TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/19 W166 2005225-1

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Veröffentlicht am 19.09.2018
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Entscheidungsdatum

19.09.2018

Norm

B-VG Art.133 Abs4
VOG §1
VOG §2
VOG §3
VOG §4
VOG §5

Spruch

W166 2005225-1/46E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Carmen LOIBNER-PERGER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Ivona GRUBESIC sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Michael SVOBODA als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien, vom XXXX, Zl. XXXX, betreffend die Abweisung des Antrages auf Gewährung von Hilfeleistungen nach dem Verbrechensopfergesetz, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer brachte am 29.10.2012 einen Antrag auf Gewährung von Hilfeleistungen nach dem Verbrechensopfergesetz in Form des Ersatzes des Verdienstentganges, der Heilfürsorge in Form von psychotherapeutischer Krankenbehandlung und Selbstbehalten, orthopädischer Versorgung in Form von Zahnersatz und Ersatz von Sachschäden beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien (im Folgenden: belangte Behörde), ein.

Der Beschwerdeführer begründete den Antrag mit Verbrechen, die er im Rahmen von zwölf Jahren staatlicher Heimerziehung in verschiedenen Heimen (XXXX, XXXX, XXXX, XXXX, XXXX XXXX) ab dem Jahr 1972 erlitten habe.

Die schädigenden Ereignisse hätten beim Beschwerdeführer zu Traumatisierung durch Gewalt, sexuellen Missbrauch und Zahnbehandlungen, zu Arthrose durch Fußballspielen am Betonplatz, zu Traumatisierungen durch die Justiz und Polizei in den Jahren 2008 bis 2012 sowie zu körperlichem Zucken bei Entspannung oder vor dem Einschlafen geführt.

Mit dem Antrag legte der Beschwerdeführer in Kopie einen psychologischen Testbefund vom 22.07.2017, diverse Honorarnoten, Heilkostenpläne und Zahlscheine über zahnärztliche Leistungen aus den Jahren 2007, 2009 und 2012, diverse gerichtliche Unterlagen, sowie Auszüge aus Heim- und Fürsorgeakten vor.

Den Heim- bzw. Fürsorgeakten ist im Wesentlichen und zusammengefasst zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer schlussendlich in Heimerziehung gekommen sei, weil seine Mutter sich nicht ausreichend um ihn gekümmert habe, und sein Vater sowie seine Großeltern hätten sehr oft und viel Alkohol getrunken, und hätten auch keine verantwortungsvolle Beaufsichtigung des Beschwerdeführers übernehmen können. Der Beschwerdeführer sei auch immer wieder von seinem Vater und seinen Großeltern in Gasthäuser mitgenommen worden. Die Eltern des Beschwerdeführers hätten sich scheiden lassen, und die Mutter sei dann mit ihrem Lebensgefährten zusammengezogen. Da sie mit dem Kind nicht mehr zurechtgekommen sei, und der Lebensgefährte ihn auch nicht mehr haben hätte wollen, habe ihn die Mutter ins Heim gegeben. Der Lebensgefährte der Mutter habe den Beschwerdeführer geschlagen, nach Angaben der Mutter, die einem Bericht des Jugendamtes aus dem Jahr 1975 zu entnehmen sind, sei der Beschwerdeführer "nicht über das Maß gezüchtigt worden."

In einer ergänzenden niederschriftlichen Einvernahme zu seinem gegenständlichen Antrag führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, durch die Heimaufenthalte sei er Opfer von faschistischen Methoden geworden, wie sie in den Historikerberichten erwähnt würden, und habe von Prügel bis hin zum sexuellen Missbrauch alles erleben müssen, was eine Napolaerziehung so bereitgestellt habe. Die Zahnbehandlung in den Heimen habe zu Traumatisierung und Schäden geführt. Der Beschwerdeführer sei immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt bekommen, und habe keinen festen Halt in der Arbeitswelt finden können. Auf Grund einer radikalen Lebensveränderung nach einer Inhaftierung, habe der Beschwerdeführer im zweiten Bildungsweg eine Ausbildung zum Restaurantfachmann gemacht und diese auch abgeschlossen. Sein Fortkommen sei durch die Justiz und den Staat torpediert worden, als er um ein Leumundszeugnis angesucht habe, da er sich als Heimkind der Verbrechen des Diebstahls und Einbruchs schuldig gemacht habe. Der Beschwerdeführer sei gerne bereit diverse Gutachten erstellen zu lassen, sofern das Bundessozialamt die Kosten übernehme und er freie Arztwahl habe, da er den staatlichen Gutachtern nicht vertraue.

Mit Schreiben der belangten Behörde vom 04.12.2012 wurde der Beschwerdeführer aufgefordert ein Schreiben über an ihn geleistete Entschädigungszahlungen vorzulegen.

Der Beschwerdeführer legte ein Schreiben des "Weissen Ring" vom Dezember 2011 vor, wonach ihm als Opfer von Gewalt in Heimen eine Entschädigung in der Höhe von Euro 25.000,- sowie die Kostenübernahme für 80 Therapiestunden zugesprochen wurde.

Von der belangten Behörde wurde der Clearingbericht angefordert und vorgelegt.

Dem Clearingbricht aus dem Jahr 2010 ist zusammengefasst zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer im Alter von zehn Jahren auf Grund von Alkoholproblemen seiner Mutter und des Umstandes, dass er vom Stiefvater geschlagen worden sei, ins Heim gekommen sei. Er sei in den Heimen XXXX, XXXX, XXXX und XXXX untergebracht gewesen. Der Beschwerdeführer hat angegeben, über die Heime "XXXX" und "XXXX" nichts Schlechtes sagen zu können, die Heimaufenthalte seien in Ordnung gewesen. Es gehe nicht um den Umstand, dass "man eine Tachtel bekomme, wenn man sich deppert aufführe, und selbst an das könne er sich dort nicht erinnern." Im Heim "XXXX" sei es anders gewesen, da sei er durch Erzieher, Lehrer und den Direktor geschlagen worden. Er habe Ohrfeigen bekommen, sei gegen die Wand gestoßen worden, habe knien oder Liegestütze machen müssen und von einem älteren Mitzögling sei er zur Durchführung von Oralsex gezwungen worden. Der Beschwerdeführer sei dann freiwillig ins Lehrlingsheim XXXX übersiedelt. Dort habe er 2/3 seines Lehrlingsgehalts abgeben müssen und sei mit der Justiz "angestreift". Der Beschwerdeführer habe auf Grund seines Rufes als Heimkind und seines Strafregisterauszuges keinen Job bekommen. Der Beschwerdeführer sei 30 Jahre vom Staat schlecht behandelt worden, sei chronisch krank, und es gehe ihm um Entschuldigung und Wiedergutmachung.

In einem Schreiben vom 17.01.2013 teilte der Beschwerdeführer der belangten Behörde mit, dass er es ablehne einen Psychiater aufzusuchen, da es ihn immer wieder "aufwühle" über seine Kindheitserinnerungen zu reden. Außerdem hätte es keine Soforthilfe gegeben, sondern er wäre auf eine Warteliste gesetzt worden. Überdies wäre die einzige zu erwartende Maßnahme eine Medikation mit Psychopharmaka gewesen.

Seitens der belangten Behörde wurde ein nervenfachärztliches Aktengutachten einer Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie vom 27.06.2013 eingeholt, in welchem im Wesentlichen Nachfolgendes ausgeführt wurde:

"(...) Zusammenfassung:

XXXX wurde am XXXX geboren und befand sich von Geburt an bis zum XXXX bei seinen Eltern. Zu diesem Zeitpunkt sei es zur Trennung der Eltern gekommen. Robert habe seinen Aufenthalt häufig zwischen Vater, Großmutter väterlicherseits, Großmutter mütterlicherseits und Mutter, unterbrochen von mehrmaligen Heimaufenthalten, gewechselt, bis er im Juni 1975 endgültig in einem Heim untergebracht werden musste. Der Vater sei aber damit nicht einverstanden gewesen und es wurde gerichtliche Erziehungshilfe angeordnet. Von 1975 bis 1980 habe sich Robert im Kinderheim XXXX befunden. Dann sei er ins Lehrlingsheim XXXX gekommen. Mit der Mutter habe er Kontakt gehabt, aber es habe größere Meinungsverschiedenheiten gegeben. Es folgten mehrere Lehrstellen, insgesamt davon 1 1/2 Jahre als Maler und Anstreicher. 1982 sei er wegen verschiedener Delikte in Untersuchungshaft gekommen, vom 6.10.1982 an, aus welcher er dann überraschend am 21.3.1983 entlassen worden war. Vom Lehrlingsheim

XXXX sei er dann ins Lehrlingsheim XXXX gekommen. Beruflich habe er die Lehre als Maler und Anstreicher nicht abgeschlossen. Dann habe er in Restaurants, als Barkeeper und Sommelier gearbeitet. Weiters verschiedene Tätigkeiten. Auch bei einer Security-Firma sei er gewesen. Auch bei der Fremdenlegion habe er Ausbildungen gemacht. Sei 2 Mal aus geringer Höhe aus einem Hubschrauber gefallen. Sei seit etwa 2000 arbeitslos und leben von Notstandshilfe.

Die leibliche Mutter hätte Alkoholprobleme gehabt, der Stiefvater sei ein schlagender, ebenfalls häufig alkoholisierter Vater gewesen. Über die verschiedenen Heime könne XXXX nichts Schlechtes sagen. Obwohl er laut Akt aus den diversen Heimen 11 Mal entwichen sei. Erst als er in das Heim "XXXX" gekommen sei, "habe sich die Welt begonnen, sich anders zu drehen. Es sei wie im KZ gewesen." Dort sei er traumatisiert worden durch Schläge, Strafen, sadistische Strafen, Demütigungen, sexuelle Übergriffigkeiten und Zwang, sexuelle Handlungen einerseits über sich ergehen lassen zu müssen, andererseits ausüben zu müssen. Robert meint, sein berufliches Leben sei durch das Stigma "Heimkind" schwer beeinträchtigt worden.

Sonstige Erkrankungen:

Meniskusschaden rechts (Teilentfernung)

Wirbesäulenfehlhaltung

Degenerative Beschwerden seitens des Bewegungsapparates

Beckenschiefstand rechts mit Hüftgelenksabnützung

Handgelenksabnützung beidseits

Hypercholesterinämie

Gonarthrose beidseits

Therapien: Vorgeschlagen seien oftmals sowohl medikamentöse als auch psychotherapeutische Therapien laut Akt, aber mangels Vertrauen in Ärzte und Therapeuten ist nie eine längerdauernde Therapie dokumentiert.

Fragestellungen:

1. Welche Gesundheitsschädigungen liegen beim AW vor?

2. Welche der bestehenden Gesundheitsschädigungen sind akausal?

3. Welche der festgestellten Gesundheitsschädigungen sind mit Wahrscheinlichkeit auf die Misshandlungen und den Missbrauch während der Heimaufenthalte zurückzuführen?

4. Falls die Verbrechen nicht alleinige Ursache sind wird um Beurteilung ersucht, ob die Verbrechen als wesentliche Ursache zum derzeitigen Leidenszustand beigetragen haben.

5. Falls die Kausalität verneint wird, wird um Stellungnahme ersucht, worauf der festgestellte Leidenszustand zurückzuführen ist.

6. Falls die Kausalität bejahrt wird, wird um Stellungnahme ersucht, ob das festgestellte verbrechenskausale Leiden, a) eine adäquate Folge des Verbrechens ist, b) einer psychotherapeutischen Behandlung bedarf, c) den beruflichen Werdegang beeinflusst hat?

7. Beurteilung der Zahnbehandlungen.

Beantwortung der Fragen:

1. Mit größter Wahrscheinlichkeit leidet Herr XXXX an einer gemischten Persönlichkeitsstörung. (ICD 10 F 60.9) diese wird auch als Charakterneurose beziehungsweise pathologische Persönlichkeit bezeichnet.

2. Diese Persönlichkeitsstörung wird als akausal angesehen, bestand doch schon vor den durchgängigen Heimaufenthalten ein pathologisches familiäres Umfeld mit alkoholkranken Eltern und Interventionen des Jugendamtes.

3. Dass die Heimaufenthalte und die dort erlittenen Traumata nicht zu einer Besserung der Persönlichkeit beigetragen haben, ist evident. Aber da die Persönlichkeitsstörung als vorbestehend angesehen wird und ein Mensch mit 10 Jahren in seiner Kernpersönlichkeit schon weitgehend die Grundlagen für seine spätere weitere Charakter- und Verhaltensweisen aufweist, haben die Heimaufenthalte die Persönlichkeitsstörung sicher verschärft, aber nicht überwiegend verursacht.

4. Die Heimaufenthalte haben nicht als wesentliche und nicht zu überwiegendem Teil zum jetzigen Leidenszustand beigetragen.

5. Der festgestellte Leidenszustand, nämlich die gemischte Persönlichkeitsstörung, ist definitionsgemäß ein pränatales, konstitutionell bedingtes Leiden, das meist schon im Kindesalter bemerkbar wird und sich im Laufe des Lebens und der Adoleszenz verstärkt.

6. Es wird zwar die Kausalität verneint, aber die Verschärfung des Leidens durch das Verbrechen ist

a) eine verständliche und nachvollziehbare Folge des Verbrechens, man könnte auch sagen eine "mögliche" Folge des Verbrechens, aber keine zwingend notwendige Folge. (Nicht jeder Mensch mit einer gleichartigen Erfahrung weist dieselben biografischen Verläufe auf.)

b) würde von einer psychotherapeutischen Behandlung profitieren

c) hat den beruflichen Werdegang sicherlich beeinflusst, aber nicht zum überwiegenden. Durchgängiger Berufsverlauf möglich gewesen.

7. Diese Frage muss vom zahnärztlichen Gutachter beantwortet werden."

Mit Schreiben vom 06.08.2013 wurde dem Beschwerdeführer von der belangten Behörde im Rahmen des Parteiengehörs die Möglichkeit eingeräumt zum nervenfachärztlichen Gutachten Stellung zu nehmen, und langte eine diesbezügliche Stellungnahme am 19.08.2013 bei der belangten Behörde ein.

Am 20.08.2013 legte der Beschwerdeführer ein Konvolut an Auszügen und Teilen von Berichten betreffend Fluor und deren Verabreichung vor, und gab an, aus diesen Berichten ergäben sich die Folgeschäden, welche er durch die Verabreichung von Fluor seit dem Jahr 1971 erlitten hätte.

Mit Bescheid vom 23.10.2013 hat die belangte Behörde die Anträge des Beschwerdeführers auf Ersatz des Verdienstentganges, der psychotherapeutischen Krankenbehandlung, und auf Zahnersatz abgewiesen. Dem Bescheid wurden die Ergebnisse des nervenfachärztlichen Gutachtens zu Grunde gelegt, wonach der Beschwerdeführer an einer gemischten Persönlichkeitsstörung leide, welche nicht kausal auf die Gewalt- und Missbrauchserlebnisse im Heim zurückzuführen sei.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Berufung (=nunmehr Beschwerde) und legte als Beweismittel ein ärztliches Gutachten der PVA vom 31.07.2013 und ein fachärztliches Gutachten von Univ. Prof. Dr. XXXX vom 26.11.2013 vor.

Zur Beurteilung der vorgelegten Beweismittel wurde von der belangten Behörde ein ergänzendes nervenfachärztliches Gutachten der bereits befassten Fachärztin vom 07.02.2014 eingeholt, in welchem im Wesentliches Nachfolgendes ausgeführt wird:

"Herr XXXX wurde am 27.6.2013 aktenmäßig beurteilt. Die vom Büro des Ärztlichen Dienstes gestellten Fragen wurden im nervenfachärztlichen Gutachten Dr. XXXXbeurteilt. Siehe Aktenblatt (AB) 199-202.

Im Akt liegt nun ein Konvolut von Stellungnahmen und Berichten über Heimaufenthalte von Herrn XXXX vor. (AB 219 bis 434)

Bescheid vom 23.10.2013, AB 435-437, mit Abweisung des Antrags auf Anerkennung des Verdienstentganges.

Neuerliche Schreiben als Berufung von Herrn XXXX an das BSA. (AB 441 bis 475)

Gutachten A.o.Univ.Prof. Dr. XXXX vom 26.11.2013, AB 476 bis 430.

Wegen der neuen Standards zu den Fragestellungen sowie der aufgetretenen Divergenzen wird unter Berücksichtigung des Sachverständigengutachtens der Pensionsversicherungsanstalt vom 18.9.2013 und des Gutachtens von AO. Univ.Prof. Dr. XXXX vom 26.11.2013 ergänzend um Beantwortung und Begründung folgender Fragen ersucht:

1. Sind die im PVA-Gutachten und im Gutachten von Ao.Univ.Prof. Dr. XXXX angeführten psychischen und physischen Beeinträchtigungen (Persönlichkeitsveränderung nach Extremsituation - ICD 10 F 62), Tic-Störung ('CD 10 F 95,9), posttraumatische Belastungsstörung in chronifizierter Form (IC 10 F 43,1) als kausal/akausal einzuschätzen. (Wahrscheinlichkeit des Kausalzusammenhanges bedeutet nach der Judikatur, dass wesentlich mehr für einen Kausalzusammenhang spricht als dagegen.)

2. Liegt bei dem AW derzeit Arbeitsunfähigkeit vor überwiegend aufgrund der kausalen Gesundheitsschädigungen? Vorwiegend aufgrund der akausalen Gesundheitsschädigungen?

3. Hat die kausale Gesundheitsschädigung den beruflichen Werdegang maßgeblich beeinflusst? Das heißt, wäre aus medizinischer Sicht ohne kausale Gesundheitsschädigungen eine kontinuierliche Beschäftigung (normaler Beschäftigungsverlauf) möglich gewesen oder hätten schon allein die akausalen Gesundheitsschädigungen dies verhindert.

Antwort auf die gestellten Fragen:

In der Bitte um Beantwortung und Begründung folgender Fragen werden 2 Sachverständigengutachten erwähnt, jenes der PVA vom 18.9.2013 und jenes von Ao.Univ.Prof. Dr.XXXX vom 26.11.2013.

Es liegen jedoch 2 Gutachten der PVA vor. Im Gutachten der PVA vom 31.7.2013 von Dr. XXXX, Facharzt für Orthopädie, wird als ärztliche Beurteilung der Leistungsfähigkeit folgendes attestiert: "Der Patient karenziert sich seit 11 Jahren aus dem Arbeitsprozess, er streitet mit sämtlichen Ämtern über seine Behinderung. Er ist offensichtlich in einem Heim aufgewachsen, dort traumatisiert worden. Nun versucht er über das Bundessozialamt eine Behinderung, die auf 20 % eingestuft wurde, in seine Kindheit zurück zu datieren, sodass er bereits mit einer Behinderung (20%) in den Arbeitsprozess eingetreten sei. Im beiliegenden Gutachten wird eine Persönlichkeitsstörung mit Unfähigkeit der Integration beschrieben. Eine psychiatrische Begutachtung wird empfohlen. Ob die Angabe zur Berufsausbildung stimmt, kann nicht nachvollzogen werden. Orthopädischerseits sind dem Pensionswerber alle Tätigkeiten gemäß Leistungskalkül zumutbar."

Stellungnahme dazu: Im orthopädischen Gutachten der PVA wird ein "beiliegendes Gutachten" angeführt, in dem von einer Persönlichkeitsstörung mit Unfähigkeit der Integration gesprochen wird. Dieses Gutachten liegt nicht vor, aber es wurde zitiert.

1. Gemäß der neueren Forschung und Beurteilung der Resilienz (Fähigkeit von Menschen, Krisen im Lebenszyklus unter Rückgriff auf persönliche und sozial vermittelte Ressourcen zu meistern und als Anlass für Entwicklung zu nutzen. Aus "Resilienz" von Fröhlich-Gildhoff und Rönnau-Böse, 2. Auflage Ernst Reinhardt Verlag 2011) werden als Risikofaktoren für die weitere Entwicklung der Persönlichkeit verschiedene Merkmale aufgelistet. Unter anderem prä-, peri und postnatale Faktoren, neuropsychologische Defizite, genetische Faktoren, chronische Erkrankungen, schwierige Temperamentsmerkmale, geringe kognitive Fähigkeiten, unsichere Bindungsorganisation, niedriger sozioökonomischer Status, aversives Wohnumfeld, chronische familiäre Dysharmonie, elterliche Trennung und Scheidung. Alkohol-/Drogenmissbrauch der Eltern, psychische Störungen oder Erkrankungen eine beziehungsweise beider Elternteile, Kriminalität der Eltern, Obdachlosigkeit, niedriges Bildungsniveau der Eltern, Abwesenheit eines Elternteils/alleinerziehender Elternteil, Erziehungsdefizite/ungünstige Erziehungspraktiken der Eltern, sehr junge Elternschaft, unerwünschte Schwangerschaft, häufige Umzüge, Schulwechsel, Migrationshintergrund, soziale Isolation der Familie, Verlust eines Geschwisters oder engen Freundes, Geschwister mit einer Behinderung, Lern- oder Verhaltensstörung, mehr als 4 Geschwister, Mobbing, Ablehnung durch Gleichaltrige, außerfamiliäre Unterbringung.

Daraus ergibt sich, dass bei Herrn XXXX bereits vor den Heimaufenthalten und den dort erlebten Traumata zahlreiche Risikofaktoren ausgewirkt haben, die auf die weitere Persönlichkeitsentwicklung einen ungünstigen Einfluss gehabt haben.

Im Gutachten von Ao.Univ.Prof. XXXX werden die Beschreibungen des jungen XXXX in den diversen Jugendamtsakten als "kritisch zu hinterfragen und als eventuell zweifelhaft" angesehen. Warum? Einmal sollen vorliegende Akteninhalte als wahr und glaubwürdig angesehen werden, ein anderes Mal nicht?

Für die endgefertigte Gutachterin steht fest, dass eine Vielzahl von ungünstigen Bedingungen die Entwicklung und das Leben des Herrn XXXX negativ beeinflusst haben. Aber zum überwiegenden Teil eben nicht die Heimerfahrungen. Warum die Heimerfahrungen Schuld daran sein sollen, dass Herr XXXX verschiedene Lehrberufe zu lernen begonnen hat, ohne diese abzuschließen und erst die Restaurantausbildung zu Ende gemacht hat, ist auch nicht nachzuvollziehen.

Es wird und wurde nie bestritten, dass die Heimunterbringung mit all den dort erlebten Schikanen und Traumatisierungen eine äußerst negative Beeinflussung für die Entwicklung des Herrn XXXX dargestellt hat, aber es spricht nach Durchsicht der gesamten aktenmäßig vorliegenden Lebensgeschichte doch mehr dafür, dass die Ursachen dafür mehr in akausalen Umständen zu suchen sind.

2. Ob Arbeitsunfähigkeit vorliegt ist eine Frage, die der Berufskundige Sachverständige zu entscheiden hat. Aus nervenfachärztlicher Sicht besteht Leistungsfähigkeit für Tätigkeiten, mit geringer psychischer Belastung, unter geringem Zeitdruck und mit durchschnittlichem (mäßig schwierigem) geistigen Leistungsvermögen.

Die Einschränkung der Leistungsfähigkeit beruht zum überwiegenden Teil aufgrund akausler Gesundheitsschädigungen.

3. Nein. Erstens hat Herr XXXX nach einigen frustranen Lehrlingsausbildungsversuchen dann doch eine Ausbildung abgeschlossen und auch einige Zeit in seinem erlernten Beruf und auch in anderen Berufen gearbeitet. Wäre er durchgängig, egal in welchem Beruf, dabeigeblieben, hätte sich dies sicher positiv und nicht negativ auf seine berufliche Karriere ausgewirkt."

Die Beschwerde samt dem Verwaltungsakt wurde dem Bundesverwaltungsgericht von der belangten Behörde am 18.03.2014 vorgelegt.

Am 08.07.2015 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Verfahrenshilfe. Über diesen Antrag wurde mit Zl. 2005225-1/44E vom 18.09.2018 entschieden.

Das Bundesverwaltungsgericht hat dem Beschwerdeführer im Rahmen des Parteiengehörs mit Schreiben vom 12.01.2016 das erstinstanzlich eingeholte ergänzende Sachverständigengutachten vom 07.02.2014 zur Stellungnahme vorgelegt.

Dazu hat der Beschwerdeführer eine umfangreiche Stellungnahme eingebracht und das bereits im Verfahren vorgelegte Gutachten von Dr. XXXX vom 26.11.2013 sowie einen ambulanten Patientenbrief von Dr. XXXX vom 22.06.2015 vorgelegt.

Vom Bundesverwaltungsgericht wurde am 17.10.2017 zur Beurteilung der Gesundheitsschädigungen, der Kausalität, der Überprüfung der Einwendungen und der vom Beschwerdeführer vorgelegten Beweismittel die Einholung weiterer fachärztlicher Gutachten, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers, beauftragt.

In dem Sachverständigengutachten eines Facharztes für Psychiatrie und Neurologie vom 20.04.2018 wird Nachfolgendes ausgeführt:

"Wohnsituation: Herr XXXX bewohnt eine Gemeindebauwohnung mit 37 m2 im 6. Stock ohne Lift.

Lebt zusammen mit: lebt alleine;

Erlernter Beruf: Im 2. Bildungsweg Restaurantfachmann zuletzt als Veranstaltungstechniker in der EDV bis in etwa 2000 gearbeitet.

Pension: Seit 2013.

Familienstand/Kinder: Geschieden seit Ende der 80er Jahre, keine Kinder, eine Fern-Beziehung in Tirol wird angegeben.

Führerschein: A+B, er ist mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zur Untersuchung gekommen.

Bundesheer: Untauglich.

Monatliches Einkommen: € 1.600,--

Schulden: ca. € 17.000,- laut eigenen Angaben nach Klage der Stadt Wien.

Vorstrafen: Werden Verneint (diesbezüglich siehe Akt)

Nervenfachärztliche Behandlung: Keine nervenfachärztliche Behandlung.

Psychotherapie: Bei Hr. Mag. XXXX seit einem % Jahr, Abstände fallweise größer.

Medikamentöse Therapie: Alprazolam und Trittico bei Bedarf.

KG/KGW: 173 cm, 89 kg Alkohol: Wenig. Nikotin: Ca. 1 Schachtel pro Tag.

An Hobbies werden angegeben: Süsswasseraquarium, sowie Spazieren nur in der Nacht.

Auf die Frage "Was beeinträchtigt Sie am meisten?" wird sinngemäß geantwortet:

Die Tic- Störung, die sich bei Untersuchungen und anderen Belastungen (zu viele Leute, zu laut) verstärken würde.

Auf die Frage "Was war die beste Zeit in ihrem Leben?" wird angegeben: "Wie ich die Ausbildung gemacht habe und den Führerschein!"

Gesamteindruck:

Herr XXXX erscheint ordentlich, der Witterung entsprechend gekleidet, ohne Zuhilfenahme von Stock oder Krücke in Begleitung von Herrn Mag. XXXX zur Untersuchung. Während zu Beginn der Untersuchung nur einzelne Zuckungen auffallen, so steigern sich die motorischen Entäußerungen im Laufe des Gespräches zusehends.

53-jähriger Pat. in etwas herabgesetztem AZ und leicht adipösem EZ, die Auskunftsbereitschaft gegeben, Fragen werden ohne wesentliche Umschweife beantwortet, die Sprache und Ausdrucksweise einfach; im Rahmen der Untersuchung befragt, ob die Bewegungsstörung fachärztlich begutachtet worden wäre, wird geantwortet (sinngemäß):

In den Heimen habe man mit dem Spiegelgrund gedroht, daher sei das Aufsuchen eines Psychiaters oder eines anderen Nervenarztes nicht möglich gewesen.

Psychiatrischer Status:

Bewusstsein: wach, gut kontaktierbar, allseits orientiert; Im Duktus kohärent und zielgerichtet, keine formale oder inhaltliche Denkstörung; Hinweise auf eine paranoide Realitätsverarbeitung;

Merkfähigkeit, Konzentration und Gedächtnisleistung:

unbeeinträchtigt; Stimmungslage: neutral; Affekt: überschießend, die Affizierbarkeit vorwiegend im negativen Skalenbereich, teilweise reizbar imponierend; die Psychomotorik soweit im Rahmen der motorischen Entäußerungen beurteilbar - angepasst; Biorhythmus:

kombinierte Einschlaf- und Durchschlafstörung fallweise; Wahn: kein Hinweis auf produktive Symptomatik; keine suizidale Einengung.

Diagnose: Kombinierte Persönlichkeitsstörung (paranoid, dissozial), Tic-Störung;

Stellungnahme:

1) Medizinisch exakte Bezeichnung der festgestellten -

Psychiatrischen Gesundheitsschädigungen:

Falls klar voneinander trennbare psychiatrische Krankheitsbilder vorliegen ist dies unter Punkt 2 und 3 entsprechend zu berücksichtigen.

Herr XXXX wurde am 1.4.2018 untersucht und dabei eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit paranoiden und dissozialen Anteilen diagnostiziert.

Eine paranoide Persönlichkeitsstörung ist gekennzeichnet mit übertriebener Empfindlichkeit gegenüber Zurückweisung, Nachtragen von Kränkungen, durch Misstrauen, sowie eine Neigung, Erlebtes zu verdrehen, indem neutrale oder freundliche Handlungen anderer als feindlich oder verächtlich missgedeutet werden, schließlich streitsüchtiges und beharrliches Bestehen auf eigenen Rechten kennzeichnet eine paranoide Persönlichkeitsstörung, während wiederum Missachtung sozialer Verpflichtungen und Normen, niedrige Schwelle für aggressives und gewalttätiges Verhalten, eine Neigung, andere zu beschuldigen oder vordergründige Rationalisierungen für das Verhalten anzubieten hinweisend auf eine dissoziale Persönlichkeitsstörung sind.

Hinweise auf das Vorliegen einer Depression finden sich nicht.

(Auf die beschriebene Tic-Störung im Grenzbereich zwischen Neurologie und Psychiatrie soll nicht weiter eingegangen werden.)

Hauptsymptome der Persönlichkeitsstörungen nach ICD 10 sind:

Deutliche Unausgeglichenheit in den Einstellungen und im Verhalten in mehreren Funktionsbereichen wie Affektivität, Antrieb, Impulskontrolle, Wahrnehmen und Denke sowie in den Beziehungen zu anderen.

Das auffällige Verhaltensmuster ist andauernd und gleichförmig und nicht auf Episoden psychischer Krankheit begrenzt.

Das auffällige Verhaltensmuster ist tiefgreifend und in vielen persönlichen und sozialen Situationen eindeutig unpassend.

Die Störungen beginnen immer in der Kindheit oder Jugend und manifestieren sich auf Dauer im Erwachsenenalter.

Die Störung führt zu deutlichen subjektiven Leiden, manchmal jedoch erst im späteren Verlauf.

Die Störung ist meistens mit deutlichen Einschränkungen der beruflichen und sozialen Leistungsfähigkeit verbunden.

(aus R. Haller, Das psychiatrische Gutachten, 2. Auflage, Seite 136, 2008)

Grundsätzliche Anmerkungen zur den in diversen Gutachten gestellten Diagnosen Posttrau matische Belastungsreaktion (F42.1), Andauernde Persönlichkeitsänderungen, nicht Folge einer Schädigung oder Krankheit des Gehirns (F62) und Andauernde Persönlichkeitsveränderung nach Extrembelastung {F62.O):

Posttraumatische Belastungsreaktion (ICD 10 F43.1): Diese entsteht als eine verzögerte oder protrahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer

Dauer, mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde. Prädisponierende Faktoren wie bestimmte, z.B. zwanghafte oder asthenische Persönlichkeitszüge oder neurotische Krankheiten in der Vorgeschichte können die Schwelle für die Entwicklung dieses Syndroms senken und seinen Verlauf erschweren, aber die letztgenannten Faktoren sind weder notwendig noch ausreichend um das Auftreten der Störung zu erklären. Typische Merkmale sind das wiederholte Erleben des Traumas in sich aufdrängenden Erinnerungen (Nachhallerinnerungen, Flashbacks), Träumen oder Albträumen, die vor dem Hintergrund eines andauernden Gefühls von Betäubtsein und emotionaler Stumpfheit auftreten. Ferner finden sich Gleichgültigkeit gegenüber anderen Menschen, Teilnahmslosigkeit der Umgebung gegenüber, Freudlosigkeit sowie Vermeidung von Aktivitäten und Situationen, die Erinnerungen an das Trauma wachrufen könnten. Meist tritt ein Zustand von vegetativer Übererregtheit mit Vigilanzsteigerung, einer übermäßigen Schreckhaftigkeit und Schlafstörung auf. Angst und Depression sind häufig mit den genannten Symptomen und Merkmalen assoziiert und Suizidgedanken sind nicht selten. Der Beginn folgt dem Trauma mit einer Latenz, die wenige Wochen bis Monate dauern kann. Der Verlauf ist wechselhaft, in der Mehrzahl der Fälle kann jedoch eine Heilung erwartet werden. In wenigen Fällen nimmt die Störung über viele Jahre einen chronischen Verlauf und geht dann in eine andauernde Persönlichkeitsänderung (F62.0) über.

Anmerkung: Eine Posttraumatische Belastungsstörung mit einer Dauer von mehreren Jahrzehnten, im gegenständlichen Fall Entlassung Heim im 18. Lebensjahr oder noch früher bis dato, kann nicht bestehen! Auch sei erwähnt, dass sich die Angabe von Albträumen der Objektivierbarkeit entzieht.

Die Kategorie Andauernde Persönlichkeitsänderungen, nicht Folge einer Schädigung oder Krankheit des Gehirns ICD 10: F62 wird wie folgt beschrieben:

Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen ohne vorbestehende Persönlichkeitsstörung nach extremer oder übermäßiger, anhaltender Belastung oder schweren psychiatrischen Krankheiten. Diese Diagnosen sollten nur dann gestellt werden, wenn Hinweise auf eine eindeutige und andauernde Veränderung in der Wahrnehmung sowie im Verhalten und Denken bezüglich der Umwelt und der eigenen Person vorliegen. Die Persönlichkeitsänderung sollte deutlich ausgeprägt sein und mit einem unflexiblen und fehlangepassten Verhalten verbunden sein, das vor der pathogenen Erfahrung nicht bestanden hat. Die Änderung sollte nicht Ausdruck einer anderen psychischen Störung oder Residualsymptom einer vorangegangenen psychischen Störung sein. (Hervorhebung durch den Gutachter).

Anmerkung: In diesem Zusammenhang müssen die Beschreibungen des Verhaltens vor Heimaufnahme herangezogen werden. Die "pathogene Erfahrung" wäre im gegenständlichen Fall unmöglich zu werten:

Problematische Familienverhältnisse, die Heimaufnahme an sich mit der Trennung von Familie und Freunden, die Missbrauchserfahrungen oder die Verurteilungen als Jugendlicher, was eine Differenzierung nicht möglich macht!

Die Diagnose - Andauernde Persönlichkeitsveränderung nach Extrembelastung F62.0 wird in der ICD 10 wie folgt definiert:

Eine andauernde, wenigstens über zwei Jahre bestehende Persönlichkeitsänderung kann einer Belastung katastrophalen Ausmaßes folgen. Die Belastung muss extrem sein, dass die Vulnerabilität der betreffenden Person als Erklärung für die tief greifende Auswirkung auf die Persönlichkeit nicht in Erwägung gezogen werden muss. Die Störung ist durch eine feindliche oder misstrauische Haltung gegenüber der Welt, durch sozialen Rückzug, Gefühle der Leere oder Hoffnungslosigkeit, ein chronisches Gefühl der Anspannung wie bei ständigem Bedrohtsein und Entfremdungsgefühl, gekennzeichnet. Eine posttraumatische Belastungsstörung (F43.1) kann dieser Form der Persönlichkeitsänderung vorausgegangen sein.

Inklusive: Persönlichkeitsänderungen nach: andauerndem Ausgesetztsein lebensbedrohlicher Situationen, etwa als Opfer von Terrorismus

Persönlichkeitsänderungen nach: andauernder Gefangenschaft mit unmittelbarer Todesgefahr

Persönlichkeitsänderungen nach: Folter Persönlichkeitsänderungen nach:

Katastrophen Persönlichkeitsänderungen nach:

Konzentrationslagererfahrungen Exklusive:

Posttraumatische Belastungsstörung (F43.1)

Anmerkung: Die gleichzeitige Vergabe der Diagnose F62.0 - Andauernde Persönlichkeitsveränderung nach Extrembelastung und F43.1 - Posttraumatische Belastungsstörung ist somit nicht möglich!

Diese Definitionen (F43.1 und F62.O) sind mit den Persönlichkeitsmerkmalen, die in der Untersuchung vorgefunden werden, nicht zur Deckung zu bringen. Die Definition selbst ergibt wiederum keinen Hinweis auf eine allfällige Einschränkung der Arbeitsfähigkeit, zumal auch diverse Behandlungsangebote (u.a. siehe Gutachten Dr. XXXX - Seite 29) nicht angenommen wurden.

2) Kausalität:

2a) Welche der festgestellten Gesundheitsschädigungen sind mit Wahrscheinlichkeit auf die Verbrechen (Misshandlungen/Missbrauch im Heim) zurückzuführen?

Ein Kausalzusammenhang mit dem Verbrechen ist nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen. In der Biographie sind mehrere belastende Lebensereignisse zu erheben, es ist nicht mit Sicherheit oder hoher Wahrscheinlichkeit abzugrenzen, welches für das gegenwärtige psychische Zustandsbild überwiegend zu verantworten ist.

2b) Falls diese Verbrechen nichtalleinige Ursache sind, wird um Beurteilung ersucht, ob die Verbrechen als wesentliche Ursache zum derzeitigen Leidenszustand beigetragen haben.

Aus fachärztlich-psychiatrischer Sicht haben die Misshandlungen zwar möglicherweise einen Einfluss auf den derzeitigen psychischen Leidenszustand, sind jedoch nicht als wesentliche Ursache anzusehen.

Es wird ersucht ausführlich darzulegen, was für den wesentlichen Einfluss (vorzeitige Auslö sung und/oder Verschlimmerung) der Verbrechen spricht und was dagegen.

Aus gutachterlicher Sicht gibt es weder Hinweise auf eine vorzeitige Auslösung, noch für eine Verschlimmerung durch die Verbrechen.

(Dem Akt sind auch Gewalterfahrungen in der Familie zu entnehmen z. B. Schläge durch den Vater, ein Sturz aus dem Fenster)

2c) Welche Gesundheitsschäden sind akausal?

Die beschriebene Persönlichkeitsstörung ist aus fachärztlich er Sicht als akausal zu betrachten.

3) Fall die Kausalität unter Punkt 2a oder 2b verneint wird, wird um ausführliche Stellung nahme ersucht, worauf der festgestellte psychiatrische Leidenszustand zurückzuführen ist.

Die mehrfachen Heimaufnahmen erfolgten aufgrund äußert problematischer Familienverhältnisse und Erziehungsnotstand. Es kann aus fachärztlicher Sicht davon ausgegangen werden, dass die für ein Kind notwendigen Bindungserfahrungen durch die Familienverhältnisse nicht gegeben waren und ihr Fehlen massiven Einfluss auf die weitere psychische Entwicklung genommen hat. Die Entwicklung der beschriebenen Persönlichkeitsstörung war bereits durch die äußert negativen Sozialisierungsverhältnisse gebahnt, wobei auch eine genetische Vererbung von Persönlichkeitsmerkmalen nicht vernachlässigt werden darf.

4) Es wird um zusammenfassende Beurteilung betreffend Psychotherapie ersucht (falls die Kausalität unter Punkt 2a und 2b bejaht wird):

a) Bedarf der Beschwerdeführer verbrechenskausal einer Psychotherapie?

þ) Wenn ja in welchem Ausmaß (Frequenz und Dauer!?

g) Wenn nein: Wodurch ergibt sich sonst die Indikation PTH?

Es wird ersucht die Beurteilung zu begründen und jeweils auszuführen, was dafürspricht und was dagegen.

(Hinweis: Dem BF wurden bereits 80 Therapiestunden von der Stadt Wien zugesprochen. laut Akteninhalt wurden diese nicht in Anspruch genommen, da der BF ablehnte einen Therapeuten aufzusuchen. Im gegenständlichen Verfahren wurde jedoch der Antrag auf Übernahme der Kosten für psychotherapeutische Behandlung gestellt.)

Entfällt, siehe oben.

5) Betreffend Verdienstentgang - Beurteilungszeitraum ab 1.11.2012:

Falls die Kausalität unter Punkt 2a oder 2b bejaht wird, wird um Stellungnahme ersucht, ob die festgestellten verbrechenskausalen Leiden

a) eine adäquate Folge des Verbrechens sind?

b) eine Berufs- bzw. Arbeitsunfähigkeit des Beschwerdeführers bewirken?

c) Einschränkungen der Arbeitsfähigkeit bewirken? Wenn ja: -welche?

in welchem Ausmaß?

ab - bis wann?

d) Welche Einschränkungen der Arbeitsfähigkeit bewirken akausale Leiden?

e) Welche Leiden überwiegen im Zusammenhang der akausalen und kausalen Lei den?

f) Handelt es sich bei den als kausal festgestellten Leiden um eine schwere Körperver letzung?

Entfällt, siehe oben.

6) Es wird weiters um nachfolgende Stellungnahmen ersucht:

a) Stellungnahme zu den Gutachten von Dr. XXXX, siehe Abl. 199-202, Abl. 590-592.

Der Aussage des Gutachten Frau Dr. XXXX kann vollinhaltlich gefolgt werden. Die gering divergierende Diagnose sei der Tatsache eines Aktengutachtens und den inkompletten Unterlagen geschuldet.

b) Stellungnahme zu dem Gutachten von Dr. XXXX, siehe Beilage C

Den Schlussfolgerungen des Privatgutachtens Dr. XXXX kann nicht gefolgt werden, weil:

-

1. Herr Universitätsprofessor Dr. XXXX Gerichtsmediziner ist und im daher sowohl die Befähigung als auch die Erfahrung in psychiatrischen Fachbelangen abzusprechen ist.

Trotzdem wird auf Seite 35 unter V. Befund, eine "laienhafte" Beschreibung abgegeben,

-

2. auf der ersten Seite des "Gutachtens" findet sich die Angabe:

"Der gefertigte erstattet in oben bezeichneter Strafsache (?) nachstehendes Gutachten über den psychischen Zustand bei XXXX." Auch die Befähigung oder Erfahrung, einen psychologischen Befund abzugeben, ist abzusprechen,

-

3. die unter "III. Literatur" (Seite 12 - insgesamt 12 Seiten) gemachten Angaben mit der Einbeziehung anderer Schicksale ist wenig zweckdienlich, ebenso die Verweise auf die nationalsozialistische Schreckensherrschaft ("Kinder-KZ"- Seite 13 oben),

-

4. die Unerfahrenheit in der Erstellung eines solchen Gutachtens zeigt sich besonders in den Suggestivfragen auf Seite 33,

-

5. die Kritik an den bisher gestellten Diagnosen (Seite 39-45) ist laienhaft und bedient sich vorwiegend der Form des Zerredens,

-

6. die Kritik am Gutachten Dr. XXXX ist geprägt von einem polemischen Unterton: "Der Schluss auf ein pathologisches familiäres Umfeld beruht nur auf Angaben der Jugendamtsakten, die wie in Punkt VI.III d) ausgeführt wurde, kritisch zu hinterfragen und eventuell zweifelhaft sind. Davon abgesehen verknüpft hier die Gutachterin

XXXX den Begriff pathologisches familiäres Umfeld sowohl mit alkoholkranken Eltern, als auch Interventionen des Jugendamtes. Will sie damit aussagen, dass "Interventionen des Jugendamtes" ein pathologisches familiäres Umfeld schaffen?" (Seite 51 des Gutachtens);

-

7. die Diagnose "F43.1 Posttraumatische Belastungsstörung in chronizifizerter Form" nicht in der ICD 10 existiert,

-

8. die Ergänzung "Ev. auch F62.0 - Andauernde Persönlichkeitsveränderung nach Extrembelastung kann laut ICD 10 in Verbindung mit F-43.1 Posttraumatische Belastungsstörung nicht gestellt werden, {siehe eingangs gemachte Anmerkungen Seite 5),

-

9. wiewohl ein Kausalzusammenhang mit dem Verbrechen mehrfach herausgestrichen wird, so bleibt zweifelhaft, wie sich Verhaltensauffälligkeiten vor Heimaufnahme, Delinquenz Einbrüche und Körperverletzungen, häufige Jobwechsel, Ausschlagen ernsthafter therapeutischer Bemühungen etc. mit den oben genannten Diagnosen vereinbaren lassen. Die Tatsache alleine, dass Herr XXXX "bis zu seinem 18. Lebensjahr 56% seines Lebens in Heimen verbracht hat, kann nicht als Beweis für eine Traumatisierung angesehen werden, die immerhin 44% in wenig förderlichem familiären Umfeld werden nicht thematisiert.

Zusammenfassend kann somit der Aussage "Die von Herrn XXXX angeführten Beschwerden, seine psychopathologischen Auffälligkeiten und Lebensschwierigkeiten sind mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit durch die Heimaufenthalte verursacht worden."

nicht zugestimmt werden.

c) Stellungnahme zum Ambulanten Patientenbrief von Dr. XXXX, siehe Beilage A

Den Schlussfolgerungen des ambulanten Patientenbriefes Univ. Prof. Dr. XXXX kann nicht gefolgt werden, weil:

-

1. die Objektivität im Rahmen einer therapeutischen Beziehung nicht gewährleistet erscheint,

-

2. die Fachfremdheit von Univ. Prof. XXXX nicht thematisiert wird,

-

3. die Aussage "In den zitierten Befunden, u.a. Befund des Psychologischen Dienstes vom 12.12.1972 ergeben sich keine eindeutigen Hinweise auf eine zu diesem Zeitpunkt bestehende oder sogar "konstitutionelle" schwere Persönlichkeitsentwicklungsstörung, die beschriebenen Symptome (geringe Frustrationstoleranz, Problem in der Einordnung in die Gruppe, affektive Einengung) erscheinen eher als Hinweis auf ein reaktiv-depressives Zustandsbild (8 Jahre alt - Anmerkung Gutachter), das aus der angeführten Familiensituation und der vom Patienten zu diesem Zeitpunkt nicht gewünschten Unterbringung im Heim, nachvollziehbar und eher belastungsabhängig-reaktiv erscheint" (Seite 2 des Gutachtens, 6. Absatz) ist als Uminterpretation im Sinne der gewünschten finalen Aussage zu bewerten.

-

4. während andere Hinweise auf eine Verhaltensstörung geflissentlich übergangen werden -siehe Schulbericht vom 19.6.1972-"...aggressiv, schimpft in ordinärer Weise, Führbarkeit:

sehr schwer lenkbar, eigenwillig, trotzig, hemmungslos, aufbrausend..."

-

5. ähnlich "Gegen eine bestehende schwerwiegende und "tiefgreifende" oder gemischte Persönlichkeitsstörung spricht im Folgenden u.a. die Aktennotiz vom Kinderheim XXXX vom 13.1.1977 (damals 12 Jahre alt - Anmerkung Gutachter), der darauf verweist, dass der Patient (in dieser nun guten und fördernden Umgebung) sich "in der Gruppe gut eingelebt" habe und "von seinen Kameraden in jeder Beziehung akzeptiert würde", "den Betreuern gegenüber sehr nett, höflich und außerordentlich hilfsbereit" sei.",

-

6. während wiederum Widersprüchlichkeiten nicht übernommen werden

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siehe Untersuchung psychiatrischer Konsiliarius vom 16.6.1977 "....zunehmende Disziplinlosigkeit mit Schulschwänzen...

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7. weiters "Zur Absicherung unseres Befundes erfolgte trotzdem in weiterer Absicherung eine Vorstellung zu einer ausführlichen psychologischen traumabezogenen Befunderstellung. Hierbei ist zu unterstreichen: Im gesamten Regelwerk der ICD wird zur Diagnose auf keinen psychologischen Test verwiesen. Die angewendeten Tests (siehe psychologischer Befund Dr. XXXX vom 14.4.2015), darunter Selbstbeurteilungsfragebögen f!). sind möglicherweise zu klinisch-therapeutischen Zwecken geeignet, sicherlich nicht für valide gutachterliche Aussagen.

-

8. trotz wiederholter Nennung der Delinquenz im Gutachten Dr. XXXX diese keinerlei Berücksichtigung findet,

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9. wiederum F43.1 Posttraumatische Belastungsstörung und f-62.0 - Andauernde Persönlichkeitsveränderung nach Extrembelastung nach oben (Seite 5) Genanntem nicht gestellt werden können.

Zusammenfassend kann aus oben angeführten Gründen dem ambulanten Patientenbrief

Univ. P

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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