TE Bvwg Beschluss 2018/8/3 L510 2180286-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.08.2018
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Entscheidungsdatum

03.08.2018

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
BFA-VG §22
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

L510 2180295-2/6E

L510 2180289-2/6E

L510 2180286-2/6E

L510 2180284-2/6E

L510 2180297-2/6E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. INDERLIETH in den amtswegig eingeleiteten Verfahren über die durch die mündlich verkündeten Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.07.2018, Zl. XXXX, XXXX, XXXX, XXXX, XXXX erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes des XXXX, geb. XXXX, StA: Irak,

vertreten durch ARGE Rechtsberatung, der XXXX, geb. XXXX, StA: Irak,

vertreten durch ARGE Rechtsberatung, des XXXX, geb. XXXX, StA: Irak,

vertreten durch die Mutter XXXX, der XXXX, geb. XXXX, StA. Irak,

vertreten durch die XXXX, der XXXX, geb. XXXX, StA: Irak, vertreten durch die Mutter XXXX, beschlossen:

A)

Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 iVm. § 22 Abs. 10 AsylG 2005 sowie § 22 BFA-VG rechtmäßig.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Die Antragsteller 1 - 4 (folgend kurz: "A1 bis A5") stellten erstmals jeweils am 11.02.2016 gemeinsam Anträge auf internationalen Schutz. Die A5 wurde in Österreich geboren. Für diese wurde erstmals am 23.06.2016 ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Die A3 bis A5 werden verfahrensgegenständlich durch die A2 gesetzlich vertreten.

Bei der Erstbefragung am 12.02.2016 brachte der A1 im Wesentlichen vor, dass ihn sein Bruder gebeten hatte, eine Gruppe von Personen bei der Polizei anzuzeigen, da diese US-Dollar fälschen würden. Diese Personen seien dann festgenommen und anschließend wieder auf freien Fuß gesetzt worden. Sein Bruder sei dann von diesen Personen mit dem Umbringen bedroht worden und sei dieser nach Deutschland geflohen. Er sei ebenfalls von diesen Personen mit dem Umbringen bedroht worden und sei ihm von der Behörde nicht geholfen worden. Er legte dar, dass er konfessionslos sei.

Die A2 brachte am 12.02.2016 bei ihrer Erstbefragung im Wesentlichen vor, dass einmal ihr Mann zu ihr gekommen sei und ihr gesagt habe, dass sie schnell das Land verlassen müssten, da er Probleme habe. Sie sei dann mit den Kindern mitgegangen, den Grund für die Flucht habe er ihr bis heute nicht gesagt.

Bei der Einvernahme vor dem BFA brachte der A1 im Wesentlichen vor, dass er gesund sei. Er habe im Irak als Elektriker selbständig gearbeitet. Er habe keine Probleme mit Behörden gehabt und sei nicht im Gefängnis gewesen. Er habe in XXXX gelebt. Im Irak würden noch seine Eltern, drei Brüder und vier Schwestern leben. In Österreich habe er keine weiteren Verwandten. Aufgrund seiner Anzeige sei die besagte Gruppe festgenommen worden. Nach der Untersuchungshaft seien einige Mitglieder wieder frei gelassen worden. Er sei von diesen 6 oder 7 Monate lang telefonisch bedroht worden. Die Behörden hätten nichts unternommen. Sie hätten an verschiedenen Stellen geschlafen. Sein Bruder hätte vor ihnen das Land verlassen und lebe jetzt in Deutschland. Der A1 legte u. a. eine Prüfungsbestätigung A2, eine Bestätigung von gemeinnützigen Arbeiten bei der Marktgemeinde und Empfehlungsschreiben vor.

Bei der Einvernahme vor dem BFA brachte die A2 im Wesentlichen vor, dass sie im Irak keine Probleme gehabt habe. Sie hätten in XXXX gelebt. Ihr Gatte habe den Lebensunterhalt für die Familie durch seine selbständige Tätigkeit als Elektriker bestritten. Sie sei Hausfrau gewesen. Sie habe keinen Glauben und auch ihre Kinder hätten keinen Glauben. Im Irak in XXXX würden ihre Eltern, vier Schwestern und zwei Brüder leben. Sie habe selbst keine Probleme gehabt, nur ich Gatte habe Probleme gehabt. Sie hätte keine Befürchtungen im Falle einer Rückkehr. Über die Probleme ihres Mannes wisse sie nichts. Sie und die Kinder würden keine eigenen Fluchtgründe haben.

2. Mit Bescheiden vom 04.12.2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) die Anträge im Rahmen eines Familienverfahrens gemäß den §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ab, erteilte den Antragstellern keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gemäß § 57 AsylG 2005 gegen sie Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebungen in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig seien.

3. Die gegen diese Entscheidungen eingebrachten Beschwerden wurden mit Erkenntnissen des BVwG vom 24.04.2018 (GZ: XXXX, XXXX, XXXX, XXXX und XXXX) als unbegründet abgewiesen.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass ein konkreter Anlass für das Verlassen des Herkunftsstaates nicht habe festgestellt werden können. Es habe auch nicht festgestellt werden können, dass die Antragsteller im Falle der Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Verfolgungsgefahr ausgesetzt sein würden oder sonstige Gründe vorliegen würden, die einer Rückkehr oder Rückführung entgegenstehen würden. Es wurden Widersprüchlichkeiten in den Darlegungen des A1 und Widersprüchlichkeiten zwischen den Angaben des A1 und der A2 festgestellt. Eine glaubhafte Verfolgungsgefahr würde nicht vorliegen. Zudem sei verfahrensgegenständlich nicht von einer Schutzunfähigkeit oder Schutzunwilligkeit der staatlichen Institutionen auszugehen.

Weiter wurde u. a. folgend vorgebracht:

"Entgegen der Behauptung in der Beschwerde, wonach die belangte Behörde Ermittlungen hinsichtlich der einer Rückkehr in den Herkunftsstaat im Wege stehenden westlichen Orientierung der BF2 zur Gänze unterlassen hätte, wurde ausgeführt, dass die BF2 konkret auf ihre Fluchtgründe und das Bestehen allfälliger Probleme im Herkunftsstaat befragt vorbrachte, aufgrund der Probleme des BF1 geflüchtet zu sein, über diese jedoch nicht Bescheid zu wissen und selbst keinerlei Probleme im Herkunftsstaat zu haben. Weder brachte die BF2 vor, aufgrund einer westlichen Einstellung noch wegen allfälliger Unterdrückungen von Frauen im Irak ausgereist zu sein oder im diesem Zusammenhang Probleme gehabt zu haben. Dem Vorbringen in der gegenständlichen Beschwerde, nämlich als Frau keinen Zugang zu Bildung gehabt zu haben, diametral entgegenstehend, brachte die BF2 vor der belangten Behörde vor, 6 Jahre lang die Volksschule und 3 Jahre lang die Mittelschule im Irak besucht zu haben. Zudem lässt sich der im Akt einliegenden Kopie des irakischen Reisepasses der BF2 erkennen, dass das darin angebrachte Lichtbild die BF2 ohne Kopftuch zeigt, was - insbesondere vor dem Hintergrund der Verneinung einer persönlichen Verfolgung im Herkunftsstaat und des Nichtvorbringens sich geänderter Verhältnisse - nahelegt, dass die BF2 keine Einstellungsänderung erfahren und sohin - wie auch die BF4 und die BF5 - auch weiterhin keine Probleme im Herkunftsstaat aus den in der gegenständlichen Beschwerde getätigten Vorbringen erleiden müssen. Dies hat auch im Hinblick auf die Religionszugehörigkeit der bfP sinngemäß zu gelten. Weder der BF1 noch die BF2 haben bei deren Erstbefragung und niederschriftlichen Einvernahme auf deren Religion zurückführbare Probleme im Herkunftsstaat verwiesen. Im Falle des Bestehens allfälliger Probleme aufgrund einer der zuvor ausgeführten Sachverhalte, wäre jedenfalls davon auszugehen, dass die bfP diese auch im Verfahren vor der belangten Behörde vorgebracht, und nicht einen positiven Ausgang ihres Ansuchens um staatliche Hilfe durch Verschweigen dieser Sachverhalte in Gefahr gebracht und deren zwangsweise Rückkehr in den Irak riskiert hätten."

Die Erkenntnisse wurden mit 25.04.2018 zugestellt und erwuchsen in Rechtskraft.

4. Am 26.06.2018 brachten die A1 bis A5 Folgeanträge im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG ein.

5. Am 26.06.2018 erfolgten die Erstbefragungen. Dabei gab der A1 im Wesentlichen an, dass er seine Asylgründe der ersten Antragstellung aufrechterhalte. Dazu komme der Austritt aus der islamischen Religion am 25.04.2018. Seine Familie und Verwandten hätten erfahren, dass er aus dem Islam ausgetreten sei. Wenn er mit seiner Familie zurückkehren würde, würden diese sie umbringen.

Die A2 führte im Wesentlichen aus, dass sie die Asylgründe aufrechterhalte. Sie seien am 25.04.2018 aus der islamischen Religion ausgetreten. Ihre Familie und Verwandten hätten erfahren, dass sie und ihr Mann aus dem Islam ausgetreten seien. Wenn sie mit ihrer Familie zurückkehren würde, würden diese sie umbringen. Die Kinder hätten keine eigenen Fluchtgründe.

6. Am 05.07.2018 wurden den Antragstellern Verfahrensanordnung gemäß § 29 Abs. 3 AsylG und § 15a AsylG sowie § 52a Abs 2 BFA-VG ausgefolgt.

7. Am 12.07.2018 erfolgten die Einvernahmen vor dem BFA. Der A1 brachte im Wesentlichen vor, dass er neue Unterlagen habe und legte in Kopie eine Bescheinigung "Das XXXX, Kommission: Menschenrechte" vom 16.08.2015 samt beglaubigter Übersetzung vor, wonach er und sein Bruder eine Bande für Falschgeldhandel aufgedeckt hätten, man sie infolgedessen bedroht habe und versucht habe sie zu töten. Es habe ihnen mangelnder Rechtskraft nicht geholfen werden können. Leider sei ihr Leben in Kurdistan nicht sicher. Zudem legte er eine Bescheinigung der BH XXXX vor, wonach er am 25.04.2018 die Erklärung über den Austritt aus der islamischen Glaubensgemeinschaft eingebracht hat.

Das Schreiben sei im Erstverfahren nicht vorgelegt worden, da es bei Verwandten des Bruders gewesen sei. Ein Originaldokument habe er nicht. Bezüglich der angeführten Drohungen im Erstverfahren habe sich nichts geändert. Geändert habe sich, dass sie ihren Familien telefonisch mitgeteilt hätten, dass sie den Glauben nicht mehr ausüben würden. Sie seien bedroht worden, dass sie sie überall finden würden. De Familie hätten sie dies mitgeteilt, da diese ihnen ständig bei Anrufen ins Ohr geflüstert hätte, dass sie ihre Kinder nach den islamischen Gesetzen erziehen sollten. Es wurden mehrere Unterstützungserklärungen und eine Einstellungszusage eingebracht.

Die A2 legte im Wesentlichen dar, dass die Fluchtgründe aus dem Vorverfahren noch aufrecht seien. Sie sei aus der Religionsgemeinschaft offiziell ausgetreten. Die Verwandtschaft habe dahingehend reagiert, dass sie sie beschimpft und bedroht hätte. Sie legte Bescheinigung der BH XXXX vor, wonach sämtliche Antragsteller am 25.04.2018 die Erklärung über den Austritt aus der islamischen Glaubensgemeinschaft eingebracht haben. Zudem wurde eine Einstellungszusage eingebracht.

Am 26.07.2018 erfolgten weitere Einvernahmen vor dem BFA. Der A1 führte im Wesentlichen aus, dass er von seinem Bruder aus dem Irak informiert worden sei, dass diese Leue immer noch nach ihnen suchen würden. Dies sei vor 6-8 Wochen gewesen. Auf Nachfrage, weshalb er dies nicht schon bei der Einvernahme am 12.07.2018 angegeben habe, teilte der A1 mit, dass er das vergessen habe. Er legte ein Schulbesuchszeugnis seines Sohnes vor.

Die A2 legte im Wesentlichen dar, dass sich an ihren Fluchtgründen nichts geändert habe. Der religiöse Fluchtgrund sei noch dazugekommen, wie bereits ausgeführt.

Im Folgenden verkündete das Bundesamt mündlich die Bescheide mit welchen jeweils der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 iVm § 22 Abs. 10 AsylG, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, aufgehoben wurde.

In den Bescheiden des BFA wurde der bisherige Verfahrensgang in Bezug auf den ersten bzw. nunmehr zweiten Antrag auf internationalen Schutz dargelegt. Es wurden Feststellungen zu den Personen der Antragsteller, ihren Angaben im Rahmen der beiden Asylverfahren, zur Gefährdungssituation bei einer Abschiebung, zu Art. 8 EMRK, sowie zur Lage im Irak getätigt. Ausführungen wurden ebenso getroffen, warum die belangte Behörde davon ausgehe, dass die nunmehrigen Anträge auf internationalen Schutz voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein würden.

8. Mit 27.07.2018 wurde eine Stellungnahme der Vertretung der Antragsteller zur Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes eingebracht. Die Vollmachtverhältnisse zu den A1 und A2 wurden mit 26.07.2018 datiert.

Im Wesentlichen wurde dargelegt, dass im Verfahren ein neues entscheidungswesentliches Beweismittel vorgelegt wurde und zwar der Glaubensaustritt der Familie. Es handle sich um den letzten Akt ihrer inneren Überzeugung sich vom islamischen Glauben abzuwenden. Die Familien seien in Kenntnis vom Glaubensaustritt und würden die Antragsteller bedrohen. Das BFA habe sich nicht mit der Frage auseinandergesetzt, welche Folgen für die Antragsteller bestehen würden. Es wurden Länderfeststellungen zu Atheisten zitiert. Es seien zudem Unterstützungserklärungen, ein Schulzeugnis und Einstellungszusagen eingebracht worden. Dies hätte entsprechend gewürdigt werden müssen. Es hätte eine Prüfung des Kindeswohl durchgeführt werden müssen. Die Behörde hätte zudem begründen müssen, weshalb sie ihre Ermessensentscheidung getroffen habe.

9. Am 31.07.2018 langte der Verwaltungsakt bei der zuständigen Gerichtsabteilung des BVwG, zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes, ein.

10. Mit 01.08.2018 teilte das BFA über Aufforderung dem BVwG mit, dass Verfahren zur Erlangung von Heimreisezertifikaten nicht erforderlich seien, sondern liegen dem BFA gültige irakische Reisepässe der Antragsteller vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zu den Personen der Antragseller:

Die Antragsteller führen die im Spruch angeführten Identitäten. Sie sind alle Staatsangehörige der Republik Irak. Sie sind Angehörige der Volksgruppe der Kurden und bekennen sich zu keinem Glauben. Die Muttersprache ist kurdisch.

Der A1 und die A2 sind miteinander verheiratet und die leiblichen Eltern des A3, der A4 und der A5.

Der A1, die A2, der A3 und die A4 verließen ihren Herkunftsstaat Irak gemeinsam im Jänner 2016 und reisten im Februar 2016 in das österreichische Bundesgebiet ein, wo die A5 am 06.06.2016 geboren wurde.

Der A1, die A2, der A3 und die A4 stellten am 11.02.2016, die A5 am 23.06.2016, die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz.

Die Antragsteller sind gesund und der A1 und die A2 zudem arbeitsfähig.

Der A1, die A2, der A3 und die A4 wurden im Irak, konkret in XXXX geboren und hielten sich bis zu deren gegenständlichen Ausreise ebendort auf.

Der A1 besuchte mehrjährig die Schule im Irak und war bis zuletzt als selbständiger Elektriker im Herkunftsstaat erwerbstätig.

Die A2 besuchte 6 Jahre die Volksschule und 3 Jahre die Mittelschule im Herkunftsstaat und war zuletzt als Hausfrau tätig.

Der Lebensunterhalt war vor deren gegenständlichen Ausreise durch die Einkünfte des A1 gesichert.

Im Herkunftsstaat, konkret in XXXX und XXXX, halten sich weiterhin (Kern-) Familienmitglieder, konkret die Eltern und Geschwister sowohl vom A1 als auch der A2, auf.

Der A1 und die A2 gehen keiner - regelmäßigen - Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet nach, und leben überwiegend von Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung.

Die Antragsteller sind strafrechtlich unbescholten.

Der A3 besucht die Volksschule im Bundesgebiet und hat der A1 eine Deutschsprachprüfung auf dem Niveau A2 erfolgreich absolviert.

Die Antragseller verfügen seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung über keine berücksichtigungswürdigen privaten- und familiären Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet.

Die Antragseller sind gesund, es wurden keine schwerwiegenden Krankheiten dargelegt oder bescheinigt.

Sie haben eine auf das Asylgesetz gestützte Aufenthaltsberechtigung in Österreich und verfügen über keine sonstige Aufenthaltsberechtigung.

Es liegt ein Familienverfahren vor.

Zu den Gründen für die Anträge auf internationalen Schutz sowie zur voraussichtlichen Entscheidung im nunmehrigen Verfahren:

Als Grund des Erstantrages führte der A1 aus, von einer Gruppe, welche Falschgeld gedruckt hätte, bedroht worden zu sein, da er diese Gruppe bei der Polizei angezeigt hätte. Bei einer Rückkehr würde er befürchten von diesen Leuten umgebracht zu werden. Für die A2 bis A5 wurden keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht.

Im gegenständlichen Verfahren wurde vorgebracht, dass die Gründe aus dem vorrangehenden Asylverfahren voll inhaltlich aufrecht wären. Darüber hinaus wären die Antragsteller am 25.04.2018 aus der islamischen Religion ausgetreten, weshalb ihre Familien sie bei einer Rückkehr in den Irak umbringen würden.

Festgestellt wird, dass sich der ursprünglich für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt seit Rechtskraft des Erstverfahrens nicht geändert hat. Die nunmehrigen Vorbringen sind von der Rechtskraft des Erstverfahrens mitumfasst und sind zudem nicht glaubwürdig.

Die neuen Anträge auf internationalen Schutz werden voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein.

Zur Gefährdungssituation bei einer Abschiebung:

Unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände konnte nicht festgestellt werden, dass die Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung in den Irak eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für die Antragsteller als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Irak:

Das BFA legte seiner Entscheidung aktuelle Berichte zur abschiebungsrelevanten Lage im Irak zugrunde.

2. Beweiswürdigung:

Das BVwG hat aus dem vorgelegten Verwaltungsakt sowie der Mitteilung des BFA vom 01.08.2018 Beweis erhoben.

Das Bundesamt führte beweiswürdigend betreffend die Feststellungen zu den Personen aus:

"Diese wurden den vorliegenden Akteninhalten entnommen und wurden von Ihnen in der nunmehrigen Einvernahme nicht abgeändert bzw. als falsch aufgezeigt."

Nach Ansicht des BVwG kann der diesbezüglichen Beurteilung des Bundesamtes nicht entgegen getreten werden.

Betreffend die Gründe für die voraussichtliche Entscheidung führte das Bundesamt in Bezug auf den A1 aus:

"Der Feststellung wurde Ihr Vorbringen im Erstverfahren sowie Ihr heutiges Vorbringen zu Grunde gelegt.

Die nunmehr vorgebrachten Gründe, weshalb Sie nicht in Ihr Herkunftsland zurückkehren wollen, sind im Wesentlichen ident mit denen des Vorverfahrens.

Sie haben im aktuellen Verfahren zu Ihren Fluchtgründen befragt angegeben, dass die Gründe weshalb Sie Ihr Heimatland verlassen haben weiterhin aufrecht wären. Sie und Ihr Bruder hätten eine Gruppe welche Falschgeld drucken würde bei der Polizei angezeigt, weshalb Sie von dieser Gruppe nun bedroht werden würden. Bezüglich der Gründe welche zum Verlassen Ihres Heimatlandes geführt hätten, hätten sich nichts geändert. Daraus ergibt sich jedenfalls kein neuer entscheidungswesentlich geänderter Sachverhalt.

So beziehen Sie sich im nunmehrigen Rechtsgang auf Sachverhaltskreise, die einerseits vor Ihrer Ausreise aus dem Irak stattgefunden haben bzw. sich jedenfalls vor rechtskräftig letztinstanzlicher Entscheidung Ihres Asylbegehrens im ersten Rechtsgang zuordenbar sind. Hierzu ist anzumerken, dass diese bereits in Ihrem Vorverfahren ausreichend gewürdigt wurde. Dass Sie im nunmehrigen Verfahrensgang eine gescannte Bescheinigung des XXXX vorlegen, welche belegen soll, dass Sie einer tatsächlichen Bedrohung in Ihrem Heimatland ausgesetzt wären, stellt lediglich einen Nebenaspekt der ursprünglichen Verfolgungsbehauptung dar. Insbesondere da dieses Schreiben mit dem 16.08.2015 datiert und somit noch vor Ihrer ersten Asylantragstellung in Österreich ausgestellt worden ist. Zur Beweiskraft dieses Schreibens ist anzuführen, dass es lediglich in Kopie vorgelegt wurde und es sich im besten Fall offensichtlich um ein Gefälligkeitsschreiben, welches über Ihren Auftrag erstellt wurde, handelt. Denn kein irakisches Staatsorgan bzw. Organisation würde wohl bestätigen, dass Sie im Irak aus politischen Gründen bzw. aus sonstigen Gründen verfolgt würden. Auch die Angaben, dass sie sich mit ihrer Familie in Österreich befinden, dort um politisches Asyl angesucht haben und fest entschlossen sind, sich in diesem Land für immer nieder zu lassen, spricht für ein von Ihnen angefordertes Aufragschreiben. Doch selbst wenn man dem Schreiben die Richtigkeit unterstellen würde, ergibt sich daraus kein neuer Sachverhalt. Aus dem Schreiben geht keinerlei neuen Verfolgungshandlungen hervor, welche nach der Rechtskraft der vorangegangenen Entscheidung erfolgt wären.

Auch Ihre versuchte Steigerung bei der Einvernahme am 26.07.2018, wonach Ihr Bruder Ihnen vor etwa 6-8 Wochen telefonisch mitgeteilt hätte, dass die Gruppe von Geldfälschern immer noch nach Ihnen suchen würde ist nicht geeignet einen neuen Sachverhalt bezüglich Ihres bereits für unglaubwürdig festgestellten Vorbingens zu begründen. Dieser Hinweis auf ein Telefonat mit Ihrem Bruder ist jedoch nicht geeignet, die behauptete Bedrohungssituation zu bescheinigen, dies schon im Hinblick darauf, dass Sie diese Informationen auf telefonischem Wege nicht aufgezeichnet haben. Der bloß allgemeine Hinweis auf ein in der Vergangenheit mit Ihrem Bruder geführtes Telefonat kann nicht als neu entstandenes Beweismittel gewertet werden. Es liegen nämlich keinerlei Aufzeichnungen über das Telefonat vor und kann vom Bundesamt daher nicht nachvollzogen werden, ob das behauptete Telefonat tatsächlich geführt wurde.

Fest steht, dass Ihr gesamtes Vorbringen im ersten Asylverfahren auf einem nicht glaubhaften Sachverhalt beruht. Dies ergibt sich insbesondere aus dem Bescheid des Bundesamtes vom 04.12.2017, wo sich auf Seite 10 folgende Feststellung findet: "Die von Ihnen angegebenen Gründe für das Verlassen des Heimatlandes sind nicht glaubhaft." Dieser Bescheid des Bundesamtes wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 24.04.2018, Zl.: XXXX, bestätigt.

Ihr neues Vorbringen wonach Sie aufgrund Ihres Austritts aus dem islamischen Glauben nicht mehr in Ihr Heimatland zurückkehren können, stellt eine weitere Steigerung Ihres bereits im Erstverfahren als vollständig unglaubwürdig gewertetes diesbezügliches Vorbringen dar. Die Behörde kommt zu diesem Schluss aus folgenden Erwägungen:

Sie haben im aktuellen Verfahren vor der Behörde zu Protokoll gegeben, dass Sie bereits im Alter von 20 Jahren das erste Mal den Gedanken hatten aus Ihrer vormaligen Religion auszutreten, jedoch wäre es in Ihrer Heimat fast unmöglich. Dies lässt darauf schließen, dass Sie bereits mit der Intention nach Österreich gekommen sind sich letztendlich vom islamischen Glauben loszulösen. Insbesondere haben Sie bereits bei Ihrer Erstbefragung am 12.06.2016 und bei Ihrer Einvernahme vor dem Bundesamt am 23.08.2017 angegeben konfessionslos bzw. Atheist zu sein. Im Hinblick auf Ihre Glaubenszugehörigkeit hat sich im Vergleich zu Ihrem ersten Verfahrensgang somit keine Änderung ergeben. Dass Sie der Behörde nun eine amtliche Austrittsbescheinigung (ausgestellt am 25.04.2018, BH XXXX) aus dem Islam vorlegen, kann seitens des Bundesamt lediglich als Versuch gewertet werden ihrem bereits im Erstverfahren thematisierten Religionszugehörigkeit/Glaubensabfall Gewicht zu geben und stellt letztlich nur eine Fortschreibung Ihrer als nicht glaubhaft bzw. asylrelevant gewerteten Fluchtgründe dar, die Sie ua. bereits in ihrer Beschwerde in Ihrem ersten Rechtsgang umfassend thematisiert haben und diese auch durch Erk. des BVwG vom 24.04.2018, XXXX eben als gesteigert gewertet wurde. Angemerkt werden muss noch, dass die vorgelegte Austrittsbescheinigung der Bezirkshauptmannschaft lediglich durch schlichte Erklärung erlangbar ist und klar als letzter Versuch zu werten ist, neuerlich ein materielles Verfahren zu erlangen um so einen Verbleib in der Republik Österreich zu erzwingen. Es liegt sohin wiederum eine weitere Steigerung eines bereits im Erstverfahren bestandenen Sachverhaltes vor. In Ihrem vorangegangenen Asylverfahren haben Sie Ihren Glaubensabfall in der Einvernahme am 23.08.2017 vor der Behörde jedoch nicht thematisiert, dies obwohl Sie ausdrücklich belehrt wurden alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte selbständig und über Nachfrage wahrheitsgemäß darlegen. Sie haben es in Ihrem gesamten Asylbegehren unterlassen auf, auf Ihre Religion zurückführbare Probleme zu verweisen. Im Falle des Bestehens tatsächlicher Probleme wäre jedenfalls davon auszugehen, dass Sie diese auch im Verfahren vor dem Bundesamt vorgebracht hätten und nicht einen positiven Ausgang Ihres Ansuchens auf internationalen Schutz durch Verschweigen dieser Sachverhalte zu gefährden.

Diesbezüglich darf erwähnt werden, dass auch der VwGH davon ausgeht, dass ein spätes, gesteigertes Vorbringen als unglaubwürdig qualifiziert werden kann. Denn kein Asylwerber würde wohl eine sich bietende Gelegenheit zentral entscheidungsrelevantes Vorbringen zu erstatten, ungenützt vorübergehen lassen (VwGH 7.6.2000, 2000/01/0250).

Erstmals in der eingebrachten Beschwerde vom 15.12.2017 wurde behauptet, dass Sie auf Grund Ihrer Religion in Ihrem Heimatland verfolgt werden würden. Hierzu wurde jedoch bereits vom BVwG mit Erkenntnis vom 24.04.2017 festgestellt, dass in diesem mit einem völlig neuen Umstand ergänzenden Vorbringen der Versuch einer nach Maßgabe des § 20 BFA-VG unzulässigen Steigerung des bisherigen Vorbringens gesehen werden kann.

In Gesamtbetrachtung ist Ihr nunmehriges Vorbringen eine sukzessive Steigerung eines bereits bestehenden Sachverhaltes, welcher in unmittelbaren Zusammenhang mit der gebotenen Abschiebung steht und somit rein aus opportunistischen Erwägungen gestellt worden ist um eine fremdenbehördliche Effektuierung hintanzuhalten. Der gegenständliche Antrag stützt sich daher auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den zuletzt inhaltlich entschiedenen Asylantrag verwirklichten Sachverhalt.

Im nunmehrigen Asylantrag haben Sie offenbar die wiederholte Aufrollung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezweckt.

Die vorgebrachten Gründe, warum es Ihnen nun nicht mehr möglich wäre, in Ihr Herkunftsland zurückzukehren, sind somit nicht geeignet, eine neue, inhaltliche Entscheidung der Behörde zu bewirken und kann darin kein neuer, entscheidungsrelevanter asyl- bzw. refoulementrelevanter Sachverhalt festgestellt werden. Werden nur Nebenumstände modifiziert, so wie in diesem Fall, die für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerheblich sind, so ändert dies nichts an der Identität der Sache. Nur eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes - nicht bloß von Nebenumständen - kann zu einer neuerlichen Entscheidung führen (vgl, zB VwGH 27.9.2000, 98/12/0057).

Die erkennende Behörde kann sohin nur zum zwingenden Schluss kommen, dass der objektive und entscheidungsrelevante Sachverhalt unverändert ist. Es liegt sohin entschiedene Sache im Sinne von § 68 AVG vor.

Mangels Änderung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts wird voraussichtlich eine Zurückweisung des Folgeantrags erfolgen.

Anzumerken ist noch, dass der Maßstab für die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes § 12 a (2) lediglich eine Prognoseentscheidung ist und diese aufgrund ihres Vorbringens eine voraussichtliche Zurückweisung bedingt, da keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts erkennbar ist."

Seitens des BVwG wird den Darlegungen des BFA nicht entgegen getreten. Der ursprüngliche Sachverhalt in Bezug auf die Drohungen der zur Anzeige gebrachten Personen ist von der Rechtskraft des Erstverfahrens mitumfasst. Mit der vorgelegten Bescheinigung des XXXX soll eben wieder nur jener Sachverhalt bekräftigt werden, welcher bereits rechtskräftig negativ entschieden wurde. Wie bereits das BFA darlegte, würde auch die Beweiskraft dieser in Kopie vorgelegten Urkunde vom 16.08.2015 nicht ausreichen um zu einer anderen Entscheidung kommen zu können. Dies insbesondere auch vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen, wonach jedes Dokument, ob als Totalfälschung oder als echte Urkunde mit unrichtigem Inhalt gegen Bezahlung zu beschaffen ist. Auch die angeblichen Angaben des Bruders des A1, wonach diese Personen sie immer noch suchen würden, beziehen sich auf den in Rechtskraft erwachsenen Sachverhalt.

Wie richtigerweise dargelegt, wurde das Thema der atheistischen Grundeinstellung der Antragsteller auch bereits im Erstverfahren mitberücksichtigt und ist somit von der Rechtskraftwirkung mitumfasst, wie sich aus der rechtskräftigen Entscheidung des BVwG ergibt. Dem BFA wird nicht entgegen getreten, wenn es alternativ feststellt, dass dieses Vorbringen auch im Kern nicht glaubhaft gewesen ist. Dem BFA wird zu den diesbezüglichen Darlegungen zugestimmt. Ein glaubhafter Kern dieses Vorbringens ist entsprechend der Ausführungen des BFA nicht ersichtlich. Auch wird dem BFA zugestimmt, wenn dieses darlegt, dass die vorgelegten amtlichen Austrittsbescheinigungen durch schlichte Erklärung erlangbar sind und somit ohnehin kein entsprechendes Gewicht im Verfahren hätten.

Diese Ausführungen beziehen sich auch auf die im Verfahren nunmehr getätigten Angaben der A2, welche ebenfalls bereits im Erstverfahren mitberücksichtigt wurden und alternativ begründet auch keinen glaubhaften Kern aufwiesen.

Betreffend die Feststellungen zur Gefährdungssituation stellte das Bundesamt dar, dass die Lage im Herkunftsstaat seit den Entscheidungen über die vorherigen Anträge im Wesentlichen unverändert sei. Der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt habe sich seit Rechtskraft des Vorverfahrens nicht geändert.

Aufgrund der Feststellungen zur Lage im Herkunftsland in Verbindung mit den Vorbringen drohe keine Verletzung wie in § 12a Abs. 2 Z. 3 beschrieben.

Die neuen Anträge auf internationalen Schutz würden voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein.

Nach Ansicht des BVwG kann der diesbezüglichen Beurteilung des Bundesamtes nicht entgegen getreten werden. Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus der Aktenlage und ist die darauf resultierende Beweiswürdigung bzw. Prognose schlüssig.

Betreffend die Feststellungen in Bezug auf Art. 8 EMRK führte das Bundesamt an, dass gegenständlich ein Familienverfahren vorliege und eine Abschiebung der gesamten Familie erfolgen würde, weshalb kein Eingriff in das Recht auf Familienleben gegeben sei.

Diesbezüglich ist dem BFA beizupflichten. Es wurde bereits im Erstverfahren rechtskräftig entschieden, dass kein Eingriff in das Recht auf Familienleben gegeben ist. Seit der rechtskräftigen Entscheidung im Erstverfahren kamen keine Umstände zu Tage, aus welchen sich ein Eingriff in das Recht auf Familienleben ergeben hätte.

Zur Lage in seinem Herkunftsstaat legte das Bundesamt dar, dass sich die Feststellungen aus den unbedenklichen objektiven Zusammenstellungen und Auskünften der österreichischen Staatendokumentation ergeben würden. Dem wird seitens des BVwG beigetreten. Im Zuge der Einvernahme hatten die Antragsteller A1 und A2 zudem die Möglichkeit, eine Stellungnahme zu den Länderinformationsblättern abzugeben. Diesen wurde nicht substantiiert entgegen getreten und ergaben sich auch keine maßgeblichen Änderungen in den Feststellungen im Verhältnis zum Erstverfahren.

Zu den in der Stellungnahme zitierten Berichten in Bezug auf Glaubensaustritt ist festzustellen, dass diese gegenständlich nicht heranzuziehen waren, da in den Verfahren die Antragsteller betreffend nicht glaubhaft dargelegt wurde, dass diesbezüglich eine Verfolgungsgefahr gegeben ist.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

§ 12 a Abs. 2 AsylG normiert, dass, wenn ein Fremder einen Folgeantrag stellt und kein Fall des Absatz 1 vorliegt, das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben kann, wenn

1. gegen ihn eine aufrechte Rückkehrentscheidung oder Ausweisung besteht,

2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes eingetreten ist, und

3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 22 Abs. 10 AsylG ergehen solche Entscheidungen des Bundesamtes betreffend die Aufhebung des Abschiebeschutzes gem. § 12a Abs. 2 AsylG mündlich in Bescheidform.

§ 22 BFA-VG lautet:

Überprüfung der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes

(1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.

(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.

(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden.

Daraus folgt:

Im konkreten Fall liegen Folgeanträge iSd § 2 Abs. 1 Z. 23 AsylG vor. Darunter ist ein jeder einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag nachfolgender weitere Antrag zu verstehen. Die Vorverfahren wurden mit den bereits genannten Zahlen der GA 306 rechtskräftig abgeschlossen und die zweiten Anträge danach gestellt.

Die darin verhängten Rückkehrentscheidungen sind aufrecht. Dies wurde auch in der Stellungnahme vom 27.07.2018 nicht bestritten.

Die Antragsteller verfügen über kein sonstiges Aufenthaltsrecht. Ihre nunmehrigen Anträge auf internationalen Schutz sind voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, da kein neuer Sachverhalt vorgebracht wurde und sich dieser auf die schon im Erst- und Zweitverfahren behandelten Fluchtgründe bezog, bzw. das Vorbringen keinen Glaubhaften Kern hatte. Die Erlangung der faktischen Notwendigkeiten für eine Abschiebung steht unmittelbar bevor. Für die Antragsteller werden keine Heimreisezertifikate benötigt, wie dies vom BFA mit 01.08.2018 dem BVwG mitgeteilt wurde, sondern liegen dem BFA gültige irakische Reisepässe vor.

Auch hat sich die allgemeine Lage im Herkunftsstaat, auch unter Berücksichtigung aktuellster, als notorisch zu erachtender Lageentwicklung, nicht entscheidungswesentlich nachteilig geändert.

Wie bereits durch das BFA ausgeführt, liegt ein Eingriff in das Recht auf Familienleben im Falle von aufenthaltsbeendenden Maßnahamen gegenständlich nicht vor. Zum Eingriff in das Recht auf Privatleben bei Setzung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen ist festzuhalten, dass ein solcher Eingriff gegeben ist. Jedoch sind seit der rechtskräftigen Entscheidung im Erstverfahren nur etwas mehr als 3 Monate vergangen. Neu eingebracht wurden mehrere Unterstützungsschreiben und Einstellungszusagen den A1 und die A2 betreffend. Vorgelegt wurde weiter ein Schulzeugnis die A3 betreffend und das Prüfergebnis betreffend Integrationsprüfung B1 den A1 betreffend mit "nicht bestanden".

Die im Erstverfahren rechtskräftig getroffenen Feststellungen zum Eingriff in das Privatleben sind jedenfalls noch gegeben.

Diesbezüglich wurde durch das BVwG ausgeführt:

"Wie sich aus den bisherigen Angaben der bfP im Verfahren vor der belangten Behörde und aus der Beschwerde ergibt, verfügen diese zwar über soziale jedoch keine familiären Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet, weshalb vom Vorliegen eines berücksichtigungswürdigen Privatlebens iSd. Art 8 EMRK auszugehen ist.

Vor dem Hintergrund, dass die bfP, insbesondere der BF1 und die BF2 sich der Unsicherheit ihres einzig durch einen unbegründeten Asylantrag vorübergehend legitimierten Aufenthaltes, und der damit einhergehenden Möglichkeit die im Bundesgebiet begründeten Beziehungen nicht vor Ort weiterführen zu können, bewusst waren, hat das Privatleben der bfP eine Relativierung hinzunehmen.

Hinweise auf eine zum Entscheidungszeitpunkt vorliegende berücksichtigungswürdige besondere Integration der bfP in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht sind schon im Hinblick auf die kurze Dauer ihres bisherigen Aufenthalts in Österreich (02/2016), unter Verweis auf die Judikatur des VwGH, wonach dieser sogar einen durchgehenden Aufenthalt von 3 1/2 Jahren noch als kurz bezeichnet, (vgl. VwGH 8.3.2005, 2004/18/0354), nicht erkennbar. Der Nachweis von Deutschsprachkenntnissen, dass einmalige vorrübergehende Verrichten von gemeinnützigen Tätigkeiten sowie von Hilfstätigkeiten allein, vermögen eine tiefgreifende Integration nicht zu begründen. Vielmehr gehen der BF1 und die BF2 keiner regelmäßigen Beschäftigung in Österreich nach, sondern lebten bislang überwiegend von Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung.

Selbst unter der Annahme einer schneller von Statten gehenden Verwurzelung von minderjährigen Kindern im Aufnahmestaat kann hinsichtlich des BF3, der BF4 und der BF5 - ebenfalls - angesichts der erst kurz zugebrachten Zeit im Bundegebiet nicht gesagt werden, dass diese eine tiefgreifende Verwurzelung in Österreich bei gleichzeitigem Abbruch der Beziehungen zum Herkunftsstaat erfahren haben. Vielmehr attestiert der EGMR Kindern, selbst im Falle ihrer Geburt im Aufnahmestaat, eine hinreichende Anpassungsfähigkeit in Bezug auf deren Rückkehr in den Herkunftsstaat (vgl. EGMR 26.1.1999, 43279/98, Sarumi gg Vereintes Königreich)."

Im Erstverfahren wurde somit auch das Kindeswohl mitberücksichtigt und ergaben sich nunmehr diesbezüglich keine maßgeblichen Veränderungen. Insbesondere leben die Familien der Antragsteller im Irak und haben die Antragsteller somit die Möglichkeit, im Falle von anfänglichen Schwierigkeiten im Falle einer Rückkehr auf die Hilfe ihrer Familien zurückzugreifen.

Zu den nunmehr vorgelegten Unterlagen ist auszuführen, dass einer Arbeitsplatzzusage in einem Verfahren betreffend Aufenthaltsbeendigung mangels Aufenthaltsberechtigung und Arbeitserlaubnis des Fremden keine wesentliche Bedeutung zukommen kann (vgl. zB VwGH 21.1.2010, 2009/18/0523; 29.6.2010, 2010/18/0195; 17.12.2010, 2010/18/0385; 22.02.2011, 2010/18/0323).

Auch der Umstand, dass der Fremde einen großen Freundes- und Bekanntenkreis hat und er der deutschen Sprache mächtig ist, können seine persönlichen Interessen an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet nicht maßgeblich verstärken (vgl. VwGH 26.11.2009, 2007/18/0311; 29.6.2010, 2010/18/0226). Selbsterhaltungsfähigkeit liegt nach wie vor nicht vor und wurde im Verfahren auch nicht behauptet. Zum vorgelegten Schulzeugnis ist festzustellen, dass sich auch daraus keine Änderung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes erblickt werden kann, wenn man bedenkt, dass in Österreich Schulpflicht herrscht. Die nicht bestandene Integrationsprüfung B1 durch den A1 kann auch zu keinem anderen Ergebnis führen.

Dem Bundesamt ist somit nicht entgegen zu treten, wenn es davon ausgegangen ist, dass im Falle von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen kein unverhältnismäßiger Eingriff iSd Art. 8 EMRK gegeben ist, da nach Maßgabe einer Interessensabwägung auch etwa 3 Monate nach Rechtskraft der ersten Verfahren immer noch davon auszugehen ist, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthalts der Antragsteller im Bundesgebiet deren persönlichen Interessen am Verbleib im Bundesgebiet deutlich überwiegt und daher durch eine Abschiebung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt.

Bereits im Vorverfahren wurde festgestellt, dass bei einer Rückkehr bzw. Abschiebung in das Herkunftsland keine Verletzung der hier maßgeblichen Rechtsgüter droht. Da sich die allgemeine Lage wie auch die persönlichen Verhältnisse seit der letzten Entscheidung des Bundesamtes nicht entscheidungswesentlich geändert haben, kann davon ausgegangen werden, dass eine Abschiebung in den Herkunftsstaat Irak für die Antragsteller zu keiner Bedrohung der angeführten Rechtsgüter führen wird.

Die Feststellung der Zulässigkeit der in Rechtskraft erwachsenen Rückkehrentscheidungen ist nach wie vor nicht anzuzweifeln.

Aufgrund der Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat in Verbindung mit dem Vorbringen kann somit davon ausgegangen werden, dass keine Verletzung wie in § 12a Abs. 2 Z 3 beschrieben, droht.

Es liegen somit alle Voraussetzungen für eine Aufhebung des Abschiebeschutzes vor, sodass die Rechtmäßigkeit derselben zu bestätigen war.

Wenn in der Stellungnahme vom 27.07.2018 dargelegt wird, dass das BFA nicht konkret dargelegt hat, weshalb es von seiner Ermessensentscheidung Gebrauch gemacht hat, ist diesbezüglich festzustellen, dass das BFA tatsächlich nicht in einem eigenen Punkt seine Gründe dafür angeführt hat, jedoch ergeben sich diese doch insgesamt aus den Darlegungen des BFA in Verbindung mit den zuletzt durchgeführten niederschriftlichen Einvernahmen in den Verfahren. Demnach wurden nach Darlegung des BFA die zweiten Asylanträge relativ kurz nach Rechtskraft der Vorverfahren eingebracht und erläuterte das BFA die Steigerungen der Vorbringen der Antragsteller im Zuge der Verfahren, was durch das BFA derart gewertet wurde, dass diese sukzessiven Steigerungen in den Vorbringen in unmittelbarem Zusammenhang mit der gebotenen Abschiebung stehen würden und somit rein aus opportunistischen Erwägungen gestellt worden seien, um eine fremdenpolizeiliche Effektuierung hintanzuhalten.

Somit wurde durch das BFA entgegen der Ansicht in der Stellungnahme seine Ermessensentscheidung wie oben angeführt begründet.

Wenn in der Stellungnahme vom 27.07.2018 dargelegt wird, dass der VwGH die Ansicht vertrete, dass die Bestimmungen zur Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes und der daran anknüpfenden automatischen "Beschwerde" verfassungswidrig seien, so wird nicht dargelegt, was daraus für die Antragsteller zu gewinnen wäre und ist derartiges auch aus Sicht des BVwG nicht zu erblicken. Vielmehr handelt es sich um rechtliche Bedenken, dass mit diesen Regelungen in unzulässiger Weise eine erstinstanzliche Zuständigkeit des BVwG geschaffen werde, wodurch jedoch kein genereller Rechtsnachteil in Bezug auf Antragsteller gemeint ist. Zudem sind dieser Normen nach wie vor in Anwendung, weshalb sich aus dieser lediglichen Feststellung in der Stellungnahme keine Auswirkungen in den gegenständlichen Verfahren ergeben können.

Gem. § 22 Abs. 1 BFA-VG konnte eine Verhandlung entfallen. Auf Grund der Aktenlage ergaben sich keine konkreten Anhaltspunkte, dass dessen ungeachtet eine Verhandlung zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlich wäre.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung rechtmäßig, Folgeantrag,
Identität der Sache

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:L510.2180286.2.00

Zuletzt aktualisiert am

20.11.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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