TE Bvwg Erkenntnis 2018/8/6 G307 2176537-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.08.2018
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Entscheidungsdatum

06.08.2018

Norm

BFA-VG §18 Abs3
B-VG Art.133 Abs4
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §70 Abs3

Spruch

G307 2176537-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Markus MAYRHOLD als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. am XXXX, StA: Polen, vertreten durch die Diakonie und Flüchtlingshilfe, gemeinnützige Gesellschaft mbH - ARGE Rechtsberatung in 1170 Wien gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.10.2017, Zahl XXXX zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Schreiben vom 08.05.2017 räumte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich (im Folgenden: BFA, RD NÖ), dem Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) Parteiengehör zur beabsichtigten Erlassung eines Aufenthaltsverbots ein und forderte diesen gleichzeitig auf, bis zum 23.05.2017 zu seinen persönlichen Verhältnissen wie Integrationsmomenten Stellung zu nehmen.

Der BF gab hiezu am 13.08.2017 Stellungnahme ab.

2. Mit dem im Spruch angeführten Bescheid vom 16.10.2017, dem BF persönlich zugestellt am 19.10.2017, wurde gegen den BF gemäß § 67 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), ihm gemäß § 70 Abs. 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub eingeräumt (Spruchpunkt II.) sowie einer Beschwerde gegen das Aufenthaltsverbot gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.).

3. Mit Schreiben vom 08.11.2017, beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht am 13.11.2017, erhob der BF durch die im Spruch angeführte Rechtsvertretung (im Folgenden: BF) Beschwerde gegen den angeführten Bescheid.

Darin wurde beantragt, , den bekämpften Bescheid wegen Rechtswidrigkeit zur Gänze zu beheben, in eventu das Aufenthaltsverbot (gemeint wohl dessen Dauer) wesentlich zu verkürzen, in eventu den Bescheid zu beheben und zur Verfahrensergänzung an die Behörde erster Instanz zurückzuverweisen.

4. Die Beschwerde und der dazugehörige Verwaltungsakt wurden vom BFA dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) am 14.11.2017 vorgelegt und langten dort am 15.11.2017 ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF führt die im Spruch angegebene Identität (Name und Geburtsdatum) und ist polnischer Staatsbürger. Er führt mit XXXX eine Beziehung und wohnte mit dieser zumindest bis zum 04.07.2018 im gemeinsamen Haushalt. Ob der BF verheiratet ist, konnte nicht festgestellt werden. Weitere soziale Kontakte oder sonstige intensive Beziehungen zu in Österreich wohnhaften Personen konnten nicht festgestellt werden. Es konnte nicht festgestellt werden, dass die LG vom BF ein Kind erwartet oder schwanger ist. Der BF hält sich seit 24.03.2016 im Bundesgebiet auf. Der BF ist aktuell nicht (mehr) im Bundesgebiet gemeldet.

1.2. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF arbeitsunfähig ist oder an irgendwelchen Krankheiten leidet.

1.3. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF über Deutschkenntnisse eines bestimmten Niveaus verfügt.

1.4. Der BF war bisher im Bundesgebiet vom 01.06.2016 bis zum 31.05.2017 bei XXXX in XXXX Wien geringfügig beschäftigt und bezog hiefür (bis 31.05.2017) ein Einkommen von rund € 370,00 monatlich. Derzeit ist der BF seit 02.07.2018 dort wieder im geringfügigen Ausmaß beschäftigt.

1.5. Der BF wurde vom Landesgericht XXXX (im Folgenden: LG XXXX) zu XXXX, in Rechtskraft erwachsen am XXXX.2017, wegen schweren gewerbsmäßigen Einbruchsdiebstahls gemäß §§ 127, 128 Abs. 1 Z 5, 129 Abs. 1 Z 3, 130 Abs. 1 und 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von insgesamt 18 Monaten verurteilt, wovon 12 Monate bedingt unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren verhängt wurden.

Im Zuge dieser Verurteilung wurde der BF für schuldig befunden, am XXXX.2016 in XXXX, zwischen XXXX.2016 und XXXX.2016 in XXXX, in der Nacht zum XXXX.2016 in XXXX sowie in derselben Nacht in XXXX in insgesamt 15 Fällen im Rahmen einer kriminellen Vereinigung mit zwei weiteren Mittätern unter Mitwirkung eines anderen Mitgliedes dieser Vereinigung fremde bewegliche Sachen in einem € 5.000,00 übersteigenden Wert fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz weggenommen oder wegzunehmen versucht, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Als mildernd wurden hiebei das reumütige Geständnis, der bisher ordentliche Lebenswandel sowie, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist, als erschwerend die mehrfache Deliktsqualifikation und die Tatwiederholungen gewertet.

Festgestellt wird ferner dass der BF das darin beschriebene Verhalten gesetzt und die genannten Tathandlungen ausgeführt hat.

Der BF wurde am XXXX.2017 festgenommen und verbüßte den unbedingten Teil der Haft bis zum XXXX.2017. An diesem Tag wurde er aus der Haft entlassen.

2. Beweiswürdigung

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl sowie des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zu Identität und der mit XXXX geführten Beziehung getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde. Ferner ergibt sich diese Lebensgemeinschaft auch aus den eigenen Angaben des BF. Im Zentralen Melderegister scheint der BF zwar unter dem Familienstatus "verheiratet" auf, jedoch lieferte der BF weder Belege hiefür noch nannte er den Namen und Verbleib einer angeblichen Gattin.

Der BF legte einen auf seinen Namen ausgestellten Personalausweis vor, an dessen Echtheit und Richtigkeit keine Zweifel aufgekommen sind.

Die bisher und aktuell ausgeübte Erwerbstätigkeit, das dahingehende Beschäftigungsausmaß sowie die aktuelle Erwerbslosigkeit ergeben sich aus dem Inhalt des den BF betreffenden Sozialversicherungsdatenauszuges. Wie hoch das aktuelle Einkommen ist oder ob der BF über Vermögen verfügt, hat er nicht dargelegt.

Der BF blieb Angaben zu allfälligen Krankheiten und seiner Arbeitsfähigkeit schuldig, weshalb nicht festgestellt werden konnte, der BF leide an solchen oder sei arbeitsunfähig.

Der BF legte keine Bescheinigungsmittel oder Zertifikate vor, welche auf Kenntnisse der deutschen Sprache eines bestimmten Niveaus hingewiesen hätten.

Wenn in der Beschwerde vermeint wird, die Lebensgefährtin des BF sei schwanger, so ist dem Argument, der Lebensgefährtin des BF sei noch kein Mutter-Kind-Pass ausgestellt worden, zu entgegnen, dass laut der Mutter-Kind-Pass-Verordnung (§§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 2 iVm 12 Abs. 1 leg. cit) dieser bereits ab Feststellung der Schwangerschaft ausgestellt wird. Seit dem Beschwerdezeitpunkt sind jedoch bereits mehr als 8 Monate vergangen und blieb der BF die Vorlage eines solchen schuldig. Auch weitere Unterlagen, welche diesen Zustand bestätigt hätten, wurden nicht vorgelegt, weshalb keine Schwangerschaft der Lebensgefährtin festgestellt werden konnte.

Die bisherigen Meldungen und Aufenthalte des BF (in und außerhalb von Justizanstalten) ergeben sich aus dem Inhalt des ihn betreffenden Auszugs aus dem Zentralen Melderegister (im Folgenden: ZMR). Ebenso ergibt sich daraus die Abmeldung des BF.

Die Verurteilung des BF folgt dem Amtswissen des BVwG durch Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich wie dem Inhalt des in Kopie im Akt befindlichen Urteils des LG XXXX.

Der Zeitpunkt der Festnahme des BF ergibt sich aus dem Inhalt der Vollzugsdateninformation der Justizanstalt XXXX vom XXXX.2017 jener der Entlassung aus dem ZMR.

Wenn in der Beschwerde vermeint wird, dem BF sei eine positive Zukunftsprognose auszustellen, weil es sich bei ihm um keinen Wiederholungstäter handle, er beabsichtigte - vorerst in Polen - eine Arbeit zu finden, seine Lebensgefährtin bald heiraten wolle und er seinem Kind ein Vorbild sein wolle, so liegt sie mit dieser Ansicht einerseits falsch, andererseits spricht sie rein hypothetische Belange an. So übersieht das Rechtsmittel, dass der BF bereits rund 7 Monate nach seiner Einreise straffällig wurde und mit Bereicherungsvorsatz gehandelt hat. Auch hat das durch seine Beschäftigung erwirtschaftete Einkommen offenbar nicht gereicht, um seinen Lebensunterhalt und jenen seiner Lebensgefährtin zu sichern. Anstatt sich um eine Vollzeitbeschäftigung zu bemühen, ist den (ergänzenden) Weg in die Straffälligkeit gegangen. Des Weiteren verlangt der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) - wie noch in der rechtlichen Beurteilung zu zeigen sein wird - eine bestimmte in Freiheit verbrachte Zeitspanne um einem Straftäter eine positive Zukunftsprognose erteilen zu können.

Der BF gab dem erkennenden Gericht bis dato keinen Termin der Eheschließung bekannt und unterließ es - wie bereits erwähnt - Bescheinigungsmittel für die Schwangerschaft seiner Lebensgefährtin vorzulegen.

Entgegen der Beschwerdemeinung liefere die belangte Behörde auf den Seiten 5, 6, 9 und 10 ihres Bescheides sehr wohl eine nachvollziehbare Gefährdungsprognose, indem es die Gewerbsmäßigkeit des BF-Verhaltens anprangerte, seine Taten inhaltlich abbildete, seine fehlende Integration im Bundesgebiet hervorhob und diese dem strafbaren Verhalten gegenüberstellte.

In Summe gehen die im Rechtsmittel vorgebrachten Einwände zur Beweiswürdigung der belangten Behörde somit ins Leere.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Der mit "Aufenthaltsverbot" betitelte § 67 FPG lautet:

"(1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

(3) Ein Aufenthaltsverbot kann unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere

1. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

2. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);

3. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

4. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist beginnt mit Eintritt der Durchsetzbarkeit zu laufen.

(5) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)"

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG lautet:

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 Abs. 1a FPG nicht erlassen werden, wenn

1. ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, oder

2. er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt."

3.1.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen, dies aus folgenden Gründen:

Für den BF, der aufgrund seiner polnischen Staatsangehörigkeit in den persönlichen Anwendungsbereich von § 67 FPG fällt, kommt der Prüfungsmaßstab des § 67 Abs. 1., 1. Satz FPG für Unionsbürger zur Anwendung.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist (vgl dazu etwa VwGH 25.04.2014, Ro 2014/21/0039).

Bei der vom BF zu erstellenden Gefährdungsprognose steht die aktuelle strafgerichtliche Verurteilung im Fokus der Betrachtung. Der BF wurde unbestritten vom LG XXXX rechtskräftig wegen schweren, gewerbsmäßigen Einbruchsdiebstahls im Rahmen einer kriminellen Vereinigung zu einer Freiheitsstrafe von insgesamt 18 Monaten, wovon 6 Monate unbedingt verhängt wurden, verurteilt.

Dieses Verhalten stellt ohne Zweifel ein die öffentliche Sicherheit auf dem Gebiet des Fremdenwesens besonders schwer gefährdendes und beeinträchtigendes Fehlverhalten dar.

Die vom BF begangenen Einbruchsdiebstähle sind als ein die öffentliche Sicherheit auf dem Gebiet des Fremdenwesens besonders schwer gefährdendes und beeinträchtigendes Fehlverhalten anzusehen (vgl. VwGH 23.03.1992, 92/18/0044; 10.12.2008, 2008/22/0568).

Wie bereits oben erwähnt, ist der Gesinnungswandel eines Straftäters ist grundsätzlich daran zu prüfen, ob und wie lange er sich - nach dem Vollzug der Freiheitsstrafe - in Freiheit wohlverhalten hat (zu all dem vgl. etwa das Erkenntnis vom 21. Februar 2013, Zl. 2011/23/0192). Die aktuelle Verurteilung liegt erst rund 11 Monate zurück, befindet sich der BF noch immer in der Probezeit und erweist sich die bisher verstrichene Zeitspanne daher zu kurz, um der BF bereits jetzt eine positive Zukunftsprognose zu attestieren.

Hinzu tritt, dass der BF die Taten im Rahmen einer kriminellen Vereinigung begangen hat.

Aber auch die weiteren - im Rahmen des Gesamtverhaltens des BF zu berücksichtigenden Momente - gereichen dem BF im Rahmen einer Zukunftsprognose zu Nachteil:

So beging der BF die Delikte im Wissen um die Gefahr sein Aufenthalts- und Einreiserecht und damit auch die Beziehung zu seiner Lebensgefährtin aufs Spiel zu setzen. Der BF bemühte sich auch augenscheinlich nicht um die Erlangung einer Vollzeitbeschäftigung um auf seinen Lebensunterhalt auf legale Weise zu sichern. Verwerflich erscheint des Weiteren, dass der BF bereits 7 Monate nach seiner Einreise ins Bundesgebiet straffällig wurde

Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ist vorliegend sehr wohl verhältnismäßig. Der BF kann de facto keine positiven Elemente einbringen. Er weist eine Verurteilung auf, befindet sich erst seit kurzer Zeit im Bundesgebiet, konnte beruflich nicht ausreichend Fuß fassen und wurde bereits einige Monate nach der Einreise straffällig. Das durch die Lebensgemeinschaft zu Tage geförderte Familienleben kann diese Umstände nicht aufwiegen.

Zu beurteilen bleibt schließlich noch die Frage der Gegenwärtigkeit der Gefahr im Sinne des § 67 FPG, welche kumulativ mit der Erheblichkeit und der Tatsächlichkeit vorliegen muss.

Die kurze, seit der Verurteilung verstrichene Zeitspanne, die Verübung der Taten bei aufrechter Beschäftigung, die Gewerbsmäßigkeit der Taten und das im Rahmen der letzten Beschäftigung als gering einzustufende Einkommen lassen die weitere Gefahr der Begehung solcher Delikte befürchten und auf eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr des persönlichen Verhaltens des BF schließen, welches ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

Wie ferner bereits hervorgehoben, erweist sich die bis dato verstrichene Zeitspanne als zu kurz, um eine Gegenwärtigkeit der Gefahr im Sinne des § 67 FPG ausschließen zu können.

Ferner konnte im Lichte der im Sinne des § 9 BFA-VG gebotenen Abwägung der privaten und familiären Interessen des BF mit den entgegenstehenden öffentlichen Interessen nicht zu einer Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes führen.

Angesichts des besagten und in seiner Gesamtheit gravierenden Fehlverhaltens des BF ist davon auszugehen, dass das gegen den BF erlassene Aufenthaltsverbot gemäß § 9 BFA-VG zulässig ist, ist es doch zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, Verhinderung von weiteren strafbaren Handlungen durch die BF, Schutz fremden Vermögen mittels Gewaltanwendung oder -drohung) dringend geboten.

Die öffentlichen Interessen an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes sind demnach höher zu gewichten als die gegenläufigen, im Übrigen kaum vorhandenen, privaten Interessen des BF. Unter diesen Umständen ist die Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 9 BFA-VG als zulässig zu werten (vgl etwa VwGH 20.08.2013, 2013/22/0097).

3.2. Auch was die Bemessung der Dauer des Aufenthaltsverbotes betrifft, erscheint diese angesichts des Verhaltens des BF als tragbar. So hat die belangte Behörde diesbezüglich die aktuelle Verurteilung des BF, die daraus ableitbare Verwerflichkeit der Tat, die geringen sozialen Bindungen im Bundesgebiet, der fehlende Respekt gegenüber österreichischen Rechtsvorschriften und die Einreise vorwiegend zur Begehung von Straftaten in ihre Betrachtung miteinbezogen.

3.3. Zu den Spruchpunkten II. und III. des bekämpften Bescheides

Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen ist bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

Was die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde betrifft, bestimmt § 18 Abs. 3 BFA-VG, dass bei EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden kann, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.

Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom BFA aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 18 Abs. 6 BFA-VG steht ein Ablauf der Frist nach § 18 Abs. 5 BFA-VG der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen.

Vor dem Hintergrund des deliktischen Verhaltens des BF, seiner Abmeldung und des Umstandes, dass sich dieser noch immer in der Probezeit befindet, sind die Voraussetzungen des § 18 Abs. 3 BFA-VG erfüllt, war der Beschwerde die aufschiebende Wirkung daher abzuerkennen und vom Ausspruch eines Durchsetzungsaufschubs Abstand zu nehmen.

3.4. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFAVG eine mündliche Verhandlung unterbleiben.

Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat mit Erkenntnis vom 28.05.2014, Zl.

Ra 2014/20/0017 und 0018-9, für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint" unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) vom 12.03.2012, Zl. U 466/11 ua., festgehalten, dass der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen muss. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFAVG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Schließlich ist auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.

Im gegenständlichen Fall ist dem angefochtenen Bescheid ein umfassendes Ermittlungsverfahren durch die belangte Behörde vorangegangen. Für eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens ergeben sich aus der Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes keinerlei Anhaltspunkte. Vielmehr wurde den Grundsätzen der Amtswegigkeit, der freien Beweiswürdigung, der Erforschung der materiellen Wahrheit und des Parteiengehörs entsprochen. So ist die belangte Behörde ihrer Ermittlungspflicht hinreichend nachgekommen. Der entscheidungswesentliche Sachverhalt wurde nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung der belangten Behörde festgestellt und es wurde in der Beschwerde auch kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender oder darüber hinaus gehender Sachverhalt in konkreter und substantiierter Weise behauptet.

Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes konnte im vorliegenden Fall die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beim Bundesverwaltungsgericht gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG unterbleiben, weil der maßgebliche Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde samt Ergänzung geklärt war. Was das Vorbringen der BF in der Beschwerde betrifft, so findet sich in dieser kein neues bzw. kein ausreichend konkretes Tatsachenvorbringen, welches die Durchführung einer mündlichen Verhandlung notwendig gemacht hätte.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Aufenthaltsverbot, aufschiebende Wirkung - Entfall, Diebstahl,
EU-Bürger, Gefährdungsprognose, Gewerbsmäßigkeit, schwere Straftat,
strafrechtliche Verurteilung, Verbrechen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:G307.2176537.1.00

Zuletzt aktualisiert am

14.11.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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