TE Bvwg Erkenntnis 2018/7/30 G314 2201644-1

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Veröffentlicht am 30.07.2018
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Entscheidungsdatum

30.07.2018

Norm

B-VG Art.133 Abs4
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §70 Abs3

Spruch

G314 2201644-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a BAUMGARTNER über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, ungarischer Staatsangehöriger, vertreten durch den Rechtsanwalt Mag. Nikolaus RAST, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 29.06.2018, Zahl XXXX, betreffend die Erlassung eines Aufenthaltsverbots zu Recht:

A) Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene

Bescheid dahin abgeändert, dass es zu lauten hat:

"I. Gemäß § 67 Abs 1 und 2 FPG wird gegen den Beschwerdeführer ein für die Dauer von zwei Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

II. Dem Beschwerdeführer wird gemäß § 70 Abs 3 FPG ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat erteilt."

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

Mit dem Urteil des Landesgerichts XXXX vom 06.09.2017, XXXX, wurde der Beschwerdeführer (BF) wegen der Vergehen der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 SMG und der Entziehung von Energie nach § 132 Abs 1 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt.

Aufgrund der Verständigung des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 30.10.2017 erstattete er am 16.11.2017 eine Stellungnahme, in der er sich gegen die beabsichtigte Erlassung eines Aufenthaltsverbots aussprach.

Mit dem oben angeführten Bescheid wurde gegen den BF gemäß § 67 Abs 1 und 2 FPG ein dreijähriges Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I), gemäß § 70 Abs 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.) und einer Beschwerde gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.). Das Aufenthaltsverbot wurde im Wesentlichen mit der strafgerichtlichen Verurteilung des BF wegen eines Suchtgiftdelikts und dem Fehlen entgegenstehender sozialer, familiärer und beruflicher Anknüpfungspunkte begründet.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde des BF mit den Anträgen, eine mündliche Verhandlung durchzuführen und den Bescheid aufzuheben, in eventu, ihn aufzuheben und die Angelegenheit an das BFA zurückzuverweisen. Der BF begründet die Beschwerde zusammengefasst damit, dass er nicht (wie von der Behörde aktenwidrig festgestellt) wegen Suchtgifthandels (§ 28a SMG), sondern wegen der Vorbereitung von Suchtgifthandel (§ 28 Abs 1 SMG) verurteilt worden sei. Er bereue seine Tat und habe ein Geständnis abgelegt, sodass mit einer bedingten Freiheitsstrafe das Auslangen gefunden worden sei. Er lebe seit mehreren Jahren im Bundesgebiet und gehe hier einer Beschäftigung nach. Von ihm gehe keine Gefahr mehr aus, zumal auch das Strafgericht eine positive Zukunftsprognose erstellt und ihm keinen Bewährungshelfer zur Seite gestellt habe. Cannabis sei keine "harte" Droge.

Das BFA legte die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor, erstattete eine ausführliche Stellungnahme und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen. Die als aktenwidrig monierte Angabe von § 28a SMG im angefochtenen Bescheid beruhe auf einer fehlerhaften Eintragung im Strafregister; die Straftaten und die Verurteilung des BF seien im angefochtenen Bescheid aber richtig wiedergegeben worden.

Feststellungen:

Der BF kam in der Stadt XXXX (ungarisch: XXXX) in der serbischen autonomen Provinz XXXX zur Welt. Er ist ungarischer Staatsangehöriger. Er spricht Serbisch und Ungarisch.

Der BF reiste erstmals 2014 nach Österreich, wo er zwischen Juli und Oktober 2014 als Arbeiter erwerbstätig war.

Seit August 2015 hält sich der BF kontinuierlich im Bundesgebiet auf. Von August bis Oktober 2015 war er in XXXX als Arbeiter erwerbstätig. Während dieser Zeit war er in der Wohnung seiner Schwägerin (XXXX) mit Nebenwohnsitz gemeldet. Zwischen Oktober 2015 und Juli 2017 war er in XXXX an der Adresse XXXX (Unterkunftgeber: "Fremdeherberge") mit Hauptwohnsitz gemeldet, zwischen April 2017 und März 2018 in der Wohnung seiner Schwägerin mit Nebenwohnsitz. Seit März 2018 ist er an der Adresse XXXX, mit Hauptwohnsitz gemeldet.

Zwischen Oktober 2015 und Juni 2017 ging der BF im Bundesgebiet keiner legalen Erwerbstätigkeit nach. Im Juni 2017 war er geringfügig beschäftigt. Von Juli bis Oktober 2017 und von Jänner bis Juni 2018 war er als Arbeiter vollversichert erwerbstätig. Seit 02.07.2018 ist er bei der XXXX GmbH in XXXX als Arbeiter beschäftigt. Im August 2017 wurde ihm antragsgemäß eine Anmeldebescheinigung als Arbeitnehmer ausgestellt.

Der BF ist verheiratet. Seine Ehefrau lebt nicht in Österreich. Der Bruder des BF lebt mit seiner Frau und dem gemeinsamen Kind in XXXX. Der BF steht mit ihnen in regelmäßigem Kontakt.

Der Verurteilung des BF durch das Landesgericht für XXXX liegt zugrunde, dass er zwischen Oktober und Dezember 2015 gemeinsam mit einem Mittäter 375 Cannabispflanzen mit dem Vorsatz anbaute, Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28 b SMG) übersteigenden Menge zu erzeugen (Vergehen der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 SMG). Außerdem überbrückte er einen Stromzähler und entzog mit Bereicherungsvorsatz Energie im Wert von mehr als EUR 2.500 (Vergehen der Entziehung von Energie nach § 132 Abs 1 StGB). Er plante, ca. 10 g Cannabiskraut pro Pflanze zu gewinnen und (ausgehend von einem durchschnittlichen Reinheitsgrad von 4 % Delta-9-THC und 4 % THCA) eine die Grenzmenge (20 g) um das 7,5-fache überschreitende Menge an Delta-9-THC und eine die Grenzmenge (40 g) um das 3,75-fache überschreitende Menge an THCA in Verkehr zu setzen. Er war dabei nicht an den Konsum von Suchtgiften gewöhnt. Der BF wurde - ausgehend von einem Strafrahmen von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe - rechtskräftig zu einer neunmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt, die für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Es handelt sich um seine erste strafgerichtliche Verurteilung. Bei der Strafzumessung wurden sein bisher ordentlicher Lebenswandel und sein reumütiges Geständnis als mildernd berücksichtigt, das Zusammentreffen von zwei Vergehen dagegen als erschwerend. Die Voraussetzungen für eine diversionelle Erledigung lagen nicht vor, weil das Verschulden des BF als schwer angesehen wurde.

Der BF ist gesund und arbeitsfähig. Über die Feststellungen hinausgehende familiäre, berufliche, soziale oder andere private Bindungen des BF in Österreich können nicht festgestellt werden.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und des Gerichtsakts des BVwG. Entscheidungswesentliche Widersprüche bestehen nicht.

Die Feststellungen zur Identität des BF, zu seinem Geburtsort und seinem Familienstand beruhen auf dem Auszug aus dem Zentralen Melderegister (ZMR) und auf den entsprechenden Feststellungen im Strafurteil. Der serbische und der ungarische Name seines Geburtsorts sowie dessen Lage sind im Internet abrufbar (vgl https://de.wikipedia.org/wiki/XXXX [Zugriff am 27.07.2018]).

Die Sprachkenntnisse des BF ergeben sich aus seiner Herkunft und seiner Staatsangehörigkeit. Eine Verständigung mit der im Strafverfahren beigezogenen Dolmetscherin für die serbische Sprache war offenbar problemlos möglich. Der BF hat die Übersetzung von Spruch und Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Bescheids in die ungarische Sprache nicht beanstandet, sodass davon auszugehen ist, dass er auch diese Sprache beherrscht. Anhaltspunkte für Deutschkenntnisse des BF sind im Verfahren nicht hervorgekommen und werden insbesondere auch von ihm selbst nicht behauptet.

Die Erwerbstätigkeit des BF im Bundesgebiet ergibt sich aus dem Versicherungsdatenauszug, seine Wohnsitzmeldungen aus dem ZMR. Der BF behauptet in seiner Stellungnahme vom 16.11.2017, sich seit 2014 durchgehend im Bundesgebiet aufzuhalten. Dem kann nicht gefolgt werden, zumal erstmals im August 2015 eine Wohnsitzmeldung bestand. Das Gericht geht daher davon aus, dass der BF Österreich nach der Beendigung seiner Erwerbstätigkeit im Oktober 2014 verließ und erst im August 2015 zurückkehrte. Ab August 2015 liegen durchgehend Wohnsitzmeldungen und/oder Versicherungszeiten vor, sodass von seinem kontinuierlichen Aufenthalt seither auszugehen ist. In diesen Zeitraum fallen auch die Straftaten des BF. Die dem BF erteilte Anmeldebescheinigung ist im Fremdenregister dokumentiert.

Da der BF als Bezugspersonen im Bundesgebiet nur seinen Bruder, dessen Ehefrau und dessen Tochter erwähnt, ist davon auszugehen, dass sich seine Ehefrau nicht in Österreich aufhält. Es ist lebensnah und plausibel, dass er regelmäßig Kontakt zu seinen in Österreich lebenden Angehörigen hat, zumal er längere Zeit mit ihnen zusammenlebte, wie auch der Bericht der Landespolizeidirektion XXXX vom 19.09.2017 belegt.

Die Feststellungen zu den vom BF begangenen Straftaten, zu seiner Verurteilung und zu den Strafzumessungsgründen basieren auf dem Strafurteil. Die Rechtskraft der Verurteilung wird durch den entsprechenden Eintrag im Strafregister belegt, in dem keine weiteren Verurteilungen aufscheinen. Es gibt keine Anhaltspunkte für strafgerichtliche Verurteilungen des BF in anderen Staaten, zumal sein bisher ordentlicher Lebenswandel als Milderungsgrund berücksichtigt wurde.

Die Feststellungen zur Arbeitsfähigkeit und zum Gesundheitszustand des BF beruhen auf seinem erwerbsfähigen Alter, dem Fehlen von Hinweisen auf gesundheitliche Probleme und auf seiner aktuell ausgeübten Erwerbstätigkeit.

Es gibt keine aktenkundigen Anhaltspunkte für eine über die Feststellungen hinausgehende Integration oder Anbindung des BF in Österreich, sodass dazu eine Negativfeststellung getroffen werden muss.

Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 67 Abs 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet ist. Das Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können diese Maßnahmen nicht ohne weiteres begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen EWR-Bürger, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Gemäß § 67 Abs 2 FPG kann ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden. Wenn der EWR-Bürger eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt (so etwa, wenn er zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren verurteilt wurde), kann das Aufenthaltsverbot gemäß § 67 Abs 3 FPG auch unbefristet erlassen werden.

Bei Unionsbürgern, die nach fünf Jahren rechtmäßigem und ununterbrochenem Aufenthalt im Bundesgebiet das Daueraufenthaltsrecht iSd § 53a NAG und Art 16 Freizügigkeitsrichtlinie (§ 2 Abs 4 Z 18 FPG) erworben haben, ist nicht nur bei der Ausweisung, sondern auch bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbots der in Art 28 Abs 2 Freizügigkeitsrichtlinie und § 66 Abs 1 letzter Satzteil FPG vorgesehene Maßstab - der im abgestuften System der Gefährdungsprognosen zwischen jenen nach dem ersten und dem fünften Satz des § 67 Abs 1 FPG angesiedelt ist - heranzuziehen (VwGH 19.05.2015, Ra 2014/21/0057).

Bei der Festsetzung der Dauer des Aufenthaltsverbotes ist gemäß § 67 Abs 4 FPG auf alle für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen, insbesondere auch auf die privaten und familiären Verhältnisse (VwGH Ra 2016/21/0075).

Bei Erlassung eines Aufenthaltsverbots ist eine einzelfallbezogene Gefährdungsprognose zu erstellen, bei der das Gesamtverhalten des Betroffenen in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen ist, ob und im Hinblick auf welche Umstände die maßgebliche Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache einer Verurteilung oder Bestrafung, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" abzustellen ist und strafgerichtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (VwGH 19.02.2014, 2013/22/0309).

Gemäß Art 8 Abs 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Art 8 Abs 2 EMRK legt fest, dass der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft ist, soweit er gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Gemäß § 9 BFA-VG ist (ua) die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gemäß § 67 FPG, durch das in das Privat- und Familienleben eines Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war (Z 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z 3), der Grad der Integration (Z 4), die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Z 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z 8) und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Z 9), zu berücksichtigen.

Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt ergibt Folgendes:

Als Staatsangehöriger von Ungarn ist der BF EWR-Bürger iSd § 2 Abs 4 Z 8 FPG.

Aufgrund seines unter fünfjährigen Aufenthalts in Österreich ist der Gefährdungsmaßstab des § 67 Abs 1 zweiter Satz FPG ("tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt") anzuwenden. Vor diesem Hintergrund hat das BFA zu Recht das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen ihn bejaht, zumal eine aktuelle Gefährdung des öffentlichen Interesses an der Verhinderung von Suchtgiftkriminalität in maßgeblicher Intensität vorliegt.

Der BF hat durch die Aufzucht von Cannabispflanzen mit dem Vorsatz, Suchtgift in einer die Grenzmenge übersteigenden Menge zu erzeugen, und durch die Entziehung von Energie eine beträchtliche kriminelle Energie an den Tag gelegt, zumal er schon kurz nach seiner Rückkehr nach Österreich im August 2015 straffällig wurde. Der VwGH hat in Bezug auf Suchtgiftdelinquenz bereits wiederholt festgehalten, dass diese ein besonders verpöntes Fehlverhalten darstellt, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben ist und an dessen Verhinderung ein besonders großes öffentliches Interesse besteht (vgl VwGH 23.02.2016, Ra 2015/01/0249). Der Umstand, dass der BF keine "harten" Drogen erzeugen wollte, wird bereits durch das den inkriminierten Suchtgiften beigemessene individuelle Gefährdungspotenzial in der die Strafbarkeit nach § 28 Abs 1 StGB bestimmenden Grenzmenge (§ 28b SMG iVm § 1 ff Suchtgift-Grenzmengenverordnung) berücksichtigt (vgl RIS Justiz RS0102874). Das BFA ist daher zu Recht von einer von ihm ausgehenden maßgeblichen Gefährlichkeit ausgegangen, obwohl ihm nicht - wie im Strafregister offenbar irrtümlich angegeben - Suchtgifthandel (§ 28a Abs 1 SMG), sondern "nur" die Vorbereitung von Suchtgifthandel (§ 28 Abs 1 SMG) angelastet wurde, worauf die Beschwerde richtigerweise hinweist.

Obwohl der BF erstmals strafgerichtlich verurteilt wurde und wesentliche Milderungsgründe (Unbescholtenheit, Geständnis) vorlagen, weisen seine Taten einen beträchtlichen Gesinnungs-, Handlungs- und Erfolgsunwert auf, wie die Verhängung einer mehrmonatigen, die Grenze des § 53 Abs 3 Z 1 FPG deutlich übersteigenden Freiheitsstrafe zeigt. Aktuell kann ihm daher trotz eines derzeit offenbar stabilen Umfelds keine positive Zukunftsprognose attestiert werden, zumal er die strafbaren Handlungen weniger als drei Monate nach seiner Wiedereinreise nach Österreich begann und über mehrere Monate hinweg fortsetzte. Die Vorbereitung von Suchtgifthandel durch den bei der Tat nicht an den Konsum von Suchtgiften gewöhnten BF zeigt, dass er die Schädigung der Gesundheit Anderer bewusst in Kauf nahm. Er wird den Wegfall der durch die strafgerichtliche Verurteilung indizierten Gefährlichkeit erst durch einen längeren Zeitraum des Wohlverhaltens in Freiheit unter Beweis stellen müssen. Um von einem Wegfall oder einer wesentlichen Minderung der von einem Straftäter ausgehenden Gefährlichkeit ausgehen zu können, bedarf es grundsätzlich eines Zeitraums des Wohlverhaltens, wobei in erster Linie das gezeigte Wohlverhalten in Freiheit maßgeblich ist (vgl VwGH 22.03.2018, Ra 2017/22/0194). In diesem Zusammenhang ist auch aus der bedingten Nachsicht eines Teils der Strafe für sich genommen nichts zu gewinnen (vgl VwGH 22.05.2014, Ro 2014/21/0053). Die seit den Taten und der Verurteilung des BF vergangene Zeit reicht dafür noch nicht aus, zumal er seine Legalbewährung erst durch die Vermeidung eines Rückfalls während der Probezeit unter Beweis stellen muss. Dazu kommt, dass er nach seiner Straftat zunächst nur sporadisch erwerbstätig war, ihm erst im August 2017 eine Anmeldebescheinigung ausgestellt wurde und er erst seit Anfang 2018 länger kontinuierlich erwerbstätig ist.

Das Aufenthaltsverbot greift in das Privatleben des BF ein. Ein schützenswertes Familienleben in Österreich liegt dagegen nicht vor, zumal keine Mitglieder seiner Kernfamilie in Österreich leben und keine besondere Abhängigkeit von seinem Bruder und dessen Familie besteht. Der Eingriff in sein Privatleben ist in Relation zu den gefährdeten öffentlichen Interessen gerechtfertigt. Der BF ist ein erwachsener, arbeitsfähiger Mann, dessen Kernfamilie nicht im Bundesgebiet lebt. Ihm ist - insbesondere angesichts des erheblichen öffentlichen Interesses an der Verhinderung von (auch minderschweren) Drogendelikten - die Fortsetzung der Kontakte zu seinen in Österreich lebenden Angehörigen und zu allfälligen Freunden und Bekannten durch grenzüberschreitende Kommunikationsmittel oder außerhalb von Österreich zumutbar.

Das Aufenthaltsverbot gegen den BF ist zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, Verhinderung von strafbaren Handlungen, Schutz der Rechte Dritter) dringend geboten. Seinem persönlichen Interesse an einem Verbleib in Österreich, insbesondere aufgrund seiner Erwerbstätigkeit und seinen hier lebenden Bezugspersonen, steht das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung entgegen, dem aufgrund seiner Straffälligkeit ein sehr großes Gewicht beizumessen ist. Unter Bedachtnahme auf Art und Schwere der Straftat und auf das Persönlichkeitsbild, das sich daraus ergibt, überwiegt trotz seiner privaten Anknüpfungspunkte das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung sein gegenläufiges persönliches Interesse.

Die vom BFA mit drei Jahren festgelegte Dauer des Aufenthaltsverbots ist jedoch angesichts des Umstands, dass der Strafrahmen bei weitem nicht ausgeschöpft, der BF erstmals straffällig und ihm zur Gänze eine bedingte Strafnachsicht gewährt wurde, unverhältnismäßig. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Suchtgiftkriminalität des BF ein vergleichsweise weniger gefährliches Suchtgift betraf. Die Dauer des Aufenthaltsverbots ist auf ein dem Fehlverhalten des BF und seinen persönlichen Verhältnissen angemessenes Maß zu reduzieren. Das Gericht geht davon aus, dass aufgrund des konkreten Unrechtsgehalts der von ihm begangenen Straftaten unter Berücksichtigung der Strafzumessungsgründe und aufgrund der Beziehung zu seinen in Österreich lebenden Angehörigen ein zweijähriges Aufenthaltsverbot ausreicht, um der von ihm ausgehenden Gefährlichkeit wirksam zu begegnen und ihn zu einer nachhaltigen Abkehr vom Suchtgiftmilieu zu bewegen. Während dieser Zeit sollte es dem BF möglich sein, seine Lebenssituation nachhaltig zu stabilisieren und seinen Gesinnungswandel durch die Vermeidung eines Rückfalls zu untermauern. Das Aufenthaltsverbot laut Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids ist somit in teilweiser Stattgebung der Beschwerde auf zwei Jahre herabzusetzen.

Gemäß § 70 Abs 3 FPG ist EWR-Bürgern bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbots von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich. Nach dieser Bestimmung ist einem EWR-Bürger grundsätzlich ein einmonatiger Durchsetzungsaufschub zu gewähren, wovon nur ausnahmsweise Abstand genommen werden darf (VwGH 12.09.2013, 2013/21/0094).

Dem BF ist daher zur Vorbereitung und Organisation seiner Ausreise ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen. Trotz seiner Straffälligkeit und der vorliegenden Wiederholungsgefahr ist angesichts des seit den Straftaten und der Verurteilung verstrichenen Zeitraums nicht davon auszugehen, dass seine sofortige Ausreise im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig ist.

Da über die Beschwerde innerhalb einer Woche ab ihrer Vorlage entschieden werden konnte, erübrigt sich eine allfällige Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG.

§ 21 Abs 7 BFA-VG erlaubt das Unterbleiben einer Verhandlung sogar dann, wenn deren Durchführung in der Beschwerde ausdrücklich beantragt wurde, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint. Diese Regelung steht im Einklang mit Art 47 Abs 2 GRC. Bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen kommt der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Verhandlung zwar besondere Bedeutung zu, und zwar sowohl in Bezug auf die Gefährdungsprognose als auch in Bezug auf die für die Abwägung nach Art 8 EMRK sonst relevanten Umstände. Daraus ist aber noch keine generelle Pflicht zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung in Verfahren über aufenthaltsbeendende Maßnahmen abzuleiten. In eindeutigen Fällen, in denen bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das BVwG von ihm einen (positiven) persönlichen Eindruck verschafft, kann auch eine beantragte Verhandlung unterbleiben (VwGH Ra 2016/21/0233). Da der Sachverhalt aus der Aktenlage und dem Beschwerdevorbringen geklärt erscheint und auch bei einem positiven Eindruck vom BF bei einer mündlichen Verhandlung keine weitere Herabsetzung oder gar ein Entfall des Aufenthaltsverbots möglich wäre, konnte die beantragte Verhandlung unterbleiben. Von der Durchführung einer Verhandlung ist keine weitere Klärung der Rechtssache zu erwarten, zumal ohnehin von der Richtigkeit der in der Beschwerde aufgestellten Tatsachenbehauptungen des BF ausgegangen wird.

Die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose und die Bemessung der Dauer eines Einreise- oder Aufenthaltsverbots sind im Allgemeinen nicht revisibel (VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0284). Die Revision war nicht zuzulassen, weil sich das BVwG an bestehender höchstgerichtlicher Rechtsprechung orientieren konnte und keine darüber hinausgehende grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu lösen war.

Schlagworte

Aufenthaltsverbot, Durchsetzungsaufschub, EU-Bürger,
Gefährdungsprognose, öffentliches Interesse, strafrechtliche
Verurteilung, Suchtgifthandel, Verbrechen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:G314.2201644.1.00

Zuletzt aktualisiert am

14.11.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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