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L34006 Abgabenordnung Steiermark;Norm
KanalabgabenG Stmk 1955 §2 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Schattleitner, über die Beschwerden der Stadtgemeinde Köflach, vertreten durch Dr. M und D, Rechtsanwälte in B, gegen die Bescheide der Steiermärkischen Landesregierung je vom 13. Jänner 1999, Zlen. 1. 7-481-200/98-1, 2. 7-481-201/98-1 und
3. 7-481-199/98-2, sämtliche betreffend Kanalisationsbeitrag (mitbeteiligte Partei: F Gesellschaft m.b.H, vertreten durch Dr. W und Dr. K, Rechtsanwälte in H), zu Recht erkannt:
Spruch
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.
Das Land Steiermark hat der beschwerdeführenden Stadtgemeinde Aufwendungen in der Höhe von S 37.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit den (im zweiten Rechtsgang ergangenen) Abgabenbescheiden des Bürgermeisters der beschwerdeführenden Stadtgemeinde vom 4. Juli 1996 wurden der mitbeteiligten Partei einmalige Kanalisationsbeiträge gemäß § 2 in Verbindung mit § 4 Abs. 2 des Steiermärkischen Kanalabgabengesetzes 1955, LGBl. Nr. 71 (im folgenden Stmk KanalabgG), sowie gemäß den Gemeinderatsbeschlüssen vom 16. Dezember 1986 und vom 9. Dezember 1991 wie folgt vorgeschrieben:
1. mit dem zu K 2/88-1992 ergangenen Bescheid "für die auf den Grundstücken 40/1, .200, .210 gelegenen Objekte G-Platz 2, nunmehr LS-Gasse 21, 21a und 21b sowie K-Gasse 2" in der Höhe von
S 353.038,40.
2. mit dem zu K 2/67-1993 ergangenen Bescheid "für das auf dem Grundstück 210 gelegene Objekt mit der Anschrift H-Platz 12 sowie LS-Gasse 19 und K-Gasse 2" in der Höhe von S 134.623,06
3. mit dem zu K 2/87-1992 ergangenen Bescheid "für die auf dem Grundstück 39/3, 40/1, .200, .210 liegenden Objekte mit der Anschrift K-Gasse 2 sowie LS-Gasse 21, 21a und 21b" in der Höhe von
S 135.784,--.
Die mitbeteiligte Partei erhob gegen diese Bescheide Berufung. Darin machte sie geltend, dass die Baulichkeiten, für die die bekämpften Vorschreibungen erfolgt waren, bereits im Jahr 1950 an die Kanalisationsanlage der beschwerdeführenden Stadtgemeinde angeschlossen gewesen seien. Ein Neuanschluss liege nicht vor. Wenn es auch richtig sein möge, dass bislang kein einmaliger Kanalisationsbeitrag vorgeschrieben worden sei, so könne hieraus keine Abgabepflicht der mitbeteiligten Partei aus den den Vorschreibungen zugrunde liegenden, in den Jahren 1991 und 1992 durchgeführten Bauvorhaben abgeleitet werden. Spätestens mit Inkrafttreten des Stmk KanalabgG wäre die in Rede stehende Beitragspflicht entstanden. Gemäß § 5 Abs. 3 Stmk KanalabgG verjähre das Bemessungsrecht in vier Jahren nach Ablauf des Jahres, in dem der Anspruch entstanden sei. Hinsichtlich der zu K 2/88-1992 und zu K 2/87-1992 erfolgten Vorschreibungen machte die mitbeteiligte Partei überdies geltend, dass die diesen Vorschreibungen zugrundeliegenden Baulichkeiten schon zuvor einmal, nämlich im Jahr 1982 umgebaut worden seien, wobei auch der Verwendungszweck von dem einer industriellen Nutzung in jenen einer gewerblichen Nutzung geändert worden sei.
Wesentlich erscheine auch, dass im Zuge der den Anlaß der gegenständlichen Vorschreibung bildenden Umbauarbeiten, die in Ansehung der Vorschreibung K 2/67-1993 im Jahr 1992, in Ansehung der beiden anderen Vorschreibungen im Jahr 1991 vorgenommen worden seien, keine Änderung der Kanalanlage oder des Kanalanschlusses erfolgt sei. Hinsichtlich der zu K 2/88-1992 und zu K 2/87-1992 erfolgten Vorschreibungen wendete die mitbeteiligte Partei überdies ein, dass das Bemessungsrecht gemäß § 5 Abs. 3 Stmk KanalabgG selbst dann verjährt gewesen wäre, wenn man entgegen ihrer Auffassung davon ausginge, dass die im Jahr 1991 bewilligten Umbauarbeiten eine Pflicht zur Leistung eines Kanalisationsbeitrages ausgelöst hätten. Gemäß § 5 Abs. 3 Stmk KanalabgG hätte die Vorschreibung des einmaligen Kanalisationsbeitrages diesfalls bis spätestens 31. Dezember 1995 zu erfolgen gehabt.
Mit Bescheiden vom 18. August 1998 gab der Gemeinderat der beschwerdeführenden Stadtgemeinde den Berufungen der mitbeteiligten Partei gegen die Bescheide des Bürgermeisters der beschwerdeführenden Stadtgemeinde vom 4. Juli 1996 nicht Folge. Begründend führte die Berufungsbehörde aus, der mitbeteiligten Partei sei mit Bescheiden vom 2. Jänner 1991 (hinsichtlich der Vorschreibungen zu K 2/88-1992 und zu K 2/87-1992), bzw. vom 8. September 1992 (hinsichtlich der Vorschreibung zu K 2/67-1993) die Bewilligung zur Errichtung eines Um- und Ausbaues der ehemaligen Schuhfabrik zu Wohnzwecken erteilt worden. Diese Baubewilligungsbescheide seien in Rechtskraft erwachsen. Vor diesen Umbauten sei der diesbezügliche Gebäudekomplex nicht für Wohnzwecke genutzt worden. Hinsichtlich der mit Bescheiden vom 2. Jänner 1991 genehmigten Bauvorhaben seien mittlerweile auch Benutzungsbewilligungen erteilt worden. Nach Durchführung des mit Bescheid vom 8. September 1992 bewilligten Bauvorhabens seien auch die diesbezüglichen Objekte einer geänderten Nutzung als Wohneinheiten zugeführt worden. Die Berufungsbehörde vertrat die Auffassung, auf Grund der der mitbeteiligten Partei erteilten Baubewilligungen sei "der Konsens des alten Gebäudes untergegangen", sodass eine Neuerrichtung vorliege, welche die Abgabepflicht auslöse. Verjährung sei nicht eingetreten, weil bereits seit dem Jahr 1992 Tatbestände gesetzt worden seien, die eine Hemmung der Verjährungsfrist bewirkt hätten.
Die mitbeteiligte Partei erhob gegen diese Bescheide jeweils Vorstellung an die belangte Behörde. Diese gab mit den angefochtenen Bescheiden den in Rede stehenden Vorstellungen Folge, hob die Berufungsbescheide des Gemeinderates der beschwerdeführenden Stadtgemeinde auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an diese zurück, und zwar mit dem erstangefochtenen Bescheid hinsichtlich der zu K 2/88-1992, mit dem zweitangefochtenen Bescheid hinsichtlich der zu K 2/67-1993 und mit dem drittangefochtenen Bescheid hinsichtlich der zu K 2/87-1992 erfolgten Vorschreibung.
Begründend führte die belangte Behörde in den angefochtenen Bescheiden im Wesentlichen gleich lautend aus, es sei davon auszugehen, dass der Abgabentatbestand des § 2 Abs. 3 erster Satz erste Alternative Stmk KanalabgG ("anschlusspflichtige Neubauten"), nach dem Gesetzeswortlaut nur dann in Betracht komme, wenn tatsächlich eine Baulichkeit nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes neu errichtet werde. Als solche Neuerrichtung sei eine bloße Nutzungsänderung nicht anzusehen. Die in Rede stehende Liegenschaft mit dem (damals) darauf befindlichen Fabriksgebäude sei bereits im Jahre 1950 an die öffentliche Kanalanlage der beschwerdeführenden Stadtgemeinde angeschlossen gewesen. Ein Erhebungsanspruch auf Grund des Stmk KanalabgG sei bereits im Jahre 1962 durch Inkrafttreten einer entsprechenden Verordnung der beschwerdeführenden Stadtgemeinde entstanden. Dieser wäre jedenfalls verjährt. Die Erhebung eines einmaligen Kanalisationsbeitrages nach den vorzitierten Rechtsvorschriften für ein- und dieselbe Liegenschaften komme grundsätzlich nicht mehrmals in Betracht. Für die Zu-, Auf-, Ein- und Umbauten von Baulichkeiten schaffe das Gesetz in § 4 Abs. 4 ausdrücklich eine Ausnahme. Die dort geregelte ergänzende Beitragspflicht entstehe jedoch nur dann, wenn durch den Umbau Flächen neu verbaut bzw. Geschosse neu errichtet würden. Die Möglichkeit, bei Umbauten einen ergänzenden Kanalisationsbeitrag nach der neu verbauten Fläche einzuheben, bedeute aber nicht, dass bei jedem Umbau eine ergänzende Kanalabgabe vorgeschrieben werden könne. Sofern hiedurch keine neue Fläche, die noch nicht bei der Abgabenvorschreibung zu berücksichtigen gewesen sei, geschaffen werde, komme § 4 Abs. 4 Stmk KanalabgG nicht zur Anwendung. Damit entziehe sich aber auch die Frage der Verwirklichung des alternativen Tatbestandes des § 4 Abs. 4 in Verbindung mit § 2 Abs. 3 erster Satz Stmk KanalabgG einer Überprüfung durch die erkennende Behörde.
Dazu komme jedoch noch Folgendes:
Beim Kanalisationsbeitrag handle es sich, wie aus § 8 Abs. 1 Stmk KanalabgG ersichtlich sei, um eine einheitliche Abgabe. Ihre Festsetzung habe in einem einheitlichen Bescheid zu erfolgen. Eine "Teilrechtskraft der gegenständlichen Kanalabgabe" sei prinzipiell auszuschließen. Der Kanalisationsbeitrag sei für eine bestimmte Liegenschaft insgesamt festzusetzen. Die bekämpften Berufungsbescheide der beschwerdeführenden Stadtgemeinde behandelten als Sache jedoch die Festsetzung von Kanalisationsbeiträgen in verschiedener Höhe für zumindest teilweise idente Liegenschaften. Durch diese aus einer Verkennung der Rechtslage resultierende Mangelhaftigkeit des Abgabenverfahrens sei die mitbeteiligte Partei in ihren Rechten verletzt.
Da nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gegenüber einer Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgehe, seien die angefochtenen Bescheide aus den erstangeführten Gründen wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufzuheben gewesen.
Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden vor dem Verwaltungsgerichtshof. Die beschwerdeführende Stadtgemeinde erachtet sich in ihrem gesetzlich gewährleisteten Recht "auf rechtsrichtige Anwendung der Bestimmungen des Kanalabgabengesetzes 1955 auf den konkreten Anlassfall, insbesondere der Bestimmungen der §§ 4 und 8 des KanalabgG 1955" verletzt. Damit bezeichnet die mitbeteiligte Stadtgemeinde erkennbar als Beschwerdepunkt ihr Recht, nicht durch eine sie belastende unrichtige Rechtsauffassung der Vorstellungsbehörde gebunden zu werden. Die beschwerdeführende Stadtgemeinde macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag geltend, die angefochtenen Bescheide aus diesen Gründen aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete Gegenschriften, in denen sie die Abweisung der Beschwerden beantragte.
Auch die mitbeteiligte Partei erstattete Gegenschriften, in denen die Abweisung der Beschwerden beantragt wurde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres persönlichen, sachlichen und rechtlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Beschwerden erwogen:
§ 2 Abs. 1, 2 und 3, § 4 Abs. 1, 2 und 4, § 5 Abs. 1 und § 8 Abs. 1 und 2 Stmk KanalabgG lauten (auszugsweise):
"Gegenstand der Abgabe.
§ 2.
(1) Der Kanalisationsbeitrag ist einmalig für alle Liegenschaften im Gemeindegebiete zu leisten, für welche eine gesetzliche Anschlusspflicht an das bereits bestehende öffentliche Kanalnetz besteht, ohne Rücksicht darauf, ob sie an das Kanalnetz tatsächlich angeschlossen sind oder nicht.
(2) Bei Neulegung öffentlicher Kanäle ist der einmalige Kanalisationsbeitrag für alle anschlusspflichtigen Liegenschaften ohne Rücksicht auf ihren tatsächlichen Anschluss zu leisten. ...
(3) Bei anschlusspflichtigen Neubauten und bei Zu-, Auf-, Ein- und Umbauten in anschlusspflichtigen Baulichkeiten nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes entsteht die Beitragspflicht mit der erstmaligen Benützung der Baulichkeit oder ihrer Teile. Bei Wiedererrichtung einer zerstörten, abgetragenen oder beschädigten Baulichkeit ist der Kanalisationsbeitrag nur insoweit zu leisten, als das wiedererrichtete Bauwerk die Ausmaße des früheren überschreitet.
...
Ausmaß.
§ 4.
(1) Die Höhe des Kanalisationsbeitrages bestimmt sich aus dem mit der verbauten Grundfläche (in Quadratmetern) mal Geschoßanzahl vervielfachten Einheitssatz (Abs. 2), wobei Dachgeschosse und Kellergeschosse je zur Hälfte eingerechnet werden; ...
(2) Der Einheitssatz ist vom Gemeinderat in der Kanalabgabenordnung (§ 7) nach den durchschnittlichen, ortsüblichen Baukosten je Meter der Kanalanlage höchstens bis zu 5 v.H. dieser Baukosten für den Meter festzusetzen. ...
....
(4) Bei Zu-, Auf-, Ein- und Umbauten von Baulichkeiten, für welche bereits ein Kanalisationsbeitrag entrichtet wurde, sind der Berechnung des ergänzenden Kanalisationsbeitrages (Ergänzungsbeitrag) lediglich die neu verbaute Fläche und die neu errichteten Geschosse zugrunde zu legen. ...
Abgabepflichtiger, Fälligkeit und Verjährung.
§ 5.
(1) Zur Entrichtung des einmaligen Kanalisationsbeitrages ist der Eigentümer der anschlusspflichtigen Liegenschaft, sofern dieser aber mit dem Bauwerkseigentümer nicht identisch ist, der Eigentümer der anschlusspflichtigen Baulichkeit verpflichtet.
...
Abgabenbescheid.
§ 8.
(1) Der Kanalisationsbeitrag ist im Einzelfall auf Grund dieses Gesetzes und der Kanalabgabenordnung der Gemeinde vom Bürgermeister in einem Abgabenbescheid festzusetzen, wobei die von der Baubehörde genehmigten Baupläne als Grundlage für die Berechnung der verbauten Grundfläche und der Geschossanzahl dienen.
(2) Der Abgabenbescheid hat zu enthalten:
a)
den Namen und die Anschrift des Abgabepflichtigen;
b)
die gesetzlichen Bestimmungen und den Beschluss des Gemeinderates, auf die sich die Vorschreibung stützt;
c)
die Höhe des einmaligen Kanalisationsbeitrages (der Kanalbenützungsgebühr);
d)
die gewährten Teilzahlungen;
e)
die Zahlungsfrist;
f)
die Berechnungsgrundlagen, aus denen sich die Höhe der Abgabe ergibt, und
g)
die Rechtsmittelbelehrung.
..."
§ 5 Abs. 3 Stmk. KanalabgG sah eine Verjährung des Bemessungsrechtes in vier Jahren nach Ablauf des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist, vor. Diese Bestimmung wurde durch
§ 244 lit. h Stmk LAO aufgehoben (vgl. LGBl. Nr. 158/1963 und LGBl. Nr. 63/1965).
§ 156 und § 157 Stmk LAO lauten (auszugsweise):
"§ 156
(1) Das Recht, eine Abgabe festzusetzen, unterliegt nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen der Verjährung.
(2) Die Verjährungsfrist beträgt fünf Jahre, bei hinterzogenen Abgaben zehn Jahre. ...
§ 157
Die Verjährung beginnt
a) in den Fällen des § 156 Abs. 2 mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist; ..."
Der Schwerpunkt der Ausführungen der beschwerdeführenden Stadtgemeinde vor dem Verwaltungsgerichtshof liegt darin, darzulegen, dass es sich, entgegen der Auffassung der belangten Behörde, bei den der Abgabenvorschreibung zugrundeliegenden Bautätigkeiten der mitbeteiligten Partei um die Errichtung eines anschlusspflichtigen Neubaues im Sinne des § 2 Abs. 3 erster Fall Stmk KanalabgG gehandelt habe. Diese Frage kann aber vorliegendenfalls dahingestellt bleiben, weil die angefochtenen Bescheide sich aus folgenden Überlegungen als rechtswidrig erweisen:
Unstrittig ist, dass es sich bei den in den Jahren 1991 und 1992 bewilligten und auch durchgeführten Bautätigkeiten zumindest um "Umbauten" in anschlusspflichtigen Baulichkeiten gehandelt hat.
Die belangte Behörde vertrat freilich die Auffassung, ein Umbau in einer anschlusspflichtigen Baulichkeit könne lediglich den Tatbestand für die Leistung eines Ergänzungsbeitrages im Sinne des § 4 Abs. 4 Stmk KanalabgG bilden, somit nur dann, wenn die verbaute Fläche erweitert oder neue Geschosse errichtet würden.
Diese Auffassung ist unzutreffend. § 2 Abs. 3 Stmk KanalabgG nennt als Abgabentatbestand für die Leistung eines einmaligen Kanalisationsbeitrages ausdrücklich die Durchführung von Umbauten in anschlusspflichtigen Baulichkeiten nach dem Inkrafttreten des Gesetzes. Diesfalls entsteht die Beitragspflicht mit der erstmaligen Benützung der Baulichkeit oder ihrer Teile (nach dem Umbau). Damit ist zunächst gesagt, dass der Umbau in einer anschlusspflichtigen Baulichkeit die Pflicht zur Leistung des einmaligen Kanalisationsbeitrages, und zwar in dem in § 4 Stmk KanalabgG festgelegten Ausmaß, auslöst.
Dieses Ausmaß bestimmt sich grundsätzlich nach § 4 Abs. 1 Stmk KanalabgG. § 4 Abs. 4 Stmk KanalabgG stellt lediglich eine Ausnahmebestimmung für die Berechnung der Höhe des Kanalisationsbeitrages für den Fall dar, dass Umbauten in Baulichkeiten, für welche bereits ein Kanalisationsbeitrag entrichtet wurde, durchgeführt werden. Nur diesfalls reduziert sich der aus Anlass der Verwirklichung des Abgabentatbestandes des Umbaues in anschlusspflichtigen Baulichkeiten nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zu leistende Kanalisationsbeitrag auf das in § 4 Abs. 4 Stmk KanalabgG genannte Ausmaß. Er wird dann als ergänzender Kanalisationsbeitrag (Ergänzungsbeitrag) bezeichnet.
Die Voraussetzungen dafür, den Kanalisationsbeitrag anlässlich des hier gegenständlichen Umbaues bloß im Ausmaß des § 4 Abs. 4 Stmk KanalabgG vorzuschreiben, scheinen aber nicht vorzuliegen, räumte die mitbeteiligte Partei doch in ihren Berufungen selbst ein, noch nie einen einmaligen Kanalisationsbeitrag für die in Rede stehenden Baulichkeiten (vor dem Umbau) entrichtet zu haben. Damit wäre aber anlässlich der Verwirklichung des Abgabentatbestandes durch die gegenständlichen Umbauten die Abgabe im Ausmaß des § 4 Abs. 1 Stmk KanalabgG vorzuschreiben.
Die von der belangten Behörde vertretene Auffassung, anlässlich eines Umbaues komme lediglich die Vorschreibung eines Ergänzungsbeitrages in Betracht, führte nach dem Wortlaut des § 4 Abs. 4 Stmk KanalabgG zu dem sinnwidrigen Ergebnis, dass in Ermangelung einer vorangegangenen Entrichtung des Kanalisationsbeitrages nicht einmal ein Ergänzungsbeitrag für neu verbaute Flächen und neu errichtete Geschosse vorzuschreiben wäre, weil die in dieser Bestimmung umschriebene Voraussetzung der bereits erfolgten Entrichtung eines Kanalisationsbeitrages fehlen würde. Eine derartige Auslegung wäre aber mit dem Gesetzeszweck nicht zu vereinbaren.
Der hier vertretenen Interpretation steht auch § 2 Abs. 3 letzter Satz Stmk KanalabgG nicht entgegen, wonach bei Wiedererrichtung einer zerstörten, abgetragenen oder beschädigten Baulichkeit der Kanalisationsbeitrag nur insoweit zu leisten ist, als das wiedererrichtete Bauwerk die Ausmaße des früheren überschreitet. In verfassungskonformer Interpretation dieser Bestimmung wäre nämlich die Privilegierung einer Wiedererrichtung im bisherigen Ausmaß jedenfalls davon abhängig, dass für die in Rede stehende Baulichkeit schon einmal ein Kanalisationsbeitrag geleistet worden wäre (vgl. zur ähnlichen Rechtslage gemäß § 6a Stmk BauO 1968 die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom 4. März 1997, Slg. Nr. 14.779, und des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Dezember 1997, Zl. 97/17/0230).
Schließlich stünde es der durch den Gemeinderat der beschwerdeführenden Stadtgemeinde vorgenommenen Abgabenbemessung auch nicht entgegen, wenn während der Geltungsdauer des Stmk KanalabgG schon vor der den Anlass der Vorschreibung bildenden Verwirklichung des Abgabentatbestandes ein- oder mehrmals Abgabentatbestände nach diesem Gesetz verwirklicht worden wären, es sei denn, diese Abgabentatbestände hätten bereits zur Entrichtung der Abgabe geführt. Dies hat auch für eine Verwirklichung des Abgabentatbestandes des "Umbaues in anschlusspflichtigen Baulichkeiten" anlässlich eines früheren, nach den Behauptungen der mitbeteiligten Partei im Jahr 1982 erfolgten, Umbaues zu gelten. Die in § 2 Abs. 3 Stmk KanalabgG vorgesehene Beitragspflicht knüpft nämlich nicht an die erstmalige Durchführung eines Neu-, Zu-, Auf-, Ein- oder Umbaues, sondern an die Durchführung solcher Bauvorhaben schlechthin an.
Eine Vorschreibung des Kanalisationsbeitrages anlässlich eines Umbaues, in dessen Zuge keine Erweiterung der verbauten Fläche und keine Neuerrichtung von Geschossen erfolgt, wäre gemäß § 2 Abs. 1 Stmk KanalabgG nur dann ausgeschlossen, wenn anlässlich der Verwirklichung eines vorangegangenen Abgabentatbestandes ein solcher Beitrag auch bereits tatsächlich geleistet worden wäre. Dies ist aber bei der mitbeteiligten Partei nicht der Fall gewesen. Damit verstoßen die in Rede stehenden Vorschreibungen durch die Abgabenbehörde auch nicht gegen den Grundsatz der "Einmalbesteuerung", und zwar selbst dann nicht, wenn das Recht, die Abgabe aus Anlass der Verwirklichung vorangegangener Abgabentatbestände zu bemessen, verjährt gewesen sein mag (vgl. auch in diesem Zusammenhang das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 4. März 1997, Slg. Nr. 14.779).
Indem die belangte Behörde in Verkennung dieser Rechtslage die Auffassung vertrat, anlässlich der hier vorgenommenen Umbauten in den Jahren 1991 und 1992 käme, auch wenn die mitbeteiligte Partei noch nie einen Kanalisationsbeitrag entrichtet hätte, nur die Vorschreibung einer Ergänzungsabgabe im Falle des Neuverbaues von Flächen oder der Neuerrichtung von Geschossen in Betracht, belastete sie die angefochtenen Bescheide mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit und verletzte die beschwerdeführende Stadtgemeinde in dem als Beschwerdepunkt bezeichneten Recht.
Schon aus diesen Gründen waren die angefochtenen Bescheide gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufzuheben.
Für das fortgesetzte Verfahren ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass nach dem bisherigen Vorbringen der mitbeteiligten Partei eine Verjährung des Bemessungsrechtes aus Anlass der in den Jahren 1991 und 1992 durchgeführten Bauarbeiten nicht eingetreten ist. Der von den mitbeteiligten Parteien in diesem Zusammenhang ins Treffen geführte § 5 Abs. 3 Stmk KanalabgG ist bereits durch die Novelle LGBl. Nr. 158/1963 außer Kraft getreten.
Gemäß §§ 156, 157 Stmk LAO beträgt die Frist für die Bemessungsverjährung fünf Jahre. Sie beginnt mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist, vorliegendenfalls auf Basis der Behauptungen der mitbeteiligten Partei also mit Ablauf der Jahre 1991 bzw. 1992. Anlässlich der Abgabenbemessung mit den erstinstanzlichen Bescheiden vom 4. Juli 1996 war daher die Frist für die Bemessungsverjährung noch nicht abgelaufen. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob die im ersten Rechtsgang ergangenen Abgabenbescheide (deren Adressierung unzureichend gewesen ist) schon eine Unterbrechung der Verjährungsfrist gemäß § 158 Stmk LAO herbeigeführt haben oder nicht.
Im Hinblick auf die inhaltliche Rechtswidrigkeit der Hauptbegründungen der aufhebenden Vorstellungsbescheide kann es dahingestellt bleiben, ob es sich auch bei den Ausführungen in diesen Bescheiden betreffend die Pflicht, den Kanalisationsbeitrag bezogen auf eine bestimmte Liegenschaft festzusetzen, um tragende Gründe der aufhebenden Vorstellungsentscheidungen handelt oder ob dies, wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift meint, nicht der Fall ist.
Für das fortgesetzte Verfahren ist jedoch festzuhalten, dass gegen die Vorschreibung des einmaligen Kanalisationsbeitrages anlässlich eines Umbaues in anschlusspflichtigen Baulichkeiten pro Baulichkeit und nicht pro Liegenschaft keine Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes bestehen, falls die Baulichkeit, für die die Vorschreibung erfolgt, hinreichend individualisiert ist.
Zwar spricht § 2 Abs. 1 Stmk KanalagbG davon, dass der Kanalisationsbeitrag einmalig für alle Liegenschaften im Gemeindegebiet zu leisten ist. Schon die Bestimmung des § 5 Abs. 1 Stmk KanalabgG, wonach bei mangelnder Identität des Liegenschafts- und Bauwerkseigentümers dem Letzteren vorzuschreiben ist, zeigt jedoch, dass dem Gesetz eine Vorschreibung des Kanalisationsbeitrages je Baulichkeit nicht fremd ist. Die Umschreibung des Abgabentatbestandes des Umbaues in anschlusspflichtigen Baulichkeiten gemäß § 2 Abs. 3 Stmk KanalabgG legt ebenfalls nahe, dass anlässlich der Verwirklichung eines solchen Abgabentatbestandes die Vorschreibung bezogen auf die umgebaute Baulichkeit zu erfolgen hat. Noch deutlicher zeigt sich dieses Ergebnis an § 4 Abs. 4 Stmk KanalabgG, in dem von Baulichkeiten die Rede ist, für welche bereits ein Kanalisationsbeitrag entrichtet wurde. Die Entrichtung eines Kanalisationsbeitrages für eine Baulichkeit setzt aber auch voraus, dass ein solcher für die Baulichkeit vorgeschrieben wurde. Da sich auch dem § 8 Stmk KanalabgG nichts Gegenteiliges entnehmen lässt, erweist sich eine Vorschreibung des Kanalisationsbeitrages anlässlich von Umbauten in anschlusspflichtigen Baulichkeiten je Baulichkeit als unbedenklich.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Der begehrte Ersatz von Stempelgebührenaufwand wurde nicht zuerkannt, weil die beschwerdeführende Stadtgemeinde gemäß § 2 Z. 2 des Gebührengesetzes 1957, BGBl. 267/1957 im Zusammenhang mit der gegenständlichen Beschwerdeführung von der Gebührenentrichtung befreit ist.
Wien, am 18. Oktober 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1999170125.X00Im RIS seit
20.11.2000