Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §66 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des (am 22. Juni 1972 geborenen) S in Wien, vertreten durch Dr. Wolfgang Rainer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schwedenplatz 2, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 29. September 1995, Zl. 353.205/4-III/16/95, betreffend Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 des Fremdengesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die vorliegende Beschwerde ist gegen einen im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 29. September 1995 (den Bescheid erster Instanz hatte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien im Devolutionsweg erlassen) gerichtet, mit dem gemäß § 54 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, festgestellt wurde, dass keine stichhaltigen Gründe dafür bestünden, dass der Beschwerdeführer in Bosnien-Herzegowina gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei. Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Beschwerdeführer weder in seiner Stellungnahme vom 3. Oktober 1994 noch in jener vom 24. Oktober 1994 Gründe darzulegen vermocht habe, die seine Angaben betreffend die Unzulässigkeit der Abschiebung nach Bosnien-Herzegowina konkretisiert hätten. Die Tatsache kriegerischer Handlungen in Bosnien-Herzegowina stelle für sich allein keinen Grund dar, darin eine Gefährdung bzw. Bedrohung im Sinne des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG zu erblicken.
In der Beschwerde werden inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach § 54 FrG das Bestehen einer aktuellen, also im Fall seiner Abschiebung in den vom Antrag erfassten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abwendbaren Bedrohung im Sinne des § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist. Ebenso wie im Asylverfahren ist auch bei der Beurteilung des Vorliegens einer Gefahr gemäß § 37 Abs. 1 oder 2 FrG im Verfahren gemäß § 54 FrG die konkrete Einzelsituation in ihrer Gesamtheit, gegebenenfalls vor dem Hintergrund der allgemeinen Verhältnisse, in Form einer Prognose für den gedachten Fall der Abschiebung des Antragstellers in diesen Staat zu beurteilen. Für diese Beurteilung ist nicht unmaßgeblich, ob allenfalls gehäufte Verstöße der im § 37 Abs. 1 FrG umschriebenen Art durch den genannten Staat bekannt geworden sind. (Vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 1998, Zl. 95/21/0399.)
Der Beschwerdeführer hatte seinen Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung nach Bosnien-Herzegowina damit begründet, dass er im Fall der Rückkehr in diesen Staat mit Einberufung in die bosnische Armee hätte rechnen müssen, weswegen - weil sich sein Heimatstaat im Kriegszustand befinde und die Frontlinie derzeit dort verlaufe, wo er zuhause sei - sein Leben in Gefahr sei.
Es ist nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde angesichts dieses Vorbringens nicht auf das Vorliegen einer Bedrohung oder Gefahr im Sinn des § 37 Abs. 1 oder 2 FrG geschlossen hat. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes könnte die Einberufung zum Militärdienst und eine Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung im Grunde des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG nur dann relevant sein, wenn die Einberufung aus einem der im Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe erfolgte oder aus solchen Gründen dem Fremden wegen Verweigerung des Militärdienstes schärfere Sanktionen als anderen Staatsangehörigen drohten oder wenn mit der Todesstrafe oder einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe gerechnet werden müsste (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 12. April 1999, Zl. 98/21/0154). Dass dies auf ihn zutreffe, hat der Beschwerdeführer jedoch im Verwaltungsverfahren nicht behauptet.
Soweit der Beschwerdeführer der belangten Behörde vorwirft, sie habe es in Verletzung von Verfahrensvorschriften unterlassen, ihm in Bezug auf den Prozessgegenstand einen Vorhalt zu machen und weitere Ermittlungen durchzuführen, ist nicht ersichtlich, im Hinblick auf welche Umstände die belangte Behörde zu einem anderen, für den Beschwerdeführer günstigen Bescheid hätte kommen können; insoferne fehlt dem Beschwerdevorbringen die Relevanz.
Der Beschwerdeführer meint auch, der angefochtene Bescheid sei deswegen rechtswidrig, weil die belangte Behörde die Berufung gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien nicht hätte abweisen, sondern diesen Bescheid deswegen hätte aufheben müssen, weil dieser im Hinblick darauf von einem befangenen Organ erlassen worden sei, dass darin die Rede davon sei, der Beschwerdeführer hätte "die Maßnahmen und Vorladungen der BPD-Wien boykottiert". Damit zeigt der Beschwerdeführer schon deswegen keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, weil diese - im Übrigen nicht relevante - Feststellung der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien allenfalls als unrichtig, nicht aber als ein ausreichendes Indiz für eine Befangenheit des bescheiderlassenden Organs zu werten ist.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 15. Oktober 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1995211066.X00Im RIS seit
20.11.2000