TE Bvwg Erkenntnis 2018/7/27 W105 2156019-2

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Veröffentlicht am 27.07.2018
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Entscheidungsdatum

27.07.2018

Norm

AsylG 2005 §5
BFA-VG §21 Abs3 Satz1
B-VG Art.133 Abs4
FPG §61

Spruch

W105 2156019-2/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. BENDA über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.08.2017, Zl. 1052786707/150229078, zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird gemäß § 21 Abs. 3 erster Satz BFA-VG

stattgegeben, das Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz wird zugelassen und der bekämpfte Bescheid wird behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation, gelangte illegal in das österreichische Bundesgebiet und stellte am 03.03.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Zu seiner Person liegt eine EURODAC-Treffermeldung hinsichtlich Asylantragstellungen vom 19.04.2013 in Deutschland und am 15.04.2013 in Polen vor.

Im Verlauf seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes vom 11.03.2015 brachte der Beschwerdeführer vor, an keinerlei Krankheiten oder gesundheitlichen Beschwerden zu leiden. Bezüglich verwandtschaftlicher Anknüpfungspunkte erklärte der Beschwerdeführer, dass in Österreich seine drei Schwestern, zwei Onkel und ein Cousin leben würden. Er sei im April 2013 über Weißrussland nach Polen gereist, von wo aus er nach 2 bis 3 Tagen nach Deutschland gereist sei, wo er einen Asylantrag gestellt habe. Da ihm seine Abschiebung nach Russland gedroht habe, sei er selbst nach Russland zurückgekehrt und habe sich dort bis 11.02.2015 aufgehalten. Schließlich sei er mittels eines Schleppers nach Österreich gereist. In Deutschland habe er zwar Angst wegen seiner Abschiebung gehabt, es sei in Deutschland jedoch sehr gut gewesen. Er wolle nicht nach Deutschland.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: "BFA") richtete zunächst am 16.03.2015 ein auf Art. 34 der Verordnung (EU) 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (im Folgenden: "Dublin III-VO") gestütztes Informationsersuchen an Deutschland.

Das BFA richtete gleichzeitig am 16.03.2015 ebenso ein auf Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Polen.

Mit Schreiben vom 27.03.2015 teilten die deutschen Behörden gemäß Art. 34 Dublin III-VO mit, dass der Beschwerdeführer am 25.04.2013 in Deutschland einen Asylantrag gestellt habe und Polen einem Übernahmeersuchen am 19.11.2013 zugestimmt habe, der Beschwerdeführer jedoch seit 08.12.2014 unbekannten Aufenthaltes gewesen sei. Der Beschwerdeführer verfüge in Deutschland über den Status des Asylberechtigten.

Mit Schreiben vom 30.03.2015 erklärten die polnischen Behörden, dass Deutschland ursprünglich ein Wiederaufnahmeersuchen an Polen am 04.11.2013 gestellt habe, welchem Polen am 13.11.2013 zugestimmt habe. Aufgrund des Umstandes, dass die Überstellung des Beschwerdeführers nicht fristgerecht erfolgt sei, liege die Zuständigkeit zur Führung des Asylverfahrens nunmehr bei Deutschland.

Am 31.03.2016 erfolgte die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem BFA im Beisein eines Rechtsberaters nach durchgeführter Rechtsberatung. Nach Vorhalt seiner Angaben zur Reisebewegung in der Erstbefragung gab er an, dass er im Jahre 2015 von Deutschland nach Russland gereist sei und sich vier Monate in Kiew aufgehalten habe. Er sei über ein Jahr in Deutschland gewesen und habe einen negativen Bescheid erhalten, sodass er das Land verlassen habe müssen. Nach Vorhalt, dass den mit Polen und Deutschland geführten Konsultationen zufolge Polen seine Übernahme abgelehnt habe, aber er in Deutschland subsidiären Schutz erhalten hätte und seine Ausweisung nach Deutschland vorgesehen sei, gab der Beschwerdeführer an, dass er nicht nach Deutschland wolle, da er furchtbare Angst vor dem Mann habe, der ihn fast umgebracht hätte, ungestraft geblieben wäre und nach wie vor in Deutschland lebe.

Mit Schreiben des Bundespolizeipräsidiums vom 30.09.2016 teilte Deutschland mit, dass für den Beschwerdeführer zu keiner Zeit ein Flüchtlingsschutz in der Bundesrepublik Deutschland bestanden hat.

Mit Schreiben vom 02.12.2016 teilten die deutschen Behörden gemäß Art. 34 Dublin III-VO mit, dass der Vermerk des positiven Abschlusses des Asylverfahrens im Formblatt vom 27.03.2015 auf einen Tippfehler zurückzuführen und daher irrtümlich erfolgt sei.

Das BFA richtete sodann am 20.12.2016 ein auf Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Deutschland.

Mit Schreiben vom 27.12.2016, beim BFA am selben Tag eingelangt, stimmten die deutschen Behörden diesem Ersuchen gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO ausdrücklich zu.

Am 28.02.2017 erfolgte die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem BFA. Nach Vorhalt, dass mit Deutschland Konsultationen geführt worden seien und Deutschland seiner Übernahme zugestimmt habe, sodass seine Ausweisung nach Deutschland beabsichtigt sei, gab er an, dass er in Deutschland etwa ein Jahr gewesen sei und einen negativen Bescheid erhalten habe. Er sei nunmehr länger in Österreich und verstehe nicht ganz, weshalb er nach Deutschland solle.

Der Beschwerdeführer wurde im Rahmen des Zulassungsverfahren am 23.03.2017 einer ärztlichen Untersuchung durch eine medizinische Sachverständige unterzogen, die in ihrer gutachterlichen Stellungnahme vom 30.03.2017 zum Ergebnis gekommen ist, dass beim Beschwerdeführer eine belastungsabhängige krankheitswertige psychische Störung vorliegt. Konkret wurde seitens der medizinischen Sachverständigen als Schlussfolgerung ausgeführt:

"Es zeigen sich Symptome, die den Verdacht auf eine Traumafolgestörung (Thema Verletzung in Deutschland) F 43.1 ergeben. Weiters besteht der Verdacht auf eine Persönlichkeitsveränderung/-akzentuierung mit anhaltendem Leeregefühl und Impulsivität. F 62.0 aufgrund früher Entwicklungsdefizite. Differentialdiagnose: Depression F 32.1"

Die Frage, ob therapeutische und medizinische Maßnahmen anzuraten seien, wurde bejaht. Hinsichtlich der Frage, welche Auswirkungen eine Überstellung auf den psychischen und physischen Zustand nach sich ziehen würde, wurde ausgeführt, dass eine Verschlechterung nicht auszuschließen sei, da in Deutschland der Überfall auf ihn verübt worden sei. Eine akute Suizidalität besteht derzeit nicht, der AW (gemeint: Beschwerdeführer) benötigt jedoch Psychotherapie am jeweiligen Aufenthaltsort.

2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.04.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Deutschland für die Prüfung des Antrages gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge eine Abschiebung nach Deutschland gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Der Antrag auf internationalen Schutz sei zurückzuweisen, weil gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO Deutschland für die Prüfung des Antrages zuständig sei. Hinsichtlich der behaupteten Rückreise nach Russland sei auszuführen, dass diese Behauptung nicht durch die Vorlage von etwaigen Belegen untermauert worden und daher nicht glaubwürdig sei, zumal Deutschland dem Wiederaufnahmeersuchen nicht zugestimmt hätte, wenn die angebliche freiwillige Rückreise nach Russland tatsächlich erfolgt wäre. Ein im besonderen Maße substantiiertes, glaubhaftes Vorbringen, betreffend das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, welche die Gefahr einer Verletzung der EMRK im Falle einer Überstellung der beschwerdeführenden Partei ernstlich für möglich erscheinen lassen würden, sei im Verfahren nicht erstattet worden. Es könne nicht festgestellt werden, dass im Falle des Beschwerdeführers eine derart schwere psychische Störung vorliege, sodass eine Überstellung nach Deutschland für ihn unzumutbar sei. Es könne in seinem Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG sei nicht erschüttert worden und es habe sich kein Anlass zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO ergeben. Es seien auch weder schützenswerte familiäre, noch besondere private Anknüpfungspunkte in Österreich gegeben, weshalb die Außerlandesbringung keinen ungerechtfertigten Eingriff in das Grundrecht nach Art. 8 EMRK darstelle.

Der Bescheid wurde dem Antragsteller nachweislich am 21.04.2017 durch persönliche Ausfolgung zugestellt.

3. Gegen den Bescheid richtet sich die am 04.05.2017 eingebrachte Beschwerde, in welcher der Antragsteller im Wesentlichen geltend machte, die behördliche Entscheidung vollinhaltlich anzufechten. Er habe bereits angegeben, dass er von Deutschland aus in die Russische Föderation zurückgekehrt sei und sich dort vier Monate aufgehalten habe. Sollte die belangte Behörde die Glaubhaftigkeit seiner Angaben in Zweifel ziehen, wäre es notwendig gewesen, diesbezüglich Ermittlungen anzustellen. Er lege zum Beweis seiner Angaben Zugtickets vor. Aufgrund seines drei Monate übersteigenden Aufenthaltes außerhalb des Hoheitsgebietes der Europäischen Union sei Deutschland nicht länger zur Führung seines Asylverfahrens zuständig. Beantragt wurde überdies, seiner Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Vorgelegt wurden mit der Beschwerde zwei auf den Namen des Beschwerdeführers ausgestellte Zugtickets.

4. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.05.2017 wurde der Beschwerde gemäß Art. 17 Abs. 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

5. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.06.2017, Zl. W105 2156019-1/3E, wurde der Beschwerde gemäß § 21 Abs. 3 2. Satz BFA-VG stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.

Begründend wurde seitens des Bundesverwaltungsgerichts zusammengefasst ausgeführt, dass vor dem Hintergrund der Behauptung des Beschwerdeführers, über drei Monate in Russland und damit außerhalb des Hoheitsgebietes der Europäischen Union gewesen zu sein, ein möglicher Erlöschenstatbestand betreffend die Zuständigkeit Deutschlands eingetreten sein könnte und im gegenständlichen Fall auch angesichts der vom Beschwerdeführer vorgelegten Beweismittel (Zugfahrkarten) der entscheidungsrelevante Sachverhalt seitens der belangten Behörde nicht ermittelt worden wäre.

6. Mit E-Mail vom 22.06.2017 wurde Deutschland seitens der österreichischen Dublin-Behörde mitgeteilt, dass der Beschwerde des Beschwerdeführers seitens des Bundesverwaltungsgerichtes die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden wäre. Unter einem wurde Deutschland darüber informiert, dass der angefochtene Bescheid mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.06.2017 behoben worden wäre und die Überstellungsfrist mit dieser Entscheidung daher neu zu laufen begonnen habe.

7. Mit Schreiben vom 11.07.2017 ersuchte die österreichische Dublin-Behörde Deutschland um die Mitteilung, ob die Zustimmung zur Übernahme des Beschwerdeführers vom 27.12.2016 noch aufrecht wäre.

8. Mit Schreiben vom 17.07.2017 informierte Deutschland Österreich darüber, dass die Zustimmung zur Wiederaufnahme des Beschwerdeführers noch Bestand habe und die Überstellungsfrist am 26.12.2017 ende.

9. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 20.08.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Deutschland für die Prüfung des Antrages gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge eine Abschiebung nach Deutschland gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Begründend wurde zusammenfassend ausgeführt, dass trotz der gesundheitlichen Beschwerden des Beschwerdeführers (belastungsabhängige krankheitswertige Störung) keine Hinweise dafür vorliegen würden, dass im Falle der Überstellung des Beschwerdeführers nach Deutschland dessen Rechte gemäß Art. 3 EMRK verletzt wären. Die Zuständigkeit Deutschlandes zur Führung seines Asylverfahrens stünde gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO fest und habe Deutschland seiner Übernahem zugestimmt. Die im Rahmen des Konsultationsverfahrens seitens Deutschlandes erteilte Zustimmung zu seiner Übernahme sei nach wie vor aufrecht und wäre das Ende der Überstellungsfrist vor dem Hintergrund der behebenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes mit 26.12.2017 datiert. Die vom Beschwerdeführers aufgestellte Behauptung bezüglich seines drei Monate übersteigenden Aufenthaltes außerhalb des Hoheitsgebietes der Europäischen Union erweise sich bei einer Gesamtbetrachtung trotz der vorgelegten Beweismittel als unglaubwürdig, sodass keine Hinweise dafür gegeben wären, dass zwischenzeitig die Zuständigkeit Deutschlandes zur Führung des Asylverfahrens erloschen wäre.

10. Gegen diesen Bescheid richtet sich die am 04.09.2017 per Telefax fristgerecht eingebrachte Beschwerde.

11. Die Beschwerdevorlage und der Verwaltungsakt langten beim Bundesverwaltungsgericht am 07.09.2017 ein.

12. Mit Schriftsatz vom 05.10.2017 brachte der Beschwerdeführer ergänzend vor, dass die Erwägungen der belangten Behörde, womit diese seiner Behauptung betreffend seinen über dreimonatigen Aufenthalt außerhalb der Europäischen Union die Glaubwürdigkeit abspreche, nicht schlüssig seien. Die belangte Behörde habe daher kein ordentliches Ermittlungsverfahren durchgeführt, weshalb beantragt werde, den angefochtenen Bescheid zu beheben und das Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz zuzulassen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der oben dargestellte Verfahrensgang wird als entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt.

Aufgrund des österreichischen Wiederaufnahmegesuchs vom 20.12.2016 stimmten die deutschen Behörden gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO am 27.12.2016 der Wiederaufnahme des Beschwerdeführers ausdrücklich zu.

Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.05.2017, W105 2156019-1/2Z, wurde der Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.04.2017, womit der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen wurde, die aufschiebende Wirkung gewährt.

Mit am 19.06.2017 zugestelltem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.06.2017, Zl. W105 2156019-1/3E, wurde der Beschwerde gemäß § 21 Abs. 3 2. Satz BFA-VG stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.

Mit Schreiben vom 17.07.2017 informierte Deutschland Österreich darüber, dass die Zustimmung zur Wiederaufnahme des Beschwerdeführers noch Bestand habe und die Überstellungsfrist am 26.12.2017 ende.

Die Überstellung des Beschwerdeführers ist nicht innerhalb der in Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO festgelegten Frist von sechs Monaten erfolgt. In casu hat die sechsmonatige Frist ab der Zustellung des aufhebenden Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.06.2017, dh. mit dem 19.06.2017, neu zu laufen begonnen und ist die Frist daher mit Ablauf des 19.12.2017 abgelaufen. Es sind in casu keine Voraussetzungen für eine Verlängerung der Überstellungsfrist vorgelegen. Die Zuständigkeit zur Prüfung des vorliegenden Antrages auf internationalen Schutz ist daher auf Österreich als den ersuchenden Mitgliedstaat übergegangen.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Verfahrensgang ergeben sich aus dem Verwaltungsakt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine (Verfahrens-)bestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG 2005 und im FPG bleiben unberührt.

Zu A) Stattgebung der Beschwerde und Zulassung des Antrages auf internationalen Schutz:

3.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) idgF lauten:

"§ 5. (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin - Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.

(2) [...]

(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

§ 10. (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

3.-5. [...]

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

(2)-(3) [...]"

3.2. § 9 Abs. 1 und 2 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idgF lautet:

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist."

§ 16 BFA-VG lautet:

"§ 16. (1) Die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen einen Bescheid des Bundesamtes beträgt in den Fällen des § 3 Abs. 2 Z 7 zwei Wochen, sofern nichts anderes bestimmt ist. § 7 Abs. 4 erster Satz Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 ist, sofern es sich bei dem Fremden im Zeitpunkt der Bescheiderlassung nicht um einen unbegleiteten Minderjährigen handelt, diesfalls nicht anwendbar.

(2) Einer Beschwerde gegen eine Entscheidung, mit der

1. ein Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird und diese mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbunden ist,

2. ein Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird und eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung bereits besteht oder

3. eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 Z 2 FPG erlassen wird,

sowie einem diesbezüglichen Vorlageantrag kommt die aufschiebende Wirkung nicht zu, es sei denn, sie wird vom Bundesverwaltungsgericht zuerkannt.

(3) Wird gegen eine zurückweisende oder abweisende Entscheidung im Familienverfahren gemäß dem 4. Abschnitt des 4. Hauptstückes des AsylG 2005 auch nur von einem betroffenen Familienmitglied Beschwerde erhoben, gilt diese auch als Beschwerde gegen die die anderen Familienangehörigen (§ 2 Z 22 AsylG 2005) betreffenden Entscheidungen; keine dieser Entscheidungen ist dann der Rechtskraft zugänglich. Allen Beschwerden gegen Entscheidungen im Familienverfahren kommt aufschiebende Wirkung zu, sobald zumindest einer Beschwerde im selben Familienverfahren aufschiebende Wirkung zukommt.

(4) Kommt einer Beschwerde gegen eine Entscheidung, mit der ein Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen oder abgewiesen wurde, oder mit der eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 Z 2 FPG erlassen wurde, die aufschiebende Wirkung nicht zu, ist diese durchsetzbar. Mit der Durchführung der mit einer solchen Entscheidung verbundenen aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der die bereits bestehende Rückkehrentscheidung umsetzenden Abschiebung ist bis zum Ende der Rechtsmittelfrist, wird ein Rechtsmittel ergriffen bis zum Ablauf des siebenten Tages ab Einlangen der Beschwerdevorlage, zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Beschwerdevorlage und von der Gewährung der aufschiebenden Wirkung in Kenntnis zu setzen.

(5) Eine Beschwerde gegen eine Entscheidung über einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem 7. Hauptstück des AsylG 2005 oder ein diesbezüglicher Vorlageantrag begründet kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. § 58 Abs. 13 AsylG 2005 gilt.

(6) Die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG sind in den Fällen der Abs. 2 bis 4 nicht anwendbar."

§ 17 BFA-VG lautet:

"§ 17. (1) Das Bundesverwaltungsgericht hat der Beschwerde gegen eine Entscheidung, mit der ein Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird und

1. diese Zurückweisung mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbunden ist oder

2. eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung bereits besteht

sowie der Beschwerde gegen eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 Z 2 FPG jeweils binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen durch Beschluss die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Staat, in den die aufenthaltsbeendende Maßnahme lautet, eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen. § 38 VwGG gilt.

(2) Über eine Beschwerde gegen eine zurückweisende Entscheidung nach Abs. 1 oder gegen eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 Z 2 FPG hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden.

(3) Bei der Entscheidung, ob einer Beschwerde gegen eine Anordnung zur Außerlandesbringung die aufschiebende Wirkung zuerkannt wird, ist auch auf die unionsrechtlichen Grundsätze der Art. 26 Abs. 2 und 27 Abs. 1 der Dublin-Verordnung und die Notwendigkeit der effektiven Umsetzung des Unionsrechtes Bedacht zu nehmen.

(4) Ein Ablauf der Frist nach Abs. 1 steht der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen."

§ 21 Abs. 3 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idgF lautet:

"Ist der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesamtes im Zulassungsverfahren stattzugeben, ist das Verfahren zugelassen. Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint."

3.3. § 61 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idgF lautet:

"§ 61. (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder

2. [...]

(2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.

(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.

(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird."

3.4. Die maßgeblichen Bestimmungen der Dublin III-VO lauten:

"Art. 3 Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz

(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.

(2) Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig.

Erweist es sich als unmöglich, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat, die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann.

Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.

(3) Jeder Mitgliedstaat behält das Recht, einen Antragsteller nach Maßgabe der Bestimmungen und Schutzgarantien der Richtlinie 32/2013/EU in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen.

Art. 7 Rangfolge der Kriterien

(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.

(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.

(3) Im Hinblick auf die Anwendung der in den Artikeln 8, 10 und 6 (Anmerkung: gemeint wohl 16) genannten Kriterien berücksichtigen die Mitgliedstaaten alle vorliegenden Indizien für den Aufenthalt von Familienangehörigen, Verwandten oder Personen jeder anderen verwandtschaftlichen Beziehung des Antragstellers im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, sofern diese Indizien vorgelegt werden, bevor ein anderer Mitgliedstaat dem Gesuch um Aufnahme- oder Wiederaufnahme der betreffenden Person gemäß den Artikeln 22 und 25 stattgegeben hat, und sofern über frühere Anträge des Antragstellers auf internationalen Schutz noch keine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist.

Art. 13 Einreise und/oder Aufenthalt

(1) Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 dieser Verordnung genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 festgestellt, dass ein Antragsteller aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig. Die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts.

(2) Ist ein Mitgliedstaat nicht oder gemäß Absatz 1 dieses Artikels nicht länger zuständig und wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 genannten Verzeichnissen festgestellt, dass der Antragsteller - der illegal in die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten eingereist ist oder bei dem die Umstände der Einreise nicht festgestellt werden können - sich vor der Antragstellung während eines ununterbrochenen Zeitraums von mindestens fünf Monaten in einem Mitgliedstaat aufgehalten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

Hat sich der Antragsteller für Zeiträume von mindestens fünf Monaten in verschiedenen Mitgliedstaaten aufgehalten, so ist der Mitgliedstaat, wo er sich zuletzt aufgehalten hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

Art. 18 Pflichten des zuständigen Mitgliedstaats

(1) Der nach dieser Verordnung zuständige Mitgliedstaat ist verpflichtet:

a) einen Antragsteller, der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat, nach Maßgabe der Artikel 21, 22 und 29 aufzunehmen;

b) einen Antragsteller, der während der Prüfung seines Antrags in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;

c) einen Drittstaatsangehörigen oder einen Staatenlosen, der seinen Antrag während der Antragsprüfung zurückgezogen und in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;

d) einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, dessen Antrag abgelehnt wurde und der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen.

(2) [...]

Art. 20 Einleitung des Verfahrens

(1) Das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats wird eingeleitet, sobald in einem Mitgliedstaat erstmals ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt wird.

(2) Ein Antrag auf internationalen Schutz gilt als gestellt, wenn den zuständigen Behörden des betreffenden Mitgliedstaats ein vom Antragsteller eingereichtes Formblatt oder ein behördliches Protokoll zugegangen ist. Bei einem nicht in schriftlicher Form gestellten Antrag sollte die Frist zwischen der Abgabe der Willenserklärung und der Erstellung eines Protokolls so kurz wie möglich sein.

(3)-(5) [...]

Art. 27 Rechtsmittel

(1) Der Antragsteller oder eine andere Person im Sinne von

Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe c oder d hat das Recht auf ein wirksames Rechtsmittel gegen eine Überstellungsentscheidung in Form einer auf Sach- und Rechtsfragen gerichteten Überprüfung durch ein Gericht.

(2) Die Mitgliedstaaten sehen eine angemessene Frist vor, in der die betreffende Person ihr Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf nach Absatz 1 wahrnehmen kann.

(3) Zum Zwecke eines Rechtsbehelfs gegen eine Überstellungsentscheidung oder einer Überprüfung einer Überstellungsentscheidung sehen die Mitgliedstaaten in ihrem innerstaatlichen Recht Folgendes vor:

a) dass die betroffene Person aufgrund des Rechtsbehelfs

oder der Überprüfung berechtigt ist, bis zum Abschluss des

Rechtsbehelfs oder der Überprüfung im Hoheitsgebiet des

betreffenden Mitgliedstaats zu bleiben; oder

b) dass die Überstellung automatisch ausgesetzt wird und

diese Aussetzung innerhalb einer angemessenen Frist endet, innerhalb der ein Gericht, nach eingehender und gründlicher Prüfung, darüber entschieden hat, ob eine aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs oder der Überprüfung gewährt wird; oder

c) die betreffende Person hat die Möglichkeit, bei einem

Gericht innerhalb einer angemessenen Frist eine Aussetzung der Durchführung der Überstellungsentscheidung bis zum Abschluss des Rechtsbehelfs oder der Überprüfung zu beantragen. Die Mitgliedstaaten sorgen für einen wirksamen Rechtsbehelf in der Form, dass die Überstellung ausgesetzt wird, bis die Entscheidung über den ersten Antrag auf Aussetzung ergangen ist. Die Entscheidung, ob die Durchführung der Überstellungsentscheidung ausgesetzt wird, wird innerhalb einer angemessenen Frist getroffen, welche gleichwohl eine eingehende und gründliche Prüfung des Antrags auf Aussetzung ermöglicht. Die Entscheidung, die Durchführung der Überstellungsentscheidung nicht auszusetzen, ist zu begründen.

(4) Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass die zuständigen Behörden beschließen können, von Amts wegen tätig zu werden, um die Durchführung der Überstellungsentscheidung bis zum Abschluss des Rechtsbehelfs oder der Überprüfung auszusetzen.

...

Art. 29 Modalitäten und Fristen

(1) Die Überstellung des Antragstellers oder einer anderen Person im Sinne von Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe c oder d aus dem ersuchenden Mitgliedstaat in den zuständigen Mitgliedstaat erfolgt gemäß den innerstaatlichen Rechtsvorschriften des ersuchenden Mitgliedstaats nach Abstimmung der beteiligten Mitgliedstaaten, sobald dies praktisch möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Aufnahme - oder Wiederaufnahmegesuchs durch einen anderen Mitgliedstaat oder der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder eine Überprüfung, wenn diese gemäß Artikel 27 Absatz 3 aufschiebende Wirkung hat.

[...]

(2) Wird die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt, ist der zuständige Mitgliedstaat nicht mehr zur Aufnahme oder Wiederaufnahme der betreffenden Person verpflichtet und die Zuständigkeit geht auf den ersuchenden Mitgliedstaat über. Diese Frist kann höchstens auf ein Jahr verlängert werden, wenn die Überstellung aufgrund der Inhaftierung der betreffenden Person nicht erfolgen konnte, oder höchstens auf achtzehn Monate, wenn die betreffende Person flüchtig ist.

(3)-(4) [...]

Art. 42 Berechnung der Fristen

Die in dieser Verordnung vorgesehenen Fristen werden wie folgt berechnet:

a) Ist für den Anfang einer nach Tagen, Wochen oder Monaten bemessenen Frist der Zeitpunkt maßgebend, zu dem ein Ereignis eintritt oder eine Handlung vorgenommen wird, so wird bei der Berechnung dieser Frist der Tag, auf den das Ereignis oder die Handlung fällt, nicht mitgerechnet.

b) Eine nach Wochen oder Monaten bemessene Frist endet mit Ablauf des Tages, der in der letzten Woche oder im letzten Monat dieselbe Bezeichnung oder dieselbe Zahl wie der Tag trägt, an dem das Ereignis eingetreten oder die Handlung vorgenommen worden ist, von denen an die Frist zu berechnen ist. Fehlt bei einer nach Monaten bemessenen Frist im letzten Monat der für ihren Ablauf maßgebende Tag, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monats.

c) Eine Frist umfasst die Samstage, die Sonntage und alle gesetzlichen Feiertage in jedem der betroffenen Mitgliedstaaten."

3.5. In casu trat die Verpflichtung Deutschlands zur Wiederaufnahme des Beschwerdeführers mit dem Einlangen der Zustimmung zur Wiederaufnahme des Beschwerdeführers vom 27.12.2016 ein und begann zu diesem Zeitpunkt ursprünglich die sechsmonatige Überstellungsfrist zu laufen. Aufgrund des Umstandes, dass der vom Beschwerdeführer erhobenen Beschwerde seitens des Bundesverwaltungsgerichts die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden war, begann die Überstellungsfrist mit der den angefochtenen Bescheid behebenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts von Neuem zu laufen (vgl. EuGH Urteil vom 29.01.2009, Petrosian, C-19/08, Rnr. 42) und begründete der Tag der Zustellung des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes, dh. der 19.06.2017 die Verpflichtung Deutschlands zur Wiederaufnahme des Beschwerdeführers und den Beginn der sechsmonatigen Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO. Fristverlängerungen aus den in Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO genannten Gründen haben gegenständlich nicht stattgefunden.

Die Überstellungsfrist von sechs Monaten endete mit Ablauf des 19.12.2017 und ist daher zum gegenwärtigen Entscheidungszeitpunkt bereits verstrichen. Die Verfristungsbestimmungen der Dublin III-VO normieren einen Zuständigkeitsübergang bzw. eine Zuständigkeitsbegründung des die Überstellung nicht während dieser Frist durchführenden Mitgliedsstaates.

Ein Übergang der Zuständigkeit gemäß Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO hat in den gegenständlichen Verfahren somit stattgefunden und Österreich ist demnach nunmehr für die Führung des materiellen Verfahrens zuständig. Dementsprechend war der angefochtene, die Zuständigkeit Österreichs zurückweisende Bescheid zu beheben und das Verfahren zuzulassen.

3.6. Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 6a und 7 BFA-VG unterbleiben, zumal sämtliche verfahrenswesentliche Abklärungen, insbesondere aber die im gegenständlichen Verfahren relevante Frage hinsichtlich des Vorliegens eines Fristablaufes, eindeutig aus dem vorliegenden Verwaltungsakt beantwortet werden konnten.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Fristablauf, Fristversäumung, Überstellungsfrist, Verfristung,
Zulassungsverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W105.2156019.2.00

Zuletzt aktualisiert am

14.11.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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