TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/20 W117 2176914-1

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Veröffentlicht am 20.09.2018
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Entscheidungsdatum

20.09.2018

Norm

BFA-VG §22a Abs1 Z3
B-VG Art.133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z1
FPG §76 Abs3 Satz1
VwGVG §35 Abs1
VwGVG §8a

Spruch

W117 2176914-1/29E

W117 2176914-2/3E

Schriftliche Ausfertigung des in der Verhandlung am 27.08.2018 mündlich verkündeten Erkenntnisses

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. DRUCKENTHANER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung Diakonie Flüchtlingsdienst GmbH, gegen die Anhaltung in Schubhaft von 18.10.2017 bis 27.10.2017 zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG idgF, § 76 Abs. 2 Z. 1 FPG idgF, 76 Abs. 3 erster Satz FPG idgF stattgegeben und die Anhaltung in Schubhaft vom 18.10.2017 bis 27.10.2017 für rechtswidrig erklärt.

II. Der Bund hat gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG idgF dem Beschwerdeführer den Verfahrensaufwand in Höhe von € 1.659,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

III. Der Antrag der Verwaltungsbehörde auf Ersatz der Aufwendungen wird gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG abgewiesen.

IV. Dem Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe im Umfang der Erlassung der Entrichtung der Eingabengebühr wird gem. § 8 a VwGVG stattgegeben.

IV. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang und Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer (nachfolgend auch als BF bezeichnet) ist indischer Staatsangehöriger. Er hatte für Italien zunächst einen italienischen Aufenthaltstitel unter der Nummer I 069999934, gültig bis 01.10.2017. Bereits am 12.08.2017 suchte er um Verlängerung dieses Aufenthaltstitels an. Diesem Ansuchen wurde am 12.10.2017 entsprochen. Der Aufenthaltstitel ist zwei Jahre gültig. Der aktuelle Aufenthaltstitel führt die Nummer I 12424946 und ist eine sogenannte "permesso di soggiorno" und wurde für Arbeitszwecke ausgestellt und er ist gültig bis 12.10.2019.

Der BF reiste am 16.10.2017 ein und wurde mit Bescheid der Verwaltungsbehörde vom 18.10.2017 um 15:55 Uhr in Schubhaft genommen. Die Verwaltungsbehörde ging bei ihrer Inschubhaftnahme davon aus, dass der italienische Aufenthaltstitel des BF am 01.10.2017 abgelaufen sei, dies habe eine Anfrage beim PKZ-K-Thörl-Maglern am 18.10.2017 ergeben. Die Verwaltungsbehörde stellte weiters fest, dass der BF indischer Staatsangehöriger sei, seine Identität feststehe und er über einen indischen Reisepass verfüge. Es stehe weiters fest, dass sich der BF vom Jänner 2017 bis März 2017 in Indien aufgehalten habe. Festgestellt werden hätte müssen, dass durch den Aufenthalt des BF in Indien die seit 11.01.2017 rechtskräftige Rückkehrentscheidung per 12.03.2017 konsumiert wurde und nicht mehr bestehe. Der Behauptung des BF in der Schubhafteinvernahme, er sei am 16.10.2017 wieder eingereist, trat die Verwaltungsbehörde in ihrem Bescheid nicht entgegen.

Der BF wurde im Rahmen der Ausübung einer illegalen Beschäftigung am 12.10.2016 betreten. Am 17.10.2017 wurde der BF am Bahnhof Meidling einer Personenkontrolle unterzogen und sein Reisepass sichergestellt. Die Verwaltungsbehörde nahm in rechtlicher Würdigung § 76 Abs. 3 Z 1 und Z 9 FPG als Fluchtgefahrtatbestände an und ging zur Z 1 insb. vom illegalen Aufenthalt des BF in Österreich aus. Im Besonderen machte die Verwaltungsbehörde dem BF zum Vorwurf, "am heutigen Tage in der Einvernahme die Behörde erneut belogen zu haben, da sie angegeben haben, ein gültiges ‚permesso' in Italien zu haben". Die Nachfrage hätte das Gegenteil ergeben. Der BF halte sich deshalb in Österreich auf, weil er eben über kein gültiges "permesso" verfüge und der Grund für seinen Aufenthalt in Österreich offenbar darin bestehe, dass sein "permesso" nicht verlängert wurde. Sohin lüge begründete Fluchtgefahr vor. Diese Ausführungen wurden auf § 76 Abs. 3 Z 9 FPG unterstellt.

Die Verwaltungsbehörde erlies gegenüber dem Bf am 19.10.2017 eine Rückkehrentscheidung, verbunden mit einem Einreiseverbot, und sprach einer möglichen Beschwerde die aufschiebende Wirkung ab. Dagegen erhob der BF fristgerecht Beschwerde, welche das BVwG insofern Folge gab, als das Einreiseverbot herabgesetzt wurde.

Der BF wurde am 27.10.2017 nach Indien abgeschoben.

Im Rahmen der Beschwerdevorlage am 20.11.2017 gab die Verwaltungsbehörde eine Stellungnahme ab und äußerte sich zum gegenständlich entscheidungsrelevanten Problemkreis des § 52 Abs. 6 FPG wie folgt:

"Zum Hinweis auf § 52 Abs. 6 FPG wird festgestellt, dass das persönliche Verhalten des BF eine Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellte, sodass eine sofortige Ausreise unbedingt erforderlich war. Der BF ist im Bundesgebiet unerlaubterweise einer Erwerbstätigkeit nachgegangen. Diesbezüglich darf auf die Rückkehrentscheidung iVm Einreiseverbot vom 19.10.2017(Seite 201 -225) hingewiesen werden. Der BF war nicht bereit die bestehenden Rechtsvorschriften einzuhalten und war der BF auch nicht im Besitz eines gültigen Aufenthaltstitels von Italien. Dieser Titel ist mit 01.10.2017 abgelaufen und laut Angaben des BF kehrte der BF ohne gültigen Aufenthaltstitel nach Österreich zurück. Die fehlende Bereitschaft die bestehenden fremdenpolizeilichen Vorschriften einzuhalten stellt eine massive Verletzung eines geordneten Fremdenwesens dar. Dieses Verhalten stellt in jedem Fall eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung dar. Es musste daher eine Rückkehrentscheidung iVm Einreiseverbot erlassen werden und bestand auch ein öffentliches Interesse an einer sofortigen Ausreise."

Von der Mittellosigkeit des BF ging auch die Verwaltungsbehörde in ihrer Stellungnahme aus und beantragte sie abschließend den Ersatz ihrer Kosten im spruchgemäß abgelehnten Ausmaß.

Am 27.11.2017 wurde eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, ein Vertreter der Verwaltungsbehörde nahm an dieser Verhandlung entschuldigt nicht teil; diese nahm folgenden Verlauf:

"[...]

Was den in der Beschwerde angesprochenen Schubhaftzweck - dessen rechtliche Verwirklichbarkeit bzw. rechtliche Unmöglichkeit - anbetrifft, so ergibt sich nach unpräjudizieller Ansicht des zuständigen Einzelrichters folgende Sachverhaltslage:

Der Beschwerdeführer hatte am 18.10. in der Schubhafteinvernahme ausdrücklich auf die Frage "Haben Sie in einem andren Land eine Aufenthaltsberechtigung oder ein gültiges Visum?" die Antwort gegeben "In Italien, sonst keine." Und hatte er schon zuvor auf die Frage "Möchten Sie sich zu dem Sachverhalt äußern"? die Antwort gegeben "Ich habe einen italienischen Aufenthaltstitel." Die weitere Einvernahme zu diesem Thema - Frage und Antwort - gestaltete sich wie folgt:

F: "Seit wann haben Sie diesen. Welchen Aufenthaltstitel?

A: "Ich habe ihn seit 2013 und handelt es sich um ein permesso di soggiorno."

F: "Wo befindet sich dieser Aufenthaltstitel?"

A: "Er ist bei meinem Freund in der Wohnung."

In Entsprechung zu diesen Antworten hatte die Verwaltungsbehörde auch in Italien am 18.10.2017 nachgefragt, ob der Beschwerdeführer tatsächlich einen derartigen Aufenthaltstitel besäße und antwortete Italien am selben Tag wie folgt:

" XXXX XXXX männlich, keine krimpol Vormerkungen in Italien, permesso di soggiorno".

Unter Zugrundelegung des in Akt aufliegenden Reisepasses des Beschwerdeführers - dieser zeigt lediglich ein Visum vom 30.04. bis 14.05.2014 und diverse Einreisestempel in Italien -durfte nach unpräjudizieller Zuständigkeit des Einzelrichters die Verwaltungsbehörde zum Zeitpunkt der Schubhaftverhängung annehmen, dass der Beschwerdeführer jedenfalls nicht in Italien zum Aufenthalt berechtigt ist. Da erstmals in der Schubhaftbeschwerde, nachdem der Beschwerdeführer bereits nach Indien rückgeführt wurde, das Vorbringen erstattet wurde, der Beschwerdeführer sei in Italien insofern zum Aufenthalt berechtigt, als er einen Verlängerungsantrag gestellt habe, kann der zuständige Einzelrichter im erstinstanzlichen Schubhaftverfahren - unpräjudiziell - in Zusammenhang mit der Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes zum Thema Schubhaftzweck (auch vor dem Hintergrund, dass es sich um ein Mandatsverfahren handelt) - keine Rechtswidrigkeit wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften erkennen.

[...]

Der Vollständigkeit halber sei hingewiesen, dass im Schubhaftbeschwerdeverfahren bis zur heutigen Verhandlung kein entsprechender Nachweis der Verlängerung der bisherigen permesso di soggiorno erbracht wurde. Der Beschwerdeführer ist daher gehalten, entsprechende Antragsnachweise im Rückkehrentscheidungsverfahren zu bringen.

Zur Vorliegen erheblicher Fluchtgefahr ist hierbei auf den Mandatsbescheid und die Stellungnahme des BFA zu verweisen. Das BFA hat mit der Aktenlage korrespondierend folgende Fluchtgefahrparameter zusammengefasst dargelegt: "Anführung verschiedener Identitäten in Österreich, Betreibung eines illegalen Gewerbes, auch der Reisepass konnte erst nach Aufgriff sichergestellt werden und wurde nicht freiwillig vom Beschwerdeführer in Vorlage gebracht, trotz negativer Entscheidung reiste der Beschwerdeführer nach Österreich ein, etc."

Rechtsvertreter legt vor Unterlagen, die bei den Effekten im PAZ auflagen, und zwar in Kopie. Eine "Carta D'Identita, Nr. AU3120869". Der Rechtsvertreter bringt vor, dass sich seiner Ansicht nach aus der Wendung "Sua Istanza di rilascio/rinnovo del permesso di soggiorno" ergibt, dass ein Verlängerungsantrag gestellt wurde. Der Beschwerdeführermüsse noch einen offenen Betrag von 50€ zahlen. Dieses Schreiben wurde ausgestellt von der "Questura di Roma" am 12.10.2017.

Der Beschwerdeführer hatte ja angeben, wie im Verhandlungsprotokoll richtig festgehalten, dass der Aufenthaltstitel in der Wohnung des Freundes läge. Diese "permesso di soggiorno" zeigt, dass der Beschwerdeführer bis 01.10.2017 einen Aufenthaltstitel hatte. Diese Unterlagen befanden sich bei den Effekten im PAZ und zwar zumindest bereits am 20.10.2017, weil zu diesem Zeitpunkt die Rechtsberatung stattgefunden hatte und die entsprechenden Unterlagen von der Rechtsberatung abfotografiert wurden. Der Beschwerdeführer wurde am 18.10.2017 in der Einvernahme, und zwar am Ende der selben, gefragt, ob er noch Effekten einzuholen habe, worauf dieser antwortete, "Ja, diese sind bei meinem Freund im 17. Bezirk". Damit meinte der Beschwerdeführer die Wohnung, die er schon genannt hatte. Der Beschwerdeführer hatte noch weiters ausgeführt, dass der Freund die Effekten jederzeit hätte bringen können.

Der Beschwerdeführer hätte jedenfalls von der Behörde angehalten werden müssen, sich nach Italien zu begeben. Die Ausnahmeregelung des § 52 Abs. 6 FPG liegt gegenständlich nicht vor, weil der Beschwerdeführer nicht strafrechtlich verurteilt wurde und deswegen keine Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit vorliegt, welche eine sofortige Verbringung ins Ausland, diesfalls in den Herkunftsstaat, rechtfertigen würde.

Zum Zeitpunkt der Schubhaftverhängung jedenfalls ergibt sich seine Berechtigung zum Aufenthalt in Italien, mag diese sogar im aktuellen Zeitpunkt nicht mehr gegeben sein. Jedenfalls hätte die Verwaltungsbehörde die italienischen Behörden in diese Richtung befragen müssen und sich nicht bloß auf den Standpunkt, dass kein aufrechter permesso di soggiorno vorliegt, zurückziehen dürfen.

[...]

Ich verweise auf das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht W154 2175391-1, in welchem die zuständige Einzelrichterin eine Schubhaft für rechtswidrig erklärte, weil eine "permesso di soggiorno" vorlag. Die Entscheidung wurde allerdings mündlich verkündet. Sonst gib es keine vergleichbare Entscheidung nach meinem Wissen. In dem Fall Ihrer Kollegin war es sogar so, dass der betreffende Beschwerdeführer wegen eines Vergehens in Österreich verurteilt wurde und trotzdem die Ausnahmebestimmung des § 52 Abs. 6 FPG nicht anzuwenden war.

Festgehalten wird, dass auf Grund des in Kopie vorgelegten Schreibens in italienischer Sprache dasselbe einer Übersetzung von Amtswegen zugeführt wird und im Übrigen bei den italienischen Behörden hinsichtlich des Vorliegens eines Verlängerungsantrages zum Zeitpunkt der Schubhaftverhängung nachgefragt wird. Die Verhandlung wird daher auf unbestimmte Zeit vertagt."

Am 27.08.2018 wurde die Verhandlung nach Nachfrage in Italien, das Bestehen eines Aufenthaltstitels betreffend, fortgesetzt; wiederum nahm kein Behördenvertreter teil. Die Verhandlung nahm folgenden Verlauf:

"RI stellt fest, dass die Parteien des Verfahrens und der Dolmetscher zur Verhandlung rechtzeitig durch persönliche Verständigung geladen wurden (siehe Nachweise im Akt).

Festgehalten wird, dass der Rechtsvertreter als Rechtsberater und Rechtsvertreter erscheint.

Festgehalten wird, dass der BF zur Verhandlung nicht erschienen ist, sein Aufenthaltsort ist dzt. nicht bekannt.

Verlesen wird das in der Zwischenzeit eingeholte Ermittlungsergebnis. Angefragt wurde am 29.06.2018 bei den italienischen Behörden (PKZ-K-Thörl-Maglern), "ob ein Fremder, welcher einen Aufenthaltstitel besaß und rechtzeitig einen Antrag auf Verlängerung gestellt hat, während des laufenden Verfahrens auf Verlängerung weiterhin zum Aufenthalt berechtigt ist, obwohl die ursprüngliche Berechtigung zum Aufenthalt abgelaufen war".

Die italienischen Behörden (PKZ-K-Thörl-Maglern) antworteten schriftlich am 29.06.2018 wie folgt:

‚ XXXX , geboren am XXXX ist in Besitz eines gültigen italienischen Aufenthaltstitels mit der Nummer I 12424946. Dieses permesso di soggiorno wurde für Arbeitszwecke ausgestellt und ist gültig bis 12.10.2019. Der Aufenthaltstitel mit der Nummer I 06999934 war gültig bis 01.10.2017. Herr XXXX hat um die Erneuerung am 12.08.2017 angesucht. Diesem Ansuchen wurde am 12.10.2017 entsprochen. Der Aufenthaltstitel ist zwei Jahre gültig'."

Im Anschluss daran wurde das Erkenntnis spruchgemäß mündlich verkündet.

Entscheidungsgrundlagen:

* gegenständliche Aktenlage.

Würdigung der Entscheidungsgrundlagen:

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich unzweifelhaft aus der Aktenlage und können als unstrittig angesehen werden.

Im Einzelnen:

Eine neuerliche, exakte Nachfrage bei den italienischen Behörden ergab das Gegenteil der Annahme durch die Verwaltungsbehörde: Der BF war zum Zeitpunkt der Inschubhaftnahme doch bereits in Besitz eines italienischen Aufenthaltstitels (permesso di soggiorno) und hatte in Bezug auf denselben auch rechtzeitig den Verlängerungsantrag im August 2017 gestellt. Schon zuvor war der BF seit 2013 in Besitz dieser Art eines italienischen Aufenthaltstitels.

Die behördlichen Schritte, Mandatsbescheid, Rückkehrentscheidungen, etc. sind im Akt unzweifelhaft dokumentiert und bedürfen keiner näheren Erörterung.

Der Verwaltungsbehörde ist aber, und dies ergab die nochmalige Prüfung der Aktenlage, insofern ein Verfahrensfehler unterlaufen, als der BF ausdrücklich in der Schubhafteinvernahme angab, in Besitze eines italienischen Aufenthaltstitels zu sein und dass sich dieser bei einem Freund mit angegebener Adresse befände und die Verwaltungsbehörde es unterlassen hatte, hier Nachschau zu halten. In diesem Sinne konnte die in der ersten Verhandlung unpräjudiziell geäußerte Ansicht, der Verwaltungsbehörde sei kein Verfahrensfehler unterlaufen, nicht aufrechterhalten werden:

Zentrales Element des gegenständlichen Schubhaftbescheides ist die Annahme des illegalen Aufenthaltes des BF in Österreich, und darauf aufbauend die Annahme der Vertrauensunwürdigkeit des BF, weil er die Verwaltungsbehörde diesbezüglich "belogen" hätte.

Beide Annahmen der Verwaltungsbehörde treffen aber letztlich nicht zu, wie das Ermittlungsverfahren vor dem BVwG ergab - siehe obiger Sachverhalt. Im Übrigen kann auch nicht zum Zeitpunkt der Inschubhaftnahme von einer Verschleierung der Identität etc. ausgegangen werden - dies mag zwar früher während der Asylverfahren zugetroffen haben, aber eben nicht aktuell -, weil der Reisepass des BF im Zuge seiner Personenkontrolle sichergestellt werden konnte. Außerdem war bei den Effekten ein Verlängerungsantrag für den angeführten italienischen Aufenthaltstitel (!!). Die hätte der Verwaltungsbehörde aber jedenfalls auffallen müssen und in der Folge auf dessen Basis (!!) eine Anfrage an die italienischen Behörden nach dem in der Verhandlung vom 27.08.2018 dargestellten Vorbild des Bundesverwaltungsgerichtes machen müssen. Dies hätte keinerlei Mehraufwand bedeutet.

Da die Verwaltungsbehörde der Behauptung des BF, er sei erst am 16.10.2017 in Österreich neuerlich eingereist, nicht entgegengetreten ist, kann für den Zeitraum bis zur Inschubhaftnahme dem BF kein Vorwurf gemacht werden. Das unrechtmäßige Gewerbe hatte er zufolge der Aktenlage offensichtlich einige Zeit vor seiner neuerlichen Einreise angemeldet gehabt und ist daraus für das aktuelle Verfahren nichts für die Verwaltungsbehörde zu gewinnen. Geht man also von der unwiderlegbar gebliebenen Wiedereinreise des BF am 16.10.2017 zu Besuchszwecken aus - die Verwaltungsbehörde stellt hinsichtlich ihrer gegenteiligen Annahme nur Mutmaßungen auf - dann kann dem BF nicht einmal ein Meldevergehen zum Vorwurf gemacht werden, da das Meldegesetz nur die Anmeldung innerhalb von 3 Tagen ab Wohnungsnahme gebietet.

Von einer "fehlenden Bereitschaft die bestehenden fremdenpolizeilichen Vorschriften einzuhalten, was eine massive Verletzung eines geordneten Fremdenwesens darstellt", wie die Verwaltungsbehörde in ihrer Stellungnahme vermeint, kann also keine Rede sein.

In diesem Sinne ist daher der anschließenden Schlussfolgerung der Verwaltungsbehörde, dass "daher eine Rückkehrentscheidung iVm Einreiseverbot erlassen werden musste" der Boden entzogen.

Abschließend ist nochmals festzuhalten, dass sich die Verwaltungsbehörde insofern dem Verfahren entzog, als sie an keiner der durchgeführten Verhandlungen teilnahm, um dem Unmittelbarkeitsgrundsatz entsprechend, eine allfällige abweichende Meinung zu vertreten.

Rechtliche Beurteilung:

Zuständigkeit:

Gemäß Artikel 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) idgF erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden

1. gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit;

2. gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit;

3. wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde;

4. gegen Weisungen gemäß Art. 81a Abs. 4.

Gemäß § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

§ 7 Abs. 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr 87/2012 idgF, lautet:

(1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet über

1. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes,

2. Beschwerden gegen Bescheide der Vertretungsbehörden gemäß dem 11. Hauptstück des FPG,

3. Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gemäß dem 1. Hauptstück des 2. Teiles des BFA-VG und gemäß dem 7. und 8. Hauptstück des FPG,

4. Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesamtes und

5. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesministers für Inneres in Verfahren gemäß §§ 3 Abs. 2 Z 1 bis 6 und 4 Abs. 1 Z 1 und 2

Gemäß § 7 Abs. 2 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Revision oder der Verfassungsgerichtshof einer Beschwerde gegen ein Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes gemäß Abs. 1 stattgegeben hat.

Da sich die gegenständliche - zulässige - Beschwerde gegen einen Schubhaftbescheid des BFA bzw. gegen eine dem BFA zurechenbare Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in Form der Anhaltung in Schubhaft (vgl. VfSlg. 10.982/1986) richtet, ist das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls für die Entscheidung zuständig.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem, dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Eine Übersetzung des Spruches und der Rechtsmittelbelehrung in eine dem Beschwerdeführer verständlichen Sprache war insofern entbehrlich, als der Beschwerdeführer - weil völlig obsiegend - dadurch nicht beschwert wird.

Zu Spruchpunkt I.: (Schubhaftbescheid, Anhaltung)

Die zum Zeitpunkt der mündlichen Verkündung maßgeblichen Normen des FPG lauteten wie folgt:

§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung notwendig ist und sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

2. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

§ 52 (6) Ist ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates, hat er sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 zu erlassen.

Vorauszuschicken ist, dass, wie die Verwaltungsbehörde selbst im Schubhaftbescheid anmerkte

"die Rückkehrentscheidung, welche am 11.01.2017 rechtskräftig wurde, seit 12.03.2017 konsumiert ist und nicht mehr besteht" - dies wegen der zwischenzeitlichen Rückkehr des Beschwerdeführers nach Indien am 12.03.2017 in Indien.

Der BF hätte aufgrund seines gültigen Aufenthaltstitels für Italien richtigerweise gem. § 52 Abs. 6 FPG zur Rückreise nach Italien bewegt werden müssen, statt in Schubhaft genommen zu werden; da wie im Rahmen der Sachverhaltsfeststellungen festgehalten, keine derartigen Sachverhaltselemente zum Zeitpunkt der Schubhafterlassung bestanden, die "aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit" die sofortige Ausreise und damit Rückkehrentscheidung erforderlich machten; insbesondere bestand der von der Verwaltungsbehörde dem Beschwerdeführer gemachte Vorwurf, er hätte hinsichtlich des Bestehens eines Aufenthaltstitels "gelogen", eben nicht - siehe obige Ausführungen im Rahmen der Beweiswürdigung.

Die Schubhaftanordnung zur "Sicherung einer Rückkehrentscheidung" widerstreitet daher der von Rechtswegen gebotenen Vorgangsweise und hat sohin die Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides und einmal der darauf basierenden Anhaltung bis 19.10.2018 zur Folge.

Hinsichtlich der Anhaltung ab 19.10.2017 aber - die Verwaltungsbehörde hatte an diesem Tag eine Rückkehrentscheidung erlassen, sodass ab diesem Zeitpunkt die Anhaltung zur Sicherung der Abschiebung erfolgte - gilt folgendes:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes "kann ein einmal rechtwidriger Schubhaftbescheid nicht - quasi partiell - für einen "Teilzeitraum" konvalidieren, zumal dies in Ergebnis im Gesetz insoweit nicht vorgesehenen Schubhaftverhängung "auf Vorrat! Gleichkommen würde. War der Schubhaftbescheid rechtswidrig so muss das auch für die gesamte Zeit der für ihn gestützten Anhaltung gelten. Zu einer "Teilung" kommt es durch einen neuen Schubhafttitel darstellenden Ausspruch (VwGH 22.07.2013, Zl 2012/21/0114 u.v.a). Zuletzt VwGH vom 26.02.2018, RO 2017/21/007 mit einer dem gegenständlichen Fall gleichgelagerten Fallkonstellation: Der BF wurde in Schubhaft genommen und nachträglich wurde versucht die rechtswidrige Schubhaft mit einer rechtskräftigen Ausreiseentscheidung zu teilen.

Da der gegenständliche Fall gerade der letzten vom Verwaltungsgerichtshof behandelten Fallkonstellation entspricht, erweist sich daher nicht nur die Inschubhaftnahme am 18.10.2017 als rechtswidrig, sondern auch jene ab dem Zeitpunkt des 19.10.2017 währende Anhaltung (= Erlassung der Rückkehrentscheidung/Einreiseverbot) bis zum Tage der Abschiebung, dem 27.10.2017.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II und III. (Kostenbegehren):

In der Frage des Kostenanspruches - beide Parteien begehrten den Ersatz ihrer Aufwendungen - sind gemäß § 56 (3) leg. cit. die §§22

(1a) leg. cit. und § 35 VwGVG die maßgeblichen Normen - diese lauten:

§22 (1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

§ 35 VwGVG

(1) Dem Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbar verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Art. 130 Abs. 1 Z 2 b B-VG) obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei.

(2) Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. (3) Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.

Da der Beschwerdeführer vollständig obsiegte, steht ihm nach den angeführten Bestimmungen dem Grunde nach der Ersatz seiner Aufwendungen zu.

Hinsichtlich der konkreten Höhe des "Ersatzes ihrer Aufwendungen" sind §35 Abs. 4 und 5 iVm § 1 der VwG-Aufwandersatzverordnung (VwG-AufwErsV) maßgeblich:

(4) Als Aufwendungen gemäß Abs. 1 gelten:

1. die Kommissionsgebühren sowie die Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen hat,

2. die Fahrtkosten, die mit der Wahrnehmung seiner Parteirechte in Verhandlungen vor dem Verwaltungsgericht verbunden waren, sowie

3. die durch Verordnung des Bundeskanzlers festzusetzenden Pauschalbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand.

(5) Die Höhe des Schriftsatz- und des Verhandlungsaufwands hat den durchschnittlichen Kosten der Vertretung bzw. der Einbringung des Schriftsatzes durch einen Rechtsanwalt zu entsprechen. Für den Ersatz der den Behörden erwachsenden Kosten ist ein Pauschalbetrag festzusetzen, der dem durchschnittlichen Vorlage-, Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand der Behörden entspricht.

(6) Die §§ 52 bis 54 VwGG sind auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

(7) Aufwandersatz ist auf Antrag der Partei zu leisten. Der Antrag kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden."

§ 1 der VwG-Aufwandersatzverordnung (VwG-AufwErsV), BGBl. II Nr. 517/2013 lautet:

1. Ersatz des Schriftsatzaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 737,60 Euro

2. Ersatz des Verhandlungsaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 922,00 Euro

3. Ersatz des Vorlageaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 57,40 Euro

4. Ersatz des Schriftsatzaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 368,80 Euro

5. Ersatz des Verhandlungsaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 461,00 Euro

6. Ersatz des Aufwands, der für den Beschwerdeführer mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand) 553,20 Euro

7. Ersatz des Aufwands, der für die belangte Behörde mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand) 276,60 Euro.

In diesem Sinne war dem Beschwerdeführer Kostenersatz im Umfang des § 1 Z 1 und Z 2 VwG-Aufwandersatzverordnung, also in der Höhe von €

1.659,60 zuzusprechen.

In logischer Konsequenz zu Spruchpunkt II. war daher das Kostenbegehren der Verwaltungsbehörde als unterlegener Partei (im Sinne des § 35 Abs. 3 VwGVG) auf der Grundlage des § 35 Abs. 1 VwGVG zu verwerfen (Spruchpunkt IV.).

Zu Spruchpunkt IV: (Verfahrenshilfe):

Der seit 1. Jänner 2017 geltende, mit der Novelle BGBl. I Nr. 24/2017 eingefügte § 8a VwGVG lautet auszugsweise:

§ 8a. (1) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ist einer Partei Verfahrenshilfe zu bewilligen, soweit dies auf Grund des Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, geboten ist, die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint. ...

(2) Soweit in diesem Paragraphen nicht anderes bestimmt ist, sind die Voraussetzungen und die Wirkungen der Bewilligung der Verfahrenshilfe nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung - ZPO, RGBl. Nr. 113/1895, zu beurteilen. Die Bewilligung der Verfahrenshilfe schließt das Recht ein, dass der Partei ohne weiteres Begehren zur Abfassung und Einbringung der Beschwerde, des Vorlageantrags, des Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens oder des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder zur Vertretung bei der Verhandlung ein Rechtsanwalt beigegeben wird."

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes - VwGH v. 31.08.2017, Ro 2017/21/0004 -

"enthält § 52 BFA-VG für bestimmte Verfahren, wie auch für das Schubhaftbeschwerdeverfahren, nähere Regelungen betreffend die unentgeltliche Beigabe eines Rechtsberaters, dessen Anforderungsprofil in § 48 BFA-VG im Einzelnen umschrieben ist, (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 23. Februar 2017, Ra 2016/21/0152, in dem Punkt 2. der Entscheidungsgründe in Rz 26 dahin zusammengefasst wurde, dass es in Anbetracht der den Rechtsberatern nach dem FrÄG 2015 gemäß § 52 Abs. 2 BFA-VG im Schubhaftbeschwerdeverfahren zukommenden Befugnisse und Verpflichtungen zur Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes nicht der Beigebung eines Rechtsanwaltes als Verfahrenshelfer bedarf).

Allerdings lässt sich § 52 BFA-VG nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes nicht als "abschließende" Regelung der Verfahrenshilfe verstehen. Sonst würde sich unter Gleichheitsgesichtspunkten die Frage stellen, welche sachliche Rechtfertigung es gibt, dass in den von § 52 BFA-VG erfassten Verfahren eine - für andere Verfahren vor den Verwaltungsgerichten im Wege des § 8a Abs. 2 VwGVG iVm § 64 Abs. 1 Z 1 lit. a ZPO vorgesehene - Befreiung von der Entrichtung der Pauschalgebühr für die Beschwerde generell nicht möglich sein soll. Eine solche sachliche Rechtfertigung wird weder in der Amtsrevision dargetan, noch lässt sie sich den erwähnten ErläutRV (aaO. 2), auf die das BFA in der Revision noch rekurriert und wonach § 8a VwGVG "im

Anwendungsbereich des BFA-VG ... (überhaupt) nicht zur Anwendung"

gelangt, entnehmen.

Im Übrigen wurde vor dieser pauschalen Beurteilung in den Gesetzesmaterialien auch nur die Beigebung eines Rechtsberaters nach § 52 BFA-VG (anstelle eines rechtsanwaltlichen Verfahrenshelfers) erörtert. Außerdem heißt es im Anschluss an die zitierte Stelle in den ErläutRV noch, die Subsidiarität des § 8a VwGVG habe "auch zur Folge, dass gesetzliche Bestimmungen, die einen entsprechenden Inhalt aufweisen, mit dem Inkrafttreten des vorgeschlagenen Bundesgesetzes nicht außer Kraft treten". Das steht durchaus im Einklang mit der hier vom Verwaltungsgerichtshof vertretenen Auffassung, wonach die in § 8a Abs. 1 VwGVG normierte Subsidiaritätsklausel nicht zum Tragen kommt, weil § 52 BFA-VG keinen dem § 64 Abs. 1 Z 1 lit. a ZPO iVm § 8a Abs. 2 VwGVG entsprechenden Inhalt aufweist, weil also insoweit "nicht anderes bestimmt ist.

Demzufolge ist davon auszugehen, dass auch in einem Schubhaftbeschwerdeverfahren - so die Voraussetzungen nach § 8a Abs. 1 VwGVG im jeweiligen Einzelfall vorliegen - die Bewilligung der Verfahrenshilfe in Bezug auf die Befreiung von der Pauschalgebühr für die in § 2 BuLVwG-EGebV genannten Eingaben in Betracht kommt."

Da der BF völlig mittellos ist - ein Umstand, den auch die Verwaltungsbehörde in ihrer Stellungnahme ausdrücklich betonte - die Beschwerde auch nicht als mutwillig eingebracht bzw. von vornherein als völlig aussichtslos zu bewerten war, war dem entsprechenden Antrag des BF stattzugeben.

Zu Spruchpunkt V. (Revision):

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Wie der oben dargelegten rechtlichen Beurteilung zu sämtlichen Spruchpunkten zu entnehmen ist, warf der gegenständliche Fall keine Auslegungsprobleme der anzuwendenden Normen auf, schon gar nicht waren Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen.

Die Revision war daher in Bezug auf alle Spruchpunkte nicht zuzulassen.

Schlagworte

Aufenthaltsberechtigung, Aufenthaltstitel, Kostenersatz,
Mitgliedstaat, mündliche Verkündung, Rechtswidrigkeit, schriftliche
Ausfertigung, Schubhaftbeschwerde, Verfahrenshilfe, Wiedereinreise

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W117.2176914.1.00

Zuletzt aktualisiert am

21.11.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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