TE Vwgh Erkenntnis 1999/10/15 96/19/0369

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Veröffentlicht am 15.10.1999
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §63 Abs5;
AVG §71;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde des 1956 geborenen M G, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres jeweils vom 1. Dezember 1995, 1. Zl. 302.552/2-III/11/95 (betreffend Zurückweisung einer Berufung), und

2. Zl. 302.552/5-III/11/95 (betreffend Abweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer verfügte nach der diesbezüglich unbedenklichen Aktenlage zuletzt über eine Aufenthaltsbewilligung vom 31. Oktober 1993 bis 1. Juli 1994. Sein am 22. Juni 1994 gestellter Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 29. Juni 1994 gemäß § 6 Abs. 3 AufG mangels rechtzeitiger Antragstellung "zurückgewiesen". Dieser Bescheid wurde an den Beschwerdeführer am 5. Juli 1994 durch Hinterlegung beim Postamt 1230 Wien zugestellt.

Mit dem am 25. Juli 1994 zur Post gegebenem Schriftsatz beantragte der Beschwerdeführer die "Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 AVG gegen den Bescheid der MA 62 vom 29. Juni 1994" mit folgendem Vorbringen:

"Ich war laut Einreisestempel in meinem Reisepass bis 17. Juli 1994 im Ausland aufhältig und konnte daher erst danach den am 4. Juli 1994 hinterlegten Bescheid abholen."

Unter einem erhob der Beschwerdeführer Berufung.

Der Landeshauptmann von Wien gab mit Bescheid vom 2. Februar 1995 diesem Wiedereinsetzungsantrag nicht statt. Der Beschwerdeführer erhob Berufung.

Mit dem erstangefochtenen Bescheid vom 1. Dezember 1995 wies der Bundesminister für Inneres die Berufung des Beschwerdeführers gegen den seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zurückweisenden Bescheid vom 29. Juni 1994 zurück. Begründend führte die belangte Behörde aus, Berufungen seien gemäß § 63 Abs. 5 AVG binnen zwei Wochen nach erfolgter Zustellung einzubringen. Da die Zustellung rechtswirksam am 5. Juli 1994 erfolgt und die Berufung erst am 25. Juli 1994, und daher verspätet, eingebracht worden sei, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Betreffend die im Wiedereinsetzungsantrag angeführte Behauptung des Beschwerdeführers, infolge Abwesenheit von der Abgabestelle sei die Zustellung erst am 18. Juli 1994 rechtswirksam erfolgt, da er erst am 17. Juli 1994 vom Ausland zurückgekehrt sei, sei der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 14. August 1995 aufgefordert worden, seinen angebotenen Beweis dafür (Einreisestempel) vorzulegen und diesbezüglich Stellung zu nehmen. Diesbezüglich sei vom Rechtsvertreter des Beschwerdeführers auch am 31. August 1995 (Einlangungsdatum) ein Antrag auf Fristerstreckung für die Stellungnahme eingebracht worden und sei ihm ein solcher (14 Tage) gewährt worden. Da aber weder eine Stellungnahme noch eine Kopie des Reisepasses vorgelegt worden sei, der Beschwerdeführer somit nicht belegt habe, dass er tatsächlich ortsabwesend gewesen sei, stehe für die belangte Behörde fest, dass die Zustellung ordnungsgemäß durch Hinterlegung am 5. Juli 1994 erfolgt sei.

Mit dem zweitangefochtenen Bescheid vom 1. Dezember 1995 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den seinem Wiedereinsetzungsantrag nicht stattgebenden Bescheid der erstinstanzlichen Behörde ab. Begründend führte die belangte Behörde aus, nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes habe sowohl die Stellung eines Antrages nach § 13 Abs. 1 zweiter Satz AufG als auch die Stellung eines Verlängerungsantrages einen materiell-rechtlichen Anspruch zum Gegenstand.

Die dafür vom Gesetz vorgesehenen Fristen "mit Ablauf der Geltungsdauer dieser Berechtigung" (§ 13 Abs. 1 AufG, § 6 Abs. 3 AufG) bzw. vormals "spätestens vier Wochen vor diesem Zeitpunkt" seien demnach nach dieser Judikatur materiell-rechtliche Fristen, deren Nichteinhaltung zum Untergang des genannten Anspruches führe. Daraus folge, dass gegen die Versäumung dieser Fristen eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 71 AVG nicht in Betracht komme.

Ergänzend werde in diesem Zusammenhang noch darauf hingewiesen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Umstand, dass die Verwaltungsbehörde den Einschreiter nicht ausdrücklich auf die Möglichkeit der Stellung eines Wiedereinsetzungsantrages hingewiesen habe, keine Verletzung der Manuduktionspflicht im Sinne des § 13a AVG und kein rechtswidriges Verhalten der Behörde darstelle. Dies gelte insbesonders, wenn die Wiedereinsetzung nicht in Betracht komme.

Aus den angeführten Gründen stehe fest, dass die Stellung des Wiedereinsetzungsantrages unzulässig gewesen sei. Die Berufung sei demnach abzuweisen gewesen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Vorauszuschicken ist, dass es sich bei den angefochtenen Bescheiden nicht um solche handelt, mit denen die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung versagt wurde, sondern um die Zurückweisung einer verspäteten Berufung bzw. die Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrages. Deshalb liegt kein Anwendungsfall des § 113 Abs. 6 und 7 des Fremdengesetzes 1997 vor (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 1999, Zl. 96/19/2015).

Zur Beschwerde gegen den erstangefochtenen Bescheid:

Die Behörde hat amtswegig zu prüfen, ob die Zustellung des angefochtenen Bescheides ordnungsgemäß erfolgt ist. Kommen Hinweise hervor, welche den rechtmäßigen Zustellvorgang in Frage stellen, gibt es jedenfalls zu behördlichen Erhebungen über die Rechtzeitigkeit oder Verspätung des Rechtsmittels Anlass. Die Behörde hat nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes über diese Frage aufgrund von ihr festgestellter Tatsachen zu entscheiden (vgl. die in Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts5, 561 wiedergegebene hg. Rechtsprechung).

Im gegenständlichen Fall hat der Beschwerdeführer bereits mit dem mit der Berufung eingebrachten Wiedereinsetzungsantrag konkrete Ausführungen zu seiner Ortsabwesenheit im Zeitpunkt der Zustellung und zur Rechtzeitigkeit seiner Berufung erstattet. Zum Nachweis seiner Behauptung berief er sich auf den aus seinem Reisepass ersichtlichen Einreisestempel. Im Sinne der vorgenannten Grundsätze war daher die belangte Behörde verpflichtet, die angebotenen Beweise aufzunehmen, einer Beweiswürdigung zu unterziehen, gegebenenfalls von Amts wegen weitere Beweise aufzunehmen und darauf ihre Feststellungen zu stützen. Die belangte Behörde hat mit Schreiben vom 14. August 1995 den Beschwerdeführer aufgefordert, eine vollständige Ablichtung seines Reisepasses vorzulegen. Dem mit Kommunikationsschwierigkeiten begründeten Fristerstreckungsantrag des Beschwerdeführers vom 31. August 1995 gab die belangte Behörde am 4. September 1995 statt und erstreckte die Frist um weitere 14 Tage. Ein weiterer, wiederum mit Kommunikationsschwierigkeiten begründeter Fristerstreckungsantrag vom 12. September 1995 wurde, wie im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erhoben wurde, vom - immerhin durch einen Rechtsanwalt vertretenen - Beschwerdeführer an die Bundespolizeidirektion Wien (sohin an eine unzuständige Behörde) gerichtet und ist - mangels Weiterleitung - der belangten Behörde nicht zur Kenntnis gelangt. Bis zur Erlassung des erstangefochtenen Bescheides am 15. Dezember 1995 langte bei der belangten Behörde jedoch weder eine weitere Stellungnahme des Beschwerdeführers noch eine Kopie des Reisepasses ein.

Die belangte Behörde würdigte das Verhalten des Beschwerdeführers dahingehend, er habe die von ihm behauptete Ortsabwesenheit zum Zeitpunkt der Zustellung nicht belegt und gelangte zur Feststellung, dass die Zustellung durch Hinterlegung am 5. Juli 1994 ordnungsgemäß erfolgt sei.

Die Beschwerde bringt dazu vor, dass "mittlerweile" (im Zusammenhang offensichtlich gemeint: nach dem Fristerstreckungsantrag vom 12. September 1995) habe eruiert werden können, dass der Beschwerdeführer nicht mehr über seinen alten jugoslawischen Reisepass, sondern über einen neuen, durch die jugoslawische Botschaft in Wien ausgestellten Reisepass vom 4. Mai 1995 verfüge. Der Beschwerdeführer wäre jedenfalls zum Sachverhalt des Auslandsaufenthaltes einzuvernehmen gewesen, "wenn kein Stempel mehr im Reisepass ersichtlich ist, da der Reisepass eingezogen wurde".

Mit diesem Vorbringen vermag die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen: Wenn die belangte Behörde angesichts des Umstandes, dass der Beschwerdeführer lediglich "mangels rechtzeitiger Kontaktierung" mit seinem Rechtsvertreter um Fristerstreckung ansuchte und trotz - wenngleich nicht ausdrücklich bewilligter, so doch praktisch eingeräumter - weiterer Fristerstreckung von rund drei Monaten bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides auf Grund der Untätigkeit des Beschwerdeführers ihre Beweiswürdigung dahingehend vorgenommen hat, dass sie seinem Vorbringen betreffend seine Ortsabwesenheit keinen Glauben schenkte, so ist dies im Rahmen der diesbezüglich dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Kontrolle (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) nicht als rechtswidrig zu erkennen. Auch in der Beschwerde wird nicht dargelegt, aus welchen Gründen es dem Beschwerdeführer unmöglich gewesen ist, bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides den Umstand, dass er den alten Reisepass wegen Ausstellung eines neuen nicht mehr vorlegen könne und deshalb seine Einvernahme beantrage, geltend zu machen.

Es ist daher von der Ordnungsmäßigkeit der Zustellung an den Beschwerdeführer am 5. Juli 1994 auszugehen, was aber bedeutet, dass die zweiwöchige Berufungsfrist des § 63 Abs. 5 AVG durch die erst am 25. Juli 1994 zur Post gegebene Berufung versäumt wurde.

Zum zweitangefochtenen Bescheid:

Der Beschwerdeführer hat seinen Wiedereinsetzungsantrag ausschließlich mit seiner Ortsabwesenheit im Zeitpunkt der Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides begründet. Bei Zutreffen wäre keine ordnungsgemäße Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides am 5. Juli 1994 und damit auch keine Verspätung der Berufung vorgelegen. Ein Zustellungsmangel stellt jedoch - was der Beschwerdeführer verkannte - nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis und damit keinen Wiedereinsetzungsgrund dar (vgl. die bei Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E. 130 und 131 zu § 71 AVG wiedergegebene Judikatur).

Im vorliegenden Fall erfolgte daher die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages des Beschwerdeführers durch die belangte Behörde jedenfalls im Ergebnis zu Recht, wenngleich die Ausführungen der belangten Behörde im gegebenen Zusammenhang als gänzlich verfehlt zu bezeichnen sind.

Aus diesen Erwägungen kann die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages durch den zweitangefochtenen Bescheid im Ergebnis nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 15. Oktober 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1996190369.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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