TE Bvwg Erkenntnis 2018/8/23 W105 2185715-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.08.2018
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Entscheidungsdatum

23.08.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W105 2185715-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Harald BENDA als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.01.2018, Zahl 1097184400-151860145/BMI-BFA-BGLD-RD, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß den §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005 idgF, § 9 BFA-VG idgF und §§ 52, 55 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 25.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dazu wurde er am selben Tag durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich einvernommen.

Hiebei gab der Beschwerdeführer betreffend den Fluchtgrund zentral zu Protokoll, sein Heimatort in Afghanistan sei seit zwei Monaten von den Taliban umzingelt und seien auch bereits Dorfbewohner umgebracht worden. Es gebe zwei Gründe, wieso die Taliban sie umbringen würden: 1. Da sie Hazara seien und die Taliban die Hazara hassen würden und 2. Hätten sie in ihrem Dorf große Grundstücke zu bewirtschaften. Die Taliban würden ihnen die Grundstücke wegnehmen und das Land bestellen. Den Erlös würden die Taliban benötigen um Waffen anzukaufen. Für den Fall der Rückkehr würde er befürchten, von den Taliban umgebracht zu werden.

Im Rahmen der erstniederschriftlichen Einvernahme vor dem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes tätigte der Antragsteller weiterhin umfangreiche Angaben zu seiner Person, sowie seinen Reisebewegungen und Voraufenthalten vor der Einreise in das österreichische Bundesgebiet. So gab der Antragsteller an, Hazara schiitischen Bekenntnisses zu sein und aus der Region Wardak zu stammen. In Afghanistan verfüge er noch über familiäre Anknüpfungspunkte.

Am 03.11.2017 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesamt einvernommen, wie folgt:

" . . . F: Aus welchem Grund verließen Sie Ihr Heimatland? Schildern

Sie dies bitte möglichst lebensnah, d.h. mit sämtlichen Details und Informationen, sodass ich Ihr Vorbringen nachvollziehen kann! Nehmen Sie sich dafür ruhig Zeit!

A: Wir sind aus dem Dorf XXXX , haben wegen der Taliban sehr viele Probleme. Es gibt diese Kotchi-Taliban die haben keine Häuser, kommen in Zelten. Eines Abends haben sie unser Dorf angegriffen, dabei wurden mein Cousin und ein Nachbar getötet. Wir sind geflüchtet, nach XXXX , und waren dort 2 Monate im der Ortschaft XXXX . Danach sind wir nach Kabul, meine Familie reiste legal aus. Von Kabul reiste ich Illegal mit einem Schlepper nach Nimroz in den Iran.

F: Wohin reiste Ihre Familie hin?

A: Auch in den Iran

F: Warum hatte Ihre Familie einen Pass und Sie nicht?

A: Die Pass Ausstellung für 18-30 Jährige ist nicht möglich, für alle anderen Altersgruppen ist eine Pass Ausstellung sehr wohl möglich, deswegen haben meine Mutter und meine Geschwister Pässe bekommen.

Anmerkung: Der AW wird aufgefordert Kopien der Pässe vorzulegen.

A: Ich werde mich bemühen.

F: Werden Sie aktuell gesucht?

A: Nein.

F: Waren Sie nach Ihrer Fluch wieder in Ihrem Dorf?

A: Nein.

F: Haben Sie sonstige Informationen über Ihr Dorf?

A: Ich habe von einem Freund erfahren, dass die Sicherheitslage sich verschlechtert hat.

F: Was heißt das, erklären Sie es mir.

A: Dass die Kotchi-Taliban die Oberhand haben und alle Ortschaften kontrollieren, dort herrscht Krieg.

F: Wie weit ist Ihr Dorf von Kabul entfernt?

A: 2 Stunden mit dem Auto.

F: Und die Regierung unternimmt nichts gegen die Kotchi?

A: Die Regierung hilft der Bevölkerung dort nicht.

F: Waren Sie - abgesehen von dem bereits Vorgebrachten - sonstigen persönlichen Verfolgungen ausgesetzt?

A: Nein.

F: Hatten Sie Probleme und Schwierigkeiten mit staatlichen Stellen, sprich Polizei, Militär, Gerichten oder dgl.?

A: Nein.

F: Hatten Sie irgendwelche Schwierigkeiten mit nicht staatlichen Stellen, von privater Seite?

A: Nein

F: Waren Sie in Ihrem Heimatland politisch tätig oder Mitglied einer politischen Partei oder sonstigen Bewegung?

A: Nein.

F: Waren Sie in Ihrem Heimatland jemals in Haft oder wurden Sie festgenommen?

A: Nein

F: Hätten Sie aus politischen Gründen in Ihrem Land Verfolgung oder Bedrohung zu befürchten?

A: Nein.

F: Hätten Sie aus religiösen oder ethnischen Gründen in Ihrem Land Verfolgung oder Bedrohung zu befürchten?

A: Ja. Die allgemeinen Bedrohungen die die Volksgruppe der Hazara und Schiiten in Afghanistan haben, aber ich selbst nicht.

V: Sie sehen nicht aus wie ein typischer Hazara.

A: In XXXX leben nur Hazara das ist allgemein bekannt.

V: In Jalez leben aber auch Paschtunen und Tatschiken.

A: Ja das ist richtig aber ich garantiere ihnen in meinem Ort leben nur Hazara.

Nachgefragt gibt AW an das XXXX von Jalez per PKW ca. 30 Minuten entfernt ist.

F: Wie groß ist XXXX ?

A: 3000 Häuser.

F: Was wissen Sie über die Höhlen von XXXX ?

A: Ich war nur 7 Jahre in der Schule. XXXX ist bekannt für die Dichter und die Poesie.

F: Frage wird wiederholt.

A: Es gibt die Höhlen XXXX und XXXX .

F: Welches Gebäude steht auf dem Berg XXXX ?

A: Das kenne ich nicht.

F: Wie heißt die nächstgelegene Moschee?

A: XXXX .

F: Haben Sie alle Ihre Gründe vorgebracht, die Sie dazu bewogen haben, Ihre Heimat zu verlassen und in Österreich einen Asylantrag zu stellen?

A: Ja.

Anmerkung: Auf nochmaliges Nachfragen und zusammenfassen der Fluchtgründe gibt AW an, dass ihr Haus von den Kotchi-Taliban in Brand gesetzt worden ist.

F: Wann war das?

A: Das war 2 Monate vor meiner Ausreise.

F: Wann haben Sie die Grundstücke verkauft?

A: Wir haben alles dagelassen.

F: Wo waren Ihre Ersparnisse?

A: Bei dem Cousin meiner Mutter, ca. 5.000.- US Dollar.

F: Wurde nur Ihr Haus angezündet?

A: Dort gibt es 4 Häuser und alle wurden angezündet.

F: Haben Sie diesen Vorfall den Behörden gemeldet?

A: Doch, wir sind ja in der Nacht geflüchtet, und haben das bei der Polizei in XXXX , gemeldet, die sind hingegangen aber wir bekamen keine Hilfe oder Unterstützung,

F: Was glauben Sie, was Sie im Falle einer Rückkehr erwartet? Wie würde sich Ihre gegenwärtige Situation in Ihrer Heimat darstellen?

A: Ich würde dort nicht überleben, nach meiner Flucht ist die Gefahr noch größer, ich habe 2 Jahre hier verbracht und würde in Afghanistan als Kafar (Ungläubiger) bezeichnet und getötet werden.

F: In Afghanistan gibt es kein Meldesystem. Warum haben Sie sich nicht in einer anderen Provinz niedergelassen?

A: Nirgendwo in Afghanistan fühlt man sich sicher, die letzten Ereignisse beweisen das, dass es in den Moscheen der Schiiten Anschläge und Tote gibt.

F: Sie hätten nach der Ausreise aus Afghanistan in verschiedenen Ländern um Asyl ansuchen können (1 Monat Iran, 2 Wochen Türkei). Warum haben Sie das nicht getan?

A: Im Iran kann man auch nicht bleiben, da wird man eingezogen um in Syrien zu kämpfen, in der Türkei bekommt man auch keinen Aufenthaltstitel. Nachdem ich den Iran verlassen hatte beschloss ich entweder in Finnland oder Österreich zu leben.

F: Haben Sie alles vorgebracht, was Sie dazu bewogen hat, Ihr Heimatland zu verlassen und was Sie gegenwärtig an einer Rückkehr dorthin hindert?

A: Ja

F: Haben Sie sich schon überlegt, wie Ihr weiterer Aufenthalt in Österreich aussehen könnte? Wie wollen Sie Ihren Lebensunterhalt finanzieren? Welchen Beruf möchten Sie in Österreich ausüben? A: Ich möchte in meinem Beruf als Landwirt arbeiten und auch die Ausbildung machen, und auch die Ausbildung zum Koch möchte ich gerne machen.

F: Sind sie strenggläubig? Praktizieren Sie Ihren Glauben?

A: Nein.

..."

2. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. §§ 57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilt, gem. § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen sowie festgestellt, dass seine Abschiebung gem. § 52 Abs. 9 FPG nach Afghanistan zulässig ist und gem. § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für seine freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt III.).

Im bekämpften Bescheid wurden folgende Feststellungen getroffen:

"Zu Ihrer Person:

-

Ihre Identität steht mangels eines Identitätsdokuments nicht fest. Soweit Sie im Asylverfahren namentlich genannt werden, dient dies lediglich der Individualisierung Ihrer Person als Verfahrenspartei, jedoch nicht als Feststellung Ihrer Identität.

-

Sie sind afghanischer Staatsangehöriger, gehören der Volksgruppe der Hazara an und sind schiitischer Moslem.

-

Sie führen als Verfahrensidentität den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX

-

Sie sind ein junger, gesunder und arbeitsfähiger Mann.

-

Sie sind volljährig.

-

Sie sind ledig und haben keine Kinder.

-

Sie leiden an keinen lebensbedrohlichen physischen oder psychischen Beeinträchtigungen Ihres Gesundheitszustandes

-

Sie leiden seit 7 Jahren an Schlaf- und Konzentrationsstörungen, die Sie medikamentös behandeln, was auch schon in Afghanistan der Fall war

-

Es konnten keine Beeinträchtigungen Ihrer Arbeitsfähigkeit festgestellt werden.

-

Fest steht, dass Sie illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist sind und am 24.11.2015 einen Asylantrag in Österreich gestellt haben.

-

Sie sind in Österreich unbescholten.

? Zu den Gründen für das Verlassen Ihres Herkunftsstaats:

-

Nicht festgestellt werden konnte, dass Sie in Afghanistan mit einer asylrechtsrelevanten Verfolgung konfrontiert waren.

-

Nicht festgestellt werden konnte, dass Sie gegenwärtig in Afghanistan mit asylrechtsrelevanten Verfolgungen zu rechnen haben.

-

Die von Ihnen zur Begründung Ihres Asylantrages vorgebrachten Fluchtgründe konnten nicht als asylrelevanter Sachverhalt festgestellt werden.

Zu Ihrer Situation im Fall Ihrer Rückkehr:

-

Festgestellt wird, dass Ihnen eine gegenwärtige Rückkehr nach Afghanistan möglich und zumutbar ist.

-

Festgestellt wird weiters, dass keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestehen, dass Sie im Falle Ihrer Rückkehr einer Bedrohung im Sinne des § 8 AsylG ausgesetzt sind.

-

Festgestellt wird, dass es Ihnen möglich und zumutbar ist, sich in Stadt Kabul niederzulassen.

? Zu Ihrem Privat- und Familienleben:

-

Sie halten sich zumindest seit 24.11.2015 in Österreich auf. Ihrem Aufenthalt in Österreich liegt eine illegale Einreise zugrunde.

-

Ihr gegenwärtiger Aufenthalt ist einzig und allein aufgrund der Asylantragstellung legalisiert.

-

Sie haben in Österreich weder Familienangehörige noch sonstige Verwandte.

-

Sie verfügen über geringe Deutschkenntnisse.

-

Sie befinden sich in der Grundversorgung und finanzieren Ihren gegenwärtigen Lebensunterhalt ausschließlich aus der staatlichen Unterstützung, die Ihnen hier in Österreich zu Teil wird. Sie sind nicht selbsterhaltungsfähig.

-

Eine über das normale Maß hinausgehende Integration konnte nicht festgestellt werden.

-

Es bestehen keine besonderen Kontakte, die Sie an Österreich binden.

-

Sie sind kein Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation.

Es konnten keine Umstände festgestellt werden, die Ihrer Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan entgegenstehen bzw. diese als unverhältnismäßig erscheinen lassen würden."

Zur Lage in Afghanistan wurde festgestellt:

[KI vom 25.9.2017: Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q3.2017 (betrifft: Abschnitt 3 Sicherheitslage)]

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor höchst volatil; die Regierung und die Taliban wechselten sich während des Berichtszeitraumes bei Kontrolle mehrerer Distriktzentren ab - auf beiden Seiten waren Opfer zu beklagen (UN GASC 21.9.2017). Der Konflikt in Afghanistan ist gekennzeichnet von zermürbenden Guerilla-Angriffen, sporadischen bewaffneten Zusammenstößen und gelegentlichen Versuchen Ballungszentren zu überrennen. Mehrere Provinzhauptstädte sind nach wie vor in der Hand der Regierung; dies aber auch nur aufgrund der Unterstützung durch US-amerikanische Luftangriffe. Dennoch gelingt es den Regierungskräften kleine Erfolge zu verbuchen, indem sie mit unkonventionellen Methoden zurückschlagen (The Guardian 3.8.2017).

Der afghanische Präsident Ghani hat mehrere Schritte unternommen, um die herausfordernde Sicherheitssituation in den Griff zu bekommen. So hielt er sein Versprechen den Sicherheitssektor zu reformieren, indem er korrupte oder inkompetente Minister im Innen- und Verteidigungsministerium feuerte, bzw. diese selbst zurücktraten; die afghanische Regierung begann den strategischen 4-Jahres Sicherheitsplan für die ANDSF umzusetzen (dabei sollen die Fähigkeiten der ANDSF gesteigert werden, größere Bevölkerungszentren zu halten); im Rahmen des Sicherheitsplanes sollen Anreize geschaffen werden, um die Taliban mit der afghanischen Regierung zu versöhnen; Präsident Ghani bewilligte die Erweiterung bilateraler Beziehungen zu Pakistan, so werden unter anderen gemeinsamen Anti-Terror Operationen durchgeführt werden (SIGAR 31.7.2017).

Zwar endete die Kampfmission der US-Amerikaner gegen die Taliban bereits im Jahr 2014, dennoch werden, laut US-amerikanischem Verteidigungsminister, aufgrund der sich verschlechternden Sicherheitslage 3.000 weitere Soldaten nach Afghanistan geschickt. Nach wie vor sind über 8.000 US-amerikanische Spezialkräfte in Afghanistan, um die afghanischen Truppen zu unterstützen (BBC 18.9.2017).

Sicherheitsrelevante Vorfälle

In den ersten acht Monaten wurden insgesamt 16.290 sicherheitsrelevante Vorfälle von den Vereinten Nationen (UN) registriert; in ihrem Berichtszeitraum (15.6. bis 31.8.2017) für das dritte Quartal, wurden 5.532 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert - eine Erhöhung von 3% gegenüber dem Vorjahreswert. Laut UN haben sich bewaffnete Zusammenstöße um 5% erhöht und machen nach wie vor 64% aller registrierten Vorfälle aus. 2017 gab es wieder mehr lange bewaffnete Zusammenstöße zwischen Regierung und regierungsfeindlichen Gruppierungen. Im Gegensatz zum Vergleichszeitraums des Jahres 2016, verzeichnen die UN einen Rückgang von 3% bei Anschlägen mit Sprengfallen [IEDs - improvised explosive device], Selbstmordangriffen, Ermordungen und Entführungen - nichtsdestotrotz waren sie Hauptursache für zivile Opfer. Die östliche Region verzeichnete die höchste Anzahl von Vorfällen, gefolgt von der südlichen Region (UN GASC 21.9.2017).

Laut der internationalen Sicherheitsorganisation für NGOs (INSO) wurden in Afghanistan von 1.1.-31.8.2017 19.636 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (Stand: 31.8.2017) (INSO o.D.).

Zivilist/innen

Landesweit war der bewaffnete Konflikt weiterhin Ursache für Verluste in der afghanischen Zivilbevölkerung. Zwischen dem 1.1. und 30.6.2017 registrierte die UNAMA 5.243 zivile Opfer (1.662 Tote und 3.581 Verletzte). Dies bedeutet insgesamt einen Rückgang bei zivilen Opfern von fast einem 1% gegenüber dem Vorjahreswert. Dem bewaffneten Konflikt in Afghanistan fielen zwischen 1.1.2009 und 30.6.2017 insgesamt 26.512 Zivilist/innen zum Opfer, während in diesem Zeitraum 48.931 verletzt wurden (UNAMA 7.2017).

Im ersten Halbjahr 2017 war ein Rückgang ziviler Opfer bei Bodenoffensiven zu verzeichnen, während sich die Zahl ziviler Opfer aufgrund von IEDs erhöht hat (UNAMA 7.2017).

Die Provinz Kabul verzeichnete die höchste Zahl ziviler Opfer - speziell in der Hauptstadt Kabul: von den 1.048 registrierten zivilen Opfer (219 Tote und 829 Verletzte), resultierten 94% aus Selbstmordattentaten und Angriffen durch regierungsfeindliche Elemente. Nach der Hauptstadt Kabul verzeichneten die folgenden Provinzen die höchste Zahl ziviler Opfer: Helmand, Kandahar, Nangarhar, Uruzgan, Faryab, Herat, Laghman, Kunduz und Farah. Im ersten Halbjahr 2017 erhöhte sich die Anzahl ziviler Opfer in 15 von Afghanistans 34 Provinzen (UNAMA 7.2017)

High-profile Angriffe:

Der US-Sonderbeauftragten für den Aufbau in Afghanistan (SIGAR), verzeichnete in seinem Bericht für das zweite Quartal des Jahres 2017 mehrere high-profil Angriffe; der Großteil dieser fiel in den Zeitraum des Ramadan (Ende Mai bis Ende Juni). Einige extremistische Organisationen, inklusive dem Islamischen Staat, behaupten dass Kämpfer, die während des Ramadan den Feind töten, bessere Muslime wären (SIGAR 31.7.2017).

Im Berichtszeitraum (15.6. bis 31.8.2017) wurden von den Vereinten Nationen folgende High-profile Angriffe verzeichnet:

Ein Angriff auf die schiitische Moschee in der Stadt Herat, bei dem mehr als 90 Personen getötet wurden (UN GASC 21.9.2017; vgl.: BBC 2.8.2017). Zu diesem Attentat bekannte sich der ISIL-KP (BBC 2.8.2017). Taliban und selbsternannte ISIL-KP Anhänger verübten einen Angriff auf die Mirza Olang Region im Distrikt Sayyad in der Provinz Sar-e Pul; dabei kam es zu Zusammenstößen mit regierungsfreundlichen Milizen. Im Zuge dieser Kämpfe, die von 3.-5.August anhielten, wurden mindestens 36 Menschen getötet (UN GASC 21.9.2017). In Kabul wurde Ende August eine weitere schiitische Moschee angegriffen, dabei wurden mindestens 28 Zivilist/innen getötet; auch hierzu bekannte sich der ISIL-KP (UN GASC 21.9.2017; vgl.: NYT 25.8.2017).

Manche high-profile Angriffe waren gezielt gegen Mitarbeiter/innen der ANDSF und afghanischen Regierungsbeamte gerichtet; Zivilist/innen in stark bevölkerten Gebieten waren am stärksten von Angriffen dieser Art betroffen (SIGAR 31.7.2017).

"Green Zone" in Kabul

Kabul hatte zwar niemals eine formelle "Green Zone"; dennoch hat sich das Zentrum der afghanischen Hauptstadt, gekennzeichnet von bewaffneten Kontrollpunkten und Sicherheitswänden, immer mehr in eine militärische Zone verwandelt (Reuters 6.8.2017).

Eine Erweiterung der sogenannten Green Zone ist geplant; damit wird Verbündeten der NATO und der US-Amerikaner ermöglicht, auch weiterhin in der Hauptstadt Kabul zu bleiben ohne dabei Risiken ausgesetzt zu sein. Kabul City Compound - auch bekannt als das ehemalige Hauptquartier der amerikanischen Spezialkräfte, wird sich ebenso innerhalb der Green Zone befinden. Die Zone soll hinkünftig vom Rest der Stadt getrennt sein, indem ein Netzwerk an Kontrollpunkten durch Polizei, Militär und privaten Sicherheitsfirmen geschaffen wird. Die Erweiterung ist ein großes öffentliches Projekt, das in den nächsten zwei Jahren das Zentrum der Stadt umgestalten soll; auch sollen fast alle westlichen Botschaften, wichtige Ministerien, sowie das Hauptquartier der NATO und des US-amerikanischen Militärs in dieser geschützten Zone sein. Derzeit pendeln tagtäglich tausende Afghaninnen und Afghanen durch diese Zone zu Schulen und Arbeitsplätzen (NYT 16.9.2017).

Nach einer Reihe von Selbstmordattentaten, die hunderte Opfer gefordert haben, erhöhte die afghanische Regierung die Sicherheit in der zentralen Region der Hauptstadt Kabul - dieser Bereich ist Sitz ausländischer Botschaften und Regierungsgebäude. Die Sicherheit in diesem diplomatischen Bereich ist höchste Priorität, da, laut amtierenden Polizeichef von Kabul, das größte Bedrohungsniveau in dieser Gegend verortet ist und eine bessere Sicherheit benötigt wird. Die neuen Maßnahmen sehen 27 neue Kontrollpunkte vor, die an 42 Straßen errichtet werden. Eingesetzt werden mobile Röntgengeräte, Spürhunde und Sicherheitskameras. Außerdem werden 9 weitere Straßen teilweise gesperrt, während die restlichen sechs Straßen für Autos ganz gesperrt werden. 1.200 Polizist/innen werden in diesem Bereich den Dienst verrichten, inklusive spezieller Patrouillen auf Motorrädern. Diese Maßnahmen sollen in den nächsten sechs Monaten schrittweise umgesetzt werden (Reuters 6.8.2017).

Eine erweiterter Bereich, die sogenannte "Blue Zone" soll ebenso errichtet werden, die den Großteil des Stadtzentrums beinhalten soll - in diesem Bereich werden strenge Bewegungseinschränkungen, speziell für Lastwagen, gelten. Lastwagen werden an einem speziellen externen Kontrollpunkt untersucht. Um in die Zone zu gelangen, müssen sie über die Hauptstraße (die auch zum Flughafen führt) zufahren (BBC 6.8.2017; vgl. Reuters 6.8.2017).

ANDSF - afghanische Sicherheits- und Verteidigungskräfte

Die Stärkung der ANDSF ist ein Hauptziel der Wiederaufbaubemühungen der USA in Afghanistan, damit diese selbst für Sicherheit sorgen können (SIGAR 20.6.2017). Die Stärke der afghanischen Nationalarmee (Afghan National Army - ANA) und der afghanischen Nationalpolizei (Afghan National Police - ANP), sowie die Leistungsbereitschaft der Einheiten, ist leicht gestiegen (SIGAR 31.7.2017).

Die ANDSF wehrten Angriffe der Taliban auf Schlüsseldistrikte und große Bevölkerungszentren ab. Luftangriffe der Koalitionskräfte trugen wesentlich zum Erfolg der ANDSF bei. Im Berichtszeitraum von SIGAR verdoppelte sich die Zahl der Luftangriffe gegenüber dem Vergleichswert für 2016 (SIGAR 31.7.2017).

Die Polizei wird oftmals von abgelegen Kontrollpunkten abgezogen und in andere Einsatzgebiete entsendet, wodurch die afghanische Polizei militarisiert wird und seltener für tatsächliche Polizeiarbeit eingesetzt wird. Dies erschwert es, die Loyalität der Bevölkerung zu gewinnen. Die internationalen Truppen sind stark auf die Hilfe der einheimischen Polizei und Truppen angewiesen (The Guardian 3.8.2017).

Regierungsfeindliche Gruppierungen:

Taliban

Die Taliban waren landesweit handlungsfähig und zwangen damit die Regierung erhebliche Ressourcen einzusetzen, um den Status Quo zu erhalten. Seit Beginn ihrer Frühjahrsoffensive im April, haben die Taliban - im Gegensatz zum Jahr 2016 - keine größeren Versuche unternommen Provinzhauptstädte einzunehmen. Nichtsdestotrotz, gelang es den Taliban zumindest temporär einige Distriktzentren zu überrennen und zu halten; dazu zählen der Distrikt Taywara in der westlichen Provinz Ghor, die Distrikte Kohistan und Ghormach in der nördlichen Provinz Faryab und der Distrikt Jani Khel in der östlichen Provinz Paktia. Im Nordosten übten die Taliban intensiven Druck auf mehrere Distrikte entlang des Autobahnabschnittes Maimana-Andkhoy in der Provinz Faryab aus; die betroffenen Distrikte waren: Qaramol, Dawlat Abad, Shirin Tagab und Khwajah Sabz Posh. Im Süden verstärkten die Taliban ihre Angriffe auf Distrikte, die an die Provinzhauptstädte von Kandahar und Helmand angrenzten (UN GASC 21.9.2017).

IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh

Die Operationen des ISIL-KP in Afghanistan sind weiterhin auf die östliche Region Afghanistans beschränkt - nichtsdestotrotz bekannte sich die Gruppierung landesweit zu acht nennenswerten Vorfällen, die im Berichtszeitraum von den UN registriert wurden. ISIL-KP verdichtete ihre Präsenz in der Provinz Kunar und setze ihre Operationen in Gegenden der Provinz Nangarhar fort, die von den ANDSF bereits geräumt worden waren. Angeblich wurden Aktivitäten des ISIL-KP in den nördlichen Provinzen Jawzjan und Sar-e Pul, und den westlichen Provinzen Herat und Ghor berichtet (UN GASC 21.9.2017).

Im sich zuspitzenden Kampf gegen den ISIL-KP können sowohl die ANDSF, als auch die Koalitionskräfte auf mehrere wichtige Erfolge im zweiten Quartal verweisen (SIGAR 31.7.2017): Im Juli wurde im Rahmen eines Luftangriffes in der Provinz Kunar der ISIL-KP-Emir, Abu Sayed, getötet. Im August wurden ein weiterer Emir des ISIL-KP, und drei hochrangige ISIL-KP-Führer durch einen Luftangriff getötet. Seit Juli 2016 wurden bereits drei Emire des ISIL-KP getötet (Reuters 13.8.2017); im April wurde Sheikh Abdul Hasib, gemeinsam mit 35 weiteren Kämpfern und anderen hochrangigen Führern in einer militärischen Operation in der Provinz Nangarhar getötet (WT 8.5.2017; vgl. SIGAR 31.7.2017). Ebenso in Nangarhar, wurde im Juni der ISIL-KP-Verantwortliche für mediale Produktionen, Jawad Khan, durch einen Luftangriff getötet (SIGAR 31.7.2017; vgl.: Tolonews 17.6.2017).

Politische Entwicklungen

Die Vereinten Nationen registrierten eine Stärkung der Nationalen Einheitsregierung. Präsident Ghani und CEO Abdullah einigten sich auf die Ernennung hochrangiger Posten - dies war in der Vergangenheit Grund für Streitigkeiten zwischen den beiden Führern gewesen (UN GASC 21.9.2017).

Die parlamentarische Bestätigung einiger war nach wie vor ausständig; derzeit üben daher einige Minister ihr Amt kommissarisch aus. Die unabhängige afghanische Wahlkommission (IEC) verlautbarte, dass die Parlaments- und Distriktratswahlen am 7. Juli 2018 abgehalten werden (UN GASC 21.9.2017).

Quellen:

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BBC (18.9.2017): US sends 3,000 more troops to Afghanistan, http://www.bbc.com/news/world-us-canada-41314428, Zugriff 20.9.2017

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BBC (2.8.2017): Herat mosque blast: IS says it was behind Afghanistan attack, http://www.bbc.com/news/world-asia-40802572, Zugriff 21.9.2017

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INSO - International NGO Safety Organisation (o.D.): Afghanistan - Total incidents per month for the current year to date, http://www.ngosafety.org/country/afghanistan, Zugriff 19.9.2017

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INSO - The International NGO Safety Organisation (2017):

Afghanistan - Gross Incident Rate, http://www.ngosafety.org/country/afghanistan, Zugriff 19.9.2017

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NYT - The New York Times (16.9.2017): U.S. Expands Kabul Security Zone, Digging In for Next Decade, https://www.nytimes.com/2017/09/16/world/asia/kabul-green-zone-afghanistan.html?mcubz=3, Zugriff 20.9.2017

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NYT - The New York Times (25.8.2017): ISIS Claims Deadly Attack on Shiite Mosque in Afghanistan,

https://www.nytimes.com/2017/08/25/world/asia/mosque-kabul-attack.html?mcubz=3, Zugriff 21.9.2017

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Reuters (13.8.2017): Senior Islamic State commanders killed in Afghanistan air strike: U.S. military, https://www.reuters.com/article/us-afghanistan-airstrike/senior-islamic-state-commanders-killed-in-afghanistan-air-strike-u-s-military-idUSKCN1AT06J, Zugriff 19.9.2017

-

Reuters (6.8.2017): Kabul 'Green Zone' tightened after attacks in Afghan capital,

https://www.reuters.com/article/us-afghanistan-security/kabul-green-zone-tightened-after-attacks-in-afghan-capital-idUSKBN1AM0K7, Zugriff 20.9.2017

-

SIGAR - Special Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (30.7.2017): QUARTERLY REPORT TO THE UNITED STATES

CONGRESS,

https://www.sigar.mil/pdf/quarterlyreports/2017-07-30qr.pdf, Zugriff 19.9.2017

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SIGAR - Special Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (20.6.2017): Afghan national army: dod may have spent up to $28 million more than needed to procure camouflage uniforms that may be inappropriate for the Afghan environment, https://www.sigar.mil/pdf/special%20projects/SIGAR-17-48-SP.pdf, Zugriff 20.9.2017

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The Guardian (3.8.2017): The war America can't win: how the Taliban are regaining control in Afghanistan, https://www.theguardian.com/world/2017/aug/03/afghanistan-war-helmand-taliban-us-womens-rights-peace, Zugriff 19.9.2017

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Tolonews (17.6.2017): Daesh Media Leader Killed In Nangarhar Air Strike,

http://www.tolonews.com/afghanistan/daesh-media-leader-killed-nangarhar-air-strike, Zugriff 19.9.2017

-

UNAMA - UN Assistance Mission in Afghanistan: Afghanistan (7.2017): Protection of Civilians in Armed Conflict; Midyear Report 2017,

https://unama.unmissions.org/sites/default/files/protection_of_civilians_in_armed_conflict_midyear_report_2017_july_2017.pdf, Zugriff 20.9.2017

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UN GASC - General Assembly Security Council (21.9.2017): The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security, as of September 15th 2017, https://unama.unmissions.org/report-secretary-general-situation-afghanistan-and-its-implications-international-peace-and-7, Zugriff 21.9.2017

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WT - The Washington Times (8.5.2017): Pentagon confirms Abdul Hasib, head of ISIS in Afghanistan, killed by U.S., Afghan special forces,

http://www.washingtontimes.com/news/2017/may/8/abdul-hasib-head-isis-afghanistan-killed-us-afghan/, Zugriff 19.9.2017

Politische Lage: Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 wurde eine neue Verfassung erarbeitet (IDEA o.D.), und im Jahre 2004 angenommen (Staatendokumentation des BFA 7.2016; vgl. auch: IDEA o. D.). Sie basiert auf der Verfassung aus dem Jahre 1964. Bei Ratifizierung sah diese Verfassung vor, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürger Afghanistans, Mann und Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA Staatendokumentation des BFA 3.2014; vgl. Max Planck Institute 27.1.2004). Die Innenpolitik ist seit der Einigung zwischen den Stichwahlkandidaten der Präsidentschaftswahl auf eine Regierung der Nationalen Einheit (RNE) von mühsamen Konsolidierungsbemühungen geprägt. Nach langwierigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Lagern der Regierung unter Führung von Präsident Ashraf Ghani und dem Regierungsvorsitzenden (Chief Executive Officer, CEO) Abdullah Abdullah sind kurz vor dem Warschauer NATO-Gipfel im Juli 2016 schließlich alle Ministerämter besetzt worden (AA 9.2016). Das bestehende Parlament bleibt erhalten (CRS 12.1.2017) - nachdem die für Oktober 2016 angekündigten Parlamentswahlen wegen bisher ausstehender Wahlrechtsreformen nicht am geplanten Termin abgehalten werden konnten (AA 9.2016; vgl. CRS 12.1.2017).

Parlament und Parlamentswahlen: Generell leidet die Legislative unter einem kaum entwickelten Parteiensystem und mangelnder Rechenschaft der Parlamentarier gegenüber ihren Wähler/innen. Seit Mitte 2015 ist die Legislaturperiode des Parlamentes abgelaufen. Seine fortgesetzte Arbeit unter Ausbleiben von Neuwahlen sorgt für stetig wachsende Kritik (AA 9.2016). Im Jänner 2017 verlautbarte das Büro von CEO Abdullah Abdullah, dass Parlaments- und Bezirksratswahlen im nächsten Jahr abgehalten werden (Pajhwok 19.1.2017).

Die afghanische Nationalversammlung besteht aus dem Unterhaus, Wolesi Jirga, und dem Oberhaus, Meshrano Jirga, auch Ältestenrat oder Senat genannt. Das Unterhaus hat 249 Sitze, die sich proportional zur Bevölkerungszahl auf die 34 Provinzen verteilen. Verfassungsgemäß sind für Frauen 68 Sitze und für die Minderheit der Kutschi 10 Sitze im Unterhaus reserviert (USDOS 13.4.2016 vgl. auch: CRS 12.1.2017).

Das Oberhaus umfasst 102 Sitze. Zwei Drittel von diesen werden von den gewählten Provinzräten vergeben. Das verbleibende Drittel, wovon 50% mit Frauen besetzt werden müssen, vergibt der Präsident selbst. Zwei der vom Präsidenten zu vergebenden Sitze sind verfassungsgemäß für die Kutschi-Minderheit und zwei weitere für Behinderte bestimmt. Die verfassungsmäßigen Quoten gewährleisten einen Frauenanteil von 25% im Parlament und über 30% in den Provinzräten. Ein Sitz im Oberhaus ist für einen Sikh- oder Hindu-Repräsentanten reserviert (USDOS 13.4.2016).

Die Rolle des Zweikammern-Parlaments bleibt trotz mitunter erheblichem Selbstbewusstsein der Parlamentarier begrenzt. Zwar beweisen die Abgeordneten mit der kritischen Anhörung und auch Abänderung von Gesetzentwürfen in teils wichtigen Punkten, dass das Parlament grundsätzlich funktionsfähig ist. Zugleich nutzt das Parlament seine verfassungsmäßigen Rechte, um die Regierungsarbeit destruktiv zu behindern, deren Personalvorschläge z. T. über längere Zeiträume zu blockieren und sich Zugeständnisse teuer abkaufen zu lassen. Insbesondere das Unterhaus spielt hier eine unrühmliche Rolle und hat sich dadurch sowohl die RNE als auch die Zivilgesellschaft zum Gegner gemacht (AA 9.2016).

Parteien: Der Terminus Partei umfasst gegenwärtig eine Reihe von Organisationen mit sehr unterschiedlichen organisatorischen und politischen Hintergründen. Trotzdem existieren Ähnlichkeiten in ihrer Arbeitsweise. Einer Anzahl von ihnen war es möglich die Exekutive und Legislative der Regierung zu beeinflussen (USIP 3.2015).

Die afghanische Parteienlandschaft ist mit über 50 registrierten Parteien stark zersplittert. Die meisten dieser Gruppierungen erscheinen jedoch mehr als Machtvehikel ihrer Führungsfiguren, denn als politisch-programmatisch gefestigte Parteien. Ethnischer Proporz, persönliche Beziehungen und ad hoc geformte Koalitionen genießen traditionell mehr Einfluss als politische Organisationen. Die Schwäche des sich noch entwickelnden Parteiensystems ist auf fehlende strukturelle Elemente (wie z.B. ein Parteienfinanzierungsgesetz) zurückzuführen, sowie auf eine allgemeine Skepsis der Bevölkerung und der Medien. Reformversuche sind im Gange - werden aber durch die unterschiedlichen Interessenlagen immer wieder gestört, etwa durch das Unterhaus selbst (AA 9.2016).

Im Jahr 2009 wurde ein neues Parteiengesetz eingeführt, welches von allen Parteien verlangte sich neu zu registrieren und zum Ziel hatte ihre Zahl zu reduzieren. Anstatt wie zuvor die Unterschrift von 700 Mitgliedern, müssen sie nun 10.000 Unterschriften aus allen Provinzen erbringen. Diese Bedingung reduzierte tatsächlich die

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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