Entscheidungsdatum
18.10.2018Index
90/02 KraftfahrgesetzNorm
KFG §36 liteText
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Dr. Oppel über die Beschwerden des Herrn A. B., vertreten durch Sachwalterin Frau Rechtsanwältin …, gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien, 22 PK ..., vom 03.05.2018, GZ: VStV/..., wegen Übertretung des § 103 Abs. 1 Z 1 iVm § 36 lit. e und § 57a Abs. 5 Kraftfahrgesetz (KFG), gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien, 22 PK ..., vom 03.05.2018, GZ: VStV/..., wegen Übertretung des § 103 Abs. 1 Z 1 iVm § 36 lit. e und § 57a Abs. 5 Kraftfahrgesetz (KFG) und gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien, 22 PK ..., vom 03.05.2018, GZ: VStV/..., wegen Übertretung des § 103 Abs. 1 Z 1 iVm § 36 lit. e und § 57a Abs. 5 Kraftfahrgesetz (KFG),
zu Recht e r k a n n t:
I. Den Beschwerden wird stattgegeben, die im Spruch genannten Straferkenntnisse behoben und die Bezug habenden Strafverfahren jeweils gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 zweiter Fall VStG eingestellt.
II. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat der Beschwerdeführer jeweils keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
In den Beschwerdeverfahren wurde Befund und Gutachten der medizinischen Amtssachverständigen Frau Dr. C. zur Frage der Zurechnungsfähigkeit des Beschwerdeführers eingeholt. Demnach steht folgender Sachverhalt als erwiesen fest:
Der Beschwerdeführer ist am Korsakow-Syndrom erkrankt. Auf Grund seiner Erkrankung ist er – und war er bereits zu den angelasteten Tatzeitpunkten – vor allem zeitlich nicht orientiert. Auch sein Langzeit- und Kurzzeitgedächtnis sind deutlich beeinträchtigt. Der Beschwerdeführer ist in einem Pflegeheim untergebracht und für ihn eine Sachwalterin bestellt.
Der Beschwerdeführer war zu den angelasteten Tatzeitpunkten Zulassungsbesitzer des PKW mit dem Kennzeichen W-..., welches zu den angelasteten Tatzeitpunkten unverändert in Wien, ..., abgestellt war.
Der Beschwerdeführer war auf Grund seiner Erkrankung weder in der Lage, selbst für die Erneuerung der Begutachtungsplakette seines PKW zu sorgen, noch war er in der Lage, seine Sachwalterin zu ersuchen, dies für ihn zu tun. Insbesondere waren das Erinnerungsvermögen und die zeitliche Orientierung des Beschwerdeführers nicht ausreichend, seine Sachwalterin darauf hinzuweisen, dass er noch Zulassungsbesitzer des gegenständlichen PKWs ist und dass dessen Begutachtungsplakette erneuert werden muss.
Zur Beweiswürdigung ist auszuführen, dass die Amtssachverständige als Fachärztin für Psychiatrie mit langjähriger Berufserfahrung ausgewiesene Expertin für Erkrankungen der gegenständlichen Art ist. Auf Grund der Einschlägigkeit ihres Fachgebietes wurde sie vom Gericht für den gegenständlichen Fall als Amtssachverständige beigezogen.
Die Amtssachverständige hat den Beschwerdeführer persönlich untersucht. Zu diesem Zweck wurde der Beschwerdeführer zu ihr gebracht. Die Amtssachverständige hat in ihrem Befund und Gutachten auch die bereits vorhandene medizinische Anamnese sowie die Aktenlage ausgewertet.
Der Befund und das Gutachten der Amtssachverständigen sind schlüssig und nachvollziehbar.
Das Begutachtungsergebnis der Amtssachverständigen deckt sich auch vollkommen mit der von der Sachwalterin im Beschwerdeverfahren vorgelegten medizinischen Anamnese sowie mit der Aktenlage. In dieser medizinischen Anamnese sind die kognitiven Einschränkungen des Beschwerdeführers ebenfalls deutlich dokumentiert. Darüber hinaus lässt die Tatsache, dass der PKW zu allen angelasteten Tatzeiten an der gleichen Adresse geparkt war, in Verbindung mit dem sonstigen Akteninhalt den Schluss zu, dass sich der Beschwerdeführer möglicher Weise gar nicht mehr erinnern konnte, Zulassungsbesitzer des in Rede stehenden PKW’s zu sein. Eine solche Beeinträchtigung des Erinnerungsvermögens schließt naturgemäß auch die Möglichkeit des Beschwerdeführers aus, zeitgerecht für die Erneuerung der Begutachtungsplakette dieses PKW zu sorgen oder auch nur die Sachwalterin um diesbezügliche Veranlassung zu ersuchen.
Die Landespolizeidirektion Wien hat zum Verfahrensstand mit Schreiben vom 2.10.2018 ausgeführt, dass sie auf Grund des aktuellen fachärztlichen Gutachtens, das zur Zeit der Entscheidungsfindung der Behörde erster Instanz noch nicht vorgelegen ist, im Fall einer Kompetenz zur Entscheidung nunmehr von einer Zurechnungsunfähigkeit bzw. Schuldunfähigkeit des Beschwerdeführers ausgehen würde.
Rechtlich ist dazu auszuführen, dass gemäß § 3 Abs. 1 VStG nicht strafbar ist, wer zur Zeit der Tat wegen Bewusstseinsstörung, wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit oder wegen Geistesschwäche unfähig war, das Unerlaubte der Tat einzusehen und dieser Einsicht gemäß zu handeln.
Die Wahrnehmung der Pflicht des Zulassungsbesitzers eines PKWs, die Begutachtungsplakette periodisch (jährlich) zu erneuern, setzt zum einen voraus, dass der Zulassungsbesitzer in der Lage ist, sich daran zu erinnern, Zulassungsbesitzer eines PKWs zu sein. Zum anderen setzt die Wahrnehmung dieser Pflicht voraus, dass der Zulassungsbesitzer zumindest soweit zeitlich orientiert ist, dass ihm das bevorstehende Verstreichen der Jahresfrist zumindest erkennbar ist. Auf Grund des schlüssigen und nachvollziehbaren fachärztlichen Gutachtens der Amtssachverständigen war davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer das Erfordernis, für die Erneuerung der Begutachtungsplakette seines PKW’s sorgen zu müssen, nicht erkennen konnte und daher seine Zurechnungsfähigkeit im Sinne des § 3 Abs. 1 VStG zu den Tatzeitpunkten nicht gegeben war.
Die Erkrankung und die dadurch bedingte Beeinträchtigung des Beschwerdeführers stellten daher Umstände dar, welche gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 zweiter Fall VStG die Strafbarkeit des Beschwerdeführers ausschlossen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Zurechnungsfähigkeit; Erkrankung; Korsakow Syndrom; Strafbarkeit; AusschlussEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2018:VGW.031.077.8392.2018Zuletzt aktualisiert am
20.11.2018