TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/11 W233 2192701-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.10.2018
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Entscheidungsdatum

11.10.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs2
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W233 2192701-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. XXXX FELLNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehöriger des Iran, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für

Fremdenwesen und Asyl vom 16.03.2018, Zahl: 1143694903-170234475, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 24.07.2018 zu

Recht:

A) Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG

2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger des Iran, stellte am 22.02.2017 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Seinen Antrag begründete er im Rahmen seiner Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag im Wesentlichen damit, dass er seine Religion gewechselt habe und deswegen von der Familie eines Mädchens in das er verliebt war, bedroht worden sei. Diese Familie habe auch seinen Vater mit einem Auto angefahren. In dieser über seine Erstbefragung aufgenommen Niederschrift ist unter der Rubrik Religionszugehörigkeit "Christentum - Richtung: Protestantische Kirchen" vermerkt.

1.3. Am 06.03.2018 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen. Dabei bestätigte der Beschwerdeführer die Richtigkeit seiner bisher gemachten Angaben und ergänzte diese. Er gab zusammengefasst an, im Zuge seiner Arbeit als Fotograf zweimal verhaftet worden zu sein und aufgrund von Recherchen über das Christentum Probleme mit der Familie des Mädchens, in das er verliebt gewesen sei, bekommen zu haben. Die Mutter des Mädchens sei seine Cousine mütterlicherseits und daher hätten auch andere Bekannte und Verwandte von seinen Problemen erfahren. Der Beschwerdeführer gab auch an, er habe sich im Internet mit dem Christentum auseinandergesetzt und sei zwei Mal zu einer Kirche Stadt Isfahan gefahren.

1.4. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit dem im Spruch angeführten Bescheid vom 16.03.2018 den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 22.02.2017 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und den Antrag auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Iran gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 leg. cit. (Spruchpunkt II.) ab. Unter einem wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen sowie festgestellt, dass seine Abschiebung in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). In Spruchpunkt IV. wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine 14-tägige Frist für seine freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung eingeräumt.

1.5. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer am 13.04.2018 fristgerecht Beschwerde.

1.6. Zur Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts fand am 24.07.2018 vor dem Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit des Beschwerdeführers und seines Rechtsvertreters eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, in welcher der Beschwerdeführer ausführlich zu seinen Fluchtgründen, seinen persönlichen Umständen im Herkunftsstaat sowie seiner Integration in Österreich befragt wurde. Ebenfalls wurde ein Zeuge zu den Lebensumständen des Beschwerdeführers in Österreich einvernommen. Das Bundesamt hat sich bereits anlässlich der Vorlage der Beschwerde für die Teilnahme an einer mündlichen Verhandlung entschuldigt. Im Zuge der mündlichen Verhandlung wurde das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zum Iran, Stand 05.06.2018, in das Verfahren eingebracht und mit dem vertretenen Beschwerdeführer erörtert.

1.7. Am 03.08.2018 langte am Bundesverwaltungsgericht eine Stellungnahme des Beschwerdeführers ein.

1.8. Der Beschwerdeführer legte im Verfahren folgende Dokumente/Unterlagen vor:

* Kopie Dienstausweis Kameramann (AS 67);

* Kopie Abschlusszeugnis Gymnasium (AS 69);

* Kopie Abschlusszeugnis zur Ausbildung als Kameramann (AS 71);

* Kursantrittsbestätigung der VHS Wien über den Antritt des Deutschkurses A1 am 16.10.2017 (AS 73);

* ÖSD Zertifikat A1 ("gut bestanden") vom 06.02.2018 (AS 75);

* Bestätigung der VHS Wien über den Besuch eines Deutschkurses im März 2018 (AS 77);

* Empfehlungsschreiben XXXX , Iranische Christliche Gemeinde Wien, vom 05.03.2018 darüber, dass der Beschwerdeführer seit Mai 2017 an den Veranstaltungen der Gemeinde teilnimmt und im Mai 2018 getauft wird (AS 79);

* ÖSD Zertifikat A2 ("bestanden") vom 25.05.2018;

* Bestätigung der VHS Wien über den Besuch eines Deutschkurses im Juli 2018;

* Bestätigung von XXXX und XXXX vom 05.03.2018 darüber, dass der Beschwerdeführer regelmäßig an Trainingseinheiten und an sozialen Aktivitäten teilnimmt;

* Taufzeugnis der Iranischen christlichen Gemeinde Wien über die Taufe des Beschwerdeführers am XXXX .

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes des Beschwerdeführers, beinhaltend die Befragung vom 22.02.2017 (Erstbefragungen) sowie vom 06.03.2018 (niederschriftliche Einvernahme, BFA), den gegenständlichen Bescheid vom 16.03.2018 und die Beschwerde vom 13.04.2018; durch die Einvernahme des Beschwerdeführers und eines Zeugen vor dem Bundesverwaltungsgericht am 24.07.2018; durch Einsichtnahme in die im Verlauf des Verfahrens vorgelegten Unterlagen und Stellungnahmen, in aktuelle Auszüge aus Strafregister, GVS, IZR und ZMR sowie durch Einsichtnahme in das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zum Iran (Stand 05.06.2018). Demnach steht folgender Sachverhalt fest:

2. Feststellungen:

2.1. Der Beschwerdeführer ist ein Staatsangehöriger des Iran. Er gehört der Volksgruppe der Perser an. Die weitere Identität des Beschwerdeführers kann nicht festgestellt werden.

2.2. Der Beschwerdeführer wurde als Moslem im Iran geboren und kam bereits in seinem Herkunftsstaat über seine Familie und über eigene Recherchen mit dem Christentum in Kontakt.

Er ist in Österreich vom Islam zum Christentum konvertiert, hat in der Iranischen Christlichen Gemeinde Wien Taufunterricht erhalten und wurde schließlich am XXXX in Wien getauft. Der Beschwerdeführer ist praktizierender Angehöriger der Iranischen Christlichen Gemeinde Wien und aktiv am christlichen Leben beteiligt. Er besucht regelmäßig den Gottesdienst.

2.3. Bei einer Rückkehr in den Iran würde der Beschwerdeführer nicht zum Islam zurückkehren, sondern Christ bleiben.

2.4. Im Entscheidungszeitpunkt kann im Hinblick auf die aktuelle Lage im Iran für konvertierte Christen nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr in den Iran auf Grund seiner nunmehr christlichen Religion keiner asylrelevanten Verfolgung unterliegt.

Dem Beschwerdeführer steht als vom Islam zum Christentum Konvertierten keine innerstaatliche Fluchtalternative offen.

2.5. Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

2.6. Zur Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers (Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation über den Iran, mit Stand vom 05.06.2018, gekürzt und bereinigt):

2.6.1. Rechtsschutz/Justizwesen

Seit 1979 ist der Iran eine Islamische Republik, wobei versucht wird, demokratische und islamische Elemente miteinander zu verbinden. Die Verfassung besagt, dass alle Gesetze sowie die Verfassung auf islamischen Kriterien beruhen müssen. Mit einer demokratischen Verfassung im europäischen Sinne kann sie daher nicht verglichen werden (ÖB Teheran 10.2016). In der Verfassung ist eine unabhängige Justiz verankert, in der Praxis steht sie unter politischem Einfluss. Richter werden nach religiösen Kriterien ernannt. Der Oberste Führer ernennt den Chef der Judikative. Internationale Beobachter kritisieren weiterhin den Mangel an Unabhängigkeit des Justizsystems und der Richter und, dass die Verfahren internationale Standards der Fairness nicht erfüllen (US DOS 3.3.2017, vgl. AI 22.2.2017).

Das in der iranischen Verfassung enthaltene Gebot der Gewaltentrennung ist praktisch stark eingeschränkt. Der Revolutionsführer ernennt für jeweils fünf Jahre den Chef der Judikative. Er ist laut Art. 157 der Verfassung die höchste Autorität in allen Fragen der Justiz; der Justizminister hat demgegenüber vorwiegend Verwaltungskompetenzen. Die Unabhängigkeit der Gerichte ist in der Verfassung festgeschrieben, unterliegt jedoch Begrenzungen. Immer wieder wird deutlich, dass Exekutivorgane, v.a. der Sicherheitsapparat, trotz formalen Verbots in Einzelfällen massiven Einfluss auf die Urteilsfindung und die Strafzumessung nehmen. Zudem ist zu beobachten, dass fast alle Entscheidungen der verschiedenen Staatsgewalten bei Bedarf informell durch den Revolutionsführer und seine Mitarbeiter beeinflusst und gesteuert werden können. Auch ist das Justizwesen nicht frei von Korruption. Nach belastbaren Aussagen von Rechtsanwälten ist ca. ein Drittel der Richter bei entsprechender Gegenleistung zu einem Entgegenkommen bereit. In Iran gibt es eine als unabhängige Organisation aufgestellte Rechtsanwaltskammer ("Iranian Bar Association"; IBA). Allerdings sind die Anwälte der IBA staatlichem Druck und Einschüchterungsmaßnahmen insbesondere in politischen Verfahren ausgesetzt (AA 8.12.2016).

In der Normenhierarchie der Rechtsordnung des Iran steht die Scharia an oberster Stelle. Darunter stehen die Verfassung und das übrige kodifizierte Recht. Die Richter sind nach der Verfassung angehalten, bei der Rechtsanwendung zuerst auf Grundlage des kodifizierten Rechts zu entscheiden. Im Zweifelsfall kann jedoch gemäß Art. 167, 170 der iranischen Verfassung die Scharia vorrangig angewendet werden (AA 9.12.2015).

In der Strafjustiz existieren mehrere voneinander getrennte Gerichtszweige. Die beiden wichtigsten sind die ordentlichen Strafgerichte und die Revolutionsgerichte. Daneben sind die Pressegerichte für Taten von Journalisten, Herausgebern und Verlegern zuständig. Die "Sondergerichte für die Geistlichkeit" sollen abweichende Meinungen unter schiitischen Geistlichen untersuchen und ihre Urheber bestrafen. Sie unterstehen direkt dem Revolutionsführer und sind organisatorisch außerhalb der Judikative angesiedelt (AA 9.12.2015).

Die Zuständigkeit der Revolutionsgerichte beschränkt sich auf folgende Delikte:

* Straftaten betreffend die innere und äußere Sicherheit des Landes, bewaffneter Kampf gegen das Regime, Verbrechen unter Einsatz von Waffen, insbesondere "Feindschaft zu Gott" und "Korruption auf Erden";

* Anschläge auf politische Personen oder Einrichtungen;

* Beleidigung des Gründers der Islamischen Republik Iran und des jeweiligen Revolutionsführers;

* Spionage für fremde Mächte;

* Rauschgiftdelikte, Alkoholdelikte und Schmuggel;

* Bestechung, Korruption, Unterschlagung öffentlicher Mittel und Verschwendung von Volksvermögen (AA 9.12.2015).

Das Sondergericht für Geistliche und die Revolutionsgerichte waren besonders empfänglich für Druck seitens der Geheimdienste und anderer Sicherheitsbehörden, die darauf drängten, Angeklagte schuldig zu sprechen und harte Strafen zu verhängen (AI 22.2.2017).

Im Juni 2015 trat die neue Strafprozessordnung in Kraft, die nahezu ein Jahrzehnt in Arbeit war. Es sind nun einige überfällige Reformen im Justizsystem enthalten, wie Einschränkungen der provisorischen Untersuchungshaft bei Fällen von Fluchtgefahr oder Gefahr für die öffentliche Sicherheit, striktere Regulierungen betreffend Befragungen von beschuldigten Personen und die Ausweitung des Rechts auf einen Anwalt. Nichtsdestotrotz scheitert die Strafprozessordnung an vielen großen Mängeln im iranischen Strafjustizsystem (AI 11.2.2016). Justizbedienstete des Ministeriums für Geheimdienste, der Revolutionsgarden und anderer Behörden setzten sich ständig über Bestimmungen hinweg, die die Strafprozessordnung von 2015 für ein ordnungsgemäßes Verfahren vorsah, wie das Recht auf einen Anwalt unmittelbar nach der Festnahme und während der Untersuchungshaft und das Recht auf Aussageverweigerung. Strafverteidiger erhielten oft keine vollständige Akteneinsicht und konnten ihre Mandanten erst unmittelbar vor Prozessbeginn treffen. Untersuchungshäftlinge befanden sich über lange Zeiträume hinweg in Einzelhaft und hatten entweder überhaupt keinen Kontakt zu einem Rechtsbeistand und ihrer Familie oder nur sehr selten. Unter Folter erzwungene "Geständnisse" wurden vor Gericht als Beweismittel zugelassen. Richter begründeten ihre Urteile häufig nicht ausreichend, und die Justizverwaltung machte die Urteile nicht öffentlich zugänglich. Die Staatsanwaltschaft nutzte Paragraph 48 der Strafprozessordnung, um Gefangenen einen Rechtsbeistand ihrer Wahl zu verweigern (AI 22.2.2017, vgl. ÖB Teheran 10.2016).

Das iranische Strafrecht ist islamisch geprägt. Es ist kodifiziert im "Gesetz über die islamischen Strafen" vom 30. Juli 1991. Die letzte Änderung des Gesetzes trat am 18.06.2013 in Kraft. Zudem existieren einige strafrechtliche Nebengesetze, darunter das Betäubungsmittelgesetz sowie das Antikorruptionsgesetz. Die statuierten Straftatbestände und Rechtsfolgen enthalten zum Teil unbestimmte Formulierungen. Den Kern des "Scharia-Strafrechts", also des islamischen Strafrechts mit seinen z.T. erniedrigenden Strafen wie Auspeitschung, Verstümmelung, Steinigung, sowie der Todesstrafe bilden die Abschnitte zu den Qesas-und Hudud-Delikten:

* "Hudud" (Verstoß gegen das Recht Gottes) enthält Straftatbestände, die im Koran und in der Sunna genauer beschrieben sind, wie z.B. Diebstahl, Raub, Alkoholgenuss, Sexualstraftaten inkl. Homosexualität und Unzucht, sowie Verbrechen gegen Gott. Zu all diesen Tatbeständen enthält das Gesetz detaillierte Beweisregelungen, nach denen der Täter jeweils nur bei Geständnis oder ihn belastenden Aussagen mehrerer Zeugen verurteilt werden soll.

* "Qesas"(Vergeltung) ist gekennzeichnet durch das Prinzip der körperlichen Vergeltung für die Tatbestände Mord und Körperverletzung mit Folge des Verlustes von Gliedmaßen. Hierbei können Geschädigte oder deren Familie selbst bestimmen, ob sie auf Vergeltung bestehen oder sich mit einer Schadensersatzzahlung zufrieden geben ("Diyeh" oder "Dyat", sog. Blutgeld; Minimalsatz rund 31.500 €). Für die in Art. 13 der Verfassung genannten religiösen Minderheiten ist Blutgeld in gleicher Höhe zu zahlen wie für die Tötung von Muslimen (AA 9.12.2015).

Die "Taazirat"-Vorschriften (vom Richter verhängte Strafen), Strafnormen, die nicht auf religiösen Quellen beruhen, bezwecken in erster Linie den Schutz des Staates und seiner Institutionen. Während für Hudud- und Qesas-Straftaten das Strafmaß vorgeschrieben ist, hat der Richter bei Taazirat-Vorschriften einen gewissen Ermessensspielraum (AA 9.12.2015).

Bei Delikten, die im krassen Widerspruch zu islamischen Grundsätzen stehen, können jederzeit Körperstrafen ausgesprochen und auch exekutiert werden. Bereits der Besitz geringer Mengen von Alkohol kann zur Verurteilung zu Peitschenhieben führen (eine zweistellige Zahl an Peitschenhieben ist dabei durchaus realistisch). Es kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass Personen zu Peitschenhieben verurteilt werden, die selbst Alkohol weder besessen noch konsumiert haben, u.U. ist bereits die bloße Anwesenheit bei einer Veranstaltung, bei der Alkohol konsumiert wird, für die Betroffenen gefährlich. So wurden etwa im Mai 2016 mehr als 30 Studenten wegen Teilnahme an einer Party mit Alkohol und Tanz zu je 99 Peitschenhieben verurteilt. Die häufigsten Fälle, für welche die Strafe der Auspeitschung durchgeführt wird, sind illegitime Beziehungen, außerehelicher Geschlechtsverkehr, Teilnahme an gemischtgeschlechtlichen Veranstaltungen, Drogendelikte und Vergehen gegen die öffentliche Sicherheit. Auch Auspeitschungen werden zum Teil öffentlich vollstreckt. Berichten zufolge werden auch die Strafen der Amputation (z.B. von Fingern bei Diebstahl) und der Blendung noch angewandt - auf die Anwendung letzterer kann die/der ursprünglich Verletzte jedoch gegen Erhalt eines Abstandsgeldes verzichten (ÖB Teheran 10.2016).

Entgegen anfänglicher Erwartungen ist in der Strafrechtsnovelle die Steinigung als Bestrafung für Ehebruch noch immer vorgesehen, auch wenn der Richter auf eine andere Form der Hinrichtung ausweichen kann. Darüber hinaus wurden alternative Maßnahmen für Kinder im Alter von 9 bis 15 implementiert, wie zum Beispiel Besuche beim Psychologen oder die Unterbringung in einer Besserungsanstalt, Auch nach neuem Strafrecht ist die Verhängung der Todesstrafe für Minderjährige möglich, wobei im Einzelfall auch die mangelnde Reife des Täters festgestellt und stattdessen eine Haft- oder Geldstrafen verhängt werden kann (AA 9.12.2015).

Aussagen hinsichtlich einer einheitlichen Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis sind nur eingeschränkt möglich, da diese sich durch scheinbare Willkür auszeichnet. Rechtlich möglich wird dies vorrangig durch unbestimmte Formulierungen von Straftatbeständen und Rechtsfolgen sowie eine uneinheitliche Aufsicht der Justiz über die Gerichte. Auch willkürliche Verhaftungen kommen vor und führen dazu, dass Häftlinge ohne ein anhängiges Strafverfahren festgehalten werden. Wohl häufigster Anknüpfungspunkt für Diskriminierung im Bereich der Strafverfolgung ist die politische Überzeugung. Beschuldigten bzw. Angeklagten werden grundlegende Rechte vorenthalten, die auch nach iranischem Recht garantiert sind. Untersuchungshäftlinge werden bei Verdacht eines Verbrechens unbefristet ohne Anklage festgehalten. Oft erhalten Gefangene während der laufenden Ermittlungen keinen rechtlichen Beistand, weil ihnen dieses Recht verwehrt wird oder ihnen die finanziellen Mittel fehlen. Insbesondere bei politisch motivierten Verfahren gegen Oppositionelle erheben Gerichte oft Anklage aufgrund konstruierter oder vorgeschobener Straftaten. Die Strafen sind in Bezug auf die vorgeworfene Tat zum Teil unverhältnismäßig hoch. Hafterlass ist nach Ableistung der Hälfte der Strafe möglich. Amnestien werden unregelmäßig vom Revolutionsführer auf Vorschlag des Chefs der Justiz im Zusammenhang mit hohen religiösen Feiertagen und dem iranischen Neujahrsfest am 21. März ausgesprochen. Bei Vergeltungsstrafen können die Angehörigen der Opfer gegen Zahlung eines Blutgeldes auf den Vollzug der Strafe verzichten. Rechtsschutz ist oft nur eingeschränkt möglich. Anwälte, die politische Fälle übernehmen, werden systematisch eingeschüchtert oder an der Übernahme der Mandate gehindert. Der Zugang von Verteidigern zu staatlichem Beweismaterial wird häufig eingeschränkt oder verwehrt. Die Unschuldsvermutung wird mitunter - insbesondere bei politisch aufgeladenen Verfahren - nicht beachtet. Zeugen werden durch Drohungen zu belastenden Aussagen gezwungen. Es gibt zahlreiche Berichte über durch Folter und psychischen Druck erzwungene Geständnisse. Das Verbot der Doppelbestrafung gilt nur stark eingeschränkt. Nach iStGB wird jeder Iraner oder Ausländer, der bestimmte Straftaten im Ausland begangen hat und in Iran festgenommen wird, nach den jeweils geltenden iranischen Gesetzen bestraft. Bei der Verhängung von islamischen Strafen haben bereits ergangene ausländische Gerichtsurteile keinen Einfluss. Insbesondere bei Betäubungsmittelvergehen drohen drastische Strafen. In jüngster Vergangenheit sind allerdings keine Fälle einer Doppelbestrafung bekannt geworden. Hinsichtlich der Ausübung von Sippenhaft liegen gegensätzliche Informationen vor, sodass eine belastbare Aussage nicht möglich ist (AA 8.12.2016).

Körperstrafen sowie die Todesstrafe sind nach wie vor an der Tagesordnung. Die Todesstrafe steht auf Mord, Sexualdelikte, gemeinschaftlichen Raub, wiederholten Diebstahl, Drogenschmuggel, schwerwiegende Verbrechen gegen die Staatssicherheit, "Mohareb", Abfall vom islamischen Glauben und homosexuelle Handlungen, sowie auf Vergehen wie Drogenkonsum oder außerehelichen Geschlechtsverkehr (ÖB Teheran 10.2016).

Es gibt verfahrensrechtliche Bestimmungen, die den Richtern die Anweisung geben, Quellen zu kontaktieren, wenn es keinen Gesetzestext zum Vorfall gibt. Weiters gibt es eine Bestimmung im Strafgesetzbuch, die Richtern ermöglicht, sich auf ihr persönliches Wissen zu berufen, wenn sie Urteile fällen (ICHR 7.12.2010).

2.6.2. Sicherheitsbehörden

Diverse Behörden teilen sich die Verantwortung zur Vollstreckung der Gesetze und Aufrechterhaltung der Ordnung. So das Informationsministerium, die Ordnungskräfte des Innenministeriums und die Revolutionsgarden, die direkt dem Obersten Führer Khamenei berichten. Die Basij-Kräfte, eine freiwillige paramilitärische Gruppierung mit lokalen Niederlassungen in Städten und Dörfern, sind zum Teil als Hilfseinheiten zum Gesetzesvollzug innerhalb der Revolutionsgarden tätig. Die Sicherheitskräfte werden nicht als völlig effektiv bei der Verbrechensbekämpfung angesehen und Korruption und Straffreiheit sind weiter problematisch. Menschenrechtsgruppen beschuldigten reguläre und paramilitärische Sicherheitskräfte (wie zum Beispiel die Basij), zahlreiche Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben. Es gibt keinen transparenten Mechanismus, um Missbräuche der Sicherheitskräfte zu untersuchen oder zu bestrafen. Es gibt nur wenige Berichte, dass die Regierung Täter diszipliniert (US DOS 3.3.2017).

Die Polizei unterteilt sich in Kriminalpolizei, Polizei für Sicherheit und öffentliche Ordnung (Sittenpolizei), Internetpolizei, Drogenpolizei, Grenzschutzpolizei, Küstenwache, Militärpolizei Luftfahrtpolizei, eine Polizeispezialtruppe zur Terrorbekämpfung und Verkehrspolizei. Die Polizei hat auch einen eigenen Geheimdienst. Eine Sonderrolle nehmen die Revolutionsgarden (Sepah-e Pasdaran-e Enghelab-e Islami) ein, deren Auftrag formell der Schutz der Islamischen Revolution ist. Als Parallelarmee zu den regulären Streitkräften durch den Staatsgründer Khomeini aufgebaut, haben sie neben ihrer herausragenden Bedeutung im Sicherheitsapparat im Laufe der Zeit Wirtschaft, Politik und Verwaltung durchsetzt und sich zu einem Staat im Staate entwickelt. Militärisch kommt ihnen eine höhere Bedeutung als dem regulären Militär zu. Sie verfügen über eigene Gefängnisse und eigene Geheimdienste sowie engste Verbindungen zum Revolutionsführer. Organisatorisch den Pasadaran unterstellt ist die sog. Bassij-Bewegung, ein paramilitärischer Freiwilligenverband, dem auch Frauen angehören. Das Ministerium für Information ist als Geheimdienst ("Vezarat-e Etela'at") mit dem Schutz der nationalen Sicherheit, Gegenspionage und der Beobachtung religiöser und illegaler politischer Gruppen beauftragt. Aufgeteilt ist dieser in den Inlandsgeheimdienst, Auslandsgeheimdienst, Technischen Aufklärungsdienst und eine eigene Universität. Dabei kommt dem Inlandsgeheimdienst die bedeutendste Rolle bei der Bekämpfung der politischen Opposition zu. Der Geheimdienst tritt bei seinen Maßnahmen zur Bekämpfung der politischen Opposition nicht als solcher auf, sondern bedient sich überwiegend der Sicherheitskräfte und der Justiz. Das reguläre Militär (Artesh) erfüllt im Wesentlichen Aufgaben der Landesverteidigung und Gebäudesicherung. Neben dem "Hohen Rat für den Cyberspace" beschäftigt sich die iranische Cyberpolice mit Internetkriminalität mit Fokus auf Wirtschaftskriminalität, Betrugsfälle und Verletzungen von Privatsphäre im Internet sowie der Beobachtung von Aktivitäten in sozialen Netzwerken und sonstigen politisch relevanten Äußerungen im Internet. Sie steht auf der EU-Menschenrechtssanktionsliste (AA 8.12.2016).

Die "Sepah Pasdaran" (Revolutionsgarden) sind heute die mächtigste Instanz im Iran, sowohl politisch, als auch wirtschaftlich und militärisch. Die reguläre Armee spielt neben den Pasdaran eine sehr sekundäre Rolle. Die Pasdaran sind mit modernsten Waffen ausgerüstet. Sie sind schlagkräftig und entscheiden alle militärischen Fragen, und die reguläre Armee ist dagegen völlig in den Hintergrund geraten. Inzwischen gelten sie auch als die größte wirtschaftliche Macht des Landes. Die Pasdaran bekommen zum einen Konzessionen für alle größeren infrastrukturellen Projekte im Iran. Ob es um Staudämme geht oder um den Straßenbau, den Bau von Häfen oder Flughäfen: An allen Großprojekten sind die Pasdaran beteiligt. Darüber hinaus kontrollieren sie die Häfen und Flughäfen und damit auch den gesamten Markt, Aus- und Einfuhren und vor allem auch den Schwarzmarkt. Sie können Waren ins Land bringen und ausführen, ohne Zoll oder Steuern zu bezahlen. Die Pasdaran sind auch beteiligt an Ölprojekten. Die Pasdaran sind an den Entscheidungen sowohl im Atomstreit als auch in sonstigen politisch wichtigen Angelegenheiten direkt mitbeteiligt. Sie sind sehr stark involviert in das Atomprogramm. Ihre ehemaligen Kommandeure sitzen an den Schalthebeln der Macht. 2005 hat Mahmud Ahmadinedschad, als er zum ersten Mal zum Staatspräsidenten gewählt wurde, die meisten und wichtigsten Schlüsselpositionen mit Kommandanten der Pasdaran besetzt (DW 13.6.2013). Sie sind eng mit der Politik verzahnt und konnten in den vergangenen Jahren ihren wirtschaftlichen Einfluss ausbauen. Sie sind in allen Sektoren aktiv, mit teilweise monopolartigen Stellungen in der Rüstungs- und Bauindustrie, bei Energieprojekten, im Schmuggel von Konsumgütern und im Telekommunikationssektor (DW 13.6.2013, vgl. FH 2016).

Mit willkürlichen Verhaftungen kann und muss jederzeit gerechnet werden, da vor allem die Basijis nicht nach iranisch-rechtsstaatlichen Standards handeln. Auch Verhaltensweisen, die an sich (noch) legal sind, können das Misstrauen der Basijis hervorrufen. Basijis sind ausschließlich gegenüber dem Obersten Führer loyal und haben oft keinerlei reguläre polizeiliche Ausbildung, die sie mit rechtlichen Grundprinzipien polizeilichen Handelns vertraut gemacht hätten. Basijis haben Stützpunkte u.a. in Schulen, wodurch die permanente Kontrolle der iranischen Jugend gewährleistet ist. Schätzungen über die Zahl der Basijis gehen weit auseinander. Viele Schätzungen nehmen an, dass heute mehrere Millionen Basijis im Iran tätig sind. Bereits auffälliges Hören (insb. westlicher) Musik, die Äußerung der eigenen Meinung zum Islam oder gemeinsame Autofahrten junger nicht miteinander verheirateter Männer und Frauen kann den Unwillen zufällig anwesender Basijis bzw. mit diesen sympathisierenden Personen hervorrufen. Willkürliche Verhaftungen oder Verprügelung durch Basijis können in diesem Zusammenhang nicht ausgeschlossen werden. Zu Verhaftungen kommt es immer wieder auch, wenn (junge) Menschen gemischtgeschlechtliche Partys feiern oder sie sich nicht an die Bekleidungsvorschriften halten. Manchmal kann bei Frauen schon ein zu kurzer/ enger Mantel oder das Hervorlugen von Haarsträhnen unter dem Kopftuch für eine Verhaftung, bei Männern zu eng anliegende Jeans, das Tragen von Goldschmuck oder ein außergewöhnlicher Haarschnitt reichen (ÖB Teheran 10.2016).

2.6.3. Religionsfreiheit

Die Bevölkerung besteht zu ca. 89% Schiiten, 10% Sunniten, Zoroastrier, Juden, Christen, und 1% Baha'i (Länderdaten o.D., vgl. CIA 12.1.2017, ACCORD 9.2015). Im Iran ist der schiitische Islam (Zwölfer-Schia) Staatsreligion. Anerkannte religiöse Minderheiten - Zoroastrier, Juden, (v.a. armenische und assyrische) ChristInnen - werden diskriminiert, nicht anerkannte nicht-schiitische Gruppen - Bahá'í, konvertierte evangelikale ChristInnen, Sufi (Derwisch-Orden), Atheisten - werden in unterschiedlichem Grad verfolgt. Sunniten werden v.a. beim beruflichen Aufstieg im öffentlichen Dienst diskriminiert. Missionarische Tätigkeit - d.h. jegliches nicht-islamisches religiöses Agieren in der Öffentlichkeit - und Konversion vom Islam sind verboten und werden streng geahndet (ÖB Teheran 10.2016, vgl. AA 8.12.2016, US DOS 10.8.2016, FH 2017).

Statistische Daten über missionarische Tätigkeit bzw. deren regionale Aufteilung liegen nicht vor. Es gibt im Iran anerkannte religiöse Minderheiten, deren Vertreter immer wieder betonen, wenig oder kaum Repressalien ausgesetzt zu sein. Anerkannte religiöse Minderheiten sind laut Verfassung Christen, Juden und Zoroastrier. Diese sind in ihrer Religionsausübung - im Vergleich mit anderen Ländern der Region - nur relativ geringen Einschränkungen unterworfen (religiöse Aktivitäten sind nur in den jeweiligen Gotteshäusern und Gemeindezentren erlaubt; christliche Gottesdienste in Farsi sowie missionarische Tätigkeiten sind generell verboten). Darüber hinaus haben sie gewisse anerkannte Minderheitenrechte, etwa - unabhängig von ihrer zahlenmäßigen Stärke - eigene Vertreter im Parlament sowie das Recht auf Alkoholkonsum bei religiösen Riten und im Privatbereich, wenn keine Moslems anwesend sind. Beispiel für die rechtliche Diskriminierung anerkannter religiöser Minderheiten ist, dass ihren Angehörigen höhere Positionen im Staatsdienst verwehrt sind und, dass ihnen in einzelnen Aspekten im Straf-, Familien- und Erbrecht nicht dieselben Rechte zukommen wie Moslems. Es gibt Berichte von Diskriminierung von Nichtschiiten aufgrund ihrer Religion, welche von der Gesellschaft ausgeht und eine bedrohliche Atmosphäre kreiert. Dennoch sind die hauptsächlichen Akteure von denen eine Verfolgung ausgeht, staatliche Akteure. Der Auswanderungsdruck ist auf Grund der für alle IranerInnen geringeren wirtschaftlichen Perspektiven auch bei den Angehörigen der anerkannten religiösen Minderheiten weiterhin groß (ÖB Teheran 10.2016).

Grundrechtlich besteht "Kultusfreiheit" innerhalb der Mauern der Gemeindezentren und der - auch von außen als solche klar erkennbaren - Kirchen. Jedoch haben Nichtmuslime keine Religionsfreiheit in der Öffentlichkeit, weder Freiheit der Meinungsäußerung noch Versammlungsfreiheit (Proselytismusverbot). Jegliche missionarische Tätigkeit inklusive des öffentlichen Verkaufs von werbenden Publikationen und der Anwerbung Andersgläubiger ist verboten und wird streng bestraft. Das Strafgesetz sieht für Proselytismus die Todesstrafe vor. Infolge des Proselytismusverbots wird gegen evangelikale Gruppen ("Hauskirchen") oft hart vorgegangen (Verhaftungen, Beschlagnahmungen, vor ein paar Jahren auch angeblich vollstreckte Todesurteile). Autochthone Kirchen halten sich aus unterschiedlichen Gründen penibel an das Verbot. Mitglieder mancher Glaubensgemeinschaften sind angewiesen, Mitgliedskarten mit sich zu tragen, die von Behördenvertretern außerhalb von Gottesdiensten kontrolliert werden (ÖB Teheran 10.2016, vgl. US DOS 10.8.2016).

Anhänger der Baha'i-Glaubensgemeinschaft, Sufis, die Gemeinschaft der Ahl-e Haqq [Yaresan] und andere religiöse Minderheiten konnten ihren Glauben nicht frei praktizieren und wurden durch Gesetze und im täglichen Leben diskriminiert, u. a. im Bildungswesen, auf dem Arbeitsmarkt und bei Erbschaftsangelegenheiten. Dies galt auch für Muslime, die zum Christentum konvertiert waren, und für Sunniten (AI 22.2.2017, vgl. FH 2017).

2.6.3.1. Christen

Die christliche Minderheit besteht vor allem aus Armeniern verschiedener Konfessionen. Daneben gibt es noch einige Ostchristen, unter denen die Assyrer die größte Gruppe stellen. Die Christen lebten traditionell vor allem im Nordwesten des Landes, außerdem in Teheran und Esfahan. Nach der Islamischen Revolution zogen viele Armenier nach Teheran, so dass heute 75% von ihnen dort leben. Insgesamt gibt es etwa - je nach Quelle - 100.000 (GIZ 3.2017a, vgl. US DOS 10.8.2016) bis 300.000 christliche Iraner, ihnen stehen zwei Parlamentssitze zu (FIS 21.8.2015, vgl. US DOS 10.8.2016).

Das Christentum im Iran kann in ethnische und nicht-ethnische Christen unterteilt werden. Die Mehrheit der iranischen Christen ist den ethnischen Christen zuzuordnen und beziehen sich auf armenische und assyrische (oder auch chaldäische) Christen, die eine lange Geschichte im Iran vorweisen und ihre eigenen linguistischen und kulturellen Traditionen besitzen. Die nicht-ethnischen Christen gehören hauptsächlich der katholischen und protestantischen Kirche an und haben ihren Ursprung in der Zeit des Schah Regimes. Die Mitglieder sind - wenn auch nicht alle - Konvertierte aus dem Islam. Von Repressionen und willkürlichen Verhaftungen von konvertierten Christen, Mitgliedern der protestantischen und evangelischen Kirche wird berichtet (ÖB Teheran 10.2016, vgl. FIS 21.8.2015, ICHRI 2013). Im Dezember 2015 sollen etwa eine Reihe von Privatwohnungen wegen Weihnachtsfeiern von den Behörden gestürmt und rund zehn Personen festgenommen worden sein. Ende 2015 waren Berichten zufolge mindestens 90 Christen wegen ihres Glaubens bzw. ihrem Übertritt zum Christentum in Haft. Den verhafteten Christen werden, zumindest teilweise, nicht die vollen Prozessrechte gewährt - oft werden sie ohne Anwaltsberatung oder ohne formelle Verurteilung festgehalten bzw. ihre Haft über das Strafmaß hinaus verlängert. Iranische Menschenrechtsgruppen berichteten zudem von einem Anstieg von gewalttätigen Übergriffen in den Gefängnissen im Jahr 2015, welche möglicherweise als Abschreckung gegen einen Übertritt zum Christentum dienen sollte (ÖB Teheran 10.2016). Laut der Gefangenenliste von Open Doors befinden sich mit Stand Dezember 2016 60 Christen in Haft, zwei wurden auf Kaution freigelassen, zwei freigelassen und zehn freigelassen mit Verbot Land zu verlassen (Open Doors 12.2016).

Soweit Christen die Ausübung ihres Glaubens ausschließlich auf die Angehörigen der eigenen Gemeinden beschränken, werden sie nicht behindert oder verfolgt. Christlichen Kirchen wurde untersagt, ihre Gottesdienste an einem Freitag und in persischer Sprache abzuhalten. Teilweise werden einzelne Gemeindemitglieder vorgeladen und befragt. Unter besonderer Beobachtung stehen insbesondere auch hauskirchliche Vereinigungen, deren Versammlungen regelmäßig aufgelöst und deren Angehörige gelegentlich festgenommen werden (AA 8.12.2016, vgl. FIS 21.8.2015, US DOS 10.8.2016). So wurde der Christ Ebrahim Firouzi im Juni 2013 zu 10 Jahren Haft verurteilt, weil er 12.000 Bibeln verteilt und zu Gottesdiensten in sein Haus eingeladen hatte (AA 8.12.2016).

Vor allem evangelikale Christen und Konvertiten sahen sich weiterhin Schikanen und Beobachtung ausgesetzt. Die Behörden verhafteten Christen unverhältnismäßig oft. Viele dieser Verhaftungen passierten während Razzien bei religiösen Zusammentreffen bei denen die Behörden auch religiöses Eigentum beschlagnahmten. Die Behörden verlangen von Kirchengängern Ausweise und hielten muslimische Konvertiten davon ab, assyrische oder armenische Kirchen zu betreten (US DOS 10.8.2016).

2.6.3.2. Apostasie / Konversion zum Christentum / Proselytismus

Apostasie (d.h. Abtrünnigkeit vom Islam) ist im Iran verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht. Im iranischen Strafgesetzbuch ist der Tatbestand zwar nicht definiert, die Verfassung sieht aber vor, dass die Gerichte in Abwesenheit einer definitiven Regelung entsprechend der islamischen Jurisprudenz zu entscheiden haben. Dabei folgen die Richter im Regelfall einer sehr strengen Auslegung auf Basis der Ansicht von konservativen Geistlichen wie Staatsgründer Ayatollah Khomenei, der für die Abkehr vom Islam die Todesstrafe verlangte. Konvertierte werden zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund von "moharebeh" ("Waffenaufnahme gegen Gott"), "mofsid-fil-arz/fisad-al-arz" ("Verdorbenheit auf Erden"), oder "Handlungen gegen die nationale Sicherheit". In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie selten, bei keiner der 2015 bzw. für das erste Halbjahr 2016 dokumentierten Hinrichtungen gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie einer bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. Hingegen wurde von mindestens 20 Exekutionen im Jahr 2015 wegen "moharebeh" berichtet (ÖB Teheran 10.2016).

Im Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf. Wer zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin oder wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hier für den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind. Kirchenvertreter sind angehalten, die Behörden zu informieren, bevor sie neue Mitglieder in ihre Glaubensgemeinschaft aufnehmen. Es kann zumindest nicht ausgeschlossen werden, dass auch ein im Ausland Konvertierter im Iran wegen Apostasie verfolgt wird. Einige Geistliche, die in der Vergangenheit im Iran verfolgt oder ermordet wurden, waren im Ausland zum Christentum konvertiert. Es liegen keine Daten bzw. Details zu Rechtsprechung und Behördenpraxis im Zusammenhang mit "Konversion" vom Schiitentum zum Sunnitentum vor. Diese "Konversion" ist auch nicht als Apostasie zu werten; bislang wurde noch kein solcher Fall als Apostasie angesehen. Aufgrund von Diskriminierung von Sunniten im Iran könnten öffentlich "konvertierte" Sunniten jedoch Nachteile in Beruf und Privatleben erfahren. Im derzeitigen Parlament sind 22 Sunniten vertreten. Gewisse hohe politische Ämter sind jedoch de facto Schiiten vorbehalten. Keine besonderen Bestimmungen gibt es zur Konversion von einer nicht-islamischen zu einer anderen nicht-islamischen Religion, da diese nicht als Apostasie gilt (ÖB Teheran 10.2016, vgl. DIS 23.6.2014).

Laut iranischer Verfassung hat ein muslimischer Bürger nicht das Recht, seinen Glauben auszusuchen, zu wechseln oder aufzugeben. Die Regierung sieht das Kind eines muslimischen Mannes als Muslim an und erachtet eine Konversion vom Islam als Apostasie. Obwohl das iranische Strafrecht keine Regelung bezüglich Apostasie beinhaltet, können Richter aufgrund der Scharia Apostasie mit der Todesstrafe belegen. Nicht-Muslime dürfen ihre religiösen Ansichten und Überzeugungen nicht öffentlich ausdrücken, da dies als Missionierung gilt (Proselytismus) und ebenso mit der Todesstrafe bedroht ist. Christen, die vom Islam konvertiert sind, können von staatlichen Behörden bedroht sein, da sie als Apostaten gelten und dies eine Straftat ist (US DOS 10.8.2016, vgl. AA 8.12.2016, ACCORD 9.2015).

Die Regierung schränkt die Veröffentlichung von religiösem Material ein und christliche Bibeln werden häufig konfisziert. Verlage werden unter Druck gesetzt, Bibeln oder nicht genehmigtes nicht-muslimisches Material nicht zu drucken. Die Regierung vollzieht weiterhin das Verbot des Proselytismus. Die Behörden halten Muslime davon ab, kirchliche Grundstücke zu betreten. Kirchen wurden geschlossen und Konvertiten verhaftet. Evangelikale Gottesdienste bleiben auf Sonntag [Werktag] beschränkt. Christliche Gottesdienste auf Farsi sind verboten. Sicherheitspersonal, das vor den Kirchen postiert ist, führt weiterhin Identitätskontrollen der Gläubigen durch. Offizielle Berichte und die Medien charakterisierten die christlichen Hauskirchen weiterhin als "illegale Netzwerke" und "Zionistische Propagandainstitutionen" (US DOS 10.8.2016).

Im FFM Bericht des Danish Immigration Service wird von mehreren Quellen berichtet, dass sich Konvertiten in Bezug auf ihren Religionswechsel eher ruhig verhalten, um keine Aufmerksamkeit der Behörden auf sich zu lenken. Wenn aber ein Konvertit z.B. in Hauskirchen aktiv ist oder missioniert, können sich Probleme mit Behörden ergeben. Es wird weiter berichtet, dass sich an Arbeitsstätten Herasat Büros [Geheimdienst] mit Repräsentanten des Informationsministeriums und der Staatssicherheit befinden, die die Mitarbeiter überwachen. Diese Büros befinden sich auch bei Universitäten, staatlichen Organisationen und Schulen. Auch in privaten Firmen ab einer bestimmten Größe gibt es solche Büros. Wenn Herasat Informationen über eine Konversion einer Person erhält, kann es durchaus sein, dass diese Person gekündigt bzw. von der Universität ausgeschlossen wird. Auch Familienangehörige sind dadurch von einem etwaigen Jobverlust bzw. vom Zugang zu höherer Bildung ausgeschlossen. Seit 1990 gab es keinen Fall mehr, indem ein Konvertit wegen Apostasie exekutiert worden wäre. Der letzte Apostasie Fall war jener von Youssef Naderkhani, einem Pastor der Kirche von Iran, der international großes Medienecho hervorrief. Der FFM Bericht berichtet weiter, dass ab 2009-2010, als Naderkhanis Fall aufkam, Gerichte vom Regime unter Druck gesetzt wurden, Apostasieanklagen gegen Konvertiten zu verwenden. Die Gerichte wären aber eher zögerlich gewesen, da Apostasiefälle den religiösen Gerichtshöfen vorbehalten waren. Religiöse Gerichtshöfe waren die einzigen die Apostasiefälle verhandeln durften und demzufolge würde eine Anklage wegen Apostasie nur bei einem konvertierten Kleriker zur Anwendung kommen. Stattdessen würden Gerichte, die nicht den religiösen Gerichtshöfen zuzurechnen sind, Konversionsfälle eher mit Anklagen wegen Störung der öffentlichen Ordnung als Apostasie bearbeiten. Die einzige größere Änderung seit 2011, wie die Behörden Konvertiten zum Christentum behandeln, scheint darin zu bestehen, dass Apostasie nicht auf christliche Konvertiten anwendbar ist. Die iranischen Behörden gaben offiziell bekannt, dass Hauskirchen in direkter Verbindung mit ausländischen Bewegungen stehen, beispielsweise mit zionistischen Bewegungen oder Organisationen im Ausland, z.B. in den USA. Das Regime sieht die Anstrengungen der evangelikalen Bewegungen als Angriff gegen das iranische Regime an. Als Ergebnis werden evangelikale Kirchen und Hauskirchen als Bedrohung der nationalen Sicherheit gesehen. Diese Sichtweise erklärt auch, dass einige Fälle von Konversionen, im speziellen von Führern von Hauskirchen, ebenso Anklagen, die eher politischer Natur sind, beinhalten. In Bezug auf Naderkhani gibt Christian Solidarity Worldwide im FFM Bericht des Danish Immigration Service an, dass laut ihren Informationen Naderkhani weiterhin als Pastor in Rasht tätig ist. Seitdem Naderkhanis Anklage gekippt wurde, gab es keine Apostasieanklage gegen Christen im Iran. Heutzutage sind alle Anklagen gegen Konvertiten und Pastoren/Hauskirchenführer von politischer Natur, immer im Zusammenhang mit Bedrohung der nationalen Sicherheit oder Spionage, einschließlich Verbindungen zu ausländischen Organisationen und Feinden des Islam. Auch werden Konvertiten häufig mit sehr vagen und weit definierten Anklagen konfrontiert, wie z.B. "Bildung einer illegalen Gruppierung", "Handlungen gegen die nationale Sicherheit durch illegale Versammlungen" und anderen Anklagen, die ähnlich unpräzise und eine große Bandbreite an Aktivitäten umfassen können (DIS 23.6.2014).

Die Sicherheitsbehörden zielten weiterhin auf zum Christentum konvertierte Muslime und Mitgliedern von Hauskirchen ab (HRW 12.1.2017, vgl. FH 2017). Zahlreiche zum Christentum konvertierte Personen wurden bei Razzien in Hauskirchen festgenommen, in denen sie friedlich ihren Glauben praktiziert hatten (AI 22.2.2017, vgl. FCO 21.4.2016, FH 2017).

3. Beweiswürdigung:

3.1. Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit und Volksgruppenzugehörigkeit des Beschwerdeführers werden aufgrund dessen gleichbleibenden Angaben im Verfahren, in Zusammenschau mit seinen in der mündlichen Beschwerdeverhandlung unter Beweis gestellten Sprachkenntnissen, getroffen.

Aufgrund der im Verfahren unterlassenen Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokuments konnte die weitere Identität des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden.

3.2. Die Feststellungen, dass der Beschwerdeführer als Moslem geboren wurde und bereits im Iran in Kontakt mit dem Christentum gekommen ist, ergeben sich aufgrund seiner diesbezüglich glaubhaften Angaben im Verfahren.

3.2.1. Der Beschwerdeführer gab seit seiner Einreise nach Österreich, und somit schon vor seiner Taufe, durchgehend an, er fühle sich als Christ/Protestant (EB 22.02.2017, AS 5, EV 06.03.2018, AS 57).

Er brachte insbesondere vor, dass bereits sein Vater im Zuge eines Studienaufenthaltes in XXXX vor etwa 40 Jahren mit dem Christentum in Kontakt gekommen sei und daher in der Familie diesbezüglich eine offene Atmosphäre geherrscht habe ("In unserem Haus war es normal, dass ich ein bisschen Ahnung über das Christentum hatte", Verhandlungsprotokoll 24.07.2018, S 15). Es scheint folglich nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer bereits im Iran die Möglichkeit hatte, zum Christentum zu recherchieren (EV 06.03.2018, AS 61). Der Beschwerdeführer schilderte auch gleichbleibend und überzeugend, dass er eine Kirche im Iran besucht und angesehen habe (Verhandlungsprotokoll 24.07.2018, S 16). Das Vorbringen des Beschwerdeführers, es sei nicht erlaubt gewesen, mit dem Pfarrer zu sprechen und würden sowohl er als auch der Pfarrer im Falle eines Gespräches Probleme bekommen, entspricht den unter 2.6. getroffenen Feststellungen zur Situation von Christen im Iran. Wie festgestellt, werden Christen, soweit sie die Ausübung ihres Glaubens ausschließlich auf die Angehörigen der eigenen Gemeinde beschränken, nicht behindert und verfolgt. Mitglieder der christlichen Gemeinde stehen jedoch unter staatlicher Beobachtung. Muslimische Bürger haben nicht das Recht, sich ihren Glauben auszusuchen, zu wechseln oder aufzugeben. Vor den Kirchen wird Sicherheitspersonal postiert, welches Identitätskontrollen durchführt. Dem übereinstimmend gab der Beschwerdeführer auch an, dass während des Gottesdienstes die Kirche komplett zu sei und sich niemand außer Christen dort aufhalten dürfte. Er dürfe nur in die Kirche gehen, um sich diese anzuschauen. Wenn man von Geburt an Christ sei, sei es kein Problem, in die Kirche zu gehen. Er selber würde gehängt werden (Verhandlungsprotokoll 24.07.2018, S 16, 19).

Es kann jedoch nicht festgestellt werden, dass sich Beschwerdeführer bereits im Herkunftsstaat aus einer inneren Überzeugung dem christlichen Glauben zugewendet hat. Insbesondere brachte der Beschwerdeführer nicht vor, dass er gebetet oder in einer sonstigen Art und Weise den christlichen Glauben ausgeübt habe. Wie bereits angeführt, gab der Beschwerdeführer zwar an, er habe eine Kirche besucht, nicht jedoch, dass er an einem Gottesdienst teilgenommen oder versucht hat an einem solchen teilzunehmen. Die vorgebrachten Handlungen des Beschwerdeführers lassen zwar darauf schließen, dass er in einem offenen Haushalt begonnen hat, sich mit den Lehren und Inhalten des Christentums auseinanderzusetzen. In Summe kann jedoch aufgrund der vorgebrachten Handlungen, welche auch als glaubwürdig angesehen werden, nicht festgestellt werden, dass er bereits im Iran zum Christentum konvertiert ist.

3.2.2. Dem Beschwerdeführer ist es gelungen, glaubhaft zu machen, dass er in Österreich vom Islam zum Christentum konvertiert ist, Taufunterricht erhalten hat, am XXXX in Wien getauft wurde und praktizierendes Mitglied der Iranischen Christlichen Gemeinde Wien ist.

Der Beschwerdeführer konnte in der mündlichen Beschwerdeverhandlung von den Inhalten seines Taufkurses berichten und erzählen, welche Erfahrungen er mit dem Christentum gesammelt hat (Verhandlungsprotokoll 24.07.2018, S 17 f).

Er konnte auch nachvollziehbar darlegen, warum er sich in Österreich ausgerechnet der Iranischen Christlichen Gemeinde angeschlossen hat ("Weil ich kein Deutsch konnte, habe ich damals in Österreich eine Kirche gesucht, wo Persisch gesprochen wird.", Verhandlungsprotokoll 24.07.2018, S 17).

Die Angaben des Beschwerdeführers wurden durch die Aussage des in der Beschwerdeverhandlung als Zeugen einvernommenen Pastors der Iranischen Christlichen Gemeinde Wiens bestätigt. Er gab an, der Beschwerdeführer habe regelmäßig den Taufkurs besucht und machte nähere Angaben zum Inhalt des Taufkurses. Dieser dauere etwa sechs bis sieben Monate und bestehe aus zwei Teilen. In der ersten, zehnwöchigen Einheit gehe es um grundsätzliche christliche Fragen. In der zweiten Einheit gehe es um drei Themen, nämlich die Iranisch Christliche Gemeinde, das apostolische Glaubensbekenntnis und die Taufe. Der Zeuge bestätigte auch, dass der Beschwerdeführer seiner Meinung nach ein gläubiger Mensch sei und dass er regelmäßig den Gottesdienst sowie weitere Veranstaltungen der Gemeinde besuche (Verhandlungsprotokoll 24.07.2018, S 20 f).

Somit kam in der mündlichen Beschwerdeverhandlung eindeutig zu Tage, dass der Beschwerdeführer regelmäßig den Gottesdienst besucht, einen Taufkurs absolviert hat und getauft wurde, sodass dass kein Zweifel daran besteht, dass der Beschwerdeführer aus innerer Überzeugung die Konversion vollzogen hat und dem christlichen Glauben angehört. Der Glaubenswechsel ist als ernsthaft einzustufen. Die innere Überzeugung des Beschwerdeführers wird durch die regelmäßige Teilnahme am Leben in der Gemeinde auch für Dritte erkennbar. Eine Konversion zum Schein kann in diesem konkreten Fall ausgeschlossen werden.

Zusammengefasst basieren die Feststellungen zur Konversion, zum Taufkurs, zur Taufe und zur aktiven Beteiligung des Beschwerdeführers am christlichen Leben auf dessen glaubwürdigen Angaben im Verfahren, die von dem als Zeugen einvernommenen Pastor bestätigt wurden in Zusammenschau mit der vorgelegten Taufurkunde.

3.2.3. Der Beschwerdeführer hat darüber hinaus glaubhaft vorgebracht, dass er die Tatsache, dass er sich zum Christentum bekenne, nicht verleugne und somit im Falle seiner Rückkehr in den Iran nicht zum Islam zurückkehren werde ("Egal, wie gefährlich es auch ist, ich möchte meinen christlichen Glauben praktizieren.", Verhandlungsprotokoll 24.07.2018, S 19).

3.2.4. Aufgrund des Umstandes, dass der Beschwerdeführer seine Zugehörigkeit und seine Glaubensausübung im Bereich der Iranischen Christlichen Gemeinde glaubhaft machen konnte, war eine weitere Erörterung der Geschehnisse im Iran im Detail obsolet und erübrigt sich daher eine weitere Auseinandersetzung mit diesen.

3.5. Die Feststellungen zur Unbescholtenheit des Beschwerdeführers werden nach Einsichtnahme in einen amtswegig eingeholten Auszug aus dem Strafregister getroffen.

3.6. Die Feststellungen zur im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

Diesen Länderinformationen ist zu entnehmen, dass im Iran der schiitische Islam Staatsreligion ist. Die Bevölkerung des Iran besteht zu ca. 89 % aus Schiiten, 10 % aus Sunniten, Zoroastrier, Juden, Christen und zu 1 % aus Baha¿i. Laut iranischer Verfassung hat ein muslimischer Bürger des Iran nicht das Recht, seinen Glauben zu wechseln oder aufzugeben. Apostasie ist im Iran verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht. Im iranischen Strafgesetzbuch ist der Tatbestand der Apostasie zwar nicht definiert, die Verfassung sieht aber vor, dass die Gerichte in Abwesenheit einer definitiven Regelung entsprechend der islamischen Jurisprudenz zu entscheiden haben. Die iranische Verfassung besagt, dass alle Gesetze sowie die Verfassung selbst auf islamischen Kriterien beruhen müssen. In der Verfassung ist zwar eine unabhängige Justiz verankert, in der Praxis steht sie unter politischem Einfluss und werden Richter nach religiösen Kriterien ernannt. Das iranische Strafrecht ist islamisch geprägt.

Anerkannte religiöse Minderheiten - ua. auch Christen - werden diskriminiert und konvertierte Christen werden in unterschiedlichem Grad verfolgt. Diese Länderinformationen berichten über Repressionen und willkürlichen Verhaftungen von konvertierten Christen. Konvertiten sähen sich Schikanen und Beobachtungen ausgesetzt und würden die Behörden unverhältnismäßig oft Christen verhaften. Viele dieser Verhaftungen würden während Razzien bei religiösen Zusammentreffen bei denen die Behörden auch religiöses Eigentum beschlagnahmen, passieren.

Diese aktuellen Länderfeststellungen über den Iran stützen die Feststellung, dass der Beschwerdeführer als Konvertit zum christlichen Glauben mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung wegen seiner nunmehr christlichen Religion zu befürchten hat.

Aufgrund der sich aus den Länderfeststellungen ergebenden Situation von Konvertiten im gesamten iranischen Staatsgebiet steht dem Beschwerdeführer auch keine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung.

4. Rechtliche Beurteilung

Zu A) Asyl

4.1. Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ist einem Fremden, der in Österreich einen (zulässigen) Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie (Richtlinie 2011/95/EU) verweist). Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offensteht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.

Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren (VwGH 08.09.2015, Ra 2015/18/0080, mwN).

Voraussetzung für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ist im Übrigen, dass die begründete Furcht einer Person vor Verfolgung in kausalem Zusammenhang mit einem oder mehreren Konventionsgründen steht. Sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet (vgl. VwGH 23.02.2016, Ra 2015/20/0113).

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes liegt eine dem Staat zurechnende Verfolgungshandlung nicht nur dann vor, wenn diese unmittelbar von staatlichen Organen aus Gründen der Konvention gesetzt wird. Auch kommt einer von Privatpersonen oder privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten (vgl. VwGH vom 18.11.2015, Ra 2014/18/0162, mwN). Eine auf einem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat hingegen nur dann asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (VwGH 20.05.2015, Ra 2015/20/0030). Ob in diesem Zusammenhang eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, kommt darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichen Schutzes einen - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat (vgl. VwGH 08.09.2009, 2008/23/0027, mwN). Eine mangelnde staatliche Schutzgewährung setzt nicht voraus, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256).

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074 uva.). Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnl

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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