TE Bvwg Beschluss 2018/8/3 W205 2143597-1

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Veröffentlicht am 03.08.2018
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Entscheidungsdatum

03.08.2018

Norm

AsylG 2005 §35
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3

Spruch

W205 2143597-1/4E

W205 2143591-1/4E

W205 2143592-1/4E

W205 2143595-1/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. SCHNIZER-BLASCHKA nach Beschwerdevorentscheidung der der Österreichischen Botschaft Islamabad vom 14.12.2016, Islamabad -OB/KONS/2005/2015, aufgrund des Vorlageantrags von 1.) Frau XXXX geb. XXXX , 2.) mj. XXXX , geb. XXXX , 3.) mj. XXXX , geb. XXXX ,

4.) mj. XXXX , geb. XXXX , alle StA: Afghanistan, über die Beschwerde gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft Islamabad vom 24.10.2016, Zl. Islamabad -ÖB/KONS/2005/2015, beschlossen:

A)

Den Beschwerden wird gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG stattgegeben, der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Erlassung einer neuerlichen Entscheidung an die Behörde zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Die Erstbeschwerdeführerin ist ihren Angaben zufolge die Mutter und gesetzliche Vertreterin der übrigen minderjährigen Beschwerdeführerinnen, alle sind afghanische Staatsangehörige. Sie stellten am 30.07.2015 bei der Österreichischen Botschaft Islamabad (künftig: ÖB) jeweils einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 Abs. 1 AsylG 2005.

2. Der Bezugsperson, dem als Ehemann der Erstbeschwerdeführerin und Vater der übrigen Beschwerdeführerinnen bezeichneten G, StA.:

Afghanistan, wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (künftig: BFA) vom 17.12.2014, Zl. 13-811543202, rechtskräftig seit 08.01.2015, gemäß § 3 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt.

3. Nach Weiterleitung der Anträge auf Einreiseerlaubnis an das BFA teilte dieses der ÖB mit Schreiben vom 04.07.2016 gemäß § 35 Abs. 4 AsylG mit, dass die Gewährung des Status des Asylberechtigten nicht wahrscheinlich sei, weil die Angaben der Antragsteller zur Angehörigeneigenschaft gemäß § 35 AsylG in mehrfacher Hinsicht den von der Bezugsperson im Asylverfahren gemachten Angaben widersprächen. In der angeschlossenen Stellungnahme werden die einzelnen Widersprüche dargestellt (es handelt sich jeweils um Abweichungen in den Angaben zum Alter der Antragstellerinnen und zum Heiratsdatum, wobei bei den Aussagen jeweils das Alter in ganzen Jahren und nicht in Form des Geburtsdatums der Betroffenen angegeben wurde, sowie um Daten in den von den Beschwerdeführerinnen vorgelegten Geburtsurkunden, wobei auch in diesen das Alter der Betroffenen jeweils in ganzen Jahren - bei den Kindern - jeweils nach den Angaben des bei der Behörde vorstellig gewordenen Vaters bzw. Onkels vermerkt bzw. - bei der Erstbeschwerdeführerin - wegen des "äußeren Erscheinungsbildes" geschätzt wurde).

4. Die ÖB richtete mit Schreiben vom 16.07.2016 unter Anschluss der Mitteilung und der Stellungnahme des BFA eine Aufforderung zur Stellungnahme an die Beschwerdeführerinnen.

5. Mit Schreiben vom 07.10.2016 legten die Beschwerdeführerinnen

-

die Heiratsurkunde von Erstbeschwerdeführerin und Bezugsperson, über die traditionelle Eheschließung 2007 und deren staatliche Eintragung 2011, noch bevor die Bezugsperson den Herkunftsstaat verlassen hat,

-

die Geburtsurkunden der Antragstellerinnen sowie

-

die für jede Antragstellerin am 18.04.2016 in Kabul ausgestellten Reisepässe

vor und teilten mit, dass sehr wohl die Familieneigenschaft zur Bezugsperson gegeben sei.

Sollte - so die Stellungnahme weiter - "an der Familieneigenschaft der Antragsteller zur Bezugsperson gezweifelt werden, erklären sich die Antragsteller bereit, diese mittels DNA Gutachten nachzuweisen und beantragen eine entsprechende Belehrung gem. § 13 Abs. 4

BFA-VG."

Die Beschwerdeführer sähen die behördlichen Schlussfolgerungen nach Vorlage der Beweise als zerstreut an und es werde ersucht, den Einreiseanträgen stattzugeben.

6. Diese Stellungnahme wurde von der ÖB neuerlich dem BFA übermittelt, das an der negativen Wahrscheinlichkeitsprognose festhielt und begründend folgendes ausführte: "Die aus den vorgelegten Reisepasskopien entnommenen Geburtsdaten der mj. Kinder widersprechen nicht nur gegen die vorgelegten Geburtsurkunden, sondern waren auch den "leiblichen" Eltern weder bei Ausstellung der Geburtsurkunden noch dem Vater bei seiner Asylantragstellung und Einvernahme vor dem BFA bzw. der Mutter bei der Abgabe der Einreiseanträge bekannt". (E-Mail vom 17.10.2016).

7. Mit dem angefochtenen Bescheid der ÖB wurde der Einreiseantrag der Beschwerdeführerinnen gemäß § 26 FPG in Verbindung mit § 35 AsylG abgewiesen. In der Begründung wurde im Wesentlichen unter Verweis auf die Begründung des BFA ausgeführt, dass das BFA nach Prüfung mitgeteilt habe, dass eine negative Wahrscheinlichkeitsprognose bestehe. Es sei somit aufgrund der Aktenlage spruchgemäß zu entscheiden und der Antrag abzulehnen gewesen.

8. Gegen diesen Bescheid wurde mit Schriftsatz vom 25.11.2016 Beschwerde erhoben. Darin wird unter Anführung der vom BFA georteten Widersprüche ausgeführt, die Bezugsperson habe sich bei Angabe der Geburts- und Ehedaten durchgehend um 1-2 Jahre verschätzt, die Altersrelationen seien aber richtig. Durch die vorgelegten Reisepässe würde das Alter klar bewiesen, die Familieneigenschaft sei durch die Geburtsurkunden (Tazkira) belegt, in denen die Bezugsperson nachweislich als Vater benannt werde. Sollte dennoch an der Familieneigenschaft der Antragsteller zur Bezugsperson gezweifelt werden, erkläre sich die Familie bereit, diese mittels DNA-Gutachten nachzuweisen und beantrage eine entsprechende Belehrung gem. § 13 Abs. 4 BFA-VG. Die Gültigkeit der Ehe sei vom BFA nicht in Zweifel gezogen worden und gelte als erwiesen. Die ungenauen Angaben der Bezugsperson seien durch Beweise konkretisiert worden, auch die Aussagen der Erstbeschwerdeführerin sollten nicht negativ bewertet werden, da mit den vorgelegten Urkunden die Informationen klar nachgewiesen wurden.

9. In der Folge erließ die ÖB mit Bescheid vom 14.12.2016 eine Beschwerdevorentscheidung gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG, mit der die Beschwerde abgewiesen wurde. In der Begründung wurde unter Verweis auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Bindungswirkung in diesen Verfahren ausgeführt, dass die Nachprüfung der Wahrscheinlichkeitsprognose des BFA durch die Botschaft nicht in Betracht komme. Danach unterliege die Wahrscheinlichkeitsbeurteilung des BFA im Rahmen des § 27 VwGVG nur einer Überprüfung durch das BVwG, wenn gegen einen Bescheid nach § 35 AsylG Beschwerde erhoben werde. Unabhängig von der Bindungswirkung teile die belangte Behörde aber die Ansicht des BFA, dass die Gewährung des Status einer subsidiär Schutzberechtigten oder Asylberechtigten im Rahmen des Familienverfahrens nicht wahrscheinlich sei.

10. Dagegen brachten die Beschwerdeführerinnen mit Schriftsatz vom 15.12.2016 einen Vorlageantrag gemäß § 15 VwGVG ein und verwiesen auf das Beschwerdevorbringen.

11. Mit dem am 30.12.2016 eingelangten Schreiben des Bundesministeriums für Europa, Integration und Äußeres wurde dem Bundesverwaltungsgericht der Vorlageantrag samt Verwaltungsakt übermittelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu A) Stattgebung der Beschwerde:

1. Rechtslage:

Der mit "Begriffsbestimmungen" übertitelte § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 idgF lautet:

§ 2. (1) Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist

[....]

22. Familienangehöriger: wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat, sowie der gesetzliche Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits im Herkunftsland bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat;

[....]

Der mit "Familienverfahren im Inland" übertitelte § 34 AsylG 2005 idgF lautet:

§ 34. (1) Stellt ein Familienangehöriger von

----------

-1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;

-2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder

-3. einem Asylwerber

einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

----------

-1. dieser nicht straffällig geworden ist und

-(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

-3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).

(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn

----------

-1. dieser nicht straffällig geworden ist;

-(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

-3. gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und

-4. dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.

(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.

(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.

(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:

----------

-1. auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;

-auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der

2. Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind;

-3. im Fall einer Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 NAG).

§ 35 AsylG 2005 in der (gemäß § 75 Abs. 24 AsylG idF BGBl. I Nr. 24/2016 aufgrund der Anhängigkeit des gegenständlichen Verfahrens vor dem 1. Juni 2016) anzuwendenden Fassung BGBl. I. Nr. 68/2013 (bzw. Abs.5 idF BGBl. I. Nr. 145/2017) lautet:

"Anträge auf Einreise bei Vertretungsbehörden

§ 35. (1) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen.

(2) Befindet sich der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, im Ausland, ist diesem über Antrag nach der ersten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung des Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten bereits zuerkannt wurde, die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs. 4.

(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 und Abs. 2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.

(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§ 26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn

----------

-1. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§ 7 und 9) und

-2. das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht.

Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren.

(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat."

§ 11, § 11a und § 26 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) lauten:

"Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§ 11 (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art. 19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragssteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§ 39a AVG). § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.

(2) Partei in Verfahren vor der Vertretungsbehörde ist ausschließlich der Antragssteller.

(3) Die Ausfertigung bedarf der Bezeichnung der Behörde, des Datums der Entscheidung und der Unterschrift des Genehmigenden; an die Stelle der Unterschrift kann das Siegel der Republik Österreich gesetzt werden, sofern die Identität des Genehmigenden im Akt nachvollziehbar ist. Die Zustellung hat durch Übergabe in der Vertretungsbehörde oder, soweit die internationale Übung dies zulässt, auf postalischem oder elektronischem Wege zu erfolgen; ist dies nicht möglich, so ist die Zustellung durch Kundmachung an der Amtstafel der Vertretungsbehörde vorzunehmen.

[....]

(5) Für die Berechnung von Beginn, Lauf und Ende von Fristen (§ 33 AVG) gelten die Wochenend- und Feiertagsregelungen im Empfangsstaat.

[....]

Beschwerden gegen Bescheide österreichischer Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§ 11a (1) Der Beschwerdeführer hat der Beschwerde gegen einen Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde sämtliche von ihm im Verfahren vor der belangten Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.

(2) Beschwerdeverfahren sind ohne mündliche Verhandlung durchzuführen. Es dürfen dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden.

(3) Sämtliche Auslagen der belangten Vertretungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes für Dolmetscher und Übersetzer sowie für die Überprüfung von Verdolmetschungen und Übersetzungen sind Barauslagen im Sinn des § 76 AVG.

(4) Die Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat über die Vertretungsbehörde zu erfolgen. § 11 Abs. 3 gilt.

[....]

Visa zur Einbeziehung in das Familienverfahren nach dem AsylG 2005

§ 26 Teilt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 mit, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist, ist dem Fremden ohne Weiteres zur einmaligen Einreise ein Visum mit viermonatiger Gültigkeitsdauer zu erteilen."

§ 13 Abs. 4 BFA-VG in der geltenden (auch von der Behörde anzuwendenden) Fassung lautet:

"Gelingt es einem Fremden nicht, ein behauptetes Verwandtschaftsverhältnis, auf das er sich in einem Verfahren vor dem Bundesamt oder dem Bundesverwaltungsgericht oder in einem Verfahren gemäß § 35 AsylG 2005 beruft, durch unbedenkliche Urkunden oder sonstige geeignete und gleichwertige Bescheinigungsmittel nachzuweisen, so hat ihm das Bundesamt oder das Bundesverwaltungsgericht auf sein Verlangen und auf seine Kosten die Vornahme einer DNA-Analyse zu ermöglichen. Der Fremde ist über diese Möglichkeit zu belehren. Das mangelnde Verlangen des Fremden auf Vornahme einer DNA-Analyse ist keine Weigerung des Fremden, an der Klärung des Sachverhaltes mitzuwirken. Im weiteren Verfahren darf nur die Information über das Verwandtschaftsverhältnis verarbeitet werden; allenfalls darüber hinaus gehende Daten sind zu löschen. Das Bundesamt oder das Bundesverwaltungsgericht hat dem Fremden die Kosten der DNA-Analyse auf Antrag zu erstatten, wenn das behauptete Verwandtschaftsverhältnis durch das auf der DNA-Analyse beruhende Gutachten festgestellt wurde und sich der Fremde im Bundesgebiet aufhält."

§ 28 Abs. 1 bis 3 VwGVG lautet wie folgt:

"§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland in Bezug auf die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 an die Mitteilung des BFA über die Prognose einer Asylgewährung bzw. Gewährung subsidiären Schutzes gebunden, und zwar auch an eine negative Mitteilung, und es kommt ihr diesbezüglich keine eigene Prüfungskompetenz zu (vgl. VwGH 16.12.2014, Ro 2014/22/0034; VwGH 01.03.2016, Ro 2015/18/0002).

Ungeachtet dieser für die Vertretungsbehörden bestehenden Bindungswirkung an die Prognoseentscheidung des Bundesamtes steht es dem Bundesverwaltungsgericht allerdings nunmehr - innerhalb des mit dem Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz - FNG, BGBl. I Nr. 87/2012 geschaffenen geschlossenen Rechtsschutzsystems - offen, auch die Einschätzung des BFA über die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes an den Antragsteller auf ihre Richtigkeit zu überprüfen (VwGH 01.03.2016, Ro 2015/18/0002).

3. Das BFA ging bei seiner negativen Wahrscheinlichkeitsprognose im Wesentlichen davon aus, dass aufgrund der - näher dargestellten - Widersprüche bzw. aufgrund fehlender Angaben von Erstbeschwerdeführerin im Einreiseverfahren und Bezugsperson im Asylverfahren die Familieneigenschaft ungeachtet der vorgelegten Urkunden nicht vom Nachweis des bestehenden Familienverhältnisses im Sinne eines vollen Beweises auszugehen sei.

Dieser Beurteilung geht nach Auffassung des BVwG allerdings ein mangelhaftes Verfahren voraus:

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem - den Behörden damals naturgemäß noch nicht bekannten - Erkenntnis vom 26.03.2018, Ra 2017/18/0112, unter Hinweis auf die Vorjudikatur zur Auslegung des § 13 Abs. 4 BFA-VG in einem ähnlich gelagerten Fall folgendes ausgeführt:

‚10 Wie der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 22. Februar 2018, Ra 2017/18/0131 bis 0133, erkannt hat, ist zu den inhaltlichen Anforderungen, die sich aus § 13 Abs. 4 BFA-VG ergeben, Folgendes auszuführen:

"Wie in den angeführten Materialien klar zum Ausdruck gebracht wird, wird durch die Bestimmung des § 13 Abs. 4 BFA-VG nicht vom amtswegigen Ermittlungsgrundsatz (unter Beachtung der Mitwirkungspflicht des Fremden) abgegangen. Sie kommt daher nur zur Anwendung, wenn es einem Fremden nicht gelingt, ein behauptetes Verwandtschaftsverhältnis durch unbedenkliche Urkunden oder sonstige geeignete und gleichwertige Bescheinigungsmittel nachzuweisen und hinsichtlich der Ergebnisse des bisherigen Ermittlungsverfahrens Zweifel bestehen.

Daraus folgt als logischer erster Schritt, dass die Behörde bzw. das BVwG einem Fremden bestehende, konkrete Zweifel an einem behaupteten Abstammungsverhältnis mitzuteilen haben. Darüber hinaus haben sie dem Fremden auf sein Verlangen eine DNA-Analyse gemäß § 13 Abs. 4 BFA-VG ‚zu ermöglichen'; dieser ist auch über diese Möglichkeit zu belehren. Die in der Bestimmung angesprochene ‚Ermöglichung' der DNA-Analyse zum Nachweis des Verwandtschaftsverhältnisses kann im Lichte der Gesetzesmaterialien nur so verstanden werden, dass sie eine organisatorische Hilfestellung der Behörde bzw. des Gerichts bei der Durchführung der DNA-Analyse mitumfasst, nicht jedoch die Übernahme der Kosten. Diese Regelung verfolgt klar den Zweck, es einem Fremden auf sein Verlangen auf einfache Weise zu ermöglichen, bestehende Zweifel an einem Verwandtschaftsverhältnis mittels DNA-Analyse auszuräumen, sofern er sich zur Übernahme der Kosten bereiterklärt. Daher sind einem Fremden im Rahmen dieser organisatorischen Hilfestellung die praktischen Modalitäten - etwa wo er sich zu welchen Zeiten zur DNA-Analyse einzufinden hat und welche Kosten damit verbunden sind - bekannt zu geben."

11 Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Erkenntnis in Rn 23 weiters ausgeführt, dass - bevor ein Antrag gemäß § 35 AsylG 2005 aufgrund von Zweifeln an einem Verwandtschaftsverhältnis abgewiesen wird -, jedenfalls gemäß § 13 Abs. 4 BFA-VG eine organisatorische Hilfestellung zur Beibringung des DNA-Nachweises und die entsprechende Belehrung zu erfolgen hat (arg: "hat ihm (...) zu ermöglichen"; "ist (...) zu belehren").

12 Im vorliegenden Fall, in dem die minderjährige Zweitrevisionswerberin bereits in ihrer Beschwerde monierte, keine "entsprechende Belehrung gemäß § 13 Abs. 4 BFA-VG" erhalten zu haben, kann dieses "Ersuchen um Belehrung" aus dem Kontext nur so verstanden werden, dass das revisionswerbende Kind um eine behördliche organisatorische Hilfestellung im oben wiedergegebenen Sinn, somit eine Anleitung betreffend der Modalitäten der Durchführung einer DNA-Analyse ersuchte.

13 Aus den vorgelegten Verfahrensakten ist jedoch nicht ersichtlich, dass der zweitrevisionswerbenden Partei eine derartige organisatorische Hilfestellung gewährt wurde. Insoweit liegt ein Verstoß gegen die Regelung des § 13 Abs. 4 BFA-VG vor. Da die minderjährige Zweitrevisionswerberin als Kind der Bezugsperson jedenfalls Familienangehörige nach § 35 Abs. 5 AsylG 2005 wäre, kann diesem Verfahrensmangel auch nicht die Relevanz abgesprochen werden. Wäre aber der Zweitrevisionswerberin die Einreiseerlaubnis zur Bezugsperson zu erteilen, so müsste auch die Frage, ob die Erstrevisionswerberin als deren Mutter und behaupteter Ehefrau der Bezugsperson die Einreise zu gestatten ist, einer neuen Betrachtung unterzogen werden.'

Im Beschwerdefall haben die Beschwerdeführerinnen in ihrer Stellungnahme vom 07.10.2016 zur negativen Wahrscheinlichkeitsprognose des BFA Urkunden zum Beweis ihres Verwandtschaftsverhältnisses zur Bezugsperson vorgelegt, für den Fall, dass daran weiterhin Zweifel bestehenden sollten, ausdrücklich eine entsprechende Belehrung gemäß § 13 Abs. 4 BFA-VG beantragt und ausgeführt, erforderlichenfalls zur Beweisführung durch Erstellung eines DNA-Gutachtens bereit zu sein.

Dieser Antrag um "eine entsprechende Belehrung gem. § 13 Abs. 4 BFA-VG" ist eindeutig als Ersuchen um eine behördliche organisatorische Hilfestellung im oben wiedergegebenen Sinn, somit um eine Anleitung betreffend die Modalitäten der Durchführung einer DNA-Analyse zu qualifizieren. Da die Behörde den Beschwerdeführerinnen eine derartige organisatorische Hilfestellung nicht zu Teil werden ließ, liegt insoweit ein relevanter Verstoß gegen die Regelung des § 13 Abs. 4 BFA-VG vor, da den minderjährigen Beschwerdeführerinnen als Kindern der Bezugsperson jedenfalls die Einreise nach § 35 AsylG 2005 zu gestatten wäre. Mit der DNA-Analyse wäre es aber auch möglich, die - entgegen der Beschwerdebehauptung offenbar schon bestehenden - Zweifel an der Ehe von Erstbeschwerdeführerin und Bezugsperson zu hinterfragen.

4. Aus dem Gesagten ergibt sich, dass sich das BFA im fortgesetzten Verfahren mit der Frage der Familienangehörigeneigenschaft der Beschwerdeführerinnen zur angegebenen Bezugsperson iSd § 35 Abs. 5 AsylG 2005 nochmals detaillierter auseinanderzusetzen haben wird, für den Fall, dass die vorgelegten Urkunden - allenfalls nach Prüfung auf deren Echtheit und Richtigkeit - nach wie vor Zweifel am behaupteten Verwandtschaftsverhältnis bestehen lassen sollten, hätte jedenfalls - vor Erstellung einer negativen Wahrscheinlichkeitsprognose - gemäß § 13 Abs. 4 BFA-VG nach entsprechender Belehrung eine organisatorische Hilfestellung zur Beibringung des DNA-Nachweises zu erfolgen.

Nur wenn eine Mitteilung des BFA gemäß § 35 Abs. 4 AsylG vorliegt, die einer nachprüfenden Kontrolle durch das Bundesverwaltungsgericht zur Richtigkeit der negativen Prognose standhält, würde diese eine taugliche Grundlage für eine negative Entscheidung der Vertretungsbehörde über den Einreisetitel nach § 35 AsylG 2005 bilden.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

5. Eine mündliche Verhandlung hatte gemäß § 11a Abs. 2 FPG zu unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Denn das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen wiedergegeben.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Einreisetitel, Ermittlungspflicht,
Familienangehöriger, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung,
Urkunde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W205.2143597.1.00

Zuletzt aktualisiert am

14.11.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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