Entscheidungsdatum
06.11.2018Index
50/01 GewerbeordnungNorm
GewO 1994 §355Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Mag. Piccolroaz über die Beschwerde der Gemeinde Z, vertreten durch Rechtsanwalt AA, Adresse 1, Y, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 18.09.2018, ***, betreffend die Zurückweisung eines Antrages nach der GewO 1994,
zu Recht:
1. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang:
Mit Schreiben vom 06.08.2018 der Gemeinde Z an die Bezirkshauptmannschaft Y, Gewerbe, wurde ein Antrag auf Reduktion des Seveso-Wirkkreises in der Gemeinde Z gestellt. Begründend wurde ausgeführt, dass die durchgeführten Untersuchungen und Ermittlungen der BB umfassend und abschließend seien. Die negative Stellungnahme des Amtes der Tiroler Landesregierung vom 26.03.2018, ***, welche die durchgeführten Untersuchungen zur Ermittlung von Druckeffekten nach Dampfwolkenexplosionen zum Inhalt hatte, seien mit der ergänzenden Stellungnahme zur Ermittlung von Druckeffekten nach Dampfwolkenexplosionen zur Beurteilung von angemessenen Sicherheitsabständen im Rahmen der Raumordnung auf höchstem wissenschaftlichen Niveau in reduzierender Weise des Wirkradiusses beurteilt.
Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 18.09.2018, ***, wurde der Antrag der Gemeinde Z auf Reduktion des „Seveso Wirkkreises“ auf 20 m der CC gemäß § 81 Gewerbeordnung 1994 iVm § 77 leg cit iVm § 355 leg cit, als unzulässig zurückgewiesen. Begründend wurde dazu im Wesentlichen zusammengefasst ausgeführt, dass die Gemeinde gemäß § 355 GewO im Verfahren zur Genehmigung der Betriebsanlage zum Schutz der öffentlichen Interessen im Rahmen ihres Wirkungsbereiches zu hören sei. Aus § 355 GewO 1994 könne keineswegs abgeleitet werden, dass der Gemeinde als solche Parteistellung zustehe. Parteistellung habe die Gemeinde nur unter den in § 356 Abs 3 GewO umschriebenen Voraussetzungen dann, wenn sie auch als Nachbar iSd § 75 Abs 2 GewO berührt werde. Die Gemeinde Z trete im gegenständlichen Verfahren nicht als Eigentümerin oder sonstige Berechtigte auf, sondern als juristische Person. Auch dass es sich bei der Firma CC um einen „Seveso-Betrieb“ handle, ändere nichts an der Tatsache, dass der Gemeinde nur ein Anhörungsrecht zukomme. Es dürfe darauf hingewiesen werden, dass der „Gefährdungsbereich eines Seveso-Betriebes“ vielmehr Aspekte der Raumordnung bzw Bauordnung betreffe. Die Aufgaben der Gewerbebehörde würden im konkreten Fall spezielle Überwachungsverpflichtungen, welche im Abschnitt 8a der Gewerbeordnung genannt würden, betreffen. Zusammenfassend sei der Antrag auf Reduktion des Seveso-Wirkkreises der Gemeinde Z aufgrund der mangelnden Parteistellung bzw fehlenden Antragslegitimation als unzulässig zurückzuweisen.
In der dagegen fristgerecht eingebrachten Beschwerde bringt die rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführerin im Wesentlichen zusammengefasst vor, dass das Liegenschaftseigentum, welches der Beschwerdeführerin hinsichtlich der im derzeitigen Gefährdungsbereich gelegenen Verkehrsflächen zukomme, der Beschwerdeführerin im gewerbebehördlichen Verfahren betreffend die Festsetzung des „Seveso-Wirkkreises“ unmittelbar Parteistellung vermittle, sodass diese berechtigt sei, an diesem Verfahren als Partei teilzunehmen, ihre subjektiven öffentlichen Interessen wahrzunehmen und dabei insbesondere auch die Aufhebung von Einschränkungen ihres Liegenschaftseigentums, welche durch eine unangemessen weite Festsetzung des Seveso-Wirkkreises bewirkt werde, zu verlangen. Darüber hinaus komme der Beschwerdeführerin aufgrund der unmittelbar anwendbaren umweltrelevanten Rechtsvorschriften der Europäischen Union, namentlich der Richtlinie 2012/18/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 04.07.2012 zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen sowie der Aarhus Konvention (Art 9 Abs 3 Aarhus Konvention), Parteistellung in dem über ihren Antrag eingeleiteten Verfahren auf Reduktion des Wirkkreises des Betriebes der CC zu. Die Beschwerdeführerin sei grundbücherliche Eigentümerin der unmittelbar an das Betriebsgelände anschließenden Verkehrsflächen. Bereits Kraft dieses Liegenschaftseigentums kämen der Beschwerdeführerin im gegenständlichen Verfahren sämtliche Antrags- und Parteirechte zu, die die GewO 1994 mit dem Eigentum an Liegenschaften verknüpfe. Die Richtlinie 2012/18/EU gehe sämtlichem nationalen Recht vor. Das in Umsetzung der Richtlinie erlassene nationale Recht sei unionsrechtskonform zu interpretieren. Damit Wohngebiete, öffentlich genutzte Gebiete und die Umwelt, einschließlich unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes besonders wertvoller bzw besonders empfindlicher Gebiete besser vor den Gefahren schwerer Unfälle geschützt werden könnten, sieht Punkt 18 der Erwägungen zur Richtlinie 2012/18/EU vor, dass die Mitgliedsstaaten in ihren Politiken zur Flächennutzungsplanung oder anderen einschlägigen Politiken dafür sorgen müssen, dass zwischen diesen Gebieten und Betrieben, die solche Gefahren bergen, angemessene Abstände eingehalten würden und dass bei bestehenden Betrieben gegebenenfalls ergänzende technische Maßnahmen durchgeführt würden, damit die Gefährdung von der Personen bzw der Umwelt auf einem annehmbaren Niveau bleibe. Die Mitgliedsstaaten hätten auch nach Art 23 Richtlinie 2012/18/EU jeder natürlichen oder juristischen Person den Zugang zu Gerichten zu eröffnen. Der Rechtsweg müsse für die Öffentlichkeit bzw ihre Mitglieder zwingend eröffnet werden. Hinsichtlich der öffentlich genutzten Gebäude und Gebiete müsse der Seveso-Betrieb des Weiteren so situiert sein, dass ein angemessener Abstand gesichert sei. Bei ausreichendem Interesse an der Sache bestehe über den Weg des Unionsrechts eine Rechtswegeeröffnung für die Öffentlichkeit in umweltbezogenen Angelegenheiten. Den materiell rechtlichen Hintergrund des hier zur Entscheidung stehenden Falles bilde der nach Ansicht der Beschwerdeführerin zu weit gezogene und damit unangemessene Seveso-Wirkkreis des in Z ansässigen Seveso-Betriebes CC. Die Festsetzung des Seveso-Wirkkreises sei im Rahmen der gewerberechtlichen Betriebsanlagenbewilligung erfolgt, weshalb der verfahrenseinleitende Antrag der Beschwerdeführerin an die zuständige Behörde adressiert worden sei. Die im Verfahren vorgelegten Beweismittel würden zweifelsfrei ergeben, dass der Seveso-Wirkkreis der CC deutlich zu weit gezogen und damit unangemessen im Sinne der einschlägigen Richtlinie 2012/18/EU festgestellt worden sei. Die Festsetzung des weiten Seveso-Wirkkreises beeinträchtige die Rechte der Beschwerdeführerin in doppelter Hinsicht, zum einen als betroffene Liegenschaftseigentümerin und zum anderen als Trägerin und Vertreterin der kollektiven Interessen der Gemeindebürgerinnen und Gemeindebürger, die die Öffentlichen im Sinne der genannten Richtlinie bilde. In dieser Doppelfunktion komme der Beschwerdeführerin jedenfalls Parteistellung im betreffenden umweltschutzrelevanten Verfahren zu und zwar sowohl nach der Richtlinie 2012/18/EU als auch nach Art 9 Abs 3 Aarhus Konvention.
Beantragt wurde die Einholung eines Sachbefundes aus dem Bereich der Thermoprozesstechnik, die Durchführung eines Lokalaugenscheines, die Zeugenvernehmung des DD, pA BB und die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung zur Aufnahme der angebotenen Beweise.
II. Sachverhalt:
Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde. Danach ist von folgendem entscheidungswesentlichen Sachverhalt auszugehen:
Die CC mit Sitz in Adresse 2, Z ist Inhaberin der gewerberechtlich genehmigten Betriebsanlage „Erzeugung von Kosmetika“ auf Gste Nrn ***, ***, ***, ***, ***, *** und ***, alle KG Z, welche zuletzt mit Bescheiden der Bezirkshauptmannschaft Y vom 19.06.2015, *** sowie vom 22.03.2016, *** genehmigt wurde. Bei der gegenständlichen gewerblichen Betriebsanlage handelt es sich um einen sogenannten „Seveso-Betrieb“ der oberen Mengenschwelle.
Mit Schreiben vom 06.08.2018 beantragte die Gemeinde Z, den Seveso-Wirkkreis auf einen Wirkradius von 20 m zu reduzieren.
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde und ist insoweit auch unstrittig.
Gegenständlich waren keine Fragen des Sachverhaltes zu lösen. Entscheidungsgegenständlich ist ausschließlich die Rechtsfrage, ob die Zurückweisung des Antrages der Gemeinde Z auf Reduzierung des „Seveso-Wirkkreises“ zu Recht erfolgt ist. Insofern konnte von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs 4 VwGVG abgesehen werden.
III. Rechtslage:
Die maßgeblichen Bestimmungen der Gewerbeordnung 1994 lauten:
„8. Betriebsanlagen
§ 74. (1) Unter einer gewerblichen Betriebsanlage ist jede örtlich gebundene Einrichtung zu verstehen, die der Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit nicht bloß vorübergehend zu dienen bestimmt ist.
(2) Gewerbliche Betriebsanlagen dürfen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind,
1. das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 450/1994, in der jeweils geltenden Fassung, unterliegenden mittätigen Familienangehörigen oder des nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 450/1994, in der jeweils geltenden Fassung, unterliegenden mittätigen eingetragenen Partners, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden; als dingliche Rechte im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten auch die im § 2 Abs. 1 Z 4 lit. g angeführten Nutzungsrechte,
2. die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen,
3. die Religionsausübung in Kirchen, den Unterricht in Schulen, den Betrieb von Kranken- und Kuranstalten oder die Verwendung oder den Betrieb anderer öffentlichen Interessen dienender benachbarter Anlagen oder Einrichtungen zu beeinträchtigen,
4. die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs an oder auf Straßen mit öffentlichem Verkehr wesentlich zu beeinträchtigen oder
5. eine nachteilige Einwirkung auf die Beschaffenheit der Gewässer herbeizuführen, sofern nicht ohnedies eine Bewilligung auf Grund wasserrechtlicher Vorschriften vorgeschrieben ist.
[…]
§ 75. (1) Unter einer Gefährdung des Eigentums im Sinne des § 74 Abs. 2 Z 1 ist die Möglichkeit einer bloßen Minderung des Verkehrswertes des Eigentums nicht zu verstehen.
[…]
8a. Abschnitt
Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen
Ziel und Anwendungsbereich
§ 84a. (1) Ziel dieses Abschnitts ist es, schwere Unfälle mit gefährlichen Stoffen zu verhüten und ihre Folgen zu begrenzen.
(2) Dieser Abschnitt gilt für Betriebe im Sinne des § 84b Z 1.
(3) Die Anforderungen dieses Abschnitts müssen zusätzlich zu den Anforderungen nach anderen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes erfüllt sein; sie sind keine Genehmigungsvoraussetzung im Sinne der §§ 77 und 77a und begründen keine Parteistellung im Sinne des § 356.
(4) Dieser Abschnitt gilt nicht für
1. von Stoffen ausgehende Gefahren durch ionisierende Strahlung,
2. Deponien.
§ 355. (1) Die Gemeinde ist im Verfahren zur Genehmigung der Betriebsanlage zum Schutz der öffentlichen Interessen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z 2 bis 5 im Rahmen ihres Wirkungsbereiches zu hören.
(2) Im Verfahren zur Genehmigung einer Anlage zur Erzeugung oder Verarbeitung von Schieß- und Sprengmitteln (§ 2 Abs. 16) und im Verfahren zur Genehmigung einer Anlage zur Lagerung von Schieß- und Sprengmitteln (§ 2 Abs. 16) ist die Sicherheitsbehörde zum Schutz der öffentlichen Interessen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z 2 bis 5 im Rahmen ihres Wirkungsbereiches zu hören.
§ 356. (1) Wird eine mündliche Verhandlung anberaumt, so hat die Behörde Gegenstand, Zeit und Ort der Verhandlung sowie die Voraussetzungen zur Aufrechterhaltung der Parteistellung (§ 42 AVG) in folgender Weise bekannt zu geben:
1. Kundmachung an der Amtstafel der Gemeinde (§ 41 AVG),
2. Verlautbarung auf der Internetseite der Behörde,
3. Anschlag auf dem Betriebsgrundstück und
4. Anschlag in den der Betriebsanlage unmittelbar benachbarten Häusern.
Die Eigentümer der betroffenen Häuser haben derartige Anschläge in ihren Häusern zu dulden. Statt durch Anschlag im Sinne der Z 3 und 4 kann die Bekanntgabe aus Gründen der Zweckmäßigkeit, Raschheit und Einfachheit durch persönliche Verständigung erfolgen.
(2) Ist die Gefahr der Verletzung eines Kunst-, Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses im Sinne des § 40 AVG gegeben, so ist den Nachbarn die Teilnahme an der Besichtigung der Anlage nur mit Zustimmung des Genehmigungswerbers gestattet, doch ist ihr allfälliges Recht auf Parteiengehör zu wahren.
(3) Im Verfahren betreffend die Vorschreibung anderer oder zusätzlicher Auflagen (§ 79 Abs. 1), im Verfahren betreffend die Genehmigung der Sanierung (§ 79 Abs. 3), im Verfahren betreffend die Aufhebung oder Abänderung von Auflagen (§ 79c Abs. 1), im Verfahren betreffend Abweichungen vom Genehmigungsbescheid einschließlich seiner Bestandteile (§ 79c Abs. 2), im Verfahren betreffend eine Betriebsübernahme (§ 79d), im Verfahren betreffend die Anpassung einer bereits genehmigten Betriebsanlage an eine Verordnung gemäß § 82 Abs. 1 (§ 82 Abs. 2), im Verfahren betreffend die Festlegung der von den Bestimmungen einer Verordnung gemäß § 82 Abs. 1 abweichenden Maßnahmen (§ 82 Abs. 3) und im Verfahren betreffend die Vorschreibung der über die Bestimmungen einer Verordnung gemäß § 82 Abs. 1 hinausgehenden Auflagen (§ 82 Abs. 4) haben jene Nachbarn Parteistellung, deren Parteistellung im Verfahren gemäß Abs. 1 aufrecht geblieben ist.
(4) Nachbarn haben in den Verfahren betreffend die Aufhebung oder Abänderung von Auflagen (§ 79c Abs. 1), Abweichungen vom Genehmigungsbescheid einschließlich seiner Bestandteile (§ 79c Abs. 2) und Betriebsübernahme (§ 79d) auch insoweit Parteistellung, als damit neue oder größere nachteilige Wirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 verbunden sein können.“
IV. Erwägungen:
Die Gemeinde Z hat die Reduktion des „Seveso-Wirkkreises“ bei der belangten Behörde als Gewerbebehörde beantragt. Begründet wird dieser Antrag mit einem Gutachten bzw Stellungnahmen „zur Ermittlung von Druckeffekten nach Dampfwolkenexplosionen (UVCE) zur Beurteilung von angemessenen Sicherheitsabständen im Rahmen der Raumordnung“ der BB.
Bereits an dieser Stelle ist festzuhalten, dass die Beurteilung von angemessenen Sicherheitsabständen – wie die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Gutachten und Stellungnahmen explizit ausweisen – grundsätzlich ein Ziel der überörtlichen Raumordnung gemäß § 1 Abs 2 lit e TROG 2016 darstellt. Weiters ist es auch Aufgabe und Ziel der örtlichen Raumordnung, Nutzungskonflikte und wechselseitige Beeinträchtigungen bei Zusammentreffen verschiedener Widmungen, insbesondere auch unter Bedachtnahme auf die Standorte von Seveso-Betrieben und die für die Ansiedlung oder Erweiterung solcher Betriebe vorgesehenen Standorte zu vermeiden (vgl § 27 Abs 2 lit c TROG 2016).
Der Gefährdungsbereich eines Seveso-Betriebes ist in § 2 Abs 33 Tiroler Bauordnung 2018 als jener angemessene Sicherheitsabstand von der Betriebsanlage definiert, der sich aufgrund von mengenschwellenbezogenen Abstandsmodellen und standardisierten Einzelfallbetrachtungen ergibt.
Festzuhalten ist, dass eine derartige Definition in der Gewerbeordnung 1994 fehlt. Weiters ist festzuhalten, dass eine konkrete Festlegung dieses Gefährdungsbereiches in den der gegenständlichen Betriebsanlage zugrunde liegenden Betriebsanlagengenehmigungen nicht explizit erfolgt ist.
Innerstaatlich wurde die Seveso II-Richtlinie sowie auch die Seveso III-Richtlinie im Abschnitt 8a betreffend die Beherrschung der Gefahren bei schweren Unfällen in der Gewerbeordnung 1994 für gewerbliche Betriebsanlagen umgesetzt. Auf Landesebene wurde die Seveso II bzw Seveso III Richtlinie sowohl im Tiroler Raumordnungsgesetz 2016 als auch in der Tiroler Bauordnung 2018 umgesetzt.
Zu den Forderungen der Seveso III-Richtlinie (RL 2012/18/EU) gehört, dass die Mitgliedsstaaten dafür sorgen müssen, dass zwischen Störfallbetrieben auf der einen und Wohngebieten, öffentlich genutzten Gebäuden und Gebieten, Erholungsgebieten und Hauptverkehrswegen auf der anderen Seite ein angemessener Sicherheitsabstand gewahrt bleibt. Diese Verpflichtung galt bereits seit 1997 (Art 12 der Seveso-II-Richtlinie 96/82/EG).
Im Jahr 2011 hat der EuGH im Urteil vom 15.09.2011 im Fall Mücksch (Rs C53/10) entschieden, dass das Erfordernis der Wahrung angemessener Sicherheitsabstände immer dann im jeweiligen Genehmigungsverfahren zu behandeln ist, soweit es noch nicht auf der Ebene der Raumplanung abgearbeitet wurde.
Nach § 37 Abs 2 TROG 2016 ist dem Erfordernis Rechnung zu tragen, dass zwischen Grundflächen für Anlagen von Seveso-Betrieben und anderen Grundflächen im Bauland mit Ausnahme des Gewerbe- und Industriegebietes angemessene Sicherheitsabstände gewahrt bleiben. Ist diese Voraussetzung hinsichtlich rechtmäßig bestehender Seveso-Betriebe nicht erfüllt, so genügt es bei Widmungen für diese Betriebe, dass die bestehenden Sicherheitsabstände gewahrt bleiben.
Daraus ist ersichtlich, dass das Thema Sicherheitsabstand bzw „Wirkradius“ vor allem im Zusammenhang mit raumordnungsrechtlichen Bestimmungen verwendet wird.
Unstrittig ist weiters, dass im Flächenwidmungsplan der Gemeinde Z das Betriebsareal der CC als Gewerbe- und Industriegebiet gemäß § 39 Abs 3 TROG 2016 gewidmet ist. Der entsprechende Gefährdungsbereich ist im Flächenwidmungsplan der Gemeinde Z ebenfalls ausgewiesen.
An dieser Stelle sei festgehalten, dass die Beurteilung des Gefährdungsbereiches in Tirol durch die Abt ESA des Amtes der Tiroler Landesregierung in Form eines Einzelgutachtens erfolgt, welches in den Flächenwidmungsplan der jeweiligen Gemeinde in Form einer Kenntlichmachung einfließt. Sollte daher dem Gemeinderat als Verordnungsgeber ein Gutachten auf gleicher fachlicher Ebene bei der Beschlussfassung über den Flächenwidmungsplan vorliegen, so obliegt es diesem zu begründen, welchem Gutachten der Vorzug gegeben wird. Der Antrag der Gemeinde Z zielt inhaltlich offensichtlich exakt auf diese Thematik ab und wäre es daher in erster Linie am Gemeinderat der Gemeinde Z gelegen, aufgrund der eingeholten Gutachten die Kenntlichmachung des Gefährdungsbereiches im Flächenwidmungsplan abzuändern.
Betrachtet man den Abschnitt 8a der Gewerbeordnung 1994 so fällt auf, dass diesbezüglich drei Zielsetzungen normiert sind. Dies ist einerseits die Vermeidung schwerer Unfälle durch die Einhaltung des Standes der Technik, die Überwachung der Betriebsanlage durch die zuständige Behörde sowie die entsprechenden Berichtspflichten des Unternehmens an die Behörde. Die Industrieunfallverordnung 2015, BGBl Nr 229/2015 idgF legt ua die Anforderungen an Sicherheitskonzepte, Meldung von Industrieunfällen, Sicherheitsberichte und dergleichen fest. Ein Gefährdungsbereich ist der Industrieunfallverordnung ebenfalls nicht zu entnehmen.
Im Rahmen der Betriebsanlagengenehmigung zur Errichtung bzw Änderung eines Seveso III-Betriebes werden zwar Ausbreitungsberechnungen im Zusammenhang mit möglichen Unfällen erforderlich sein, um die entsprechenden Risikobewertungen im Hinblick auf die Schutzinteressen des § 74 Abs 2 GewO 1994 durchführen zu können. Eine verbindliche Festlegung des Gefährdungsbereiches eines Seveso-Betriebes ist jedoch in der GewO 1994 nicht vorgesehen. Dementsprechend handelt es sich weder um einen Genehmigungstatbestand noch um einen zwingenden Bestandteil der Projektsunterlagen zur Genehmigung der Errichtung und des Betriebes bzw einer Änderung eines Seveso III-Betriebes.
Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Änderung des Gefährdungsbereiches bzw Wirkbereiches ist daher in der GewO 1994 nicht vorgesehen und erfolgte die Zurückweisung des gegenständlichen Antrages zu Recht.
Was die Parteistellung der Beschwerdeführerin anbelangt, ist festzuhalten, dass der Gemeinde gemäß § 355 GewO 1994 im Zusammenhang mit der Genehmigung von gewerblichen Betriebsanalgen lediglich ein Anhörungsrecht zukommt. Ist die Gemeinde jedoch gleichzeitig auch Grundeigentümerin eines Nachbargrundstückes iSd § 75 iVm § 74 Abs 2 Z 1 GewO 1994, so ist sie jedenfalls als Nachbar und damit Partei des Genehmigungsverfahrens anzusehen, wobei ihr lediglich im Rahmen der Frage der Gefährdung des Eigentums iSd § 74 Abs 2 Z 1 ein Mitspracherecht zusteht.
Die Beschwerdeführerin vermeint in diesem Zusammenhang, dass durch die Festlegung eines Gefährdungsbereiches das Eigentum der Beschwerdeführerin gefährdet wäre. Zudem lässt sie offen, um welche konkrete Gefährdung der Gemeindestraßen durch den Regelbetrieb der in Rede stehenden Betriebsanlage es sich dabei handelt.
Inhaltlich zielt die Beschwerdeführerin in ihrem Antrag vom 06.08.2018 an die belangte Behörde offensichtlich darauf ab, diesen Gefährdungsbereich, welcher im Übrigen weder von der CC noch von der belangten Behörde festgelegt wurde, zu reduzieren. Unabhängig davon, dass ein diesbezüglicher Antrag in der GewO 1994 nicht vorgesehen ist, richtet sich dieser Antrag auch auf eine Sache, die nicht von der belangten Behörde zu entscheiden ist. Der Antrag der Beschwerdeführerin erweist sich daher auch aus diesem Grund als unzulässig.
Was das umfassende Vorbringen der Beschwerdeführerin hinsichtlich der unmittelbaren Geltung des Unionsrechts im Hinblick auf die Seveso III-Richtlinie sowie die Aarhus Konvention anbelangt, ist festzuhalten, dass die Seveso III-Richtlinie innerstaatlich vollinhaltlich umgesetzt ist und die Parteistellung der Gemeinde im Betriebsanlagengenehmigungsverfahren unmissverständlich geregelt ist. Eine Parteistellung steht der Gemeinde lediglich im Genehmigungsverfahren gemäß § 74 bzw § 81 bzw unter den in § 356 Abs 2 GewO 1994 genannten Voraussetzungen zu. Ein diesbezügliches Verfahren ist jedoch nicht anhängig. Der gegenständliche Antrag könnte offensichtlich auf eine Änderung einer bereits bestehenden und rechtskräftig genehmigten Betriebsanlage abzielen, wofür jedoch ebenfalls eine Antragslegitimation der Gemeinde fehlt.
Zur Aarhus Konvention ist festzuhalten, dass diese auf drei Säulen beruht, nämlich dem Zugang der Öffentlichkeit zur Information über die Umwelt, Beteiligung der Öffentlichkeit an bestimmten umweltbezogenen Entscheidungen und der Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass das Industrieunfallrecht keine Umweltangelegenheit im Sinne der Aarhus Konvention darstellt. Ungeachtet dessen bestimmt die Aarhus Konvention in Art 9, dass jede Person bei Ablehnung oder ungenügender Beantwortung eines Antrags auf Umweltinformation Zugang zu einem Überprüfungsverfahren haben soll. Die gegenständliche Beschwerde lässt völlig offen, welche Umweltinformationen der Beschwerdeführerin vorenthalten worden sein sollten.
Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass eine entsprechende Antragslegitimation auf Änderung des Gefährdungsbereiches eines Seveso-Betriebes in der Gewerbeordnung 1994 nicht vorgesehen ist und daher die Zurückweisung des gegenständlichen Antrags durch die belangte Behörde zu Recht erfolgt ist. Eine allfällige Änderung des Gefährdungsbereiches wird daher die Gemeinde Z im Rahmen ihrer Raumordnungskompetenz wahrnehmen müssen.
V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.
Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Landesverwaltungsgericht Tirol
Mag. Piccolroaz
(Richter)
Schlagworte
Seveso-BetriebEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2018:LVwG.2018.40.2297.2Zuletzt aktualisiert am
19.11.2018