TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/28 W117 2201687-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.09.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

28.09.2018

Norm

BFA-VG §39
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §22 Abs1
VwGVG §35

Spruch

W117 2201687-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Andreas DRUCKENTHANER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb.XXXX, StA. Georgien, vertreten durch RA Dr. G. ECKHARTER, gegen die Handlung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 1.) 14.07.2018 sowie 2.) vom 20.07.2018, Zl. ad 1.) PAD/18/01187914/001/VW sowie ad 2.) PAD/18/01346590/001/VW,

A)

1.) der Beschluss gefasst:

Der Antrag auf Gewährung von aufschiebender Wirkung zu den vorliegenden Maßnahmenbeschwerden wird gemäß § 22 Abs. 1 VwGVG abgewiesen.

sowie

2.) zu Recht erkannt:

I. Die Maßnahmenbeschwerden werden gemäß § 39 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.

II. Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Kostenersatz wird gemäß § 35 VwGVG abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1. Die Beschwerdeführerin ist georgische Staatsangehörige und hielt sich nach ihrer Einreise ins Bundesgebiet von 17.10.2011 bis zum 22.10.2017 mit fortlaufend verlängerten Aufenthaltstiteln des Magistrates der Stadt XXXX als Schülerin bzw. Studierende rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Ihr Verlängerungsantrag vom 19.10.2017 wurde am 17.01.2018 jedoch abgewiesen, sodass ihr Aufenthalt im Bundesgebiet seither nicht mehr rechtmäßig ist.

1.2.Am 14.07.2018 wurde seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl die Beschwerdeführerin wegen Überschreitung der schengenweiten Einreisefrist der 90 von 180 Tagen das österreichische Bundesgebiet bis zum 16.07.2018, 24:00 Uhr, zu verlassen und darauf hingewiesen, dass für den Fall ihrer Nichtausreise, die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme (Rückkehrentscheidung), Sicherungsmaßnahmen und eine Abschiebung nach Georgien in Aussicht genommen würden, sowie die Beschwerdeführerin auf die Möglichkeit einer freiwilligen Ausreise unter Gewährung einer Rückkehrhilfe hingewiesen. Die Übernahme der Information über ihre Ausreiseverpflichtung wurde von der Beschwerdeführerin durch ihre eigenhändige Unterschrift am 14.07.2018 bestätigt.

Gleichzeitig wurde am 14.07.2018 unter der GZ. PAD/18/01187914/001/VW, der zuletzt bis 22.10.2017 gültig gewesene Aufenthaltstitel der Beschwerdeführerin nach dem BFA-VG sichergestellt und der Beschwerdeführerin eine Bestätigung darüber und die Übersendung des sichergestellten Aufenthaltstitels an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ausgehändigt.

1.3.Hierauf beantragte der bevollmächtigte Vertreter der Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 16.07.2018 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Abstandnahme von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen. Diesen Antrag begründete er mit dem nunmehr 9 Jahre dauernden Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet, ihren Deutsch-Kenntnissen auf dem Niveau B1 und ihrer laufenden HTL-Ausbildung, ihrer ortsüblichen Unterkunft, ihrem bis Oktober 2017 rechtmäßig gewesenen Aufenthalt und einem arbeitsrechtlichen Vorvertrag, ihrem Bekanntenkreis in Österreich und ihrer privaten Krankenversicherung begründete, wozu ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 in Ausarbeitung sei. Im Herkunftsstaat seien nur noch ihre Eltern aufhältig, welche aber von ihrem in Spanien lebenden Bruder erhalten werden müssten, weil ihr Vater wegen eines Herzinfarktes erwerbsunfähig und ihre Mutter stets im Haushalt tätig gewesen sei, weshalb sie keine Hilfe von ihnen zu erwarten hätte. Es gäbe keine Abwägungskriterien, welche zu ihren Ungunsten ausschlagen könnten. Der derzeitige Eingriff in ihr von Art. 8 EMKR geschütztes Privatleben sei als ausgeschlossen zu bezeichnen.

1.4.Seit dem 18.07.2018 ist beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem FPG anhängig.

1.5.Seit dem 20.07.2018 ist beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl infolge eines Antrages der Beschwerdeführerin auch ein Verfahren zur Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen nach dem AsylG 2005 anhängig.

1.6.Die Beschwerdeführerin hat am 20.07.2018 persönlich beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgesprochen und am selben Tag auch die Übernahme der Information über die Verpflichtung zur Ausreise vom selben Tag durch ihre Unterschrift bestätigt, womit sie darauf hingewiesen wurde, dass sie nicht binnen der ihr am 14.07.2018 gewährten Frist für die freiwillige Ausreise ausgereist sei, und erneut aufgefordert wurde, das österreichische Bundesgebiet umgehend, spätestens jedoch bis 27.07.2018, 24:00 Uhr, zu verlassen, ansonsten die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme (Rückkehrentscheidung), Sicherungsmaßnahmen und dien Abschiebung nach Georgien in Aussicht genommen würden, sowie die Beschwerdeführerin neuerlich auf die Möglichkeit einer freiwilligen Rückkehr unter Gewährung einer Rückkehrhilfe hingewiesen.

Gleichzeitig wurden am 20.07.2018 unter der GZ. PAD/18/01346590/001/VW, der am 01.04.2007 und abgelaufene sowie der am 01.12.2016 ausgestellte und gültige georgische Reisepass der Beschwerdeführerin gemäß § 39 BFA-VG sichergestellt.

1.5.Gegen die Sicherstellung der abgelaufenen Aufenthaltstitel vom 14.07.2018 und der Reisepässe der Beschwerdeführerin vom 20.07.2018 richtet sich die vorliegende, rechtzeitige Beschwerde. Darin wird ua. bemängelt, dass der Beschwerdeführerin anlässlich der Sicherstellung der oa. Dokumente keine Kopien derselben ausgehändigt wurden, sodass die Bestätigungen absolut wertlos wären und die Beschwerdeführerin nicht in der Lage sei, eingeschriebene Postsendungen zu beheben etc.. Ferner sei entgegen der Auskunft der Behörde, wonach die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 im Ausland abzuwarten sei, zur Erteilung des Titels der Inlandsaufenthalt der Beschwerdeführerin erforderlich. Gemäß § 39 BFA-VG sei eine Sicherstellungen lediglich vorläufig vorzunehmen, was nach Abs. 2 leg cit nur dann zu gelten habe, wenn diese Dokumente zur Vollziehung einer Rückkehrentscheidung, einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes, insbesondere zur Erlangung eines Ersatzreisedokuments, benötigt würden. Im Fall der Beschwerdeführerin liege keine einzige Voraussetzung vor, nachdem bis zum Einschreiten der Beamten nicht einmal ein derartiges Verfahren eingeleitet gewesen sei. Dadurch sei erwiesen, dass es tatsächlich keinen Grund für die Sicherstellung gegeben habe und die Abnahme der Dokumente rechtswidrig gewesen sei. Auch seien die einschreitenden Beamten, weder des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl noch der LPD Niederösterreich befugt gewesen, Sicherstellungen durchzuführen, weshalb die gesamten Amtshandlungen extralegal erfolgt seien. Dem Übermaß an rechtswidrigen Aktionen könne de facto nur durch Gewährung der aufschiebenden Wirkung begegnet werden. Beantragt werde, dass 1.) die Akte der unmittelbaren verwaltungsbehördlichen Befehls- und Zwangsgewalt vom 14.07.2018 und vom 20.07.2018 für rechtswidrig erklärt und die Wegnahme und Einbehaltung der Dokumente aufgehoben werde, 2.) der Beschwerde aufschiebende Wirkung gemäß § 22 Abs. 1 VwGVG zuerkannt werde, weil die Frist zur freiwilligen Ausreise im Hinblick auf § 55 Abs. 2 FPG völlig unbegründet auf eine Woche reduziert worden sei und 3.) gemäß § 35 VwGVG der Beschwerdeführerin die Kosten dieses Verfahrens im Ausmaß von € 878,24 zuzusprechen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beurteilung wird der oben unter Punkt 1. wiedergegebene Verfahrensgang als Sachverhalt zugrunde gelegt.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt sowie aus der verfahrensgegenständlichen Maßnahmenbeschwerde.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden

1. gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit;

2. gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit;

3. wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde;

4. gegen Weisungen gemäß Art. 81a Abs. 4.

Gemäß Art. 132 Abs. 2 B-VG kann gegen die Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt Beschwerde erheben, wer durch sie in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.

Im vorliegenden Fall ist in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen und obliegt somit in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung gem. § 6 BVwGG dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

3.1.zu den Maßnahmenbeschwerden:

§ 39 BFA-VG lautet auszugsweise:

"Sicherstellen von Beweismitteln

§ 39. (1) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind ermächtigt, Gegenstände und Dokumente, die für ein Verfahren vor dem Bundesamt oder für eine Abschiebung gemäß § 46 FPG als Beweismittel benötigt werden, vorläufig sicherzustellen. [...]

(2) Als Beweismittel gelten auch Gegenstände oder Dokumente, die im Zuge der Vollziehung einer Rückkehrentscheidung, einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes, insbesondere zur Erlangung eines Ersatzreisedokuments für die Abschiebung, benötigt werden.

(3) Über die Sicherstellung gemäß Abs. 1 und 1a ist dem Betroffenen eine schriftliche Bestätigung auszufolgen [...]. Die Beweismittel sind dem Bundesamt zu übergeben und von diesem, sobald sie nicht mehr für das Verfahren oder für eine Abschiebung benötigt werden, dem Betroffenen zurückzustellen, es sei denn, sie wären nach einem anderen Bundesgesetz sicherzustellen [...]. "

§ 39 BFA-VG entspricht dem geltenden § 38 FPG sowie den §§ 21 und 44 Abs. 4 AsylG 2005 und zielt darauf ab, Beweismittel für Verfahren vor dem Bundesamt oder eine Abschiebung zu sichern (vgl. RV 1803 XXIV. GP).

Hinsichtlich der vergleichbaren Regelung des § 38 FPG ("Sicherstellung von Beweismitteln") hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen:

"Benötigt die Fremdenpolizeibehörde Beweismittel iSd § 38 Abs. 3 FrPolG 2005, worunter insbesondere Dokumente zu verstehen sind, nicht mehr, so hat sie diese dem Betroffenen zurückzustellen. Mit dieser behördlichen Verpflichtung korrespondiert eine entsprechende Berechtigung des Betroffenen, was aus seinem konkreten Interesse am Erhalt bzw. Besitz seiner Dokumente resultiert. Ist für die Festlegung behördlicher Pflichten das Interesse individualisierbarer Personen ausschlaggebend, so ist nämlich davon auszugehen, dass diesen Personen eine Berechtigung eingeräumt wird (vgl. VwSlg 9151 A/1976). Das zieht die Parteistellung bzw. die Befugnis zur Rechtsverfolgung nach sich. Konsequenz ist, dass einem Fremden, der die Ausfolgung seiner Dokumente begehrt, nicht entgegengehalten werden kann, ihm komme keine Antragslegitimation zu. Das hat der VwGH schon im Ablehnungsbeschluss vom 29. September 2011, 2010/21/0111, zum Ausdruck gebracht, in dem er auf die Pflicht der Fremdenpolizeibehörde, über einen Ausfolgeantrag (so sie ihm nicht stattgibt) mit Bescheid abzusprechen sowie auf den Grundsatz der Subsidiarität der Beschwerdemöglichkeiten nach § 88 SPG 1991 hingewiesen hat. Eine bloße Antragszurückweisung mangels Antragslegitimation war damit nicht gemeint; andernfalls hätte auch der diesem Hinweis vorangestellte Grundsatz der Subsidiarität der Beschwerdemöglichkeiten nach § 88 SPG 1991 keinen Sinn gemacht."

Diese Judikatur ist ob der Wesensgleichheit der Regelungen des § 38 FPG und des § 39 BFA-VG auf den gegenständlich zu beurteilenden Fall übertragbar.

Das Ende der Einbehaltungsfrist der sichergestellten Dokumente wird in § 39 BFA-VG grundsätzlich - abgesehen von behördeninternen Weiterleitungen - dadurch definiert, ob sie noch für das Verfahren oder die Abschiebung benötigt werden (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, § 39 BFA-VG K8).

Aus dem Akteninhalt und dem Verfahrensgang ergibt sich, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl - infolge der Aufforderung der Beschwerdeführerin vom 14.07.2018, bis zum 16.07.2018, 24:00 Uhr, das österreichische Bundesgebiet zu verlassen, spätestens am 18.07.2018 ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme (Rückkehrentscheidung) eingeleitet hat; dies wurde explizit am 18.07.2018 auch im entsprechenden Verfahrenssystem des Bundes vermerkt. Im Hinblick darauf ist die Sicherstellung ihrer ungültig gewordenen Aufenthaltsbewilligungen am 14.07.2018 und der Reisepässe der Beschwerdeführerin am 20.07.2018 nicht zu beanstanden.

Zwar wäre im Hinblick auf die erneute Aufforderung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl an die Beschwerdeführerin vom 20.07.2018, das österreichische Bundesgebiet bis zum 27.07.2018, 24:00 Uhr zu verlassen, deren umgehende Rückstellung erforderlich gewesen, nachdem dieser Termin bereits verstrichen sowie die Beschwerdeführerin in der Beschwerde entgegen § 58 Abs. 13 AsylG 2005 der Auffassung ist, dass ihr Antrag nach § 55 AsylG 2005 ihre Anwesenheit im Bundesgebiet erfordere, ist eine Ausfolgung der Reisepässe bis zum Abschluss des Verfahrens betreffend eine Rückkehrentscheidung nicht angezeigt (vgl. dazu VwGH 29.08.2018, Ra 2018/22/0180-5), zumal die Beschwerdeführerin gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG-DV außerdem verpflichtet ist, ihrem Antrag vom 20.07.2018 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen den Reisepass anzuschließen (§ 39 Abs. 3 BFA-VG). Ferner ist zur Beurteilung ihres bisherigen Aufenthaltes auch die Rechtmäßigkeit desselben nicht unbeachtlich, was auch die weitere Einbehaltung ihrer bisherigen Aufenthaltsberechtigungen rechtfertigt.

Ein der Beschwerdeführerin konkret drohender Nachteil durch die Sicherstellung des Reisepasses, also eine Unverhältnismäßigkeit, wurde in der Beschwerde nicht dargelegt, weil die Beschwerdeführerin eingeschriebene Postsendungen auch mittels eines Personalausweises beheben könnte und dafür nicht zwingend ein Reisepass nötig ist. Auch ist nicht ersichtlich, inwiefern sich für sie ein Nachteil durch den Einbehalt abgelaufener Aufenthaltsbewilligungen ergeben sollte.

Umstände, insbesondere konkret drohende Nachteile, die eine Unverhältnismäßigkeit der Sicherstellung des Reisepasses begründen könnten, hat der Beschwerdeführer mit dem Vorbringen, er könne deshalb keine "eingeschriebenen Postsendungen beheben" und könne sich bei Kontrollen nicht ausweisen, nicht dargelegt (vgl. dazu VwGH 29.02.2012, Zl. 2010/21/0195).

Nach Abs. 2 leg.cit. gelten als Beweismittel u.a. auch Dokumente, die im Zuge der Vollziehung einer Rückkehrentscheidung, insbesondere zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, benötigt werden.

Zu der (jedenfalls bis 31.12.2013) wesensgleichen Regelung des § 38 FPG ("Sicherstellung von Beweismitteln") hat der Verwaltungsgerichtshof zudem zum Ausdruck gebracht, dass die mangelnde Durchsetzbarkeit einer Ausweisung noch nicht die Sicherstellung eines für die Vollziehung der Ausweisung benötigten Dokuments gem. § 38 FPG hindert. Es ist den Behörden nämlich nicht generell verwehrt, Schritte zur Vorbereitung einer Abschiebung zu setzen, auch wenn im Hinblick auf ein anhängiges Verfahren noch nicht feststehe, ob diese tatsächlich zulässig sein werde (VwGH 29.02.2012, Zl. 2010/21/0195 und 25.04.2014, Zl. 2013/21/0255).

Unter Zugrundelegung dieser Judikatur ist auch im gegenständlichen Fall, in dem ein Verfahren betreffend eine Rückkehrentscheidung gegen die Beschwerdeführerin sowie ein weiteres zu ihrem Antrag vom 20.07.2018 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 anhängig ist, eine Ausfolgung ihrer nicht mehr gültigen Aufenthaltstitel und der Reisepässe an die Beschwerdeführerin derzeit nicht indiziert. Ergänzend wird festgehalten, dass die Beschwerdeführerin in der Beschwerde keinen Grund vorgebracht hat, wozu sie ihre bereits ungültigen Aufenthaltstitel in Österreich aktuell benötigen würde.

Anzumerken ist, dass -entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung - Dokumente nicht nur zur Vollziehung einer Rückkehrentscheidung, einer Ausweisung etc. nach § 39 Abs. 2 BVA-VG vorläufig sichergestellt werden dürfen, sondern dies gemäß Abs. 1 leg cit auch für (andere) Verfahren vor dem Bundesamt benötigte Beweismittel gilt. Dies ergibt sich unzweifelhaft auch aus der Zusammenschau mit § 39 Abs. 3 BFA-VG, wonach Beweismittel zurückzustellen sind, wenn sie nicht mehr für ein Verfahren oder für eine Abschiebung benötigt werden, es sei denn sie wären nach einem anderen Bundesgesetz sicherzustellen.

Das Begehren in der Beschwerde der Beschwerdeführerin, die Sicherstellung gemäß § 39 BFA-VG für rechtswidrig zu erklären und das Bundesamt anzuweisen, diese Dokumente wieder auszufolgen, war folglich gemäß § 39 Abs. 3 BFA-VG abzuweisen.

3.2. zum Antrag auf Gewährung aufschiebender Wirkung gemäß § 22 Abs. 1 VwGVG:

§ 22 Abs. 1 VwGVG lautet:

"Aufschiebende Wirkung

§ 22. (1) Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG haben keine aufschiebende Wirkung. Das Verwaltungsgericht hat jedoch auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen mit dem Andauern der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre."

Wie bereits unter Punkt 3.1. ausgeführt, besteht aktuell kein Anlass, der Beschwerdeführerin die nach § 39 BFA-VG sichergestellten und einbehaltenen Dokumente (abgelaufene Aufenthaltsbewilligungen, [un]gültige Reisepässe) während der noch anhängigen Verfahren (Rückkehrentscheidung, Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen) beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzustellen.

Insbesondere hat sich nicht ergeben, dass dies mit einem unverhältnismäßigen Nachteil für die Beschwerdeführerin verbunden wäre.

Überdies steht der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung im gegenständlichen Fall das zwingende öffentliche Interesse auf Einhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit (geordnetes Fremdenwesen) entgegen, da die Beschwerdeführerin es ansonsten in der Hand hätte, ihren derzeit illegalen Aufenthalt weiter zu verlängern bzw. eine allenfalls erforderliche Rückkehrentscheidung weiter zu verzögern (vgl. VwGH 29.08.2018, Ra 2018/22/0180-5).

Der Vollständigkeit halber wird angemerkt, dass sich der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zu den vorliegenden Maßnahmenbeschwerden nur auf die Sicherstellung von Dokumenten gemäß § 39 BFA-VG bezieht.

Es ist daher nicht ersichtlich ist, wie dies -entsprechend dem Beschwerdevorbringen- zur Einräumung einer längeren Frist für die freiwillige Ausreise analog § 55 Abs. 2 FPG führen sollte, da die Aufforderungen vom 14.07.2018 und vom 20.07.2018 an die Beschwerdeführerin, binnen festgelegter Frist das österreichische Bundesgebiet zu verlassen, mangels eines Mindestmaßes an behördlichem Eingriff in Rechte der Beschwerdeführerin noch keine Maßnahmen unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt darstellen.

Es war spruchgemäß zu entscheiden.

3.3. Zum Antrag auf Kostenzuspruch:

Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

Die Bestimmung des § 35 VwGVG über Kosten im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt entspricht inhaltlich der Bestimmung über Kosten bei Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in Verfahren vor den Unabhängigen Verwaltungssenaten in § 79a des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG in der Fassung vor dem Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013, BGBl. I Nr. 33/2013, (vgl. RV 2009 BlgNR 24. GP, 9). Entsprechend dem in § 35 Abs. 1 VwGVG statuierten Grundsatz des Obsiegens, hat die im Verfahren gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterliegende Partei (vgl. Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgericht, 103; Hengstschläger/Leeb, AVG § 79a Rz 2). Wird eine Beschwerde zurückgewiesen, dann ist entsprechend § 35 Abs. 3 VwGVG die Behörde die obsiegende und der Einschreiter die unterlegene Partei.

Demgemäß war der Antrag des Beschwerdeführers abzuweisen.

Nach § 35 Abs. 7 VwGVG ist ein Kostenersatzanspruch antragsbedürftig. Die gilt auch für die belangte Behörde als Partei des Verfahrens, deren Parteistellung sich explizit aus § 18 VwGVG ergibt (Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, K 7. zu § 35 VwGVG).

Da die belangte Behörde keinen Antrag auf Kostenersatz gestellt hat, war ihr kein Kostenersatz zuzusprechen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Im Übrigen wird auf die unter Pkt. 3 näher angeführte Begründung verwiesen.

Schlagworte

Aufenthaltstitel, aufschiebende Wirkung - Entfall,
Ausreiseverpflichtung, illegaler Aufenthalt, Kostentragung,
Maßnahmenbeschwerde, Reisedokument, Sicherstellung,
Verlängerungsantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W117.2201687.1.00

Zuletzt aktualisiert am

21.11.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten