TE OGH 2018/9/26 7Ob155/18x

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.09.2018
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Hon.-Prof. Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Mag. O***** S*****, 2. Mag. M***** S*****, beide vertreten durch Mag. Wolfgang Doppelhofer, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei O***** AG, *****, vertreten durch Haslinger/Nagele & Partner Rechtsanwälte GmbH in Linz, wegen Herausgabe, über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 25. Juni 2018, GZ 4 R 2/18v-19, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Der angefochtenen Entscheidung fehlt der Bewertungsausspruch (§ 500 Abs 2 Z 1 ZPO), doch kann hier ein Ergänzungsauftrag an das Berufungsgericht ausnahmsweise unterbleiben. Eine solche Ergänzung ist nämlich dann als bloßer Formalismus entbehrlich, wenn das Rechtsmittel nach der nachzutragenden, im Hinblick auf die Zug-um-Zug-Verpflichtung offenkundig als 30.000 EUR übersteigend zu erwartenden Bewertung zwar nicht jedenfalls unzulässig wäre, dafür aber wegen offenkundigen Fehlens der Zulässigkeitsvoraussetzung des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen ist (vgl 8 Ob 42/15g; 7 Ob 234/16m je mwN; RIS-Justiz RS0041371 [T1]). Letzteres ist hier der Fall:

2.1. Eine Aktenwidrigkeit liegt nur dann vor, wenn Feststellungen auf aktenwidriger Grundlage getroffen werden, wenn also der Inhalt einer Urkunde, eines Protokolls oder eines sonstigen Aktenstücks unrichtig wiedergegeben und infolgedessen ein fehlerhaftes Sachverhaltsbild der rechtlichen Beurteilung unterzogen wurde. Die Aktenwidrigkeit muss für das Urteil von wesentlicher Bedeutung, also geeignet sein, die Entscheidungsgrundlage zu verändern (RIS-Justiz RS0043347).

2.2. Die Parteien haben vereinbart: „Während der Kreditlaufzeit können Sie im Einvernehmen mit der Bank in eine andere Fremdwährung umsteigen, eine Konvertierung in Euro ist jederzeit auch ohne Zustimmung der Bank möglich.“ Dass „nur“ im Einvernehmen mit der beklagten Bank in eine andere Währung umgestiegen werden könne, ist die rechtliche Schlussfolgerung des Berufungsgerichts aus der wiedergegebenen Konvertierungsvereinbarung und daher keine Aktenwidrigkeit.

3. Unter welchen Voraussetzungen eine Konvertierung zulässig ist, richtet sich nach den im Einzelfall darüber getroffenen Vereinbarungen (vgl RIS-Justiz RS0128727). Einzelfallbezogene Fragen sind nur dann der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof zugänglich, wenn die Vorinstanzen bei ihrer Beantwortung einer groben Fehlbeurteilung erlegen sind (6 Ob 19/13g; vgl RIS-Justiz RS0044088; RS0042405), was hier nicht zutrifft:

3.1. § 6 Abs 2 Z 1 KSchG ist nicht einschlägig, weil kein Vertragsrücktritt der Beklagten vorliegt.

3.2. § 6 Abs 2 Z 3 KSchG schränkt die Zulässigkeit einseitiger Leistungsänderungen durch den Unternehmer ein, die nicht im Einzelnen ausgehandelt worden sind. Die bezeichnete Konvertierungsvereinbarung enthält kein einseitiges Leistungsänderungsrecht der Beklagten.

3.3. § 6 Abs 1 Z 5 KSchG beschränkt das Recht des Unternehmers, „für seine Leistung“ ein höheres als das bei der Vertragsschließung bestimmte Entgelt zu verlangen. Diese Bestimmung regelt die Zulässigkeitsvoraussetzungen für Preisänderungsklauseln (RIS-Justiz RS0121395) und soll den Verbraucher vor überraschenden Preiserhöhungen schützen (RIS-Justiz RS0124336). Die fragliche Konvertierungsvereinbarung ist aber keine Preisänderungsklausel und wird daher inhaltlich von der Regelung des § 6 Abs 1 Z 5 KSchG nicht erfasst (vgl 2 Ob 22/12t).

3.4. Dass ein Anwendungsfall des § 6 Abs 1 Z 10 KSchG vorläge, ist ebenfalls nicht erkennbar.

3.5. Die Vorinstanzen haben angenommen, dass die zu 2.2. wiedergegebene Konvertierungsregelung nicht unklar oder unverständlich abgefasst und daher nicht nach § 6 Abs 3 KSchG unwirksam ist. Diese Ansicht hat der Oberste Gerichtshof zu einer vergleichbaren Klausel bereits als vertretbar erachtet (6 Ob 19/13g). Die Revisionsausführungen bieten keinen Anlass, von dieser Rechtsansicht abzugehen. Ein unzulässiger Querverweis liegt nicht vor (vgl RIS-Justiz RS0122040).

3.6. Für die Prüfung nach § 879 Abs 3 ABGB ist das dispositive Recht der Maßstab (vgl RIS-Justiz RS0016591; RS0014676). Die Konvertierung ist eine Änderung des Vertragsgegenstands (vgl 2 Ob 22/12t), die nach dispositivem Recht (Vertragsautonomie) nur einvernehmlich erfolgen kann. Besagte Konvertierungsregelung entspricht daher der geltenden (dispositiven) Rechtslage und ist demnach nicht gröblich benachteiligend.

3.7. Die Konvertierungsvereinbarung ist nicht überraschend iSd § 864a ABGB, weil sie bloß die auch ohne die Klausel geltende Rechtslage wiedergibt.

3.8. Ob ein stillschweigender Verzicht der Beklagten auf das Recht zur Ablehnung von Konvertierungen in eine Fremdwährung vorlag, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Für die Schlüssigkeit eines Verhaltens im Hinblick auf einen rechtsgeschäftlichen Willen legt § 863 ABGB einen strengen Maßstab an; es ist bei der Beurteilung der Frage, ob ein stillschweigender Verzicht auf ein Recht vorliegt, besondere Vorsicht geboten (RIS-Justiz RS0014190, RS0014420). Wenn die Vorinstanzen aus früheren einvernehmlichen Konvertierungen nicht abgeleitet haben, dass die Beklagte sich für die Zukunft zur Durchführung jeder von den Klägern gewünschten Konvertierung verpflichtet habe, hält sich dies im Rahmen der Judikatur.

3.9. Dass sich die Beklagte nicht verpflichtet habe, immer nur aus wesentlichen Gründen die Konvertierung in eine Fremdwährung abzulehnen, ist ein genauso vertretbares Auslegungsergebnis wie die Annahme eines berechtigten Grundes im Hinblick auf die mit 2. 1. 2013 von der FMA verabschiedeten neuen Mindeststandards zum Risikomanagement und zur Vergabe von Fremdwährungskrediten und Krediten mit Tilgungsträgern (FMA-FXTT-MS). Ein Rückgriff auf die Lehre von der Geschäftsgrundlage hat zu unterbleiben, wenn ein Vertrag nach seinem von den Parteien festgelegten immanenten Zweck nicht lückenhaft ist, sondern ein im Vertrag geregelter bzw im Auslegungsweg klärbarer Fall vorliegt (RIS-Justiz RS0017453).

4. Für Arglist im Sinn einer bedingt vorsätzlichen Täuschung (vgl RIS-Justiz RS0014790 [T1]), für eine vertragsrelevante Irreführung oder auch nur eine unterlassene Aufklärung der Kläger durch die Beklagte fehlt es an einer zureichenden Sachverhaltsgrundlage.

         5. Ein Kreditvertrag kann zwar, soweit er ein Dauerschuldverhältnis begründet, bei Vorliegen eines wichtigen Grundes jederzeit gelöst werden; ein solcher liegt aber nur dann vor, wenn einer Partei die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses billigerweise nicht zugemutet werden kann (RIS-Justiz RS0019365). Die Kläger behaupten lediglich geringfügige und überdies vielfach Jahre zurückliegende (vgl RIS-Justiz RS0027780 [T14]) Unzukömmlichkeiten bei der Vertragsabwicklung, die einen massiven Vertrauensverlust nicht zu begründen vermögen.

         6. Der Kreditvertrag diente zur Finanzierung der Eigentumswohnung des Erstklägers; dass es sich bei diesem Vertrag um eine Wette im Sinn des ABGB gehandelt haben soll, ist nicht nachvollziehbar (vgl 7 Ob 111/15x; RIS-Justiz RS0106835 [T2]).

7. Die Vorinstanzen sind in tatsächlicher Hinsicht davon ausgegangen, dass die Beklagte den Klägern ohnehin die Kontoauszüge und Konvertierungsbestätigungen übermittelt hat. Die Ansicht des Berufungsgerichts, dass die Kläger bei dieser Sachlage näher angeben hätten müssen, welche weiteren Urkunden Gegenstand ihres Rechnungslegungsbegehrens sein sollten, ist vertretbar.

8. Die Kläger machen insgesamt keine erhebliche Rechtsfrage geltend. Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision somit nicht zulässig und daher zurückzuweisen. Einer weitergehenden Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Textnummer

E123209

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0070OB00155.18X.0926.000

Im RIS seit

21.11.2018

Zuletzt aktualisiert am

14.06.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten