Entscheidungsdatum
25.09.2018Norm
BBG §40Spruch
W261 2188975-1/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS als Vorsitzende und den Richter Mag. Markus BELFIN sowie den fachkundigen Laienrichter Dr. Rainer GEISSLER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, vom 22.02.2018, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer stellte am 19.12.2017 beim Sozialministeriumservice (in der Folge als belangte Behörde bezeichnet) einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses und legte dabei ein Konvolut an medizinischen Unterlagen vor.
Die belangte Behörde holte zur Überprüfung des Antrages ein Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Orthopädie ein. In dem auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 14.02.2018 erstatteten Gutachten vom selben Tag stellte die medizinische Sachverständige beim Beschwerdeführer die Funktionseinschränkungen "Degenerative Wirbelsäulenveränderungen" und "Beginnende Hüftgelenksabnützung beidseits" und einen Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von 20 von Hundert (in der Folge vH) fest.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 22.02.2018 wies die belangte Behörde den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß §§ 40, 41 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG) ab und stellte einen Grad der Behinderung in Höhe von 20 vH fest. Die belangte Behörde legte dem Bescheid das eingeholte Sachverständigengutachten in Kopie bei.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und brachte zusammengefasst vor, dass er bei der Untersuchung sämtliche Befunde mitgehabt habe und der Gutachterin vorlegen habe wollen, die dies jedoch unter dem Hinweis, sich bereits eingelesen zu haben, abgelehnt habe. Es werde in der Entscheidung nicht auf die Knie des Beschwerdeführers eingegangen, welche beide eine patellofemorale Dysplasie und Retropatellaarthrose aufweisen würden und stark bewegungseinschränkend und schmerzhaft seien. Laut Facharzt sei dies operativ nicht behebbar und könne nur durch andauernde Physiotherapie eingedämmt werden. Weiters sei im Gutachten lediglich ein Bandscheibenvorfall L5/S1 - wenn auch ohne Erwähnung der Facettarthrose - festgehalten worden, tatsächlich sei zusätzlich auch noch L4/L5 mit Kontakt zur linken L5 Wurzel und L3/L4 betroffen. Die Sachverständige sei auch nur auf das Cam Impingement in der Hüfte eingegangen, es bestehe aber zudem noch eine Labrumläsion und das Cam Impingement sei noch mit Os acetabuli verbunden. Der Beschwerdeführer schloss der Beschwerde Befunde und MRT-Bilder sowie eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung über mindestens sechs Monate an.
Die belangte Behörde legte den Aktenvorgang dem Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG) mit Schreiben vom 12.03.2018 vor, wo dieser am selben Tag einlangte.
Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes holte das BVwG ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin und Facharztes für Lungenheilkunde ein. Das aufgrund der Aktenlage am 10.07.2018 erstattete Gutachten kam zum Ergebnis, dass sich keine Änderung des Grades der Behinderung ergebe.
Das BVwG brachte den Parteien des Verfahrens das Ergebnis der Beweisaufnahme mit Schreiben vom 20.07.2018 zur Kenntnis und räumte ihnen eine Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme ein.
Keine der Parteien gab dazu eine Stellungnahme ab.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses langte am 19.12.2017 bei der belangten Behörde ein.
Der Beschwerdeführer erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz im Inland.
Ausmaß der Funktionseinschränkungen:
Allgemeinzustand: gut
Ernährungszustand: gut
Größe: 194 cm Gewicht: 100 kg
Klinischer Status - Fachstatus:
Wirbelsäule - Beweglichkeit:
HWS: Kinn-Jugulum Abstand: 2 cm, alle übrigen Ebenen: frei beweglich
BWS: gerade
LWS: Seitneigen nach links bis 40° möglich, nach rechts bis 40° möglich
FBA: 10 cm
Obere Extremitäten: Linkshänder
Rechts: Schultergelenk: Abduktion bis 160° möglich,
Ellenbogengelenk: frei, Handgelenk: frei, Finger: o.B.
Links: Schultergelenk: Abduktion bis 160° möglich, Ellenbogengelenk:
frei, Handgelenk: frei, Finger: o.B.
Kraft- und Faustschluss: bds. frei
Kreuz- und Nackengriff: bds. möglich
Untere Extremitäten:
Rechts: Hüftgelenk: S 0-0-140, F 60-0-50, R 50-0-40, positives Kapselmuster
Kniegelenk: S 0-0-150, kein Erguß, bandstabil
OSG: frei
Links: Hüftgelenk: S 0-0-140, F 60-0-50, R 50-0-40, positives Kapselmuster
Kniegelenk: S 0-0-150, kein Erguß, bandstabil
OSG: frei
Varicen: keine
Füße: bds. o.B.
Zehen- und Fersenstand: bds. möglich Gesamtmobilität - Gangbild:
Gangbild: frei
Gehbehelf: keiner
Status Psychicus:
wach, orientiert
Beim Beschwerdeführer bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
1. Degenerative Wirbelsäulenveränderungen
2. Beginnende Hüftgelenksabnützung beidseits
Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 20 v.H.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen hinsichtlich der Antragsstellung basieren auf dem Akteninhalt.
Die Feststellungen zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Inland basieren auf dem vom BVwG eingeholten Auszug aus dem Zentralen Melderegister.
Der Gesamtgrad der Behinderung gründet sich auf das seitens des BVwG eingeholte Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin, der auch Facharzt für Lungenkrankheiten ist, vom 10.07.2018, basierend auf der Aktenlage.
Darin wird auf die Art der Leiden des Beschwerdeführers und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Der medizinische Gutachter setzt sich auch umfassend und nachvollziehbar mit den vorgelegten Befunden sowie mit der Frage der wechselseitigen Leidensbeeinflussungen und dem Zusammenwirken der zu berücksichtigenden Gesundheitsschädigungen auseinander. Die getroffenen Einschätzungen entsprechen auch den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen; die Gesundheitsschädigungen sind nach der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft.
Mit diesem Gutachten wird auch betreffend die eingestuften Leiden und den Gesamtgrad der Behinderung das Ergebnis des dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden, seitens der belangten Behörde eingeholten und auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers beruhenden orthopädischen Sachverständigengutachtens vom 14.02.2018 bestätigt. Aufgrund der Einwendungen in der Beschwerde, wonach nicht auf die Einschränkungen in den Knien sowie nur teilweise auf die Bandscheiben- und Hüftprobleme eingegangen werde, ersuchte das Bundesverwaltungsgericht um ein ergänzendes Sachverständigengutachten, in welchem sich der Gutachter sowohl mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers als auch mit sämtlichen Befunden ausführlich auseinandersetzte.
Insofern der Beschwerdeführer vorbringt, in der gutachterlichen Einschätzung sei nur der Bandscheibenvorfall L5/S1 erwähnt, hält der nunmehr seitens des Bundesverwaltungsgerichtes beauftragte Sachverständige am 10.07.2018 schlüssig fest, dass die Funktionseinschränkung der Lendenwirbelsäule nicht nach der Anzahl der betroffenen Bandscheiben und der Bezeichnung des jeweiligen Lendenwirbels, sondern im gesamten nach ihrer Funktion beurteilt wird. Durch die zusätzliche Kontaktaufnahme der Bandscheibe L4/L5 mit der linken Nervenwurzel L5 sowie L3 und L4 ergibt sich somit keine Erhöhung des Grades der Behinderung. Die Einstufung ist im Gesamten vorzunehmen und nicht auf jeden einzelnen Wirbel oder jede einzelne Nervenwurzel. Bei mehreren degenerativen Veränderung ist eine Differenzierung in der klinischen Untersuchung oft auch gar nicht möglich. Da sich bei der Untersuchung nur endlagige funktionelle Einschränkungen zeigten, ist eine höhere Einstufung des Wirbelsäulenleidens somit nicht möglich.
Dem Beschwerdevorbringen, die Einschränkungen in der Hüfte seien nur teilweise berücksichtigt worden, ist entgegen zu halten, dass die Tatsache einer notwendigen Operation beider Hüftgelenke im Gutachten erwähnt wurde. Auch wenn das Gutachten, wie in der Beschwerde beanstandet, nur auf das Cam Impingement eingeht und die Labrumläsion und Os acetabuli nicht erwähnt, ist die Einschätzung des Leidens mit dem unteren Rahmensatz der Positionsnummer korrekt gewählt, da sich die Beweglichkeit in der persönlichen Untersuchung nur leicht- bis mäßiggradig eingeschränkt zeigte. Im Mai 2018 fand ein operativer Eingriff an der linken Hüfte statt, ein weiterer ist auch an der rechten Hüfte geplant, wodurch eine Besserung der diesbezüglichen Einschränkungen möglich ist.
In der persönlichen Untersuchung durch die orthopädische Sachverständige am 14.02.2018 waren beide Kniegelenke frei beweglich, das Gangbild zeigte sich frei. Bezüglich der in der Beschwerde vorgelegten MRT- und Röntgenbilder hält der Sachverständige im Gutachten vom 10.07.2018 fest, dass die MRT-Bilder nicht verwertbar sind, am Röntgenbild des linken Kniegelenkes ist eine leichtgradige degenerative Veränderung zu erkennen, weiters sind leichtgradige degenerative Veränderungen der Knorpel beider Kniegelenke dokumentiert. Maßgebend für die Beurteilung des Grades der Behinderung von Einschränkungen des Stütz- und Bewegungsapparates ist jedoch der objektivierte Bewegungsumfang. Bei radiologischen Befunden ist daher für die Einschätzung lediglich die Korrelation mit der klinischen Symptomatik relevant. Somit erreicht die bestehende degenerative Veränderung der Kniegelenke bei klinisch ungestörter Beweglichkeit keinen Grad der Behinderung.
Der Beschwerdeführer gab im Rahmen des ihm eingeräumten Parteiengehörs keine Stellungnahme ab. Er ist damit den Ausführungen der medizinischen Sachverständigen nicht und damit insbesondere auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093).
Seitens des BVwG bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit, Widerspruchsfreiheit und Schlüssigkeit der vorliegenden Sachverständigengutachten vom 14.02.2018 und 10.07.2018. Diese werden daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A)
1. Zur Entscheidung in der Sache
Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten:
"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
...
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.
§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
(2) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird.
...
§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
...
§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen."
Die maßgebenden Bestimmungen der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung, BGBl. II. Nr. 261/2010 idgF BGBl II. Nr. 251/2012) lauten auszugsweise wie folgt:
"Behinderung
§ 1. Unter Behinderung im Sinne dieser Verordnung ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Grad der Behinderung
§ 2. (1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.
(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.
(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.
Gesamtgrad der Behinderung
§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.
(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 v.H. sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht. Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.
(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn
-
sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,
-
zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.
(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.
Grundlage der Einschätzung
§ 4. (1) Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.
(2) Das Gutachten hat neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.
..."
Zunächst ist rechtlich festzuhalten, dass der Grad der Behinderung im Beschwerdefall - wie dies auch die belangte Behörde zu Recht annahm - nach der Einschätzungsverordnung einzuschätzen war, was im Verfahren auch unbestritten geblieben ist.
Wie oben unter Punkt 2. (Beweiswürdigung) ausgeführt, werden der gegenständlichen Entscheidung die seitens der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten einer Fachärztin vom 14.02.2018, beruhend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am selben Tag, sowie das seitens des BVwG eingeholte, auf der Aktenlage beruhende Sachverständigengutachten vom 10.07.2018 zu Grunde gelegt.
Die medizinischen Sachverständigen stellen in diesen Gutachten fest, dass eine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung der beiden Leiden des Beschwerdeführers wegen fehlender maßgeblicher funktioneller Zusatzrelevanz nicht besteht, woraus sich ein Gesamtgrad der Behinderung von 20 v.H. ergibt.
Die vom Beschwerdeführer im Rahmen der Beschwerde vorgelegten Befunde und Beschwerdegründe waren nicht geeignet, die durch die medizinischen Sachverständigen getroffenen Beurteilungen zu widerlegen oder zusätzliche Dauerleiden bzw. eine zwischenzeitlich eingetretene Verschlechterung des Zustandes zu belegen.
Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 20 v.H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, aktuell nicht erfüllt.
Im Übrigen ist aber auch darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht kommt.
Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.
2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung
Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde und insbesondere auf das vom BVwG eingeholte medizinische Sachverständigengutachten, das auf der Aktenlage beruht, auf alle Einwände und die im Verfahren vorgelegten Atteste des Beschwerdeführers in fachlicher Hinsicht eingeht, und welchem der Beschwerdeführer nicht substantiiert entgegengetreten ist. Die strittige Tatsachenfrage, genauer die Art und das Ausmaß der Funktionseinschränkungen des Beschwerdeführers sind einem Bereich zuzuordnen, der von einem Sachverständigen zu beurteilen ist. Beide Parteien haben keinen Verhandlungsantrag gestellt. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.
Zu Spruchteil B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Behindertenpass, Grad der Behinderung, SachverständigengutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W261.2188975.1.00Zuletzt aktualisiert am
21.11.2018