TE Lvwg Erkenntnis 2018/9/10 VGW-141/081/10221/2018

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Veröffentlicht am 10.09.2018
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Entscheidungsdatum

10.09.2018

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
L92009 Sozialhilfe Grundsicherung Mindestsicherung Wien
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

B-VG Art. 7
WMG §5 Abs2
NAG §10 Abs3
NAG §51 Abs2
NAG §53
NAG §81 Abs29
NAG §81 Abs34

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Dr. Szep über die Beschwerde der Frau Mag. phil. A. B., Wien, C.-gasse, gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 40, Soziales, Sozial- u. Gesundheitsrecht, …, vom 26.06.2018, Zahl …, mit welchem der Antrag vom 08.06.2018 auf Zuerkennung einer Leistung zur Deckung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs (Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfs und Mietbeihilfe) gemäß § 5 Abs. 1 und Abs. 2 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes (WMG) idgF abgewiesen wurde,

zu Recht erkannt:

I. Gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

II. Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundesverfassungsgesetz - B-VG an den Verwaltungsgerichtshof zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 40-Soziales, Sozial- und Gesundheitsrecht, vom 26. Juni 2018 wurde der Antrag der nunmehrigen Beschwerdeführerin auf Zuerkennung einer Leistung zur Deckung des Lebensunterhalts und des Grundbetrags zur Deckung des Wohnbedarfs abgewiesen. Begründend führte die Behörde zusammengefasst sinngemäß aus, dass die Beschwerdeführerin EU-Bürgerin sei und seit 29. November 2000 in Österreich behördlich gemeldet wäre. Sie wäre zuletzt von 9. Oktober 2017 bis 27. Mai 2018 erwerbstätig gewesen, wobei dieses Dienstverhältnis durch einvernehmliche Lösung beendet worden sei. Es liege kein einjähriges Dienstverhältnis und kein unfreiwilliges Ende vor. Somit bleibe die Erwerbstätigeneigenschaft nicht erhalten. Die Beschwerdeführerin sei weder erwerbstätig noch wären Nachweise darüber erbracht worden, dass die Erwerbstätigeneigenschaft nach § 51 Abs. 2 NAG erhalten bleibe oder, dass sie das Recht auf Daueraufenthalt erworben hätte. Die Rechtsmittelwerberin sei mangels Erfüllung der dort vorgesehenen Erfordernisse nicht gemäß § 5 Abs. 2 des Mindestsicherungsgesetzes österreichischen Staatsangehörigen gleichgestellt.

In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Beschwerde führte die nunmehrige Rechtsmittelwerberin im Wesentlichen Nachstehendes aus:

„Ad I.)

?   Die angeführten Daten sind falsch und entsprechend nicht der Wahrheit, weil ich seit dem 11. April 1991 einen Wohnsitz in Österreich habe und in Österreich lebe (siehe unten ad II).

Ad. II.)

•   Am 06.03.2015 habe ich mein Diplomstudium der „Theater-, Film- und Medienwissenschaft“ in Österreich mit dem verliehenen Magistergrad absolviert und war gleich im Anschluss daran beim AMS als arbeitssuchend gemeldet bis zu meinem Arbeitsantritt bei „D.“ am 09.10.2017. - Siehe Nachweis der Vormerkung zur Arbeitssuche beim AMS 2015 sowie Diplom als Anlage.

•   Ich habe einen Daueraufenthaltstitel und ein unbefristetes Niederlassungsrecht. Seit dem Beitritt Kroatiens zur EU (01.07.2013) werden keine Aufenthaltstitelkarten mehr ausgestellt. Stattdessen wurde mir am 05.05.2015 eine EU- Freizügigkeitsbestätigung ausgestellt. - Siehe die Kopie des alten Aufenthaltstitels sowie die Kopie der EU-Freizügigkeitsbestätigung als Anlage.

•   Weder bei der Einreichung des Antrages am 08.06.2018 noch im Schreiben vom MA40 zur Nachreichung erforderlicher Unterlagen für die Bearbeitung des Antrages vom 12.06.2018, noch bei der persönlichen Einreichung dieser Unterlagen am 25.06.2018 wurde ich gebeten, die o.a. Nachweise einzureichen. Ich wurde auch nicht darüber aufgeklärt, dass ich sinnvoller Weise entsprechende Belege nachreichen sollte. - Siehe Kopie des Nachreichungsschreibens vom MA40 vom 12.06.2018 als Anlage.

An dieser Stelle möchte ich zusätzlich anmerken, dass alle im Schreiben angeführten Unterlagen rechtzeitig binnen der Frist am 25.06.2018 persönlich im MA 40 übergeben wurden. - Siehe Bestätigung der Sachbearbeiterin vom MA 40 als Anlage - Einreichungsbestätigung samt Datum. Danach wurde der bekämpfte Bescheid bereits am 26.6.2018 erlassen.

Ad. III.)

•   Bezugnehmend auf mein letztes Dienstverhältnis bei der Firma „D.“ möchte ich betonen, dass man in diesem Belangen von einer einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses nicht sprechen kann:

Am Freitag, den 13.04.2018 wurde ich gleich nach Beendigung meiner Dienstzeit von meinem Vorgesetzten aufgefordert ohne ersichtlichen Grund im Büro- zu bleiben. Dann wurde ich in sein Büro gerufen, wo er mich informiert hat, dass ich wählen kann zwischen einem Kündigungsschreiben (ausgestellt für den 13.04.2018) ohne Anrecht auf ein Dienstzeugnis und einer einvernehmlichen Kündigung mit Anrecht auf ein Dienstzeugnis seitens der Firma. Für diese Entscheidung wurde mir eine Stunde Zeit gelassen. Meine Bitte bis zum darauffolgenden Montag, den 16.04.2018, mir Zeit zu geben eine Entscheidung zu fallen, wurde abgewiesen mit der Erklärung, dass wenn ich keine Entscheidung sofort treffe, ich das bereits vorgefertigte Kündigungsschreiben bekomme - mit dem Datum 13.04.2018. Aufgrund dessen, dass ich nicht ausreichend Berufserfahrung habe und mir seitens meines Vorgesetzten nahegelegt wurde es sei besser für mich die einvernehmliche Lösung zu nehmen sowie bedrängt und schockiert von der unerwarteten Begebenheit, willigte ich ein, die einvernehmliche Lösung zu unterschreiben. Ebenso spielte das Dienstzeugnis für meine weitere Jobsuche eine entscheidende Rolle, da ich Angst für meine weitere Zukunft hatte und ich mir die Aussicht auf eine neue Jobchance nicht verbauen wollte. Erst später habe ich von anderen Mitarbeitern der Firma erfahren, dass die Firma aus finanziellen Gründen Kürzungen machen muss und da ich als Letzte fest angestellt wurde, ich auch als Erste gekündigt wurde. Eine andere ältere Mitarbeiterin wurde später auf dieselbe Art und Weise gezwungen einer Stundenkürzung von 30 auf 20 Wochenstunden einzuwilligen. - Folglich ist eine derartige Auflösung des Dienstverhältnisses nicht als freiwillige Arbeitslosigkeit einzustufen. Ich bin auch gerne bereit die eben erklärten Umstände mündlich zu bezeugen

?   Ich habe mich am 23.05.2018 beim AMS als arbeitssuchend gemeldet und den dortigen Mitarbeitern gleich mitgeteilt wie es zu dieser einvernehmlichen Auflösung des letzten Dienstverhältnisses gekommen ist. Diese haben mit Verständnis reagiert und gemeint es sei von Vorteil für meine weitere Arbeitssuche die Variante mit dem Dienstzeugnis gewählt zu haben. - Siehe die Bestätigung der seither laufenden Arbeitssuche vom AMS sowie das von meinem ehemaligen Arbeitgeber ausgestellte Dienstzeugnis als Anlage. Bei dem geleisteten Arbeitsaufwand ist eine unfreiwillige Arbeitslosigkeit nachvollziehbar.

4.     Zu der Anmerkung im angefochtenen Bescheid, wonach im Verfahren nicht hervorgekommen sei, dass ich die Voraussetzung erfülle, um mir Leistungen der Mindestsicherung gemäß § 39 Abs 2 WMG als Förderung zur Vermeidung einer Sozialhärte zu gewähren, ist festzuhalten, dass ich über die diesbezüglichen notwendigen Voraussetzungen nicht aufgeklärt wurde.

Schon aufgrund dessen, dass ich kein Anrecht habe über das AMS versichert zu sein und wegen dem Abweisungsbescheid der MA 40 bin ich gezwungen, mich selbst zu versichern. Da ich derzeit kein Einkommen habe, unterstützt mich mein Vater mit einem monatlichen Betrag von € 100,- um den Selbstversicherungsbeitrag bei der WGKK zahlen zu können - was für ihn bei seinem Einkommen eine enorme Belastung darstellt. Siehe die PVA Bestätigung meines Vaters im Anhang. Meine Mutter hat derzeit kein Einkommen, sodass mein Vater die Ausgleichszulage auf seine Pension bezieht. Ich selbst habe kein Einkommen und verfüge auch nicht über Rücklagen, von denen ich momentan leben könnte. - Siehe Ablehnung vom Arbeitslosengeld als Anlage.“

Nach Durchführung des Beweisverfahrens ergibt sich folgender entscheidungsrelevanter Sachverhalt, der als erwiesen angenommen wird:

Die 1987 geborene Rechtsmittelwerberin ist kroatische Staatsangehörige und lebt nach ihren Angaben seit dem 11. April 1991 in Österreich. Sie ist zumindest seit 29. November 2000 im Bundesgebiet durchgehend hauptgemeldet. Nunmehr lebt sie gemeinsam mit ihren Eltern in ihrer Mietwohnung an der Anschrift Wien, C.-gasse.

Der Beschwerdeführerin wurde am 21. März 2005 vom Landeshauptmann von Wien ein Aufenthaltstitel „Niederlassungsnachweis“ mit Gültigkeit bis 20. März 2015 erteilt. Die Beschwerdeführerin verfügt über eine EU-Freizügigkeitsbestätigung des Arbeitsmarktservice Wien vom 5. Mai 2015, mit welcher ihr das Recht auf freien Arbeitsmarktzugang gemäß § 32a Abs. 2 bzw. 3 AuslBG bestätigt wird.

Die Rechtsmittelwerberin war in Österreich von 10. Jänner 2006 bis 30. November 2007 mit Unterbrechungen und von 9. Oktober 2017 bis 27. Mai 2018 unselbständig erwerbstätig.

Mit Eingabe vom 8. Juni 2018 beantragte sie die Zuerkennung einer Leistung zur Deckung des Lebensunterhalts und des Grundbetrags zur Deckung des Wohnbedarfs.

Zu diesen Feststellungen gelangte das Gericht auf Grund nachstehender Beweiswürdigung:

Die getätigten Feststellungen gründen sich auf den unbestritten gebliebenen und unbedenklichen Akteninhalt.

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG abgesehen werden, da bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Rechtlich folgt daraus:

Gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 des Gesetzes zur Bedarfsorientierten Mindestsicherung in Wien (Wiener Mindestsicherungsgesetz – WMG) hat Anspruch auf Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung, wer zum anspruchsberechtigten Personenkreis gehört.

Gemäß § 5 Abs. 1 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes stehen Leistungen nach diesem Gesetz stehen grundsätzlich nur volljährigen österreichischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern zu.

Gemäß § 5 Abs. 2 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes sind den österreichischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern folgende Personen gleichgestellt, wenn sie volljährig sind, sich rechtmäßig im Inland aufhalten und die Einreise nicht zum Zweck des Sozialhilfebezuges erfolgt ist:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.

Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtige, denen dieser Status nach den Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 2005 – AsylG 2005) zuerkannt wurde sowie Personen, die Staatsangehörige eines EU- oder EWR-Staates oder der Schweiz und Opfer von Menschenhandel, grenzüberschreitenden Prostitutionshandel oder Opfer von Gewalt sind oder die über eine Aufenthaltsberechtigung als Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder als Opfer von Gewalt verfügen (§ 57 Abs.1 Z 2 und 3 AsylG 2005);

2.

Staatsangehörige eines EU- oder EWR-Staates oder der Schweiz, wenn sie erwerbstätig sind oder die Erwerbstätigeneigenschaft nach § 51 Abs. 2 Bundesgesetz über die Niederlassung und den Aufenthalt in Österreich (Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz – NAG) erhalten bleibt oder sie das Recht auf Daueraufenthalt nach § 53a NAG erworben haben und deren Familienangehörige;

3.

Personen mit einem Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt - EU“ oder deren vor Inkrafttreten des NAG erteilte Aufenthalts- und Niederlassungsberechtigung als solche gemäß § 81 Abs. 2 NAG in Verbindung mit der NAG-DV weiter gilt, sowie Personen mit einem vor dem 1.1.2014 ausgestellten Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – Familienangehöriger“ oder „Daueraufenthalt – EG“, welche gemäß § 81 Abs. 29 NAG als Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ weiter gelten;

4.

Personen mit einem Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ eines anderen Mitgliedstaates, denen ein Aufenthaltstitel nach § 49 Abs. 1, Abs. 2 oder Abs. 4 NAG erteilt wurde,

5.

Ehegattinnen und Ehegatten, eingetragene Partnerinnen und eingetragene Partner von Personen gemäß Abs. 1 oder Abs. 2 Z 1 bis 4, die mit diesen in einem gemeinsamen Haushalt leben und sich rechtmäßig in Österreich aufhalten.

Gemäß § 51 Abs. 1 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) sind auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie sind EWR-Bürger zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie

1. in Österreich Arbeitnehmer oder Selbständige sind;

2. für sich und ihre Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen, so dass sie während ihres Aufenthalts weder Sozialhilfeleistungen noch die Ausgleichszulage in Anspruch nehmen müssen, oder

3. als Hauptzweck ihres Aufenthalts eine Ausbildung einschließlich einer Berufsausbildung bei einer öffentlichen Schule oder einer rechtlich anerkannten Privatschule oder Bildungseinrichtung absolvieren und die Voraussetzungen der Z 2 erfüllen.

Gemäß § 51 Abs. 2 NAG bleibt die Erwerbstätigeneigenschaft als Arbeitnehmer oder Selbständiger gemäß Abs. 1 Z 1 dem EWR-Bürger, der diese Erwerbstätigkeit nicht mehr ausübt, erhalten, wenn er

1. wegen einer Krankheit oder eines Unfalls vorübergehend arbeitsunfähig ist;

2. sich als Arbeitnehmer bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach mehr als einjähriger Beschäftigung der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Verfügung stellt;

3. sich als Arbeitnehmer bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach Ablauf seines auf weniger als ein Jahr befristeten Arbeitsvertrages oder bei im Laufe der ersten zwölf Monate eintretender unfreiwilliger Arbeitslosigkeit der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Verfügung stellt, wobei in diesem Fall die Erwerbstätigeneigenschaft während mindestens sechs Monaten erhalten bleibt, oder

4. eine Berufsausbildung beginnt, wobei die Aufrechterhaltung der Erwerbstätigeneigenschaft voraussetzt, dass zwischen dieser Ausbildung und der früheren beruflichen Tätigkeit ein Zusammenhang besteht, es sei denn, der Betroffene hat zuvor seinen Arbeitsplatz unfreiwillig verloren.

Gemäß § 53 Abs. 1 NAG haben EWR-Bürger, denen das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zukommt (§§ 51 und 52), wenn sie sich länger als drei Monate im Bundesgebiet aufhalten, dies binnen vier Monaten ab Einreise der Behörde anzuzeigen. Bei Vorliegen der Voraussetzungen (§§ 51 oder 52) ist von der Behörde auf Antrag eine Anmeldebescheinigung auszustellen.

Gemäß § 53a Abs. 1 NAG erwerben EWR-Bürger, denen das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zukommt (§§ 51 und 52), unabhängig vom weiteren Vorliegen der Voraussetzungen gemäß §§ 51 oder 52 nach fünf Jahren rechtmäßigem und ununterbrochenem Aufenthalt im Bundesgebiet das Recht auf Daueraufenthalt. Ihnen ist auf Antrag nach Überprüfung der Aufenthaltsdauer unverzüglich eine Bescheinigung ihres Daueraufenthaltes auszustellen.

Gemäß § 8 Abs. 1 Z. 7 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) wird der Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ erteilt für die Dokumentation des unbefristeten Niederlassungsrechts, unbeschadet der Gültigkeitsdauer des Dokuments.

Gemäß § 81 Abs. 2 NAG gelten vor dem In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes erteilte Aufenthalts- und Niederlassungsberechtigungen innerhalb ihrer Gültigkeitsdauer und ihres Gültigkeitszweckes insoweit weiter, als sie nach dem Zweck des Aufenthaltes den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes entsprechen. Das Recht zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bedarf jedenfalls der Ausstellung eines Aufenthaltstitels nach diesem Bundesgesetz, sofern dies nicht bereits nach dem Fremdengesetz 1997 möglich war. Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, durch Verordnung festzulegen, welche vor dem In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes erteilten Aufenthalts- und Niederlassungsberechtigungen nach ihrem Aufenthaltszweck als entsprechende Aufenthalts- und Niederlassungsberechtigungen nach diesem Bundesgesetz und dem Fremdenpolizeigesetz weiter gelten.

Gemäß § 11 Abs. 1 lit. c der Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz-Durchführungsverordnung (NAG-DV) gelten die vor dem In-Kraft-Treten des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes erteilten Aufenthalts- und Niederlassungsberechtigungen nach dem Fremdengesetz 1997, BGBl. I Nr. 75 in der Fassung der FrG-Novelle 2002, BGBl. I Nr. 126 und zuletzt geändert durch das Bundesgesetz , nach ihrem Aufenthaltszweck als entsprechende Aufenthalts- und Niederlassungsberechtigungen nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz oder als Berechtigungen nach dem Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100, wie folgt weiter: der Aufenthaltstitel „Niederlassungsnachweis“

a) bei Familienangehörigen von dauernd in Österreich wohnhaften Zusammenführenden: Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – Familienangehöriger“

b) bei allen anderen:

Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EG“

c) bei Freizügigkeitssachverhalten nach § 57 NAG: Dokumentation „Daueraufenthaltskarte.

Gemäß § 81 Abs. 29 NAG gelten vor dem 1. Jänner 2014 ausgestellte Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – Familienangehöriger“ und „Daueraufenthalt – EG“ innerhalb ihrer Gültigkeitsdauer als Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ weiter. Inhaber eines Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt – EG“ eines anderen Mitgliedstaates gelten als Inhaber eines Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt – EU“ eines anderen Mitgliedstaates.

Gemäß § 81 Abs. 34 NAG gelten gültige Aufenthaltstitel von jenen Drittstaatsangehörigen, die mit 1. Juli 2013 aufgrund des Vertrages über den Beitritt der Republik Kroatien zur Europäischen Union, ABl. Nr. L 112 vom 24. April 2012 S. 10 EWR-Bürger sind, ab 1. Juli 2013 innerhalb ihrer Gültigkeitsdauer als Anmeldebescheinigung gemäß § 53.

Gemäß § 10 Abs. 3 NAG werden Aufenthaltstitel und Dokumentationen des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts gegenstandslos, wenn

1. dem Fremden eine weitere Aufenthalts- oder Niederlassungsberechtigung nach diesem Bundesgesetz mit überschneidender Gültigkeit erteilt wird;

2. der Fremde Österreicher, EWR-Bürger oder Schweizer Bürger wird;

3. dem Fremden ein Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ eines anderen Mitgliedstaates erteilt wird;

4. der Fremde im Besitz eines Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt – EU“ ist und seit sechs Jahren nicht mehr in Österreich, aber innerhalb des EWR-Gebietes niedergelassen ist;

5. die Abwesenheitsdauer des Fremden, dem eine Bescheinigung des Daueraufenthalts oder eine Daueraufenthaltskarte ausgestellt wurde, vom Bundesgebiet mehr als zwei aufeinander folgende Jahre beträgt;

6. der Fremde bislang EWR-Bürger oder Schweizer Bürger war und Drittstaatsangehöriger wird oder dem Fremden das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht mehr zukommt;

7. ein Fall des § 8 Abs. 3 oder § 55 Abs. 5 vorliegt;

8. dem Fremden eine Bestätigung gemäß § 64 Abs. 4 ausgestellt wird.

Gemäß § 20 Abs. 3 NAG sind Inhaber eines Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt – EU“ (§ 45) in Österreich - unbeschadet der befristeten Gültigkeitsdauer des diesen Aufenthaltstiteln entsprechenden Dokuments - unbefristet niedergelassen. Dieses Dokument ist für einen Zeitraum von fünf Jahren auszustellen und, soweit keine Maßnahmen nach dem Fremdenpolizeigesetz 2005 durchsetzbar sind, abweichend von § 24 auch nach Ablauf auf Antrag zu verlängern.

Die Behörde stützte die Abweisung des gegenständlichen Antrags auf Zuerkennung einer Leistung zur Deckung des Lebensunterhalts und des Grundbetrags zur Deckung des Wohnbedarfs auf den Umstand, dass die Beschwerdeführerin österreichischen Staatsangehörigen nicht gemäß § 5 Abs. 2 Wiener Mindestsicherungsgesetz gleichgestellt sei.

Einleitend ist festzuhalten, dass nach den oben wiedergegebenen Bestimmungen Anspruch auf Leistungen aus der Bedarfsorientierten Mindestsicherung u.a. Staatsangehörige eines EU- oder EWR-Staates, wenn sie entweder erwerbstätig sind oder ihnen die Erwerbstätigeneigenschaft gemäß § 51 Abs. 2 NAG erhalten bleibt. Diese Erwerbstätigeneigenschaft bleibt u.a. dann erhalten, wenn der EWR-Bürger wegen einer Krankheit oder eines Unfalls vorübergehend arbeitsunfähig ist oder sich als Arbeitnehmer bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach mehr als einjähriger Beschäftigung der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zu Verfügung stellt (vgl. § 5 Abs. 2 Z. 2 Wiener Mindestsicherungsgesetz). Des Weiteren sind gemäß § 5 Abs. 2 Z. 3 Wiener Mindestsicherungsgesetz jene Personen mit einem Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt - EU“ oder deren vor Inkrafttreten des NAG erteilte Aufenthalts- und Niederlassungsberechtigung als solche gemäß § 81 Abs. 2 NAG in Verbindung mit der NAG-DV weiter gilt, sowie Personen mit einem vor dem 1.1.2014 ausgestellten Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – Familienangehöriger“ oder „Daueraufenthalt – EG“, welche gemäß § 81 Abs. 29 NAG als Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ weiter gelten, österreichischen Staatsangehörigen beim Bezug der Leistungen der Mindestsicherung gleichgestellt.

Feststeht, dass der Rechtsmittelwerberin, einer kroatischen Staatsbürgerin, vor dem Beitritt Kroatiens zur Europäischen Union ein Aufenthaltstitel „Niederlassungsnachweis“ erteilt wurde. Dieser Aufenthaltstitel galt zunächst seit Inkrafttreten des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes am 1. Jänner 2006 als Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt-EG“ bzw. „Daueraufenthalt-Familienangehöriger“ (vgl. § 81 Abs. 2 NAG iVm. § 11 Abs. 1 lit. c NAG-DV) und gilt nunmehr seit dem 1. Jänner 2014 als Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt-EU“ (vgl. § 81 Abs. 29 NAG). Wie der oben zitierten Bestimmung des § 20 Abs. 3 NAG zu entnehmen ist, sind Inhaber eines Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt – EU“ in Österreich - unbeschadet der befristeten Gültigkeitsdauer des diesen Aufenthaltstiteln entsprechenden Dokuments - unbefristet niedergelassen.

Des Weiteren normiert die Übergangsbestimmung des § 81 Abs. 34 NAG, dass gültige Aufenthaltstitel von jenen Drittstaatsangehörigen, die mit 1. Juli 2013 aufgrund des Vertrages über den Beitritt der Republik Kroatien zur Europäischen Union EWR-Bürger sind, ab 1. Juli 2013 innerhalb ihrer Gültigkeitsdauer als Anmeldebescheinigung gemäß § 53 NAG gilt. Korrelierend dazu sieht § 10 Abs. 3 Z. 2 NAG vor, dass Aufenthaltstitel und Dokumentationen des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts gegenstandslos werden, wenn der Fremde insbesondere EWR-Bürger wird.

Daraus folgt, dass die Rechtsmittelwerberin bereits auf Grund des ihr am 21. März 2005 erteilten Aufenthaltstitels „Niederlassungsnachweis“, welcher nunmehr als Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt-EU“ gilt, unbefristet im Bundesgebiet niedergelassen war. Nach dem Beitritt Kroatiens zur Europäischen Union wurde der ihr erteilte Aufenthaltstitel gegenstandslos und gilt dieser gemäß § 81 Abs. 34 NAG innerhalb seiner Gültigkeitsdauer als Anmeldebescheinigung gemäß § 53 NAG weiter, sodass die Beschwerdeführerin auf Grund des Umstandes, dass sie einen unbefristeten Aufenthaltstitel innehatte, auch nach wie vor über eine aufrechte Anmeldebescheinigung als Dokumentation ihres rechtmäßigen Aufenthalts verfügt. Im Hinblick darauf, dass eine Anmeldebescheinigung nach § 53 NAG nur jenen Unionsbürgern auszustellen ist, welche rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig sind, hat der Gesetzgeber mit der Bestimmung des § 81 Abs. 34 NAG solchen neuen Unionsbürgern ein weiter bestehendes Aufenthaltsrecht gestützt auf ihren bislang gültigen Aufenthaltstitel zuerkannt, woraus sich ein weiter bestehendes unbefristetes Aufenthaltsrecht für Inhaber eines Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt-EU“ ergibt. Somit ist die Beschwerdeführerin auf Grund des Umstandes, dass sie zum Zeitpunkt des Erwerbs der Unionsbürgerschaft über den unbefristeten Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt-EU“ verfügte, österreichischen Staatsangehörigen zum Bezug von Leistungen der Mindestsicherung gemäß § 5 Abs. 2 WMG gleichgestellt.

                                                  

Letztlich ist anzumerken, dass auch eine verfassungskonforme Interpretation der Bestimmungen des § 5 Abs. 2 Z. 2 und 3 WMG zu diesem Ergebnis führt, bestehe doch sonst eine unsachliche Differenzierung zwischen unbefristete Aufenthaltstitel innehabenden Drittstaatsangehörigen und solchen Drittstaatsangehörigen, welche ebenso über einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt-EU“ verfügen und in weiterer Folge die Unionsbürgerschaft erwerben. In solch einem Fall wäre nämlich jener Fremde, dem vormals ein unbefristeter Aufenthaltstitel erteilt wurde, aufgrund des Erwerbs der Unionsbürgerschaft schlechter gestellt, zumal er als EWR-Bürger die Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Z. 2 Wiener Mindestsicherungsgesetz für eine Gleichstellung mit österreichischen Staatsangehörigen erfüllen müsste. Jede andere Interpretation der oben zitierten Bestimmungen hätte somit zur Konsequenz, dass die Beschwerdeführerin zwar auf Grund der Übergangsbestimmung des § 81 Abs. 34 NAG in Österreich unbefristet rechtmäßig aufhältig ist, jedoch österreichischen Staatsangehörigen nicht zum Bezug von Leistungen der Mindestsicherung gleichgestellt ist. Da eine solche Differenzierung gegen das Sachlichkeitsgebot des Art. 7 Abs. 1 B-VG verstoßen würde, führt auch eine verfassungskonforme Interpretation des § 5 Abs. 2 Z. 2 und 3 WMG zu dem Ergebnis, dass ein EU-Bürger, welcher zum Zeitpunkt des Erwerbs der Unionsbürgerschaft einen unbefristeten Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt-EU“ innehatte, auch weiterhin österreichischen Staatsangehörigen zum Bezug von Leistungen der Mindestsicherung gleichgestellt ist. Da die Rechtsmittelwerberin somit zum Bezug von Leistungen der Mindestsicherung grundsätzlich berechtigt ist, war der angefochtene Bescheid zu beheben.

Eine Entscheidung in der Sache durch das Verwaltungsgericht erschien deshalb als nicht möglich, da Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens der angefochtene Bescheid ist und sich dieser ausschließlich auf den Umstand stützte, dass die Voraussetzungen für eine Gleichstellung mit österreichischen Staatsbürgern gemäß § 5 Abs. 2 WMG nicht erfüllt wären. Da im fortgesetzten Verfahren nunmehr der Anspruch unter tatsächlicher Heranziehung der §§ 4 ff. des Wiener Mindestsicherungsgesetzes zu bemessen sein wird und somit in tatsächlicher Hinsicht andere Sachverhaltsfragen und Normen zum Tragen kommen würden, würde das Verwaltungsgericht im Falle einer Entscheidung über die sonstigen Voraussetzungen des Bestandes und der Höhe des Anspruches nicht mehr in derselben Sache entscheiden wie die Verwaltungsbehörde im angefochtenen Bescheid und somit über einen anderen Prozessgegenstand. Einer weitergehenden Beurteilung der Sache stünden somit zuständigkeitsrechtliche Bedenken entgegen, da Sache des Beschwerdeverfahrens der verwaltungsbehördliche Bescheid darstellt, welcher jedoch lediglich im dargestellten Umfang erging.

Die Behörde wird im fortgesetzten Verfahren daher die weiteren Voraussetzungen für die Zuerkennung von Leistungen aus der Bedarfsorientierten Mindestsicherung an die Beschwerdeführerin zu prüfen haben.

Zulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist zulässig, da im gegenständlichen Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, weil eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtsfrage, ob ein EU-Bürger, welcher zum Zeitpunkt des Erwerbs der Unionsbürgerschaft den unbefristeten Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt-EU“ innehatte, weiterhin österreichischen Staatsangehörigen zum Bezug von Leistungen der Mindestsicherung gemäß § 5 Abs. 2 Wiener Mindestsicherungsgesetz gleichgestellt ist, fehlt.

Schlagworte

Mindestsicherung; Gleichstellung; EWR-Bürger; Daueraufenthalt; Aufenthaltstitel, unbefristeter; Dokumentation; Anmeldebescheinigung; Sachlichkeitsgebot; Drittstaatsangehöriger; Familienangehöriger; Übergangsbestimmung; Unionsbürgerschaft; verfassungskonforme Interpretation

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2018:VGW.141.081.10221.2018

Zuletzt aktualisiert am

14.11.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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