TE Vwgh Erkenntnis 1999/10/15 97/19/1668

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Veröffentlicht am 15.10.1999
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AufG 1992 §5 Abs1;
AuslBG §14a;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;
PaßG 1969 §25 Abs3 litd;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandter, über die Beschwerde der 1967 geborenen MH in Wien, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 17. Juni 1997, Zl. 307.391/3-III/11/96, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, deren Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vom 11. Juli 1994 bzw. vom 21. Oktober 1994 jeweils rechtskräftig abgewiesen worden waren, beantragte am 3. Juni 1996 neuerlich die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Als Aufenthaltszweck gab sie den der Familiengemeinschaft mit ihrem österreichischen Ehegatten, den sie am 30. März 1994 geehelicht hatte, an.

Der Landeshauptmann von Wien wies den Antrag mit Bescheid vom 24. Oktober 1996 gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z 4 des Fremdengesetzes 1992 (FrG) ab.

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 AufG und § 10 Abs. 1 Z 4 FrG ab. Die belangte Behörde erachtete den Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z 4 FrG aus mehreren Gründen als verwirklicht. Zum einen stehe auf Grund der Aussage des Ehegatten der Beschwerdeführerin fest, dass die Ehe von ihr nur geschlossen worden sei, um sich dadurch aufenthalts- und fremdenrechtliche Vorteile zu verschaffen. Weiters gehe die Beschwerdeführerin nach den von ihr vorgelegten Bestätigungen einer Erwerbstätigkeit nach, obwohl sie keine Bewilligung zum Aufenthalt in Österreich besitze. Die falschen Angaben über die eheliche Lebensgemeinschaft und über die gesicherte Unterkunft beim Ehegatten der Beschwerdeführerin, um eine aufenthaltsrechtliche Bewilligung zu erlangen, der unrechtmäßige Aufenthalt der Beschwerdeführerin - laut vorliegenden Unterlagen habe diese nur einen gewöhnlichen Sichtvermerk vom 20. Mai 1996 bis 20. November 1996 und einen Touristensichtvermerk vom 20. Jänner 1994 bis 20. Februar 1994 verfügt - sowie die unrechtmäßige Erwerbstätigkeit seit April 1994 seien jedenfalls als Tatsachen anzusehen, die das fremdenrechtliche System beeinträchtigten. Der Oberste Gerichtshof gehe in seiner Judikatur davon aus, dass auch die ausschließliche oder überwiegende Absicht, durch die Eheschließung nur die unbeschränkte Aufenthaltsmöglichkeit und/oder den ungehinderten Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt zu erlangen, also auch ohne nach Erfüllung der Voraussetzungen für die österreichische Staatsbürgerschaft zu streben, für die Nichtigerklärung der Ehe ausreiche. Die Annahme, der Aufenthalt eines derartigen Fremden gefährde die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit, bestätige auch der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung. Auf Grund des angeführten Sachverhaltes und der eindeutigen Rechtsprechung sei der Antrag der Beschwerdeführerin gemäß § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z 4 FrG abzulehnen und die Beschwerdeführerin somit vom weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet auszuschließen gewesen. Zu den persönlichen Verhältnissen sei zu sagen, dass nur die dargestellten familiären Beziehungen zu Österreich bestünden. Auch in der Berufung habe die Beschwerdeführerin keine Gründe vorbringen können, die eine Entscheidung zu ihren Gunsten herbei geführt hätte. Bei Abwägung der öffentlichen Interessen und der privaten im Rahmen des Art. 8 MRK sei auf Grund des angeführten Sachverhaltes den öffentlichen Interessen Priorität einzuräumen gewesen.

Die Beschwerdeführerin erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher mit Beschluss vom 30. September 1997, B 1930/97-5, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die ergänzte Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

§ 5 Abs. 1 AufG lautete:

"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist.".

§ 10 Abs. 1 Z 4 FrG lautete:

"§ 10. (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen, wenn

...

4. der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde,"

Weder nach dem Beschwerdevorbringen noch nach der Aktenlage verfügte die Beschwerdeführerin jemals über eine Aufenthaltsbewilligung oder einen am 1. Juli 1993 gültigen gewöhnlichen Sichtvermerk. Die belangte Behörde wertete den Antrag daher zu Recht nicht als Verlängerungsantrag. Der angefochtene Bescheid ist demnach auch nicht gemäß § 113 Abs. 6 oder 7 des Fremdengesetzes 1997 mit Ablauf des 31. Dezember 1997 außer Kraft getreten.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Eingehen einer Ehe nur zum Schein, um sich eine fremdenrechtlich bedeutsame Bewilligung zu verschaffen, ein Verhalten, das eine gravierende Missachtung der den Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet regelnden Vorschriften bildet. Es rechtfertigt grundsätzlich die Annahme, der weitere Aufenthalt des Fremden werde die öffentliche Ordnung im Sinne des § 10 Abs. 1 Z 4 FrG gefährden.

Der Prüfung und Beurteilung durch die Behörde unterliegt dabei ein von einem Fremden gesetztes, den Intentionen des Fremdenrechtes entgegenstehendes Verhalten, aus dem die Prognose abgeleitet wird, der Fremde werde auch in Zukunft fremdenrechtliche (oder damit in Zusammenhang stehende) Vorschriften missachten und dadurch die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährden (§ 10 Abs. 1 Z 4 FrG). Dieser Sichtvermerksversagungsgrund, und damit die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit auf Grund einer derartigen, in einem bestimmten Verhalten des Antragstellers gründenden Prognose die Bewilligung eines Sichtvermerkes zu versagen, findet sich bereits im PassG 1969 (vgl. § 25 Abs. 3 lit. d leg.cit.) und erneut im Fremdengesetz 1992. Die von der Beschwerdeführerin vertretene Ansicht, erst seit den Gesetzesnovellen zum AufG im Jahr 1995 bzw. zum FrG im Jahr 1997 sei das Eingehen einer Scheinehe mit "aufenthaltsrechtlichen Konsequenzen" bedroht, - wobei die Beschwerdeführerin offenbar nur an den Verlust einer bereits erteilten Bewilligung denkt -, erweist sich daher als verfehlt. Auch davon, dass der Sichtvermerksversagungsgrund nach § 10 Abs. 1 Z 4 FrG bei Vorliegen einer Scheinehe (aus dem Jahre 1994) dem "Rückwirkungsverbot" von Gesetzen widerspreche, kann aus diesem Grund keine Rede sein.

Im Übrigen lag der Zeitpunkt der von der Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang ins Treffen geführten Judikaturänderung des Obersten Gerichtshofes (1993) vor und nicht nach dem Abschluss ihrer Ehe (1994). Schließlich stellt die vom Obersten Gerichtshof nunmehr angenommene Nichtigkeit einer solchen Ehe lediglich eine Nachvollziehung des ursprünglichen Normzweckes das (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1996, Zl. 96/19/0230).

Voraussetzung für die Annahme der Gefährdungsprognose des § 10 Abs. 1 Z 4 FrG und der daran geknüpften fremdenrechtlichen Konsequenzen ist die mängelfreie Feststellung, dass die Ehe in der Absicht geschlossen wurde, die Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Bewilligungen zumindest (erheblich) zu erleichtern (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. November 1996, Zl. 96/19/1601).

In der Beschwerde wird die Feststellung der belangten Behörde, die Ehe sei nur aus dem Grund geschlossen worden, um der Beschwerdeführerin fremdenrechtliche Vorteile zu verschaffen, nicht bestritten. Es kann daher nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde auf Grundlage dieser Feststellungen den Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z 4 FrG als verwirklicht ansah und den Antrag abwies.

Daran vermögen auch die Ausführungen in der Beschwerde nichts zu ändern. Zur darin vertretenen Auffassung, die belangte Behörde handle infolge Verstoßes gegen § 27 des Ehegesetzes rechtswidrig, wenn sie sich im Zusammenhang mit einer auf § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z 4 FrG gestützten Entscheidung auf die Nichtigkeit der von der Beschwerdeführerin eingegangenen Ehe stütze und sie sei für eine derartige Feststellung gar nicht zuständig, ist auf die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen. Demnach übersieht die Beschwerdeführerin, dass die belangte Behörde im bekämpften Bescheid nicht etwa davon ausging, die Ehe der Beschwerdeführerin sei nichtig, sondern ihre Entscheidung vielmehr auf die Annahme stützte, das Eingehen der Ehe sei aus Motiven erfolgt, die deren Nichtigkeitserklärung begründen können, wobei (schon) dieses Verhalten die Annahme rechtfertige, der weitere Aufenthalt eines solchen Fremden werde die öffentliche Ordnung im Sinne des § 10 Abs. 1 Z 4 FrG gefährden. Dem stand auch die Bestimmung des § 27 des Ehegesetzes nicht entgegen, weil die belangte Behörde ungeachtet dieser Bestimmung berechtigt war, die Frage des Vorliegens eines Sichtvermerksversagungsgrundes selbstständig zu beurteilen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1996, Zl. 96/19/0192).

Dieselben Überlegungen sind zunächst dem Vorwurf der Beschwerdeführerin entgegenzuhalten, wenn sie vorbringt, die belangte Behörde habe als unzuständige Behörde und damit zu Unrecht das AuslBG angewandt, wenn sie sich "mit der Art des Erwerbes einer der Beschwerdeführerin die unselbstständige Erwerbstätigkeit gestattenden Urkunde" befasst habe. Dazu kommt, dass sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid mit der der Beschwerdeführerin erteilten ausländerbeschäftigungsrechtlichen Bewilligung und der "Art ihres Erwerbes" nicht ausdrücklich befasst, sondern (nur) die Erlangung der Aufenthaltsbewilligung als mit der Eheschließung verbundenes Ziel der Beschwerdeführerin bezeichnet hat. Das diesbezügliche Beschwerdevorbringen erweist sich auch aus diesem Grund als verfehlt.

Wenn die Beschwerdeführerin vorbringt, sie werde durch Versagung der Aufenthaltsbewilligung ihres "legal" erworbenen Rechtes "Arbeitserlaubnis" beraubt, so ist sie darauf hinzuweisen, dass dieses "Recht" nach dem AuslBG nur bedeutet, bei Ausübung einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit im Inland nicht gegen ausländerbeschäftigungsrechtliche Vorschriften zu verstoßen. In dieses "Recht" wird durch die Versagung der Aufenthaltsbewilligung nicht eingegriffen. Ein darüber hinausgehendes "Recht" ist aus dieser Bewilligung nach dem AuslBG aber nicht abzuleiten, insbesondere nicht - wie es der Beschwerdeführerin offenbar vorschwebt - ein darin gründender Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung

Angesichts dessen, dass der Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z 4 FrG bereits durch das Eingehen einer Scheinehe verwirklicht wurde, erübrigte sich ein näheres Eingehen auf die übrigen, von der belangten Behörde zusätzlich zur Stützung ihrer Prognose herangezogenen Gründe.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 15. Oktober 1999

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1997191668.X00

Im RIS seit

06.08.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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