TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/2 W258 2181396-1

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Veröffentlicht am 02.10.2018
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Entscheidungsdatum

02.10.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §34 Abs3
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W258 2181396-1/7E

W258 2181406-1/7E

W258 2181403-1/7E

W258 2181402-1/5E

W258 2181380-1/5E

W258 2181400-1/5E

W258 2181410-1/10E

Schriftliche Ausfertigung des am 29.06.2018 mündlich verkündeten Erkenntnisses

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerold PAWELKA-SCHMIDT über die Beschwerden von 1.) XXXX , geb. XXXX , 2.)

XXXX , geb. XXXX , 3.) mj. XXXX , geb. XXXX , 4.) mj. XXXX , geb. XXXX , 5.) mj. XXXX , geb. XXXX , 6.) mj. XXXX , geb. XXXX , 3.) bis

6.)

gesetzlich vertreten durch XXXX und 7.) mj. XXXX , geb. XXXX ,

7.)

gesetzlich vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft XXXX , alle StA. Afghanistan, 1.) bis 6.) vertreten durch Mag. Robert BITSCHE, Rechtsanwalt in 1050 Wien, Nikolsdorfergasse 7-11/15, und

                 7.)      vertreten durch die Caritas der Diözese Graz-Seckau, Mariengasse 24/II, 8020 Graz, gegen die Bescheide des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom XXXX , Zl. 1.) XXXX , 2.) XXXX ,

                 3.)      XXXX , 4.) XXXX , 5.) XXXX , 6.) XXXX und 7.) XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 29.06.2018 in einer asylrechtlichen Angelegenheit zu Recht erkannt:

Ad 1.)

A) Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene

Bescheid dahingehend abgeändert, dass die Spruchpunkte IV bis VI entfallen und es in seinen Spruchpunkten II und III zu lauten hat:

II. XXXX , geboren XXXX , wird gemäß § 8 Abs 1 iVm § 34 Abs 3 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt.

III. Ihm wird gemäß § 8 Abs 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 29.06.2019 erteilt.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Ad 2.)

A) Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene

Bescheid dahingehend abgeändert, dass die Spruchpunkte IV bis VI entfallen und es in seinen Spruchpunkten II und III zu lauten hat:

II. XXXX , geboren XXXX , wird gemäß § 8 Abs 1 iVm § 34 Abs 3 AsylG 2005 der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt.

III. Ihr wird gemäß § 8 Abs 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 29.06.2019 erteilt.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Ad 3.)

A) Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene

Bescheid dahingehend abgeändert, dass die Spruchpunkte IV bis VI entfallen und es in seinen Spruchpunkten II und III zu lauten hat:

II. XXXX , geboren XXXX , wird gemäß § 8 Abs 1 AsylG 2005 der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt.

III. Ihr wird gemäß § 8 Abs 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 29.06.2019 erteilt.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Ad 4.)

A) Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene

Bescheid dahingehend abgeändert, dass die Spruchpunkte IV bis VI entfallen und es in seinen Spruchpunkten II und III zu lauten hat:

II. XXXX , geboren XXXX , wird gemäß § 8 Abs 1 AsylG 2005 der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt.

III. Ihr wird gemäß § 8 Abs 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 29.06.2019 erteilt.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Ad 5.)

A) Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene

Bescheid dahingehend abgeändert, dass die Spruchpunkte IV bis VI entfallen und es in seinen Spruchpunkten II und III zu lauten hat:

II. XXXX , geboren XXXX , wird gemäß § 8 Abs 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt.

III. Ihm wird gemäß § 8 Abs 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 29.06.2019 erteilt.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Ad 6.)

A) Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene

Bescheid dahingehend abgeändert, dass die Spruchpunkte IV bis VI entfallen und es in seinen Spruchpunkten II und III zu lauten hat:

II. XXXX , geboren XXXX , wird gemäß § 8 Abs 1 AsylG 2005 der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt.

III. Ihr wird gemäß § 8 Abs 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 29.06.2019 erteilt.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Ad 7.)

A) Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene

Bescheid dahingehend abgeändert, dass die Spruchpunkte IV bis VI entfallen und es in seinen Spruchpunkten II und III zu lauten hat:

II. XXXX , geboren XXXX , wird gemäß § 8 Abs 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt.

III. Ihm wird gemäß § 8 Abs 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 29.06.2019 erteilt.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Wesentlicher Verfahrensgang:

Der Erstbeschwerdeführer (in Folge kurz "BF1") und die Zweitbeschwerdeführerin (in Folge kurz "BF2") sind verheiratet und Eltern der Dritt- bis Sechstbeschwerdeführer (in Folge kurz "BF3", "BF4", "BF5" und "BF6"). Die BF3 ist die Mutter des Siebtbeschwerdeführers (in Folge kurz "BF7").

Die BF2, 5 und 6 stellten am 05.08.2015 und die BF1, 3 und 4 am 22.09.2015 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Der BF7 stellte seinen Antrag auf internationalen Schutz am 08.06.2017.

In der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 23.09.2015 gab der BF1 an, sie seien Staatsbürger der Islamischen Republik Afghanistan (in Folge kurz "Afghanistan"), schiitische Muslime, würden der Volksgruppe der Hazara angehören und aus der Provinz Maidan Wardak stammen. Die Beschwerdeführer (in Folge kurz "BF") würden in Afghanistan Grundstücke besitzen. Aus Afghanistan seien sie geflohen, weil der "Islamische Staat" in ihrem Dorf an der Macht sei und ihnen alles weggenommen habe. Die BF2 gab in ihrer Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 05.08.2015 ebenfalls an, aus der Provinz Maidan Wardak zu stammen und der Volksgruppe der Hazara anzugehören. Sie seien in ihrem Heimatstaat von den Kutschi bedroht und immer wieder angegriffen worden.

Mit Schreiben vom 19.11.2015 setzte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in Folge "belangte Behörde") die ungarische Dublin-Behörde darüber in Kenntnis, dass aufgrund nicht fristgerechter Antwort eine Verfristung gemäß Art 22 Abs 7 der Verordnung (EU) Nr 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (in Folge kurz "Dublin III-VO") eingetreten und Ungarn nunmehr zur Durchführung des Asylverfahrens zuständig sei.

Am 01.02.2017 langte eine Stellungnahme ein, in welcher der BF1 und die BF2 zusammenfassend ergänzend vorbrachten, sie seien aufgrund von Schwierigkeiten mit dem Kommandanten XXXX in die Iranische Republik Iran (in Folge kurz "Iran") geflohen, weil er die BF2 mit seinem geisteskranken Bruder verheiraten hätte wollen. Da wegen der Flucht die Ehre des Kommandanten verletzt worden sei, wären die im Iran geborenen Töchter des BF1 und der BF2 (BF3, 4 und 6) in Gefahr. Die BF2 und 3 seien überdies auf Grund ihres westlichen Lebensstils und die BF3 auf Grund ihrer unehelichen Beziehung mit dem Vater ihres Kindes in Afghanistan asylrelevant gefährdet.

In der Einvernahme der BF1 bis BF3 durch die belangte Behörde am 14.07.2017 führte der BF1 ergänzend aus, er sei Analphabet, habe in Afghanistan als Hilfsarbeiter, Hirte und Landwirt gearbeitet und verfüge in seiner Heimatprovinz über eine Tante mütterlicherseits. Die BF2 gab ergänzend im Wesentlichen an, sie verfüge über keine Schulbildung und leide unter einem Herzproblem. Bei dem Kommandanten, welcher seinen Bruder mit der BF2 verheiraten habe wollen, handle es sich um den Mann ihrer Tante väterlicherseits. Die Tante der BF2 sei allerdings nicht mit der Verheiratung einverstanden gewesen, weshalb sie die BF2 heimlich zu der Tante des BF1 gebracht und dem BF1 und der BF2 zu einer Flucht geraten habe. Als die BF wieder nach Afghanistan zurückgekehrt seien, habe der Kommandant zur Tante der BF2 gesagt, er werde die BF2 töten oder deren Töchter wegnehmen.

Die BF3 gab in ihrer Einvernahme ergänzend an, dass sie gerne Kosmetikerin werden würde und am XXXX den BF7 geboren habe, wobei sie nicht verheiratet sei. Der BF7 wäre in Afghanistan in Gefahr, weil er ein uneheliches Kind sei. In ihrer ergänzenden Einvernahme am 28.09.2017 konkretisierte sie, dass sie zwar nach islamischen Recht, nicht aber nach österreichischem Zivilrecht verheiratet sei.

In der am 31.08.2017 eingelangten Stellungnahme führten die BF im Wesentlichen aus wie bisher und brachten eine geschlechtsspezifische Verfolgung von Frauen in Afghanistan vor.

Am 16.10.2017 langte eine weitere Stellungnahme der BF3 ein, in welcher sie ausführte, mit dem Kindesvater gemeinsam in einem Haushalt zu leben, wobei sie nach nationalem Recht nicht mit ihm verheiratet und daher - trotz eingegangener islamischer Ehe - ledig sei.

Mit Bescheid vom XXXX wies die belangte Behörde die Anträge der BF auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten ab, sprach aus, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung und legte die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen fest.

Dagegen richten sich die am 22.12.2017 bzw 28.12.2017 eingelangten gegenständlichen Beschwerden der BF. Insbesondere die BF2, 3 und 4, seien - auf das Wesentliche zusammengefasst - auf Grund ihrer westlichen Einstellung asylrelevant bedroht; für die BF3 sei ein Leben in Afghanistan auf Grund ihres unehelichen Kindes undenkbar. Die belangte Behörde habe zudem nicht berücksichtigt, dass es sich bei der BF3 und 4 um minderjährige Mädchen mit Bildungswunsch handle und die BF bereits sehr gut integriert seien. Der BF7 brachte eine asylrelevante Verfolgung auf Grund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie, als unehelicher Sohn seiner Mutter, vor.

In der am 29.06.2018 hg durchgeführten mündlichen Verhandlung wurden die BF1 bis 4 neuerlich zu ihren Fluchtgründen befragt und das Erkenntnis mündlich verkündet. Die rechtsfreundliche Vertretung der BF1 bis 6 verzichtete auf die Erhebung eines Rechtsmittels. Die rechtsfreundliche Vertretung des BF7 gab keine Erklärung und beantragte mit am 05.07.2018 eingelangtem Schriftsatz die Ausfertigung des Erkenntnisses. Die belangte Behörde beantrage keine Ausfertigung des Erkenntnisses.

Beweise wurden aufgenommen durch Einvernahme der BF1 bis 4 als Partei sowie Einsicht in die Verwaltungsakten der BF (jeweils OZ 1) und in die folgenden Urkunden:

* Strafregisterauszüge der BF1 bis 4 jeweils vom 29.06.2018,

* Konvolut an Fotos (Beilage ./1),

* Konvolut an diversen Unterlagen, bestehend aus einer Schulnachricht der BF4 sowie fünf Unterstützungsschreiben hinsichtlich der BF1 bis 6 (Beilage ./2),

* UNHCR-Richtlinien zur Feststellung internationalem Schutzbedarfes afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016 (in Folge kurz "UNHCR 19.04.2016"; Beilage ./I),

* Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, zuletzt aktualisiert am 30.01.2018 (in Folge kurz "LIB"; Beilage

./II),

* gutachterliche Stellungnahme von Mag. Zerka MALYAR vom 19.04.2016 zu GZ: W201 1421178-2 hinsichtlich der Lage der Hazara (in Folge kurz "Malyar 19.04.2016"; Beilage ./III),

* Anfragebeantwortung ACCORD-A-9737-V2 vom 02.09.2016 zur Lage der Hazara, Zugang zu staatlichen Schutz und Hintergründe des Konfliktes zwischen Kuchis und Hazara (in Folge kurz "ACCORD 02.09.2016"; Beilage ./IV),

* ACCORD Anfragebeantwortung zu Afghanistan, Situation für Afghaninnen, die ihr ganzes Leben im Iran verbracht haben und dann nach Afghanistan kommen [9219] vom 12.06.2015 (in Folge kurz "ACCORD 12.06.2015"; Beilage ./V).

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Der folgende Sachverhalt steht fest:

1.1. Zur individuellen Situation der BF:

Die BF sind afghanische Staatsangehörige, gehören der Volksgruppe der Hazara an und sind schiitische Muslime. Die Muttersprache der BF ist Dari. Der im Jahr XXXX geborene BF1 und die im Jahr XXXX geborene BF2 stammen aus der Provinz Maidan Wardak, in Afghanistan. Sie haben dort etwa im Jahr 2000 geheiratet. Etwa ein Jahr nach der Hochzeit sind sie in den Iran ausgereist. Dort haben sie zehn Jahre gelebt. Die gemeinsamen Kinder der BF1 und BF2, nämlich drei minderjährige Töchter (BF3, 4 und 6) und ein minderjähriger Sohn (BF5), wurden in den Jahren XXXX , XXXX , XXXX bzw XXXX in der islamischen Republik Iran (in Folge kurz "Iran") geboren. Die BF3 ist die Mutter des minderjährigen BF7, der am XXXX in Österreich geboren worden ist. Der BF1 und die BF2 sind erwerbsfähig und alle BF sind gesund. Sie leben in einem gemeinsamen Haushalt in XXXX . Die BF1 bis 6 sind mit der afghanischen Tradition und Lebensweise vertraut.

Der BF1 und die BF2 verfügen über keine Schulbildung. In ihrer Heimatprovinz besitzt der BF1 ein etwa 2.400 m² großes Grundstück mit Haus. Die BF haben abgesehen davon keine weiteren nennenswerten Vermögenswerte. Die BF1 bis 6 haben von der Landwirtschaft gelebt. Darüber hinaus hat der BF1 als Hilfsarbeiter gearbeitet. Der Kommandant XXXX , der Ehemann einer Tante der BF2 väterlicherseits, beabsichtigte, die BF2 mit seinem psychisch kranken Bruder zu verheiraten. Entgegen seinen Willen hat die BF2 aber den BF1 im Distrikt XXXX , Provinz Maidan Wardak, geheiratet, weshalb es zu Auseinandersetzungen mit XXXX gekommen ist; es kam aber zu keinen Übergriffen durch ihn auf die BF1 oder den BF2. Die BF1 und BF2 haben nach ihrer Hochzeit noch etwa ein Jahr gemeinsam in XXXX gelebt.

Danach sind der BF1 und die BF2 illegal in den Iran gereist, wo sie zehn Jahre lang gelebt und ihre vier Kinder aufgezogen haben. Die BF1 und der BF2 haben den Lebensunterhalt der Familie bestritten, indem im Iran der BF1 als Schneider, Landwirt und Bauarbeiter und die BF2 als Schneiderin gearbeitet haben. Auf Grund des illegalen Aufenthaltes des BF1 ist er nach Afghanistan abgeschoben worden. Die restliche Familie ist ihm zwei Monate später zurück nach Afghanistan gefolgt, wo sie gemeinsam bis zu ihrer Ausreise nach Europa drei Jahre lang in XXXX gelebt haben.

Ungefähr im Juni 2015, der genaue Zeitpunkt kann nicht festgestellt werden, sind die BF schlepperunterstützt gemeinsam nach Europa ausgereist, wobei sie sich in der Türkei aus den Augen verloren haben, weshalb der BF1 gemeinsam mit der BF3 und 4 und die BF2 gemeinsam mit dem BF5 und der BF6 nach Österreich unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet Österreichs eingereist sind. Die BF2, 5 und 6 haben am 05.08.2015 und die BF1, 3 und 4 am 22.09.2015 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

Die BF3 hat den Vater des BF7 in einem Flüchtlingsquartier in Österreich kennengelernt. Nachdem die BF3 erfahren hat, dass sie schwanger ist, hat sie den Kindesvater noch im Jahr 2016 vor der Geburt ihres Sohnes am 07.05.2017 in Österreich nach schiitischem Ritus geheiratet. Der BF7 wurde daher im Sinne der afghanischen Tradition als eheliches Kind geboren. Von der unehelichen Zeugung des BF7 wissen nur die BF1 und BF6 und der Kindesvater.

Die BF3 hat etwa ein Jahr die Schule besucht; derzeit besucht sie keine Schule, weil sie ihr Kind (BF7) betreut. Die BF4 bis 5 sind im schulpflichtigen Alter und besuchen die Volksschule bzw Neue Mittelschule in XXXX . Die BF6 geht in den Kindergarten in XXXX .

Der BF1 und die BF2 haben an Deutschkursen auf dem Niveau A1 teilgenommen. Die BF4 spricht alltagstaugliches, die BF3 ein wenig Deutsch. Weder der BF1 noch die BF2 gehen einer Erwerbstätigkeit nach, jedoch helfen sie bei Vereinsarbeiten des Sportvereins XXXX regelmäßig mit.

Eine Schwester des BF1 lebt in Österreich. In Afghanistan haben die BF abgesehen von einer Tante mütterlicherseits des BF1 und einer Tante väterlicherseits der BF2 keine Verwandten.

Die BF sind in Österreich strafrechtlich unbescholten.

1.2. Zu den (Nach)Fluchtgründen:

Die BF1 bis 6 sind in Afghanistan weder vom Kommandanten XXXX noch von den Kutschi bzw Taliban individuell bedroht worden. Darüber hinaus kam es zu keinen Übergriffen auf sie.

Die BF1 bis 6 hatten in Afghanistan keine Schwierigkeiten oder Nachteile, weil sie der Volksgruppe der Hazara angehören oder schiitische Muslime sind.

Die BF2, 3 und 4 sind westlich gekleidet und tragen kein Kopftuch. Die BF3 trägt zusätzlich ein Nasenpiercing.

Die BF2 geht alleine einkaufen und bringt ihre Tochter selbst in den Kindergarten. Sonst verbringt sie ihren Tag typischerweise zu Hause, räumt dort auf und kocht. Sie möchte in Österreich als Schneiderin arbeiten oder sonst jeder beruflichen Tätigkeit nachgehen. In Afghanistan musste sie zu Hause lange Kleidung und außerhalb eine Burka tragen. Die Einkäufe hat in Afghanistan der BF1 erledigt. Die BF2 hat in Österreich einen Alphabetisierungskurs besucht. Sie möchte, dass ihre Töchter die Schule besuchen, arbeiten gehen und sich eine Zukunft aufbauen können.

Die BF3 verbringt ihren Tag typischerweise zu Hause, um sich um ihren Sohn (BF7) zu kümmern. Sie möchte in Zukunft wieder in die Schule gehen und einen Beruf ausüben.

Die BF4 möchte weiterhin in die Schule gehen und im Anschluss eine Lehre machen. In ihrer Freizeit trifft sie sich mit Freundinnen, mit denen sie spazieren geht und sich, während ihre Freundinnen schwimmen gehen, sonnt. Im Winter geht sie mit Freunden rodeln, wobei auch Burschen dabei sind. Über ihr zukünftiges Privatleben hat sie sich noch keine Gedanken gemacht. In Afghanistan hat die BF4 keine Schule besucht, weil sie Angst vor den Kutchi hatte. Sie musste in Afghanistan ein Kopftuch und Kleidung tragen, die bis zum Knöchel gereicht hat.

Darüber hinaus haben die BF2 bis 4 keine westlichen kulturellen oder gesellschaftlichen Werte übernommen. Die BF2 bis 4 wissen über ihre Grundrechte als Frau in Österreich nicht Bescheid und leben diese Grundrechte auch nicht.

1.3. Zur Situation im Herkunftsstaat der BF:

1.3.1. Zur Sicherheitslage in Afghanistan im Allgemeinen und in der Provinz Maidan Wardak bzw in der Stadt Kabul im Besonderen:

Die Sicherheitslage ist beeinträchtigt durch eine tief verwurzelte militante Opposition. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädten und den Großteil der Distriktzentren. Die afghanischen Sicherheitskräfte zeigten Entschlossenheit und steigerten auch weiterhin ihre Leistungsfähigkeit im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand. Die Taliban kämpften weiterhin um Distriktzentren, bedrohten Provinzhauptstädte und eroberten landesweit kurzfristig Hauptkommunikationsrouten; speziell in Gegenden von Bedeutung wie zB Kunduz City und der Provinz Helmand. Zu Jahresende haben die afghanischen Sicherheitskräfte (ANDSF) Aufständische in Gegenden von Helmand, Uruzgan, Kandahar, Kunduz, Laghman, Zabul, Wardak und Faryab bekämpft (LIB S 44).

In den letzten zwei Jahren hatten die Taliban kurzzeitig Fortschritte gemacht, wie z.B. in Helmand und Kunduz, nachdem die ISAF-Truppen die Sicherheitsverantwortung den afghanischen Sicherheits- und Verteidigungskräften (ANDSF) übergeben hatten. Die Taliban nutzen die Schwächen der ANDSF aus, wann immer sie Gelegenheit dazu haben. Der IS (Islamischer Staat) ist eine neue Form des Terrors im Namen des Islam, ähnlich der al-Qaida, auf zahlenmäßig niedrigerem Niveau, aber mit einem deutlich brutaleren Vorgehen. Die Gruppierung operierte ursprünglich im Osten entlang der afghanisch-pakistanischen Grenze und erscheint, Einzelberichten zufolge, auch im Nordosten und Nordwesten des Landes (LIB S 44).

Mit Stand September 2016 beeinflussen oder kontrollieren die Taliban rund 10% der Bevölkerung. Die afghanischen Verteidigungsstreitkräfte (ANDSF) waren im Allgemeinen in der Lage, große Bevölkerungszentren zu beschützen. Sie hielten die Taliban davon ab, Kontrolle in bestimmten Gegenden über einen längeren Zeitraum zu halten und reagierten auf Talibanangriffe. Den Taliban hingegen gelang es, ländliche Gegenden einzunehmen; sie kehrten in Gegenden zurück, die von den ANDSF bereits befreit worden waren, und in denen die ANDSF ihre Präsenz nicht halten konnten. Sie führten außerdem Angriffe durch, um das öffentliche Vertrauen in die Sicherheitskräfte der Regierung, und deren Fähigkeit, für Schutz zu sorgen, zu untergraben. Berichten zufolge hat sich die Anzahl direkter Schussangriffe der Taliban gegen Mitglieder der afghanischen Nationalarmee (ANA) und afghanischen Nationalpolizei (ANP) erhöht (LIB S 46).

Die afghanischen Sicherheitskräfte haben Fortschritte gemacht, wenn auch keine dauerhaften. Im Jahr 2016 wurden im Zuge von militärischen Operationen - ausgeführt durch die Polizei und das Militär - landesweit mehr als 18.500 feindliche Kämpfer getötet und weitere 12.000 verletzt. Die afghanischen Sicherheitskräfte versprachen, sie würden auch während des harten Winters gegen die Taliban und den Islamischen Staat vorgehen (LIB S 46).

Obwohl die afghanischen Sicherheitskräfte alle Provinzhauptstädte sichern konnten, wurden sie von den Taliban landesweit herausgefordert: intensive bewaffnete Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften verschlechterten die Sicherheitslage im Berichtszeitraum (16.08.2016 bis 17.11.2016). Den afghanischen Sicherheitskräften gelang es im August 2016, mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln, und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern (LIB S 46).

Die Bevölkerungszahl der Provinz Maidan Wardak wird auf 606.077 geschätzt. Die Hauptautobahn Kabul-Kandahar geht durch die Provinz Maidan Wardak und verbindet dadurch die südlichen, aber auch südöstlichen Provinzen mit der Hauptstadt Kabul (LIB S 125 f).

Im Zeitraum 01.09.2015 bis 31.05.2016 wurden in der Provinz Wardak 359 sicherheitsrelevante Vorfälle, nämlich 28 Vorfälle von Gewalt gegen Einzelpersonen, 277 bewaffnete Konfrontationen und Luftangriffe, 33 Selbstmordattentate, IED-Explosionen und andere Explosionen und 21 wirksame Einsätze von Sicherheitskräften registriert. registriert. Im Vergleich zum vorigen Berichtszeitraum wurden Veränderungen der Sicherheitslage in der Provinz festgehalten - gleichwohl sind die Gewinne der Taliban in diesen Teilen des Landes minimal und unbeständig. Talibanaufständische sind in einer Anzahl von abgelegenen Distrikten in der Provinz aktiv. Aufständische werden durch die Sicherheitskräfte in der Provinz Wardak bekämpft und auch militärische Operationen werden durchgeführt (LIB S 126).

Im Zeitraum vom 01.09.2015 bis zum 31.05.2016 wurden im Distrikt Kabul 151 sicherheitsrelevante Vorfälle, nämlich 21 Vorfälle von Gewalt gegen Einzelpersonen, 18 bewaffnete Konfrontationen und Luftangriffe, 50 Selbstmordattentate, IED-Explosionen und andere Explosionen, 31 wirksame Einsätze von Sicherheitskräften, 28 Vorfälle ohne Bezug auf den Konflikt und drei sonstigen Vorfälle registriert. Im Zeitraum 01.09.2015 bis 31.05.2016 wurden in der gesamten Provinz Kabul 161 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (LIB S 56 f).

Aufständischengruppen planen oft Angriffe auf Gebäude und Individuen mit afghanischem und amerikanischem Hintergrund: afghanische und US-amerikanische Regierungseinrichtungen, ausländische Vertretungen, militärische Einrichtungen, gewerbliche Einrichtungen, Büros von Nichtregierungsorganisation, Restaurants, Hotels und Gästehäuser, Flughäfen und Bildungszentren. Nach einem Zeitraum länger andauernder relativer Ruhe in der Hauptstadt, explodierte im Jänner 2017 in der Nähe des afghanischen Parlaments eine Bombe; bei diesem Angriff starben mehr als 30 Menschen. Die Taliban bekannten sich zu diesem Vorfall und gaben an, hochrangige Beamte des Geheimdienstes wären ihr Ziel gewesen (LIB S 57).

In der Provinz Kabul finden regelmäßig militärische Operationen statt. Taliban Kommandanten der Provinz Kabul wurden getötet. Zusammenstöße zwischen Taliban und Sicherheitskräften finden statt (LIB S 57).

Die Taliban erhöhen ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (LIB S 5). Im Jänner 2018 fanden in Kabul schwere Anschläge ua auf die Marshal Fahim Militärakademie mit mindestens elf getöteten und weiteren fünfzehn verletzten Soldaten, im Regierungs- und Diplomatenviertel mit mehr als 100 Toten und zumindest weiteren 235 Verletzten, auf die NGO Save the Children, mit zumindest zwei Toten und weiteren zwölf Verletzten und auf das Hotel Intercontinental, mit etwa achtzehn Toten und weiteren zehn Verletzten, statt (LIB S 5 ff).

1.3.2. Zur Lage der Hazara in Afghanistan:

1.3.2.1. Allgemeines:

Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 10% der Bevölkerung aus. Sie besiedeln traditionell das Bergland in Zentralafghanistan, das sich zwischen Kabul im Osten und Herat im Westen erstreckt und unter der Bezeichnung Hazaradschat bekannt ist. Das Kernland dieser Region umfasst die Provinzen Bamyan, Ghazni, Daikundi und den Westen der Provinz Wardak (LIB S 172).

Für die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgten Hazara hat sich die Lage grundsätzlich gebessert, insbesondere durch Bildung auch ökonomisch und politisch (LIB S 173).

Die Heimatprovinz der BF, Maidan Wardak, gehört zum Hazarajat, dem Hauptsiedlungsgebiet der Hazara (LIB S 172).

1.3.2.2. Umgang des Afghanischen Staates mit Hazara:

Die Verfassung garantiert die "Gleichheit aller ethnischen Gruppen und Stämme" (UNHCR 19.04.2016 S 86). In der öffentlichen Verwaltung sind Hazara jedoch nach wie vor unterrepräsentiert. Nicht festgestellt werden kann, ob dies Folge der früheren Marginalisierung oder eine gezielte Benachteiligung neueren Datums ist. Die Hazara sind im nationalen Durchschnitt mit einem Anteil von etwa 10 Prozent in der Afghan National Army und der Afghan National Police repräsentiert (LIB S 173).

Hazara sind seit dem Ende des Taliban-Regimes ständig in der Regierung und im Parlament vertreten. In den von den Hazara mehrheitlich bewohnten Gebieten sind alle Schlüsselpositionen durch Angehörige der Volksgruppe der Hazara besetzt (Malyar 19.04.2016 S 2).

1.3.2.3. Umgang anderer ethnischer Gruppen mit Hazara:

In der Vergangenheit wurden die Hazara von Paschtunen verachtet, weil diese dazu tendierten, Hazara als Hausangestellte oder für andere niedere Arbeiten einzustellen (LIB S 173). Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben lokal in unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf (LIB S 173). Ethnische Hazara sind gesellschaftlicher Diskriminierungen ausgesetzt (LIB S 164), dies aber nur außerhalb ihrer Hauptsiedlungsgebiete.

1.3.2.4. Umgang von Taliban und anderer regierungsfeindlicher Kräfte mit Hazara:

In jüngerer Zeit stiegen die Fälle von Schikanierung, Einschüchterung, Entführung und Tötung von Hazara durch Taliban und andere regierungsfeindliche Kräfte (UNHCR 19.04.2016 S 87). Im Jahr 2016 wurden zumindest in fünfzehn Vorfällen 82 Hazara und im Jahr 2015 in 25 Vorfällen 224 Hazara in den Provinzen Uruzgan, Sar-e Pul, Daikundi, Maidan Wardak und Ghor entführt (LIB S 173). Ua wurden in Kabul bei einem großen Protestmarsch der Hazara im Juli 2016 durch Selbstmordattentäter des mit dem IS verbundenen Gruppen mindestens 80 Menschen getötet und 250 verletzt (LIB S 173).

1.3.2.5. Zur Lage von Schiiten in Afghanistan:

Etwa 10-19% der Bevölkerung Afghanistans sind schiitische Moslems. Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Schiiten sind in Afghanistan selten. Sowohl im Rat der Religionsgelehrten (Ulema), als auch im Hohen Friedensrat sind Schiiten vertreten (LIB S 163 f).

Afghanischen Schiiten ist es möglich ihre Feste öffentlich zu feiern, manche Paschtunen sind aber über die öffentlichen Feierlichkeiten verbittert, was gelegentlich in Auseinandersetzungen resultiert. Im November 2016, hat ein Kämpfer der IS-Terrormiliz, während einer religiösen Zeremonie in der Bakir-al-Olum-Moschee - einer schiitischen Moschee in Kabul - am schiitischen Feiertag Arbain, einen Sprengstoffanschlag verübt. Bei diesem Selbstmordanschlag sind mindestens 32 Menschen getötet und 80 weitere verletzt worden. In Kabul sind die meisten Moscheen trotz Anschlagsgefahr nicht besonders geschützt. Am 23. Juli 2016 wurde beim schwersten Selbstmordanschlag in der afghanischen Geschichte die zweite Großdemonstration der Enlightenment-Bewegung durch den ISKP angegriffen. Es dabei starben über 85 Menschen, rund 240 wurden verletzt. Dieser Schlag richtete sich fast ausschließlich gegen Schiiten (LIB S 164).

1.3.2.6. Zu Kutschi und Hazara:

Die Kuschi sind ein (paschtunisches) Nomadenvolk aus dem Süden und Osten Afghanistans. Heute pflegt ein Großteil der Kutschi keine traditionelle nomadische Lebensweise mehr, sondern hat sich in Dörfern und Städten niedergelassen. Viele Kutschi leben von der Viehzucht, allerdings ist ihr Zugang zu Weideland durch Konflikte und Dürre beschränkt worden. Kutschi überwintern im Süden und Osten Afghanistans und ziehen im Mai und Juni in den kühleren Norden, ins zentral gelegene Hazarajat. Auf dem Weg dorthin gelangen sie zuerst in die zentral gelegenen Provinzen Wardak (Distrikte Daimirdad und Behsud) und Ghazni (Distrikt Jaghatu). Aufgrund eines Konflikts zwischen ihnen und den Hazara um den Zugang zu Weideland in Zentralafghanistan, dessen Wurzeln zurück ins 19. Jahrhundert reichen, blieben die Kutschi häufig in diesen Distrikten stecken. Seit 2007 hat sich dieser Konflikt in den Provinzen Wardak und Ghazni verschärft und führt manchmal zu gewaltsamen Auseinandersetzungen. Im Jahr 2007 sind mehrere Menschen getötet und mehr als hundert Familien aus den beiden Provinzen vertrieben worden. Im Jahr 2008 sind 24 DorfbewohnerInnen der Hazara und 30 Kutschi getötet, Dutzende Menschen verletzt und Tausende vertrieben worden. Dabei hat es auch nicht geholfen, dass die afghanische Armee im Juni 2008 nach Wardak und Ghazni entsendet worden ist. Nur aufgrund eines Dekrets des Präsidenten haben sich die Kutschi zurückgezogen. Das Jahr 2009 ist relativ ruhig verlaufen, aber im Frühjahr und Sommer 2010 ist der Konflikt neu aufgeflammt, mit Dutzenden Toten, 150 niedergebrannten Häusern und mehr als 2.000 vertriebenen Familien. Seitdem haben die Spannungen zwischen den Hazara und den Kutschi nicht nachgelassen. Trotz Vermittlung durch die afghanische Regierung und die Vereinten Nationen ist der Konflikt noch immer nicht gelöst (ACCORD 02.09.2016 S 22 f).

Die verstärkte Verwendung von Weideland durch die ansässigen Hazara und die steigende Zahl an zurückkehrenden Kutschi-Flüchtlingen nach 2001, hat dazu beigetragen, eine bereits angespannte Situation in einen offenen Konflikt zu transformieren (ACCORD 02.09.2016 S 21).

1.3.3. Zur Lage von Personen die längere Zeit im Iran oder im Ausland verbracht haben:

1.3.3.1. Zur Lage von als "verwestlicht" wahrgenommenen Personen:

Personen werden von regierungsfeindlichen Kräften angegriffen, die vermeintlich Werte und/oder ein Erscheinungsbild angenommen haben, die mit westlichen Ländern in Verbindung gebracht werden, und denen deshalb unterstellt wird, die Regierung und die internationale Gemeinschaft zu unterstützen. UU werden Rückkehrer von regierungsfeindlichen Gruppen als Ausländer oder vermeintliche für ein westliches Land tätige Spione gefoltert oder getötet (UNHCR 19.04.2016 S 46 f).

1.3.3.2. Umgang des Staates Afghanistan und internationaler Organisationen mit Rückkehrern:

Die afghanische Regierung hat im Jahr 2001 ein Dekret erlassen, das die Diskriminierung von Rückkehrern verbietet. Dennoch werden Rückkehrer mit iranischem Akzent zum Teil durch staatliche Einrichtungen, wie Bildungseinrichtungen, diskriminiert und erniedrigt. In manchen Fällen werden sie ihrer Rechte beraubt (ACCORD 12.06.2015 S 10).

Zurückkehrende Flüchtlinge haben Zugang zu einer Reihe internationaler Hilfsmaßnahmen, etwa Zuschüssen von rund 200 US-Dollar als Hilfe zur Deckung von Transport- und Reintegrationskosten, temporären Unterkünften, Unterweisungen in den Bereichen rechtliche Hilfe und (Aus-)Bildung, sowie Impfungen für Kinder. Die afghanische Regierung hat zurückkehrenden Flüchtlingen und anderen vertriebenen Personen Land zugewiesen, allerdings ist die Fähigkeit der Regierung, andere Dienste wie (Aus-)Bildung und Gesundheitsversorgung bereitzustellen, begrenzt (ACCORD 12.06.2015 S 3 f).

1.3.3.3. Umgang der Gesellschaft Afghanistans mit Rückkehrern:

Es werden einige Rückkehrer durch Afghanen, die während der Konfliktjahre in Afghanistan geblieben sind, sozial abgelehnt und als Eindringlinge gesehen (ACCORD 12.06.2015 S 4 f).

Rückkehrer werden zum Teil gesellschaftlich diskriminiert und gering geschätzt. Sie müssen sich zum Teil mehr anstrengen um in der Arbeit und in anderen Lebensbereichen erfolgreich zu sein (ACCORD 12.06.2015 S 8). Qualifizierten Rückkehrern wird übel genommen, dass sie bessere Jobs bei Hilfsorganisationen und der afghanischen Regierung bekommen würden (ACCORD 12.06.2015 S 7).

Zumeist werden von der Gesellschaft aber nur Rückkehrer der zweiten Generation negativ wahrgenommen (ACCORD 12.06.2015 S 10).

1.3.3.4. Zur wirtschaftlichen Situation von Rückkehrern:

Nach einer Abwesenheit von sieben bis 30 Jahren sind Rückkehrer aus dem Iran weitgehend von den Verwandtschafts-, Geschäfts- und Patronage-Beziehungen, die sich in den vergangenen zehn Jahren entwickelt haben, ausgeschlossen. Mangels Patronage-Netzwerk finden sie keine Arbeit über Verwandte oder Freunde. Dies führt zu einem wirtschaftlich unhaltbaren Leben und zu Identitätskrisen. Diese Rückkehrer sind Fremde im eigenen Land, die Mühe haben, ihre schwachen sozialen Beziehungen, die sich weder materiell auszahlen noch Schutz bieten, neu zu beleben (ACCORD 12.06.2015 S 2).

Viele Rückkehrer werden aufgrund des anhaltenden Konflikts und der schlechten Sicherheitslage zu Binnenvertriebenen. Sie sind gezwungen, in Zelten zu leben, und haben nur geringen Zugang zu Nahrungsmitteln und Wasser. Der afghanische Staat ist kaum in der Lage eine Rückkehr und Reintegration afghanischer Flüchtlinge zu organisieren (ACCORD 12.06.2015 S 3).

1.3.3.5. Umgang der Taliban mit Rückkehrern:

Rückkehrer aus dem Iran werden von den Taliban grundsätzlich nicht im besonderen Maße bedroht. Einige ihrer Fraktionen legen allerdings gegenüber Hazara, von denen sie annehmen, dass sie eng mit dem Iran verbunden sind, ein extremistischeres und gewalttätigeres Verhalten an den Tag (ACCORD 12.06.2015 S 12 f). Auf Grund eines etwaigen Akzentes und etwaiger iranischer Kleidung stechen rückkehrende Hazara überdies besonders hervor und werden dadurch leichter zur Zielscheibe von Taliban (ACCORD 12.06.2015 S 12).

1.3.4. Zur Situation von Frauen:

1.3.4.1. Allgemeines und Rechtsstellung von Frauen:

Artikel 22 der afghanischen Verfassung besagt, dass jegliche Form von Benachteiligung oder Bevorzugung unter den Bürgern Afghanistans verboten ist. Die Bürger Afghanistans, sowohl Frauen als auch Männer, haben vor dem Gesetz gleiche Rechte und. Ein Meilenstein in dieser Hinsicht war die Errichtung des afghanischen Ministeriums für Frauenangelegenheiten (MoWA) im Jahr 2001 (LIB S 176).

Jahrzehntelanger Kampf gegen patriarchale und frauenfeindliche Normen, führte zu einer Sensibilisierung in Bezug auf Frauen und ihrer Rechte. Allmählich entwickelt sich die Rolle von Frauen in politischen und wirtschaftlichen Bereichen. Die Situation der Frauen hat sich seit dem Ende der Taliban-Herrschaft erheblich verbessert; die vollumfängliche Realisierung ihrer Rechte innerhalb der konservativ-islamischen afghanischen Gesellschaft bleibt schwierig. Die konkrete Situation von Frauen kann sich allerdings je nach regionalem und sozialem Hintergrund stark unterscheiden (LIB S 176).

Die Regierung hat seit 2001 einige wichtige Schritte zur Verbesserung der Situation der Frauen im Land unternommen, darunter die Aufnahme internationaler Standards zum Schutz der Rechte der Frauen in die nationale Gesetzgebung, insbesondere durch Verabschiedung des Gesetzes über die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen (EVAW-Gesetz), den Erlass von Maßnahmen zur Stärkung der politischen Teilhabe von Frauen und die Einrichtung eines Ministeriums für Frauenangelegenheiten (UNCHR S 64 f).

Die Verbesserungen der Situation von Frauen und Mädchen blieben jedoch Berichten zufolge marginal und Afghanistan wird weiterhin als "sehr gefährliches" Land für Frauen und Mädchen betrachtet.

Fortschritte, die in der Vergangenheit in Hinblick auf die Menschenrechte von Frauen erzielt wurden, wurden teilweise durch die Verschlechterung der Sicherheitslage in einigen Teilen des Landes zunichte gemacht. Die tief verwurzelte Diskriminierung von Frauen bleibt endemisch. Berichten zufolge ist Gewalt gegen Frauen und Mädchen nach wie vor weit verbreitet und nimmt weiter zu. Es wird berichtet, dass derartige Gewaltakte üblicherweise straflos bleiben. Für Frauen ist die vollständige Wahrnehmung ihrer wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte nach wie vor mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Trotz einiger Fortschritte sind Frauen überproportional von Armut, Analphabetismus und schlechter Gesundheitsversorgung betroffen.

Gesetze zum Schutz von Frauenrechten werden weiterhin nur langsam umgesetzt, dies betrifft insbesondere die Umsetzung des Gesetzes über die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen (EVAW-Gesetz) (UNHCR S 64 ff).

1.3.4.2. Bildung und Berufsmöglichkeiten von Mädchen und Frauen:

Das Recht auf Bildung wurde den Frauen nach dem Fall der Taliban im Jahr 2001 eingeräumt. Artikel 43 der afghanischen Verfassung besagt, dass alle afghanischen Staatsbürger das Recht auf Bildung haben. Laut Artikel 4 des afghanischen Bildungsgesetzes ist mittlere (elementare) Bildung in Afghanistan verpflichtend. Artikel 43 der afghanischen Verfassung besagt, dass alle afghanischen Staatsbürger das Recht auf Bildung haben (LIB S 176 f).

Für viele Frauen ist es noch immer sehr schwierig, außerhalb des Bildungs- und Gesundheitssektors Berufe zu ergreifen. Einflussreiche Positionen werden abhängig von Beziehungen und Vermögen vergeben. Oft scheitern Frauen schon an den schwierigen Transportmöglichkeiten und eingeschränkter Bewegungsfreiheit ohne männliche Begleitung. Bemerkenswert ist die Steigerung jener Afghan/innen, die der Meinung sind, Frauen sollen sich bilden und außerhalb des Heimes arbeiten dürfen. Bei einer Befragung gaben 81% der Befragten an, Männer und Frauen sollten gleiche Bildungschancen haben. Die Erwerbstätigkeit von Frauen hat sich seit dem Jahr 2001 stetig verbessert und betrug im Jahr 2016 19%. Rund 64% der Afghan/innen befürworteten Frauen außerhalb ihres Heimes arbeiten zu dürfen. Frauen sind dennoch einer Vielzahl von Hindernissen ausgesetzt; dazu zählen: Einschränkungen, Belästigung, Diskriminierung und Gewalt, aber auch praktische Hürden, wie z.B. fehlende Arbeitserfahrung, Fachkenntnisse und (Aus)Bildung. Die Alphabetisierungsrate bei Frauen in Afghanistan liegt durchschnittlich bei 17%, in manchen Provinzen sogar unter 2%. In der Altersklasse der 15 bis 24-Jährigen betrug die Alphabetisierungsrate im Jahr 2015 bei Frauen 46,11%, bei den über 65-jährigen 4,33%.

Viele Frauen haben sich in bedeutenden Positionen in den verschiedenen Bereichen von nationaler Wichtigkeit entwickelt, dazu zählen Politik, Wirtschaft und die Zivilgesellschaft. Der Raum für weibliche Führungskräfte bleibt eingeschränkt, von Gebern abhängig und ist hauptsächlich in den Städten vertreten. Frauen sind im Privatsektor unterrepräsentiert und haben keine aktive Rolle in der Wirtschaftsproduktion. Unsicherheit, Belästigung, Immobilität, religiöser Extremismus und Korruption sind verbreitet. Begriffe wie zum Beispiel Geschlechtergleichstellung werden weiterhin missverstanden. Frauen in Führungspositionen werden als symbolisch betrachtet, werden politisch mangelhaft unterstützt, haben schwach ausgebildete Entscheidungs- und Durchsetzungskompetenzen und mangelnden Zugang zu personellen und finanziellen Mitteln. Frauen sind im Arbeitsleben mit gewissen Schwierigkeiten konfrontiert, etwa Verwandte, die verlangen sie sollen zu Hause bleiben; oder Einstellungsverfahren, die Männer bevorzugten. Jene die arbeiteten, berichteten von sexueller Belästigung, fehlenden Transport- und Kinderbetreuungsmöglichkeiten; Benachteiligungen bei Lohnauszahlungen existieren im Privatsektor. Journalistinnen, Sozialarbeiterinnen und Polizistinnen berichteten von, Drohungen und Misshandlungen.

Frauen machen 30% der Medienmitarbeiter/innen aus. Teilweise leiten Frauen landesweit Radiostationen - manche Radiostationen setzten sich ausschließlich mit Frauenangelegenheiten auseinander. Nichtsdestotrotz, finden Reporterinnen es schwierig ihren Job auszuüben. Unsicherheit, fehlende Ausbildung und unsichere Arbeitsbedingungen schränken die Teilhabe von Frauen in den Medien weiterhin ein. (LIB S 177 ff).

Im Mai 2016 eröffnete in Kabul die erste Privatuniversität für Frauen im Moraa Educational Complex, mit dazugehörendem Kindergarten und Schule für Kinder der Studentinnen. Die Universität bietet unter anderem Lehrveranstaltungen für Medizin, Geburtshilfe etc. an (LIB S 177)

1.3.4.3. Frauen und Männer, die vermeintlich gegen die sozialen Sitten verstoßen:

Trotz Bemühungen der Regierung, die Gleichheit der Geschlechter zu fördern, sind Frauen aufgrund bestehender Vorurteile und traditioneller Praktiken, durch die sie marginalisiert werden, nach wie vor weit verbreiteter gesellschaftlicher, politischer und wirtschaftlicher Diskriminierung ausgesetzt.

Frauen, die vermeintlich soziale Normen und Sitten verletzen, werden weiterhin gesellschaftlich stigmatisiert und allgemein diskriminiert. Außerdem ist ihre Sicherheit gefährdet. Dies gilt insbesondere für ländliche Gebiete und für Gebiete, die von regierungsfeindlichen Kräften (AGEs) kontrolliert werden. Zu diesen Normen gehören Einschränkungen der Bewegungsfreiheit von Frauen, wie zum Beispiel die Forderung, dass eine Frau nur in Begleitung einer männlichen Begleitperson in der Öffentlichkeit erscheinen darf. Frauen ohne Unterstützung und Schutz durch Männer wie etwa Witwen sind besonders gefährdet. Angesichts der gesellschaftlichen Normen, die allein lebenden Frauen Beschränkungen auferlegen, zum Beispiel in Bezug auf ihre Bewegungsfreiheit und auf Erwerbsmöglichkeiten, sind sie kaum in der Lage zu überleben. Inhaftierungen aufgrund von Verletzungen des afghanischen Gewohnheitsrechts oder der Scharia betreffen Berichten zufolge in überproportionaler Weise Frauen und Mädchen, einschließlich Inhaftierung aufgrund "moralischer Vergehen" wie beispielsweise dem Erscheinen ohne angemessene Begleitung, Ablehnung einer Heirat, außereheliche sexuelle Beziehungen (die als Ehebruch angesehen werden) und "Weglaufen von zu Hause" (einschließlich in Situationen von häuslicher Gewalt). Mehr als der Hälfte der in Afghanistan inhaftierten Mädchen und Frauen wurden "moralische Vergehen" zur Last gelegt. Da Anklagen aufgrund von Ehebruch und anderen "moralischen Vergehen" Anlass zu Ehrenmorden geben können, versuchen die Behörden Berichten zufolge in einigen Fällen, die Inhaftierung von Frauen als Schutzmaßnahmen zu rechtfertigen.

Männer, die vermeintlich gegen vorherrschende Gebräuche verstoßen, können ebenfalls einem Misshandlungsrisiko ausgesetzt sein, insbesondere in Fällen von mutmaßlichem Ehebruch und außerehelichen sexuellen Beziehungen.

In Gebieten, die sich unter der tatsächlichen Kontrolle der Taliban und anderer regierungsfeindlicher Kräfte (AGEs) befinden, besteht für Frauen und Männer, die unmoralischer Verhaltensweisen bezichtigt werden, das Risiko, über die parallelen Justizstrukturen dieser regierungsfeindlichen Kräfte (AGEs) zu harten Strafen, einschließlich zu Auspeitschung und zum Tod, verurteilt zu werden (UNHCR S 72 ff).

1.3.5. Bildungssituation von Kindern in Afghanistan im Allgemeinen und in Wardak im Besonderen:

In Afghanistan gibt es zwei parallele Bildungssysteme. Religiöse Bildung liegt in der Verantwortung des Klerus in den Moscheen, während die Regierung kostenfreie Bildung an staatlichen Einrichtungen bietet. Im Alter von 7 bis 13 Jahren gehen die Schüler in die Primärschule. Darauf folgen drei Jahre Mittelschule. Studieninteressenten müssen am Ende dieses Abschnitts ein Examen bestehen. In der Sekundarschule haben die Schüler die Wahl entweder für drei weitere Jahre den akademischen Weg einzuschlagen, welcher weiter zur Universität führen kann; oder Themen wie angewandte Landwirtschaft, Luftfahrt, Kunst, Handel etc. zu lernen. Beide Programme enden mit einem "Bacculuria"-Examen. Bildungseinrichtungen umfassen auch Berufsschulen, technische Hochschulen und tertiäre Institute wie das "Kabul Polytechnic Institute". Viele Einrichtungen, unter der Leitung des Ministeriums für Arbeit und Soziales, bieten Trainings an. Auch das Ministerium für Bildung betreibt eine Abteilung für Weiterbildung (41 Schulen), die Unterstützung bieten. Diese fokussieren sich hauptsächlich auf Mechanik, Tischlerei, Sanitär, Metallarbeiten, Friseur, Schneiderei und Bürotätigkeiten. Öffentliche Schulen und Kindergärten sind bis zum Universitätslevel kostenlos. Private Bildungseinrichtungen und Universitäten müssen bezahlt werden (LIB S 190).

Es gibt landesweit 15.645 Schulen, davon über 100 in den Distrikten Markaz-e-Behsud und Hesa-e-Awal-e-Behsud (OCHA Distriktatlas, Wardak Provinz, April 2014), 9.184.494 Schüler, davon waren 362.906 weiblich. Diese Zahlen beinhalten alle Schultypen, dazu zählen Volks- und Mittelschulen, Abendschulen, Berufsschulen, Lehrerausbildungszentren, etc. Die Zahl der Schülerinnen hat sich im Zeitraum 2015 bis 2016 zum Vergleichszeitraum 2014 bis 2015 um 2,2 Prozent erhöht. Die Gesamtzahl der Lehrer betrug 199.509, davon waren 63.911 Frauen (LIB S 177).

Die Situation der Kinder hat sich in den vergangenen Jahren verbessert. So werden mittlerweile rund zwei Drittel aller Kinder eingeschult. Mädchen waren unter der Taliban-Herrschaft fast vollständig vom Bildungssystem ausgeschlossen. Das Bildungsministerium gibt die Zahl der Schüler/innen mit ca. 9 Millionen an, davon sind etwa 40% Mädchen. Der Anteil der Mädchen nimmt jedoch mit fortschreitender Klassen- und Bildungsstufe ab. Aber auch geografisch gibt es Unterschiede. Den geringsten Mädchen-Anteil findet man im Süden und Südwesten des Landes (Helmand, Uruzgan, Zabul und Paktika) (LIB S 187).

Seit dem Jahr 2000 hat sich die durchschnittliche Zahl der Kinder, die eine Schule besuchen von 2,5 Jahren auf 9,3 Jahre erhöht. Das afghanische Bildungsministerium errichtete gemeinsam mit USAID und anderen Gebern, mehr als 16.000 Schulen; rekrutierte und bildete mehr als 154.000 Lehrerinnen und Lehrer aus, und erhöhte die Zahl der Schuleinschreibungen um mehr als 60%. Das Bildungsministerium gibt die Zahl der Schüler/innen mit ca. 9 Millionen an, davon sind etwa 40% Mädchen. Frauen und Mädchen gehen öfter zur Schule, wenn sie keine langen Distanzen zurücklegen müssen. USAID hat 84.000 afghanische Mädchen dabei unterstützt Schulen innerhalb ihrer Gemeinden besuchen zu können, damit sich nicht durch teilweise gefährliche Gegenden pendeln müssen (LIB S 177).

Seit dem Jahr 2008 hat sich die Studierendenzahl in Afghanistan um 50% erhöht (LIB S 177).

1.3.6. Außerehelicher Geschlechtsverkehr ("zina") in Afghanistan:

Personen, denen Verstöße gegen die Scharia wie Ehebruch ("zina"), zu dem auch außerehelicher Geschlechtsverkehr zählt, vorgeworfen werden, sind der Gefahr der strafrechtlichen Verfolgung, der gesellschaftlichen Ächtung, Gewalt durch Familienangehörige, andere Mitglieder ihrer Gemeinschaften und der Taliban sowie anderer regierungsfeindlicher Kräfte ausgesetzt (vgl UNHCR S 62).

2. Die Feststellungen gründen auf der folgenden Beweiswürdigung:

2.1. Zu den Feststellungen zur individuellen Situation der BF und zur allgemeinen Lage:

Die Feststellungen zu den persönlichen Daten, zum Leben und zur Ausreise nach Europa ergeben sich aus den im Wesentlichen gleichbleibenden, übereinstimmenden und schlüssigen Aussagen der BF im behördlichen und im gerichtlichen Verfahren. Die genauen Geburtsdaten der BF1 bis 6 konnten mangels konkreter Angaben nicht festgestellt werden (BF1 und 4: OZ 1 S 5, 153 [Verwaltungsakt des BF1]; BF2, 5 und 6: OZ 1 S 145 [Verwaltungsakt der BF2]; BF3: OZ 1 S 71); soweit im Kopf des Erkenntnisses ein Geburtstag und ein Geburtsmonat genannt werden, dient dies nur zur Identifizierung der BF im gegenständlichen Verfahren. Die Feststellung, dass die BF3 noch minderjährig ist, ergibt sich aus dem medizinischen Sachverständigengutachten vom XXXX , wonach zum Untersuchungszeitpunkt ( XXXX ) ein Mindestalter von 13 Jahren festgestellt wurde (OZ 1 S 185). Dass der BF7 am XXXX zur Welt kam, ergibt sich aus der vorgelegten Geburtsurkunde (OZ 1 S 9).

Dass die BF gesund sind, ergibt sich aus der Einvernahme im Beschwerdeverfahren und aus dem Umstand, dass im gesamten Verfahren nichts Gegenteiliges hervorgekommen ist. Zwar gab die BF2 in ihrer Einvernahme vor der belangten Behörde an, sie habe aufgrund einer Fehlgeburt in Österreich einen Herzstillstand erlitten, weshalb sie sich alle sechs Monate untersuchen lassen müsse (OZ 1 S 143), allerdings konnten im Zuge der Beschwerdeverhandlung keine Einschränkungen der BF2 wahrgenommen werden. Auch die Frage des erkennenden Richters zu Beginn der Beschwerdeverhandlung, ob die BF unter chronischen oder akuten Krankheiten oder anderen Leiden oder Gebrechen erleiden würden, die die Verhandlungsfähigkeit einschränken würden, wurde verneint.

Die Feststellung, dass der BF1 und die BF2 mit der afghanischen Tradition und Lebensweise vertraut sind, ergibt sich daraus, dass sie in Afghanistan aufgewachsen sind und - abgesehen vom zehnjährigen Aufenthalt im Iran - bis zu ihrer Ausreise nach Europa immer in Afghanistan aufhältig waren. Ebenso sind die BF3 bis 6 mit der afghanischen Tradition und Lebensweise vertraut, weil sie drei Jahre lang in Afghanistan gelebt haben und in einem afghanischen Familienverband aufgewachsen sind.

Die Feststellungen zur Einreise und zum behördlichen Asylverfahren der BF ergeben sich aus den unbedenklichen Verwaltungsakten.

Dass die BF1 und BF2 diverse Deutschkurse besucht haben ergeben sich aus den unbedenklichen Urkunden (OZ 1 S 353 ff [Verwaltungsakt des BF1]; OZ 1 S 411 ff [Verwaltungsakt der BF2]). Die Deutschkenntnisse der BF3 und 4 ergeben sich aus der persönlichen Wahrnehmung des erkennenden Richters in der mündlichen Verhandlung (S 5 und 17 f des Verhandlungsprotokolls). Die weiteren Feststellungen zu den familiären Bindungen, zum Privatleben und zur Integration der BF in Österreich ergeben sich aus den gleichbleibenden und glaubhaften Aussagen der BF im behördlichen und im gerichtlichen Verfahren sowie den unbedenklichen Urkunden (OZ 1 S 359 [Verwaltungsakt des BF1]; OZ 1 S 415 [Verwaltungsakt der BF2]).

Die Feststellung der strafgerichtlichen Unbescholtenheit der BF ergibt sich aus ihrem jeweiligen Strafregisterauszug.

Die Feststellungen zur allgemeinen Lage in Afghanistan ergeben sich aus den bei den jeweiligen Feststellungen angeführten Quellen, die sich auf mehrere, im Wesentlichen übereinstimmende Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen gründen. Insoweit diesen Feststellungen Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums (so insbesondere das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018, zuletzt aktualisiert am 22.08.2018) für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation fallrelevant nicht wesentlich geändert haben.

2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen:

2.2.1. Zur Bedrohung durch den Kommandanten XXXX :

Die Feststellun

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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