TE Bvwg Erkenntnis 2018/8/9 L516 2202483-1

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Veröffentlicht am 09.08.2018
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Entscheidungsdatum

09.08.2018

Norm

BFA-VG §18 Abs1 Z5
B-VG Art.133 Abs4
FPG §55 Abs1a
VwGVG §13 Abs1

Spruch

L516 2202483-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Paul NIEDERSCHICK als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, StA Bangladesch, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.07.2018, Zahl XXXX, zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt VI des angefochtenen Bescheides stattgegeben und dieser gemäß § 18 Abs 1 Z 5 BFA-VG ersatzlos behoben.

Es wird festgestellt, dass der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid somit gemäß § 13 Abs 1 VwGVG die aufschiebende Wirkung zukommt.

II. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt VII des angefochtenen Bescheides stattgegeben und dieser gemäß § 55 Abs 1a FPG ersatzlos behoben.

B)

Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Bangladesch, stellte am 30.06.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz. Zu diesem wurde er am selben Tag durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt sowie am 10.07.2018 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) niederschriftlich einvernommen.

2. Das BFA wies mit gegenständlich angefochtenem Bescheid den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG (Spruchpunkt I des bekämpften Bescheides) sowie des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 AsylG (Spruchpunkt II) ab, erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III), erließ gegen diesen eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV) und stellte fest, dass die Abschiebung nach Bangladesch gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V).

3. Mit Spruchpunkt VI des angefochtenen Bescheides sprach das BFA aus, dass einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 18 Abs 1 Z 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt werde. Mit Spruchpunkt VII sprach das BFA aus, dass gemäß § 55 Abs 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe.

4. Der Beschwerdeführer hat gegen den ihm am 12.07.2018 zugestellten Bescheid des BFA am 31.07.2018 Beschwerde erhoben.

5. Die gegenständliche Beschwerde samt Verwaltungsakten des BFA langte der Aktenlage nach am 03.08.2018 beim Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Linz, ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Sachverhaltsfeststellungen

1.1. Der Beschwerdeführer begründete bei der Erstbefragung am 30.06.2018 seinen Antrag damit, dass Mitte 2016 die Wahl des Chairman für eine Union stattgefunden habe. Die Kandidaten würden XXXX und XXXX geheißen haben. Während dieser Wahl habe es Auseinandersetzungen gegeben und es habe auch eine Bombardierung stattgefunden. Wegen der Bombardierung sei eine Anzeige gegen den Beschwerdeführer erstattet worden und es laufe nach wie vor ein Prozess. Weiters habe es Anfang 2018 Raubüberfälle gegeben und es sei wieder gegen den Beschwerdeführer Anzeige erstattet worden, obwohl sich der Beschwerdeführer zu dieser Zeit in Griechenland aufgehalten habe. Zudem habe sich der Beschwerdeführer von verschiedenen Personen Geld für seine Ausreise geliehen und da er es im Falle einer Rückkehr nicht zurückzahlen könne, befürchte der Beschwerdeführer, von diesen Personen umgebracht zu werden (AS 11). Bei der Einvernahme am 10.07.2018 brachte der Beschwerdeführer vor, es gebe innerhalb der Awami League zwei Gruppen: XXXX und XXXX. Es habe eine Auseinandersetzung zwischen diesen Gruppen gegeben und es seien Bomben geworfen worden. Von der XXXX-Gruppe sei jemand verletzt worden, weshalb Anzeige erstattet worden sei. Aufgrund der Schwierigkeiten mit der Polizei sei der Beschwerdeführer eine Woche später aus Bangladesch ausgereist. Zudem sei er aus wirtschaftlichen Gründen geflüchtet, er habe sehr viele Schulden (AS 57). Darüber hinaus sei der Beschwerdeführer drei Tage lang inhaftiert gewesen, da die Polizei den nicht richtigen Verdacht gehabt habe, dass der Beschwerdeführer Drogen verkaufe. Zum zweiten Gerichtstermin sei der Beschwerdeführer nicht mehr erschienen, weshalb ein Haftbefehl gegen ihn erlassen worden sei; der Gerichtsprozess laufe noch immer (AS 58).

1.2. Das BFA hat sich zur Begründung der Abweisung des Antrages des Beschwerdeführers im Rahmen der Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheides im Einzelnen mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers auseinandergesetzt und in einer über drei Seiten erstreckenden Argumentationskette ausgeführt, weshalb es das Vorbringen des Beschwerdeführers im Detail für nicht glaubhaft erachtet (AS 95-97).

1.3. Die auf § 18 Abs 1 Z 5 BFA-VG gestützte Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde begründete das BFA wie folgt (AS 106, Fehler im Original):

"In Ihrem Fall trifft Ziffer 5 zu, da Sie keine asylrelevanten Fluchtgründe glaubhaft vorbringen konnten und somit nicht den Tatsachen entsprechen. ..."

2. Beweiswürdigung

Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus den vom BFA vorgelegten und unverdächtigen Verwaltungsverfahrensakten zum Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz. Die Feststellungen zu den Angaben des Beschwerdeführers im gegenständlichen Verfahren sowie zu den Ausführungen des BFA im angefochtenen Bescheid ergeben sich konkret aus den im Akt einliegenden Niederschriften und dem angefochtenen Bescheid, wobei zu den jeweiligen Feststellungen die entsprechenden Aktseiten (AS) angeführt sind.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Spruchpunkt I

Ersatzlose Behebung von Spruchpunkt VI des angefochtenen Bescheides

Rechtsgrundlage

3.1. Gemäß § 18 Abs 1 Z 5 BFA-VG kann das Bundesamt einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht.

Zum gegenständlichen Verfahren

3.2. Das BFA hat die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung im vorliegenden Fall auf § 18 Abs 1 Z 5 BFA-VG gestützt, was demnach voraussetzt, dass "das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht". Diese Bestimmung entspricht § 6 Abs 1 Z 4 AsylG idF AsylG 1997 BGBl. I Nr. 101/2003; diese wiederum entspricht § 6 Z 3 AsylG 1997 in der Stammfassung des AsylG 1997. Aufgrund der nur unmaßgeblich veränderten, im Wesentlichen aber nahezu wortidenten Formulierungen dieser Bestimmungen ist bei der Prüfung des Vorliegens dieses Tatbestands - somit als Prüfungsmaßstab für die Frage, ob ein Vorbringen offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht - jedenfalls die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu den Vorgängerbestimmungen heranzuziehen. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits zu § 6 Z 3 AsylG 1997 in der Stammfassung ausgesprochen, dass bei einem von der Behörde als unglaubwürdig angenommenen Vorbringen noch nichts darüber ausgesagt wird, ob es ein solches Maß an Unglaubwürdigkeit erreicht, dass der Tatbestand des § 6 Z 3 AsylG 1997 in der Stammfassung als erfüllt angesehen werden kann. Letzteres kann nur dann angenommen werden, wenn Umstände vorliegen, die besonders deutlich die Unrichtigkeit der erstatteten Angaben vor Augen führen. Es muss unmittelbar einsichtig ("eindeutig", "offensichtlich") sein, dass die abgegebene Schilderung tatsächlich wahrheitswidrig ist. Dieses Urteil muss sich quasi "aufdrängen", die dazu führenden Gesichtspunkte müssen klar auf der Hand liegen, sei es allenfalls auch deshalb, weil nach einem Ermittlungsverfahren "Hilfstatsachen" (z.B. fehlende Kenntnis der behaupteten Stammessprache) substantiell unbestritten bleiben. Im Ergebnis setzt die im gegebenen Zusammenhang erforderliche "qualifizierte Unglaubwürdigkeit" somit voraus, dass es weder weitwendiger Überlegungen noch einer langen Argumentationskette bedarf, um zu erkennen, dass das Vorbringen eines Asylwerbers nicht den Tatsachen entspricht (VwGH 21.8.2001, 2000/01/0214; 31.1.2002, 2001/20/0381; 11.6.2002, 2001/01/0266). Nur dann, wenn es "unmittelbar einsichtig" ist und sich das Urteil quasi "aufdrängt", die Schilderungen des Asylwerbers, die für die Beurteilung seines Asylansuchens maßgeblich sind, seien tatsächlich wahrheitswidrig, erreicht das Vorbringen ein solches Maß an Unglaubwürdigkeit, dass der Tatbestand des § 6 Z 3 AsylG 1997 erfüllt ist (VwGH 27.9.2001, 2001/20/0393). Bei der Anwendung des § 6 AsylG 1997 kann es typischerweise nur um die Klarstellung einfacher Fragen, aber nicht um diffizile Beweiswürdigungsprobleme gehen (VwGH 19.12.2001, 2001/20/0442).

3.3. Fallbezogen hat sich das BFA im Einzelnen mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers auseinandergesetzt und in einer über drei Seiten erstreckenden Argumentationskette ausgeführt, weshalb es das Vorbringen des Beschwerdeführers im Detail für nicht glaubhaft erachtet (AS 95-97). Eine bloß "schlichte Unglaubwürdigkeit" des Vorbringens reicht jedoch für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde nicht aus (vgl VwGH 22.10.2003, 2002/01/0086). Dazu kommt, dass der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung zu den entsprechenden Vorfassungen dieses Tatbestandes ausgeführt hat, dass § 6 Z 3 AsylG 1997 idF BGBl I Nr. 76/1997 (nunmehr § 18 Abs 1 Z 5 BFA-VG) lediglich dann anwendbar ist, wenn das gesamte Vorbringen zu einer Bedrohungssituation den Tatsachen offensichtlich nicht entspricht; seine Anwendbarkeit scheidet aus, wenn das Vorbringen auch nur in einem Punkt möglicher Weise auf eine wahre Tatsache gestützt wird; auf Einzelaspekte gestützte Erwägungen - wie dies auch im vorliegenden Fall vom BFA vorgenommen wurde - erweisen sich somit für die Anwendung des Tatbestandes der offensichtlichen Tatsachenwidrigkeit des Vorbringens zur Bedrohungssituation als nicht tragfähig (vgl VwGH 21.08.2001, 2000/01/0214).

3.4. Für den vorliegenden Fall hat die soeben zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes daher zur Folge, dass entgegen der Annahme des BFA die Voraussetzung für die Ziffer 5 gegenständlich nicht vorlag und damit die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung unzulässig war.

3.5. Es war daher der Spruchteil VI des angefochtenen Bescheides spruchgemäß ersatzlos zu beheben und festzustellen, dass der Beschwerde somit gemäß § 13 Abs 1 VwGVG die aufschiebende Wirkung zukommt. Dem Beschwerdeführer ist daher vom BFA bis auf weiteres auch eine Aufenthaltsberechtigungskarte auszustellen (§ 51 AsylG).

Spruchpunkt II

Behebung von Spruchpunkt VII des angefochtenen Bescheides

Rechtsgrundlage

3.6. Gemäß § 55 Abs 1a FPG besteht eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht für die Fälle einer zurückverweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird.

Zum gegenständlichen Verfahren

3.7. Nachdem die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ersatzlos zu beheben war, ist die Entscheidung nicht mehr gemäß § 18 BFA-VG durchführbar. Die Voraussetzungen für die Anwendung des § 55 Abs 1a FPG liegen somit nicht mehr vor. Spruchpunkt VII des angefochtenen Bescheides war daher spruchgemäß zu beheben.

3.8. Im gegenständlichen Verfahren war ein Vorgehen gemäß § 59 Abs 1 letzter Satz AVG zulässig, da die Entscheidung über Spruchpunkt VI und VII spruchreif war und die Trennung - auf Grund der Folgen einer Aberkennung der aufschiebenden Wirkung für den Betroffenen - auch zweckmäßig erscheint.

3.9. Über die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I bis V des angefochtenen Bescheides ergeht eine gesonderte Entscheidung.

Zu B)

Revision

3.10. Die für den vorliegenden Fall relevante Rechtslage ist durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt, weshalb die Revision nicht zulässig ist.

3.11. Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung, aufschiebende Wirkung - Entfall, ersatzlose
Behebung, Feststellungsentscheidung, Spruchpunktbehebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:L516.2202483.1.00

Zuletzt aktualisiert am

15.11.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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