Mai bzw. 7. November 1967 geht hervor, dass sie "eine Reihe massiver cerebraler Symptome, die eine organische Schädigung sehr wahrscheinlich machen" würden, gezeigt hätten, bzw. eine "durch einen Cerebraldefekt verursachte Störung der Arbeitshaltung und der Motorik" aufweisen würden. Bis zur vierten Schulstufe absolvierten Sie die Volksschule, in der Folge besuchten Sie die Allgemeine Sonderschule, die Sie auch abgeschlossen haben. Nach Ihren Heimzeiten lebten Sie bei Ihrer Mutter und begannen zunächst eine Lehre als Einzelhandelskaufmann und daraufhin eine Lehre als Gärtner, letztere haben Sie auch abgeschlossen. Nach kurzen Tätigkeiten als Arbeiter und zwischenzeitiger Absolvierung des Zivildienstes haben Sie im Jahr 1981 bei der österreichischen Post AG als Angestellter zu arbeiten begonnen, wo Sie seit dem Jahr 1987 bis heute in der Einstufung "C" als Beamter tätig sind. Sie weisen während Ihrer beruflichen Tätigkeit bei der österreichischen Post AG folgende Krankenstandstage auf: 26. Februar bis 1. März 1986, 1. Juli bis 7. Juli 1988, 2. Mai bis 4. Juni 1989, 27. Juni bis 1. Juli 2005, 10. Jänner bis 10. Februar 2006, 6. Februar bis 9. März 2007, 8. bis 9. Jänner 2009 und 5. bis 8. Februar 2013.
Ihr psychiatrischer Status ist unauffällig, Sie leiden an keiner psychischen Erkrankung.
Selbst bei hypothetischer Annahme einer bei Ihnen auf Grund der o.a. Misshandlungen vorliegenden psychischen Erkrankung, also einer Gesundheitsschädigung iSd § 1 Abs. 1 Z 1 VOG, kann das Vorliegen eines verbrechenskausalen Verdienstentganges bei weiterer Annahme eines fiktiven schadensfreien Verlaufs nicht mit der für das Verbrechensopfergesetz erforderlichen Wahrscheinlichkeit ab dem Antragsfolgemonat Februar 2015 festgestellt werden."
Den Feststellungen zu den während der Heimaufenthalte erlittenen Misshandlungen wurde vom SMS das glaubhafte Antragsvorbringen und die übereinstimmenden Schilderungen, die sich auch in den Berichten anderer ehemaliger Zöglinge widerspiegeln, zu Grunde gelegt.
Der vom Beschwerdeführer behauptete sexuelle Missbrauch im Kinderheim XXXX hätte nicht mit der für das Verbrechensopfergesetz erforderlichen Wahrscheinlichkeit, wonach erheblich mehr für als gegen das Vorliegen einer Vorsatztat sprechen muss (VwGH 26.4.2013, 2012/11/0001), festgestellt werden können, weil diesbezüglich lediglich seine Angaben, jedoch keine sonstigen Beweismittel (wie zB Strafurteile oder sonstige behördliche Schriftstücke) vorlägen.
Der Feststellung zum Nichtvorliegen einer psychischen Erkrankung wurde das nervenfachärztliche Gutachten vom 22. April 2016 zu Grunde gelegt. Bei dem vom Beschwerdeführer vorgelegte Schreiben seines Therapeuten handle es sich lediglich um eine Stellungnahme eines Psychotherapeuten, die keine Unschlüssigkeit des eingeholten Gutachtens aufzuzeigen vermag. Ergänzend wurde festgehalten, dass keine Befunde, Gutachten oder (weiteren) Stellungnahmen vorgelegt wurden, aus welchen etwaige psychische Erkrankungen bzw. Beeinträchtigungen ersichtlich wären.
Selbst bei hypothetischer Annahme einer auf Grund der o.a. Misshandlungen vorliegenden psychischen Erkrankung, also einer Gesundheitsschädigung iSd § 1 Abs. 1 Z 1 VOG, lasse sich das Vorliegen eines verbrechenskausalen Verdienstentganges bei weiterer Annahme eines fiktiven schadensfreien Verlaufs nicht mit der für das Verbrechensopfergesetz erforderlichen Wahrscheinlichkeit ab dem Antragsfolgemonat Februar 2015 feststellen:
Es stelle sich die Frage, ob die - lediglich hypothetisch angenommene - Gesundheitsschädigung mit Wahrscheinlichkeit iSd § 1 Abs. 1 Z 1 VOG eine Minderung seiner Erwerbsfähigkeit bewirkt haben könnte.
Es hätten sich nach Lage des vorliegenden Falles keinerlei Hinweise darauf ergeben, dass er ohne die - behaupteter Weise vorliegenden - psychischen Erkrankungen eine andere Ausbildungslaufbahn eingeschlagen hätten, die nunmehr (konkret ab Februar 2015) dazu geführt hätten, dass ihm im Verhältnis zu Ihrem jetzigen Einkommen ein Verdienst entginge. Er hätte trotz der Misshandlungen die Pflichtschule sowie eine Lehre als Gärtner absolviert, ab dem Jahr 1981 hätte er bei der österreichischen Post AG - seit dem Jahr 1987 bis heute in der Einstufung "C" gearbeitet. Es sei nicht ersichtlich, weshalb es ihm im Zuge seiner beruflichen Laufbahn nicht möglich gewesen sein sollte, die Matura zu absolvieren, um eine Einstufung als "B-Beamter" zu erlangen.
Nach Ansicht des Sozialministeriumservice spreche jedenfalls weniger dafür als dagegen, dass eine - lediglich hypothetisch angenommene - verbrechenskausale Gesundheitsschädigung für eine geminderte Erwerbsfähigkeit wegen nicht absolvierter Maturaprüfung und daher nicht erfolgter Einstufung als "B-Beamter" ursächlich wäre.
In der dagegen erhobenen Beschwerde wurde kritisiert, dass der sexuelle Missbrauch im Kinderheim XXXX nicht mit der für das Verbrechensopfergesetz erforderlichen Wahrscheinlichkeit festgestellt worden sei. Die Behörde hätte sich damit auseinandersetzen müssen, weshalb sie die Ausführungen des Beschwerdeführers durchwegs al glaubwürdig und nur hinsichtlich dieses Details als nicht glaubwürdig beurteilte.
Weiters wurde das eingeholte nervenfachärztliche Gutachten insofern gerügt als nicht ersichtlich sei, wie der Sachverständige zu seinen Feststellungen komme und dem zu Folge die Schlussfolgerung, dass es keinerlei Hinweise darauf gebe, dass der Beschwerdeführer ohne die psychischen Erkrankungen eine andere "Ausbildungslaufbahn" eingeschlagen hätte, nicht nachvollziehbar sei.
Das BVwG holte aufgrund des Beschwerdevorbringens ein Gutachten einer Fachärztin für Psychiatrie ein, welches Folgendes ergab (gestellte Fragen werden in das Gutachten eingefügt):
"Anamnese:
59 Jahre alter Mann, der alleine zur Untersuchung in meine Praxis kommt. Er sei bei der Post angestellt, Busfahrer gewesen und jetzt beim Sortieren, ("weil die Leute nicht in der Lage sind, eine Adresse richtig schreiben zu können"). Er sei im Dienst und nicht im Krankenstand. Er habe ursprünglich Gärtner gelernt bei der MA 42, aber er sei nicht behalten worden und sei dann zur Post gegangen. Er sei ledig, aber er habe schon immer wieder Freundinnen gehabt. Die längste Beziehung habe ca. 3 Jahre gedauert. Immer hätten die Frauen die Beziehungen beendet. Warum, wisse er nicht. Jetzt habe er schon auch eine Freundin, aber erst seit November 2017, in getrennten Haushalten. Keine Kinder.
Biografische Anamnese:
Von seinem Vater wisse er nichts Genaues. Wenn er noch lebe, müsse er so um die 90 Jahre sein. Die Mutter habe er vor ca. 30 Jahren das letzte Mal gesehen. Seine Mutter habe gesagt, er sei "kein schönes Kind" gewesen und habe ihn vernachlässigt. Er sei wegen eines "Onenight-stands" in England entstanden. Bereits 1964 sei er in die Kinderübemahmestelle gekommen, weil er laut MA 11 vernachlässigt worden wäre. Dann sei er ein halbes Jahr bei einer Pflegemutter gewesen, die ihn aber nur des Geldes wegen genommen habe. Dann sei er in Heim gekommen, eingeschult worden, dort extrem gehänselt worden, verspottet worden. Er sei ein scheues Kind gewesen und so sei er Ziel von Hänseleien und Spott und Gemeinheiten sowohl von Kindern als auch von den Klosterschwestern geworden. Man habe ihn für "grenzdebil" gehalten.
Sexuellen Missbrauch habe er nicht erlebt ("ich war nicht fesch genug"), aber Gewalt und Schläge, Beleidigungen seien an der Tagesordnung gewesen.
Es sei die "Hölle" gewesen.
Alles habe er verdrängt.
Bis er Akteneinsicht bei der MA 11 bekommen habe und nachgelesen habe. Da sei ihm erst klar geworden, was ihm und all den anderen Kindern zugestoßen und angetan worden wäre. Trotzdem sei er wohl nicht "grenzdebil" gewesen, habe er doch die C-Prüfung bestanden, welche ein Lernpensum von 1000 Seiten in 2 Monaten umfasst habe.
Er habe dann die Wohnung von der Oma übernehmen können, in der er jetzt noch wohne. Diese koste € 350,- Miete und sei 45 m2 groß und er sei ganz zufrieden damit.
Frühere Erkrankungen:
+ Hemia inguinalis Operation als Kleinkind, rechts
+ Nabelbruch Operation 1989
+ 2006 Varizen Operation links
+ 2007 Varizen Operation rechts
+ seit 2005 Diabetes mellitus li, medikamentös eingestellt.
+ Phimose
+ Bluthochdruck
Vegetativ: Größe: 180 cm Gewicht: 125 bis 128 kg Nikotin:
unterschiedlich, 10 bis maximal 20 pro Tag, Alkohol: sehr selten,
Drogen: 0
Medikamentöse Therapie: Amlodipin 5 mg 1, Metformin 1000 mg 2x1, Repaglinid 1 mg 3x1.
Neurologischer Status:
Im Kopf- und im Himnervenbereich keine Auffälligkeiten. Keine Halbseitenzeichen. Seitengleiche Verhältnisse bezüglich Tonus, Kraft, Sensibilität und Reflexe. Keine pathologischen Reflexe. Sämtliche Koordinationsversuche regelrecht. Romberg, Unterberger, Zehen- und Fersenstand unauffällig. Gangbild unauffällig, nur schmerzbedingt etwas eingeschränkt. Knieschmerzen links (Bakercyste)
Psychischer Status:
Bewusstseinsklar und allseits orientiert. Keine Denkstörungen. Keine psychotische Symptomatik. Konzentration, Aufmerksamkeit und Merkfähigkeit regelrecht. Gedankenductus regelrecht. Befindlichkeit ausgeglichen, freundlich, kooperativ. In alle Richtungen gut mitschwingend. Stabil. Keine Suizidalität. Aber im Alltag und im sozialen Leben doch deutliche Anpassungsstörungen in Form von Neigung zu Rückzugsverhalten und erhöhtem Wunsch, sich alleine zu beschäftigen. Immer wieder noch Albträume und flash backs, obwohl schon so lange Zeit seit den Traumata verstrichen ist. Immer noch Triggersituationen.
Nebenbemerkung:
Die im Gutachten von Dr. Plankl angeführten biografischen Details habe Herr XXXX nicht so angegeben, weil er sich so genau gar nicht daran erinnern habe können. So denke er, Herr Dr. Plankl habe diese Fakten aus den Akten herausgeschrieben. Das Untersuchungsgespräch sei auch gar nicht so lange gewesen.
Beantwortung der gestellten Fragen, die bitte dem Akt zu entnehmen sind:
1. (Medizinisch exakte Bezeichnung der festgestellten psychiatrischen Gesundheitsschädigungen;)
Diagnose: Herr XXXX leidet an einer anhaltenden Persönlichkeitsveränderung nach posttraumatischer Belastungsstörung.
2. Kausalität:
(Welche der festgestellten psychiatrischen Gesundheitsschädigungen sind mit Wahrscheinlichkeit
auf die/das Verbrechen zurückzuführen? Falls das Verbrechen nicht alleinige Ursache ist, wird um Beurteilung ersucht, ob das Verbrechen als wesentliche Ursache zum derzeitigen psychiatrischen Leidenszustand beigetragen hat. Es wird ersucht ausführlich darzulegen, was für den wesentlichen Einfluss (vorzeitige Auslösung und/oder Verschlimmerung) des Verbrechens spricht und was dagegen.
a) Dieses psychische Leiden ist mit Wahrscheinlichkeit auf das Verbrechen zurückzuführen.
b) Das Verbrechen hat als wesentliche Ursache zum derzeitigen psychiatrische Leidenszustand beigetragen.
Die zahlreichen und immer wieder kehrenden Kränkungen, Schikanen, Beleidigungen, Gewalttätigkeiten, Herabwürdigungen und das Lächerlichmachen vor Anderen und und und in jungen Jahren und als Jugendlicher haben schwere psychische Schäden angerichtet, die auch durch jahrelange Therapien nicht gänzlich bewältigt werden können.
3. (Falls die Kausalität unter Punkt 2a oder 2b verneint wird, wird um ausführliche Stellungnahme ersucht, worauf der festgestellte psychiatrische Leidenszustand zurückzuführen ist.)
4. (Falls die festgestellte psychiatrische Gesundheitsschädigung mit Wahrscheinlichkeit durch kausale und akausale Ursachen herbeigeführt worden ist, wird ersucht zu Folgendem Stellung zu nehmen:
4a) Haben die erlittenen Misshandlungen die festgestellte psychiatrische Gesundheitsschädigung mit Wahrscheinlichkeit - vorzeitig (erheblich früherer Zeitpunkt) - ausgelöst, oder wäre diese auch ohne die angeschuldigten Ereignisse im - annähernd - selben Zeitraum entstanden?
4b) Haben die erlittenen Misshandlungen die festgestellte psychiatrische Gesundheitsschädigung mit Wahrscheinlichkeit verschlimmert?
Wenn ja in welchem Ausmaß?
4c) Welche Gesundheitsschädigung läge ohne die angeschuldigten Ereignisse vor?)
a) Ohne die angeschuldigten Ereignisse wären wahrscheinlich gar keine gravierenden psychischen Schädigungen entstanden, denn Herr
XXXX hat offenbar genügend gesunde Anteile in seiner Persönlichkeit, andernfalls wäre er nicht in der Lage gewesen, einen trotz der traumatischen Biografie relativ positiven Lebenslauf zu gestalten ohne grobe Abweichungen und Pathologien.
b) Die erlittenen Misshandlungen haben die festgestellte psychiatrische Gesundheitsschädigung mit Wahrscheinlichkeit erst ausgelöst und dann auch verschlimmert. In einem Ausmaß, dass eine Heilung nicht mehr möglich ist.
c) Wahrscheinlich keine. Denn wie gesagt, weist Herr XXXX genügend gesunde Anteile in seiner Persönlichkeit auf, andernfalls er nicht in der Lage gewesen wäre, einen Lebenslauf aufzuweisen, ohne kriminelle oder anderswertige pathologische Auffälligkeiten. Auch hat er eine Lehre abgeschlossen, dann einen durchgehenden Berufsweg aufzuweisen, eine Dienstprüfung geschafft und auch sonst Verlässlichkeit, Kontinuität und Stabilität in seinem Leben. Nur in seinem emotionalen Bereich sieht man die Verletzlichkeit und die Fragilität seiner Persönlichkeit.
5. (5a) Hat die kausale Gesundheitsschädigung den beruflichen Werdegang maßgeblich beeinflusst? D. h. wäre aus medizinischer Sicht ohne kausale Gesundheitsschädigungen die Absolvierung der Matura und eine kontinuierliche Beschäftigung (normaler Beschäftigungsverlauf) als Maturant (bei der Post) möglich gewesen? Kann eine Karriere als B-Beamter bei der Post ohne die kausale Gesundheitsschädigung als wahrscheinlich angenommen werden?
5b) Wies der Beschwerdeführer eine angeborene Entwicklungsverzögerung auf und musste aufgrund dessen eine Sonderschule besuchen (vgl. Jugendamtsakt) bzw. wurde die damalige Beurteilung korrekt getroffen?)
a) Diese Frage ist sehr schwer zu beantworten. Intellektuell ist schon anzunehmen, dass Herr XXXX die Matura wahrscheinlich geschafft hätte. Ob er dies wegen der posttraumatischen Belastungsstörung nicht versucht hat oder wegen anderer lebenssituationsbedingter Umstände, kann nicht mit ausreichender Seriosität beantwortet werden. Berufsbegleitend eine Maturaschule zu besuchen, abends oder als Fernmatura ist sehr schwer, nicht nur für psychisch belastete Menschen, sondern auch für durch und durch Gesunde. Ob Herr XXXX dies geschafft hätte, hätte er nicht diese traumatische "Heimkarriere" hinter sich, ist mehr als hypothetisch und kann ebenfalls nicht mit Sicherheit bejaht oder verneint werden.
b) Dies ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen, dass Herr XXXX eine angeborene Entwicklungsverzögerung aufgewiesen hat. (Nur Intelligenz an der unteren Norm: HAWIK 96 laut Gutachten vom 31.10.1967, Aktenblatt 96)
Er hat an einer Kurzsichtigkeit gelitten und an einem Strabismus, wird immer als "linkisch" und "physiognomisch ungünstig wirkender, relativ großer, motorisch unruhiger, schielender, grimassierender, sonderlinghafter Außenseiter" beschrieben. Herr XXXX hat mit Sicherheit ungünstige Startbedingungen gehabt und in Zusammenhang mit den Aufenthalten und den Traumata in den diversen Heimen hat dies zu der anhaltenden Persönlichkeitsveränderung geführt.
6. (Ist die Gewährung von psychotherapeutischer Krankenbehandlung verbrechensbedingt notwendig, und bejahendenfalls, in welchem Ausmaß?)
Die Gewährung von psychotherapeutischer Krankenbehandlung verbrechensbedingt ist notwendig und in einem Ausmaß von mindestens 100 Stunden zu gewähren. Psychotherapie ist notwendig, um eine gewisse Distanzierung von den erlebten Traumata zu erreichen und Herrn XXXX fähig zu machen, das Erlebte als einen Teil seines Lebens zu integrieren und sich nicht nur als "Opfer" zu sehen, sondern zu erkennen, dass trotz der Gräueltaten er nicht gescheitert ist, sondern er einen positiven Lebensweg geschafft hat und letztendlich die "Täter" die Gescheiterten sind und nicht er.
Im Zuge des zum Gutachten gewährten Parteiengehörs monierte der Beschwerdeführer, dass man ihn nicht für "grenzdebil" gehalten hätte, sondern ärztlich eine "zerebrale Schädigung" diagnostiziert hätte. Er hätte stark geschielt und sei 1963 am Auge operiert worden.
Sexuellen Missbrauch hätte der Beschwerdeführer sehr wohl erlebt. Im Clearingbericht vom Weißen Ring werde davon berichtet. Eine dezidierte nervenärztliche Untersuchung hätte nicht stattgefunden.
Weiters beantragte er eine Ergänzung zum Gutachten, konkret, dass die Sachverständige im Detail seine Möglichkeiten erheben möge, warum er ohne die traumatischen Heimerfahrungen die Matura geschafft hätte. Die Sachverständige hätte dem Beschwerdeführer die intellektuelle Befähigung konstatiert. Durch die Verbrechen sei das Selbstbild des Beschwerdeführers massiv beeinträchtigt worden, was zusätzlich dazu beigetragen hätte, dass er keine Matura gewagt hätte und keine seiner Fähigkeiten entsprechenden Beruf ergreifen hätte können.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der österreichische Beschwerdeführer stellte mit Schreiben vom 12.01.2015 - beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen am 19.01.2015 eingelangt - einen Antrag auf Gewährung von Hilfeleistungen nach dem Verbrechensopfergesetz in Form von Ersatz des Verdienstentganges, Gewährung von Heilfürsorge hinsichtlich der Kostenübernahme für Arztbesuche, psychotherapeutische Krankenbehandlung sowie Rehabilitation und hinsichtlich einer Pflegezulage.
Der Beschwerdeführer wurde am 10. Oktober 1963 im Alter von vier Jahren in die Obhut der Kinderübernahmestelle der Stadt Wien überstellt, war ab 30. Oktober 1963 bei Pflegeeltern, ab 31. März 1964 wieder bei der Kinderübernahmestelle der Stadt. Von 6. Juli 1964 bis 8. September 1965 war er im Kinderheim der Schwestern XXXX in XXXX und von 8. September 1965 bis 23. August 1967 im Kinderheim desselben Ordens in XXXX untergebracht. Ab 23. August 1967 war er im Julius Tandler-Heim in Wien und von 13. November 1967 bis 29. Juni 1974 im Kinderheim Hütteldorf untergebracht.
Der Beschwerdeführer hat eine Lehre als Gärtner abgeschlossen. Nach kurzen Tätigkeiten als Arbeiter und Absolvierung des Zivildienstes begann er im Jahr 1981 bei der österreichischen Post AG als Angestellter zu arbeiten und ist dort seit dem Jahr 1987 bis heute in der Einstufung "C" als Beamter tätig.
Der Beschwerdeführer leidet aktuell an einer anhaltenden Persönlichkeitsveränderung nach posttraumatischer Belastungsstörung. Diese ist unheilbar.
Während des Heimaufenthalts im Heim der Schwestern XXXX in XXXX wurde der Beschwerdeführer Opfer von physischer und psychischer Gewalt (Ohrfeigen und Schlägen auf das Gesäß, "Verdrehen" der Finger sowie Arme, Ziehen sowie Reißen an den Haaren bzw. den Ohren, "Umdrehen" der Nase und Kopfnüsse, physische Bestrafungen (stundenlanges "Eckenstehen" und Schreibstrafen) durch Schwestern bzw. Erzieherinnen, Zwang, das eigene Erbrochene zu essen, heftigen Beschimpfungen bzw. Demütigungen durch die übrigen Zöglinge sowie die Schwestern bzw. Erzieherinnen).
Während des Heimaufenthalts im Kinderheim XXXX wurde der Beschwerdeführer ab dem Besuch der vierten Volksschulklasse Opfer von physischer und psychischer Gewalt (Ohrfeigen; teils massive Schläge mit Rute, Holzprügel, Plastikschlauch oder bloßen Händen regelmäßig durch einen namentlich genannten Erzieher ca. einmal im Monat zwischen September 1971 und Juni 1974 und konkret einmalig durch den Sonderschullehrer in der ersten Sonderschulklasse im September 1970; psychischen Demütigungen bzw. unangemessenen Strafen (Waschen von verdreckter Unterhose vor Gruppe mit der bloßen Hand;
stundenlanges Stehen ohne Schuhe auf kaltem Steinboden;
stundenlanges Stiegen steigen; Schreibstrafen; 150 Kniebeugen).
Der Beschwerdeführer erlitt in beiden Heimen durch eine - mit mehr als sechsmonatiger Freiheitsstrafe bedrohte - rechtswidrige und vorsätzliche Handlung eine schwere Körperverletzung bzw. Gesundheitsschädigung.
Der im Clearingbericht beschriebene sexuelle Missbrauch durch Mitzöglinge im Alter von ca. 14 Jahre (Zwang zum Zuschauen beim Onanieren anderer im Heim aufhältiger Zöglinge; Befriedigung anderer im Heim aufhältiger Zöglinge mit der Hand) im Kinderheim XXXX kann nicht mit der für das Verbrechensopfergesetz erforderlichen Wahrscheinlichkeit festgestellt werden.
Die Misshandlungserlebnisse in den Kinderheimen haben als wesentliche Ursache zum derzeitigen psychiatrischen Leidenszustand beigetragen.
Der Antrag auf Gewährung von Hilfeleistungen nach dem Verbrechensopfergesetz in Form von Ersatz des Verdienstentganges, Gewährung von Heilfürsorge hinsichtlich der Kostenübernahme für Arztbesuche, psychotherapeutische Krankenbehandlung sowie Rehabilitation und hinsichtlich einer Pflegezulage ist am 19.01.2015 bei der belangten Behörde eingelangt.
1.) Eine psychotherapeutische Krankenbehandlung ist beim Beschwerdeführer verbrechensbedingt notwendig und für die Dauer der verbrechenskausalen Notwendigkeit, mindestens jedoch 100 Stunden zu gewähren.
Die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung von Hilfeleistungen nach dem Verbrechensopfergesetz in Form von psychotherapeutischer Krankenbehandlung ab 01.02.2015 (Antragsfolgemonat) liegen dem Grunde nach vor.
2.) Heilfürsorge (ärztliche Hilfe) in Form von Ersatz der gesetz- und satzungsmäßigen Kostenbeteiligungen einschließlich Rezeptgebühren ist beim Beschwerdeführer verbrechensbedingt notwendig zu gewähren.
Die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung von Hilfeleistungen nach dem Verbrechensopfergesetz in Form von Ersatz der gesetz- und satzungsmäßigen Kostenbeteiligungen einschließlich Rezeptgebühren ab 01.02.2015 (Antragsfolgemonat) liegen dem Grunde nach vor.
3.) Es kann nicht festgestellt werden, dass ohne die oben festgestellten Verbrechen der Beschwerdeführer mit Wahrscheinlichkeit die Matura abgelegt hätte und in weiterer Folge der berufliche Werdegang so verlaufen wäre, dass er als Beamter mit der Einstufung "B" bei der Post AG tätig wäre. Dem Beschwerdeführer ist ab 01.02.2015 (Antragsfolgemonat) kein verbrechenskausaler Verdienstentgang entstanden. Ein verbrechenskausaler Verdienstentgang kann mit erforderlicher Wahrscheinlichkeit nicht festgestellt werden.
4.) Der Beschwerdeführer ist aktuell berufstätig und voll arbeitsfähig.
5.) Der Beschwerdeführer ist nicht hilflos.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellung zur Staatsbürgerschaft des Beschwerdeführers gründet sich auf der Eintragung in das Zentrale Melderegister.
Aufgrund der vorliegenden Beweismittel und des Aktes sowie insbesondere aufgrund des Verhandlungsergebnisses der belangten Behörde ist das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt im Rahmen der freien Beweiswürdigung ein ausreichendes Bild zu machen. Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess, der den Regeln der Logik zu folgen hat und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76).
Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens,
5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305, führen beispielsweise in Zitierung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 29.02.1987, Zahl 13 Os 17/87, aus: "Die aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnene freie Überzeugung der Tatrichter wird durch eine hypothetisch denkbare andere Geschehensvariante nicht ausgeschlossen. Muss doch dort, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden einer Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung nicht zugänglich ist, dem Richter ein empirisch-historischer Beweis genügen. Im gedanklichen Bereich der Empirie vermag daher eine höchste, ja auch eine (nur) hohe Wahrscheinlichkeit die Überzeugung von der Richtigkeit der wahrscheinlichen Tatsache zu begründen, (...)".
Der Beschwerdeführer behauptet im Heim der Schwestern XXXX in XXXX und im Kinderheim XXXX körperlichen und psychischen Misshandlungen ausgesetzt gewesen zu sein. Dieses Vorbringen wurde bereits von der belangten Behörde als glaubwürdig festgestellt, zumal insbesondere von anderen Zöglingen der Heime Ähnliches vorgebracht wurde, und wird auch vom BVwG der Entscheidung zu Grunde gelegt.
Der erkennende Senat schließt sich ebenfalls den Ausführungen der belangten Behörde an, dass der sexuelle Missbrauch durch Mitzöglinge im Alter von ca. 14 Jahre im Kinderheim XXXX nicht mit der für das Verbrechensopfergesetz erforderlichen Wahrscheinlichkeit festgestellt werden könne, dies insbesondere weil der Beschwerdeführer bei der begutachtenden Fachärztin für Psychiatrie - die insbesondere hinsichtlich dieser Thematik in Verfahren nach dem VOG sensibilisiert ist - angegeben hatte, dass er keinen sexuellen Missbrauch erlebt hätte, da er "nicht fesch genug" gewesen sei.
Der Vollständigkeit halber ist jedoch darauf hinzuweisen, dass - hätte der sexuelle Missbrauch tatsächlich stattgefunden - diese Feststellung zu keinem anderen inhaltlichen Ergebnis geführt hätte.
Die Feststellungen zum aktuellen Gesundheitszustand des Beschwerdeführers (anhaltenden Persönlichkeitsveränderung nach posttraumatischer Belastungsstörung) gründen sich auf das vom BVwG eingeholten psychiatrischen Gutachten vom 29.05.2018.
Ad 1.) und 2.) Die Feststellungen, dass die Gewährung von psychotherapeutischer Krankenbehandlung verbrechensbedingt notwendig und in einem Ausmaß von mindestens 100 Stunden zu gewähren ist, gründen sich ebenfalls auf das unter I. wiedergegebene psychiatrische Gutachten, wonach eine Psychotherapie ist notwendig, um eine gewisse Distanzierung von den erlebten Traumata zu erreichen und Herrn XXXX fähig zu machen, das Erlebte als einen Teil seines Lebens zu integrieren und sich nicht nur als "Opfer" zu sehen. Die Feststellung, dass ärztliche Hilfe notwendig ist, ergibt sich aus der Vollkausalität der festgestellten Gesundheitsschädigung durch die Misshandlungen. Laut Gutachten ist diese Gesundheitsschädigung auch nicht heilbar.
Ad 3.) Die Feststellungen, dass mit Wahrscheinlichkeit nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer ohne die festgestellten Verbrechen die Matura abgelegt hätte, gründen sich ebenfalls auf das unter I. zitierte psychiatrische Gutachten, in dem nachvollziehbar ausgeführt wird, dass nicht mit Sicherheit bejaht oder verneint werden kann, ob der Beschwerdeführer die Matura ohne traumatische "Heimkarriere" geschafft hätte, da der berufsbegleitende Besuch einer Maturaschule auch für psychisch nicht belastete Menschen schwer sei.
Wenn nunmehr vom Vertreter eingewendet wird, dass der Beschwerdeführer die intellektuellen Voraussetzungen für die Absolvierung der Matura hätte, sein Selbstbild aber durch die Taten so beeinträchtigt gewesen wäre, so dass er die Matura nicht gewagt hätte und in weiterer Folge keinen seiner Fähigkeiten entsprechenden Beruf ergreifen hätte können, so ist dem entgegenzuhalten, dass es sich dabei ausschließlich um Spekulationen handelt. Wenn auch grundsätzlich nachvollziehbar ist, dass das Vorliegen eines bestimmten intellektuellen Niveaus und eines entsprechenden Selbstvertrauens für das Erreichen eines höheren Bildungsgrades von Vorteil sind, so bedarf es doch auch einiger anderer Faktoren wie Fleiß, Durchhaltevermögen, Interesse... um dieses Ziel zu erreichen.
Für die Begründung eines Anspruches auf Leistungen nach dem VOG ist die Wahrscheinlichkeit, dagegen nicht die bloße Möglichkeit einer Verursachung der Gewissheit gleichgestellt. Die Wahrscheinlichkeit ist nur dann gegeben, wenn erheblich mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang bzw. das Vorliegen der Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 spricht.
Aufgrund des eingeholten nachvollziehbaren schlüssigen Gutachtens geht der erkennende Senat nicht davon aus, dass erheblich mehr dafür spricht, dass der Beschwerdeführer ohne die erfolgten Misshandlungen die Matura absolviert hätte, als dagegen.
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sind die Folgen der objektiven Beweislosigkeit oder des Nichtfestgestelltseins einer Tatsache aber - auch bei amtswegiger Ermittlungspflicht - von dem zu tragen, der aus dieser Tatsache ein Recht herleiten will.
Ad 4. - 5.) Die Feststellung gründen sich ebenfalls auf das eingeholte Gutachten und die Aktenlage.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 9d Abs.1 VOG entscheidet über Beschwerden gegen Bescheide nach diesem Bundesgesetz das Bundesverwaltungsgericht durch einen Senat, dem ein fachkundiger Laienrichter angehört. Es liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Zu A)
Tatbestandsvoraussetzung des § 1 Abs. 1 Z 1 VOG ist zunächst das wahrscheinliche Vorliegen einer mit einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohten rechtswidrigen und vorsätzlichen Handlung, durch die wahrscheinlich eine Körperverletzung oder eine Gesundheitsschädigung erlitten wurde, sowie - soweit im gegenständlichen Fall betreffend den Antrag auf Ersatz des Verdienstentganges relevant - weiters gemäß § 1 Abs. 3 VOG, dass dadurch die Erwerbsfähigkeit mindestens sechs Monate gemindert ist oder eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs. 1 StGB, BGBl. Nr. 60/1974) bewirkt wurde.
Gemäß § 1 Abs. 2 Z. 2 des VOG ist Hilfe ist auch dann zu leisten, wenn die strafgerichtliche Verfolgung des Täters wegen seines Todes, wegen Verjährung oder aus einem anderen Grund unzulässig ist.
Gemäß § 10 Abs. 1 VOG dürfen Leistungen nach § 2 nur von dem Monat an erbracht werden, in dem die Voraussetzungen hiefür erfüllt sind, sofern der Antrag binnen zwei Jahren nach der Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung (§ 1 Abs. 1) bzw. nach dem Tod des Opfers (§ 1 Abs. 4) gestellt wird. Wird ein Antrag erst nach Ablauf dieser Frist gestellt, so sind die Leistungen nach § 2 Z 1, 2, 3 bis 7 und 9 mit Beginn des auf den Antrag folgenden Monates zu erbringen. Bei erstmaliger Zuerkennung von Ersatz des Verdienst- und Unterhaltsentganges ist von Amts wegen auch darüber zu entscheiden, ob und in welcher Höhe eine einkommensabhängige Zusatzleistung zu gewähren ist. Anträge auf Leistungen gemäß § 4 Abs. 5 unterliegen keiner Frist.
Gemäß § 10 Abs. 2 VOG endet die Hilfeleistung, wenn sich die für die Hilfeleistung maßgebenden Umstände ändern, nachträglich ein Ausschließungsgrund (§ 8) eintritt oder nachträglich hervorkommt, dass die Voraussetzungen für eine Hilfeleistung nicht gegeben sind.
Ad 1. und 2.) Heilfürsorge:
Gemäß § 2 Z. 2 ist als Hilfeleistung Heilfürsorge vorgesehen.
Gemäß § 4 Abs. 1 VOG ist Hilfe nach § 2 Z 2 ist nur für Körperverletzungen und Gesundheitsschädigungen im Sinne des § 1 Abs. 1 zu leisten. Opfer, die infolge einer Handlung im Sinne des § 1 Abs. 1 eine zumutbare Beschäftigung, die den krankenversicherungsrechtlichen Schutz gewährleistet, nicht mehr ausüben können, sowie Hinterbliebene (§ 1 Abs. 4) erhalten Heilfürsorge bei jeder Gesundheitsstörung.
Gemäß § 4 Abs. 2 VOG hat die Hilfe nach § 2 Z 2
1. wenn das Opfer oder der Hinterbliebene einer gesetzlichen Krankenversicherung unterliegt, freiwillig krankenversichert ist oder ein Anspruch auf Leistungen der Krankenversicherung besteht, der zuständige Träger der Krankenversicherung,
2. sonst die örtlich zuständige Gebietskrankenkasse zu erbringen. Die im § 2 Z 2 angeführten Leistungen gebühren in dem Umfang, in dem sie einem bei der örtlich zuständigen Gebietskrankenkasse Pflichtversicherten auf Grund des Gesetzes und der Satzung zustehen.
Für Schädigungen im Sinne des § 1 Abs. 1 zu entrichtende gesetz- und satzungsmäßige Kostenbeteiligungen einschließlich Rezeptgebühren sind nach diesem Bundesgesetz zu übernehmen.
Gemäß § 4 Abs. 2a VOG ist eine Übernahme von Kosten nach Abs. 2 letzter Satz bis zu einem Rechnungsbetrag von 100 Euro pro Antragsteller in voller Höhe möglich, sofern der ursächliche Zusammenhang mit der Schädigung glaubhaft ist.
Gemäß § 4 Abs. 3 ersetzt der Bund einem im Abs. 2 Z 2 genannten Träger der Krankenversicherung die entstandenen Kosten, einem im Abs. 2 Z 1 genannten Träger der Krankenversicherung die Kosten, die über den ihnen erwachsenden Kosten liegen, hätten sie die Leistungen auf Grund eines anderen Bundesgesetzes und der Satzung zu erbringen gehabt. Ferner ersetzt der Bund den Trägern der Krankenversicherung einen entsprechenden Anteil an den Verwaltungskosten.
Gemäß § 4 Abs. 4 sind Opfer oder Hinterbliebenen, die die Kosten der Heilfürsorge selbst getragen haben, diese Kosten in der Höhe zu ersetzen, die dem Bund erwachsen wären, wenn die Heilfürsorge durch de