Entscheidungsdatum
29.08.2018Norm
AsylG 2005 §10 Abs2Spruch
G301 2201087-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter MMag. Dr. René BRUCKNER über die Beschwerde der XXXX, geboren am XXXX,
Staatsangehörigkeit: Brasilien, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Robert BITSCHE in Wien, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 20.06.2018, Zl. XXXX, betreffend
Rückkehrentscheidung, zu Recht:
A) Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen,
dass Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides aufgehoben wird und Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wie folgt lautet:
"Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG, wird gegen Sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 2 FPG erlassen."
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), Regionaldirektion Wien, wurde der BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt I.), gegen sie gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG die Zulässigkeit der Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Brasilien festgestellt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt IV.).
Mit dem am 12.07.2018 beim BFA, Regionaldirektion Wien, eingebrachten (undatierten) Schriftsatz erhob die BF durch ihren rechtsfreundlichen Vertreter Beschwerde gegen den oben genannten Bescheid. Darin wurde nach Darlegung der Beschwerdegründe unter anderem beantragt, die Beschwerde dem BVwG vorzulegen und dieses möge in Stattgebung der Beschwerde den Bescheid ersatzlos beheben und zur weiteren Sachverhaltsermittlung an die erstinstanzliche Behörde zurückverweisen.
Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) am 17.07.2018 vom BFA vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die BF ist Staatsangehörige der Föderativen Republik Brasilien und im Besitz eines am 05.02.2015 ausgestellten und bis 04.02.2020 gültigen brasilianischen Reisepasses.
Die BF reiste zu einem nicht näher bestimmten Zeitpunkt in das österreichische Bundesgebiet ein und weist seit XXXX.2016 eine nach wie vor aufrechte amtliche Hauptwohnsitzmeldung in XXXX auf.
Die BF beantragte am 19.05.2016 beim XXXX, die Ausstellung einer Aufenthaltskarte (als Angehörige von Österreichern) nach § 54 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG). Dieser Antrag wurde mit Bescheid des XXXX vom 23.03.2017, Zl. XXXX, mangels Vorliegens der Voraussetzungen gemäß § 57 iVm. § 54 Abs. 1 NAG abgewiesen.
Mit mündlich verkündetem Erkenntnis des Verwaltungsgerichts XXXX vom 05.12.2017, GZ: XXXX, wurde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung die gegen den Bescheid vom 23.03.2017 erhobene Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt sowie eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof als unzulässig erklärt. Der Bescheid vom 23.03.2017 ist damit mit Wirksamkeit vom 05.12.2017 in Rechtskraft erwachsen.
Mit Schreiben des XXXX, vom 04.01.2018 wurde das BFA, Regionaldirektion Wien, über den in Rechtskraft erwachsenen abweisenden Bescheid vom 23.03.2017 zur weiteren Veranlassung in Kenntnis gesetzt.
Die BF heiratete am XXXX.2016 vor dem Standesamt XXXX den österreichischen Staatsbürger XXXX, geboren am XXXX.
Die BF ist strafrechtlich unbescholten. Anhaltspunkte für eine umfassende Integration der BF in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht liegen nicht vor.
Gründe, die einer Rückkehr oder Rückführung (Abschiebung) der BF in ihren Herkunftsstaat Brasilien entgegenstehen, liegen nicht vor.
Die BF reiste am 30.06.2018 über den Flughafen XXXX (Portugal) freiwillig aus dem Gebiet der Schengener Vertragsstaaten aus. Nach eigenen Angaben hält sich die BF nunmehr in ihrem Herkunftsstaat Brasilien auf.
2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG. In der Beschwerde wird den entscheidungswesentlichen Feststellungen im angefochtenen Bescheid nicht substanziiert entgegengetreten und auch sonst kein dem festgestellten Sachverhalt entgegenstehendes oder darüber hinaus gehendes Vorbringen in konkreter und substanziierter Weise erstattet.
Die auf Grund der vorliegenden Akten getroffenen Feststellungen werden daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt.
Die Feststellung zur freiwilligen Ausreise der BF und zu ihrer Rückkehr nach Brasilien, wo sie sich nunmehr aufhalten soll, beruht auf den diesbezüglich glaubhaften Angaben in der Beschwerde und der darin enthaltenen Ablichtung des Ausreisestempels des Flughafens XXXX vom 30.06.2018 sowie der entsprechenden Eintragung im Zentralen Fremdenregister. Die belangte Behörde hat in ihrer Stellungnahme zur gegenständlichen Beschwerde vom 12.07.2018 ebenso auf die freiwillige Ausreise der BF am 30.06.2018 hingewiesen.
Die Feststellung zur strafrechtlichen Unbescholtenheit beruht auf der Einsicht in das Strafregister der Republik Österreich.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zur Rückkehrentscheidung und Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat:
Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid eine Rückkehrentscheidung erlassen und diese auf § 52 Abs. 1 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, gestützt, sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG die Zulässigkeit der Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Herkunftsstaat Brasilien festgestellt.
Gemäß § 52 Abs. 1 FPG hat das BFA gegen einen Drittstaatsangehörigen mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält (Z 1) oder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde (Z 2).
Gemäß § 52 Abs. 9 FPG idF des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2017 (FrÄG 2017), BGBl. I Nr. 145/2017, ist mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.
Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist (§ 9 Abs. 1 BFA-VG). Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (§ 9 Abs. 2 BFA-VG).
Gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz [NAG], BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.
Gemäß § 31 Abs. 1 Z 1 FPG halten sich Fremde unter anderem rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthalts im Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des Einreisetitels oder des visumfreien Aufenthalts oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben.
Gemäß Art. 20 Abs. 1 des Schengener Durchführungsübereinkommens (SDÜ) können sich sichtvermerkfreie Drittausländer im Hoheitsgebiet der Vertragsstaaten frei bewegen, höchstens jedoch drei Monate innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab dem Datum der ersten Einreise an und soweit sie die nunmehr im Schengener Grenzkodex vorgesehenen Einreisevoraussetzungen erfüllen.
Für einen geplanten Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten von bis zu 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen, wobei der Zeitraum von 180 Tagen, der jedem Tag des Aufenthalts vorangeht, berücksichtigt wird, gelten für einen Drittstaatsangehörigen die in Art. 6 Abs. 1 Schengener Grenzkodex, VO (EU) 2016/399, genannten Einreisevoraussetzungen. So muss der Drittstaatsangehörige im Besitz eines gültigen Reisedokuments und, sofern dies in der sog. Visumpflicht-Verordnung VO (EG) Nr. 539/2001 vorgesehen ist, im Besitz eines gültigen Visums sein. Er muss weiters den Zweck und die Umstände des beabsichtigten Aufenthalts belegen und über ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts sowohl für die Dauer des Aufenthalts als auch für die Rückreise in den Herkunftsstaat oder für die Durchreise in einen Drittstaat, in dem seine Zulassung gewährleistet ist, verfügen oder in der Lage sein, diese Mittel rechtmäßig zu erwerben; er darf nicht im SIS zur Einreiseverweigerung ausgeschrieben sein und keine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die innere Sicherheit, die öffentliche Gesundheit oder die internationalen Beziehungen eines Mitgliedstaates darstellen und insbesondere nicht in den nationalen Datenbanken der Mitgliedstaaten zur Einreiseverweigerung aus denselben Gründen ausgeschrieben worden sein.
Gemäß Art. 11 Abs. 1 Schengener Grenzkodex werden die Reisedokumente von Drittstaatsangehörigen bei der Einreise und bei der Ausreise systematisch abgestempelt. Ist das Reisedokument eines Drittstaatsangehörigen nicht mit dem Einreisestempel versehen, so können gemäß Art. 12 Abs. 1 Schengener Grenzkodex die zuständigen nationalen Behörden annehmen, dass der Inhaber des Reisedokuments die in dem betreffenden Mitgliedstaat geltenden Voraussetzungen hinsichtlich der Aufenthaltsdauer nicht oder nicht mehr erfüllt. Gemäß Art. 12 Abs. 2 Schengener Grenzkodex kann diese Annahme vom Drittstaatsangehörigen durch jedweden glaubhaften Nachweis widerlegt werden, insbesondere durch Belege wie Beförderungsnachweise oder Nachweise über seine Anwesenheit außerhalb des Hoheitsgebiets der Mitgliedstaaten, aus denen hervorgeht, dass er die Voraussetzungen hinsichtlich der Dauer eines kurzfristigen Aufenthalts eingehalten hat.
Die Anwendung dieser Rechtslage auf den hier maßgeblichen Sachverhalt ergibt Folgendes:
Die BF ist Staatsangehörige von Brasilien und als solche Drittstaatsangehörige im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 10 FPG. Sie ist als Inhaberin eines gültigen biometrischen Reisepasses nach Maßgabe des Anhanges II zu Art. 1 Abs. 2 Visumpflicht-Verordnung für einen Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Schengener Vertragsstaaten, der 90 Tage je Zeitraum von 180 Tagen nicht überschreitet, von der Visumpflicht befreit.
Auch wenn der genaue Zeitpunkt der letztmaligen Einreise in das österreichische Bundesgebiet bzw. in das Gebiet der Schengener Vertragsstaaten nicht näher bestimmt werden konnte, so ist davon auszugehen, dass sich die BF jedenfalls seit XXXX.2016 in Österreich aufhielt. Der Aussage der BF in der Einvernahme vor dem BFA am 14.05.2018, wonach sie sich erst seit XXXX.2016 in Österreich aufhalte, war nämlich nicht zu folgen, zumal unstrittig feststeht, dass die BF bereits Tage vorher - am XXXX.2016 - vor dem Standesamt XXXX ihren nunmehrigen Ehegatten heiratete.
Die BF war somit höchstens 90 Tage ab dem Tag der Einreise ohne weitere Voraussetzungen zum Aufenthalt in Österreich bzw. im Gebiet der Schengener Vertragsstaaten berechtigt. Dieser Zeitraum des erlaubten visumfreien Aufenthalts endete demnach - unter Annahme des Beginns des Aufenthalts am XXXX.2016 - am XXXX.2016. Die BF reiste jedoch erst am XXXX.2018 freiwillig aus Österreich und dem Gebiet der Schengener Vertragsstaaten aus und hielt sich folglich im Zeitraum von (spätestens)XXXX.2016 bis XXXX.2018 in Österreich bzw. im Schengen-Raum auf.
Der Aufenthalt der BF in Österreich erweist sich somit jedenfalls ab dem XXXX.2016 als unrechtmäßig, zumal die BF danach über keine Berechtigung zu einem weiteren Aufenthalt in Österreich verfügt hat. Dem rechtskräftigen Erkenntnis des Verwaltungsgerichts XXXX vom 05.12.2017 zufolge kam der BF nämlich auch kein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht gemäß § 57 NAG als Ehegattin eines Österreichers, welcher das Recht auf Freizügigkeit in einem anderen EU-Mitgliedstaat in Anspruch genommen hätte, zu.
Zum Zeitpunkt der Erlassung der gegenständlichen Rückkehrentscheidung im angefochtenen Bescheid war die Dauer des erlaubten visumfreien Aufenthalts somit schon längere Zeit (hier: genau zwei Jahre) abgelaufen.
Die belangte Behörde ist somit im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass sich die BF zum Zeitpunkt der Erlassung der Rückkehrentscheidung unrechtmäßig in Österreich aufgehalten hat. Sie hat im angefochtenen Bescheid die Rückkehrentscheidung daher zutreffend auf § 52 Abs. 1 Z 1 FPG gestützt.
Mit der vorliegenden Entscheidung ist nunmehr aber der geänderte Umstand zu berücksichtigen, dass sich die BF seit 30.06.2018 nicht mehr in Österreich aufhält. Im Fall einer während des Beschwerdeverfahrens erfolgten Ausreise ist die Sache erstmals unter dem Blickwinkel des § 52 Abs. 1 Z 2 FPG zu beurteilen und allenfalls die Beschwerde mit Bezugnahme auf diese Bestimmung abzuweisen, zumal eine Erstreckung der Anordnung des § 21 Abs. 5 BFA-VG auf Entscheidungen über Beschwerden gegen eine Rückkehrentscheidung (jedenfalls nach § 52 Abs. 1 FPG) nicht in Frage kommt (siehe VwGH 21.12.2017, Ra 2017/21/0234, Rz 12 und 21).
Seit der erfolgten Ausreise der BF findet die gegenständliche Rückkehrentscheidung daher in § 52 Abs. 1 Z 2 FPG ihre weitere Rechtsgrundlage, zumal das Rückkehrentscheidungsverfahren ohnehin schon vor der Ausreise und daher jedenfalls vor Ablauf der in § 52 Abs. 1 Z 2 FPG vorgesehenen Frist (binnen sechs Wochen ab Ausreise) eingeleitet wurde.
Die in der Beschwerde vertretene Ansicht, dass auf Grund der Ausreise der BF ein rechtswidriger Aufenthalt nicht mehr vorliege und daher die Erlassung einer Rückkehrentscheidung mangels unrechtmäßigen Aufenthalts unzulässig sei, ist vor diesem Hintergrund unzutreffend. Überdies ist festzuhalten, dass gemäß § 12a Abs. 6 AsylG 2005 Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 FPG 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrechtbleiben, es sei denn, es wurde ein darüber hinausgehender Zeitraum gemäß § 53 Abs. 2 und 3 FPG festgesetzt. Insoweit trifft aber auch die von der belangten Behörde in ihrer Stellungnahme vom 12.07.2018 vertretene Ansicht nicht zu, dass die Rückkehrentscheidung mit der Ausreise "konsumiert" sei, weshalb die vorliegende Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen wäre.
Bei der Beurteilung der Frage, ob die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme aus dem Blickwinkel des § 9 BFA-VG iVm. Art. 8 EMRK zulässig ist, ist weiters eine gewichtende Gegenüberstellung des öffentlichen Interesses an der Aufenthaltsbeendigung mit dem Interesse des Fremden an einem weiteren Verbleib in Österreich vorzunehmen.
Auch wenn das persönliche Interesse am Verbleib in Österreich grundsätzlich mit der Dauer des bisherigen Aufenthalts des Fremden zunimmt, so ist die bloße Aufenthaltsdauer freilich nicht allein maßgeblich, sondern es ist anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles vor allem zu prüfen, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren. Bei der Einschätzung des persönlichen Interesses ist auch auf die Auswirkungen, die eine Aufenthaltsbeendigung auf die familiären und sonstigen Bindungen des Fremden hätte, Bedacht zu nehmen (vgl. VwGH 15.12.2015, Zl. Ra 2015/19/0247).
Die BF ist zwar seit XXXX.2016 mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet, allerdings konnten weder die BF noch ihr Ehegatte zum Zeitpunkt der Eheschließung davon ausgehen, dass die BF allein dadurch - über ihren erlaubten visumfreien Aufenthalt hinaus - auch längerfristig oder dauerhaft zum Aufenthalt in Österreich berechtigt wäre. Jedenfalls nach rechtskräftiger Abweisung des Antrages auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte gemäß § 54 NAG mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichts XXXX vom 05.12.2017 musste der BF jedenfalls bewusst sein, dass sie über keine weitere Berechtigung zum Aufenthalt in Österreich verfügt. Unbeachtlich dessen verblieb die BF aber weiterhin unrechtmäßig in Österreich.
Das beharrliche unrechtmäßige Verbleiben eines Fremden im Bundesgebiet bzw. ein länger dauernder unrechtmäßiger Aufenthalt stellt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf die Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens dar, was wiederum eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gegen den Fremden als dringend geboten erscheinen lässt (vgl. VwGH 31.10.2002, Zl. 2002/18/0190). Die Voraussetzungen dafür liegen im gegenständlichen Fall vor.
Was die privaten Lebensumstände der BF anbelangt, ist festzuhalten, dass auch im Hinblick auf die Dauer ihres zweijährigen Aufenthalts in Österreich keine Hinweise auf eine zum Entscheidungszeitpunkt vorliegende berücksichtigungswürdige Integration in Österreich in sprachlicher, beruflicher oder sozialer Hinsicht hervorgekommen sind.
Es konnte auch nicht davon ausgegangen werden, dass die BF auf Grund ihres Aufenthalts außerhalb ihres Herkunftsstaates über keinerlei Bindung mehr an ihren Herkunftsstaat verfügen würde, zumal sich ihr bisheriger Lebensmittelpunkt bis zu ihrer Einreise in Österreich in Brasilien befand. Auch ihre strafrechtliche Unbescholtenheit vermag für sich allein genommen weder ihr Interesse an einem längerfristigen Verbleib in Österreich zu verstärken noch das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung abzuschwächen (vgl. VwGH 19.04.2012, Zl. 2011/18/0253). Ihre bislang in Österreich bestehenden familiären und privaten Kontakte zu ihrem Ehegatten sowie zu allfälligen Bekannten und Freunden können sowohl über diverse verfügbare Kommunikationsmittel (wie Telefon oder Internet) als auch durch Besuche im Herkunftsstaat der BF oder in anderen Staaten aufrechterhalten werden. Mangels Anordnung eines Einreiseverbotes besteht künftig auch weiterhin die Möglichkeit, im Rahmen des erlaubten visumfreien Aufenthalts in den Schengen-Raum einzureisen.
Im Lichte dieser nach § 9 BFA-VG iVm. Art. 8 Abs. 2 EMRK gebotenen Abwägung hat sich somit insgesamt nicht ergeben, dass vorhandene familiäre oder nachhaltige private Bindungen der BF in Österreich das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthalts überwiegen würden. Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist die belangte Behörde somit im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts im Bundesgebiet das persönliche Interesse am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, welche im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung (auf Dauer oder vorübergehend) unzulässig erscheinen ließen.
Schließlich sind im Hinblick auf die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid gemäß § 52 Abs. 9 iVm. § 50 FPG getroffene amtswegige Feststellung keine konkreten Umstände dahingehend hervorgekommen, dass allenfalls auch unter dem Gesichtspunkt des Privatlebens die Abschiebung in den Herkunftsstaat unzulässig wäre (vgl. VwGH 16.12.2015, Zl. Ra 2015/21/0119).
Auch Umstände, dass vom BFA allenfalls von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 (Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz) zu erteilen gewesen wäre, liegen unter Zugrundelegung des festgestellten Sachverhaltes nicht vor.
Ein Ausspruch in Bezug auf § 57 AsylG 2005 hat seine Grundlage in § 58 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005, wonach das BFA die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen hat, wenn sich ein Fremder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des sechsten Hauptstückes des FPG fällt. Im maßgeblichen Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung des BVwG über die gegen den Bescheid des BFA erhobene Beschwerde befand sich die BF allerdings nicht mehr im Bundesgebiet, weshalb die Voraussetzung für die amtswegige Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005 weggefallen ist. Die in Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides ausgesprochene Nichterteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005 hat daher zu entfallen (siehe VwGH 21.12.2017, Ra 2017/21/0234, Rz 23).
Da alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung und die Zulässigkeit einer Abschiebung in den Herkunftsstaat vorliegen, war die Beschwerde nunmehr gemäß § 52 Abs. 1 Z 2 und Abs. 9 FPG mit der im Spruch angeführten Maßgabe (Aufhebung des Spruchpunktes I. und Neufassung des Spruchpunktes II. des angefochtenen Bescheides) als unbegründet abzuweisen.
3.2. Zur Gewährung einer Frist für die freiwillige Ausreise:
Die belangte Behörde hat mit dem angefochtenen Bescheid (Spruchpunkt IV.) gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG festgestellt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise aus dem Bundesgebiet 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.
Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Gemäß § 55 Abs. 2 FPG beträgt diese Frist 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom BFA vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen. Bei Überwiegen solcher besonderen Umstände kann die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 3 FPG einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben. § 37 AVG gilt.
Besondere Umstände, welche eine längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage zu Ausreise erforderlich gemacht hätten, wurden von der BF im Verlauf des gesamten Verfahrens weder vorgebracht noch nachgewiesen und sind auch sonst nicht hervorgekommen.
Überdies ist festzuhalten, dass die BF bereits - vor Eintritt der Rechtskraft - aus eigenem und somit freiwillig ausgereist ist.
Die Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides war daher ebenfalls als unbegründet abzuweisen.
3.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Im gegenständlichen Fall wurde der Sachverhalt nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Verfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung der belangten Behörde festgestellt und es wurde in der Beschwerde auch kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender oder darüber hinaus gehender Sachverhalt in konkreter und substanziierter Weise behauptet (siehe VwGH 28.05.2014, Zl. Ra 2014/20/0017 und 0018-9).
Es konnte daher gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben, weil der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint.
Überdies wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung von der rechtsfreundlich vertretenen beschwerdeführenden Partei auch nicht beantragt.
3.4. Zur Unzulässigkeit der Revision (Spruchpunkt B.):
Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen. Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist teilweise zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Schlagworte
Interessenabwägung, öffentliches Interesse, Rückkehrentscheidung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:G301.2201087.1.00Zuletzt aktualisiert am
14.11.2018