TE Vwgh Erkenntnis 1999/10/19 99/18/0222

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Veröffentlicht am 19.10.1999
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §10 Abs2 Z1;
FrG 1997 §10 Abs3;
FrG 1997 §113 Abs5;
FrG 1997 §34 Abs1 Z2;
FrG 1997 §34 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde der B N in Wien, geboren am 22. Mai 1962, vertreten durch Dr. Alfred Daljevec, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Mariahilfer Straße 23-25, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 2. April 1999, Zl. SD 1094/98, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtenen Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 2. April 1999 wurde die Beschwerdeführerin, eine jugoslawische Staatsangehörige, gemäß § 34 Abs. 1 Z. 2 iVm § 10 Abs. 2 Z. 1 und Abs. 3 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ausgewiesen.

Die Beschwerdeführerin sei erstmals am 26. Mai 1992 in das Bundesgebiet eingereist und habe auf Grundlage von Verpflichtungserklärungen in der Folge Sichtvermerke bzw. Aufenthaltsbewilligungen erhalten. Zuletzt habe sie über eine Aufenthaltsbewilligung für einen privaten Aufenthalt mit einer Gültigkeit vom 3. Jänner 1996 bis 3. Jänner 1998 verfügt. Diese habe nach den niederschriftlichen Angaben der Beschwerdeführerin auf einer Verpflichtungserklärung ihres damaligen Lebensgefährten beruht. Am 23. Dezember 1997 habe die Beschwerdeführerin einen Verlängerungsantrag eingebracht und dazu Verpflichtungserklärungen ihres Schwagers und ihrer Schwester sowie ein auf ihren Namen lautendes Sparbuch mit einen Einlagestand von S 87.000,-- vorgelegt. Dieses Sparbuch sei am 17. November 1997 mit einer Einlage von S 7.000,-- eröffnet worden. Am 18. Dezember 1997 sei eine Einzahlung von S 80.000,-- geleistet worden. Nach der Aktenlage sei mit 15. Juli 1998 ein Guthabenstand von etwa S 69.000,-- vorhanden. Die Beschwerdeführerin habe selbst angegeben, dieses Sparguthaben von ihren Familienangehörigen zur Verfügung gestellt erhalten zu haben.

Die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung auf Grundlage der vorgelegten Verpflichtungserklärungen komme gemäß § 10 Abs. 3 FrG nicht in Betracht. Die Ausnahmebestimmung des § 113 Abs. 5 FrG komme bei der Beschwerdeführerin nicht zur Anwendung.

Ungeachtet der Frage, ob die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Haushalts- und Betreuungsarbeiten im Haushalt ihrer Mutter, für die sie eine Gegenleistung in Form von Unterhaltsmitteln erhielte, nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz bewilligungsbedürftig wären, bleibe die Beschwerdeführerin jeden Nachweis über die Höhe dieser Unterhaltsleistungen schuldig. Auch das vorgelegte Sparbuch reiche nicht hin, vom Vorhandensein ausreichender eigener Unterhaltsmittel ausgehen zu können. Dieser Geldbetrag sei nicht von der Beschwerdeführerin erwirtschaftet worden, sondern stelle eine Zuwendung ihrer Verwandten dar. Die Fremdfinanzierung von Unterhaltsmitteln durch eine Verpflichtungserklärung sei nach dem FrG für die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung nicht ausreichend. Dies müsse umso mehr für freiwillig zur Verfügung gestellte Sparguthaben gelten. Die Existenz eines auf den Namen der Beschwerdeführerin lautenden Sparbuches sage nichts darüber aus, ob der Beschwerdeführerin tatsächlich die Verfügungsgewalt über diesen Geldbetrag zukomme. Keineswegs stehe fest, inwieweit Abreden zwischen dem Geldgeber und der Beschwerdeführerin betreffend diese Verfügungsgewalt bzw. eine Rückzahlungsverpflichtung bestünden.

Mangels eigener Unterhaltsmittel der Beschwerdeführerin sei daher der Versagungsgrund des § 10 Abs. 2 Z. 1 und Abs. 3 FrG gegeben und die Ausweisung im Grund des § 34 Abs. 1 FrG gerechtfertigt.

Die Beschwerdeführerin sei geschieden und habe keine Sorgepflichten. Die "Vormundschaft" für ihre beiden Kinder sei aufgrund der "schwierigen materiellen Verhältnisse" zunächst der Mutter der Beschwerdeführerin und in weiterer Folge der Schwester der Beschwerdeführerin übertragen worden. Die Beschwerdeführerin lebe mit ihrer Schwester und ihren beiden Kindern "offenbar" im gemeinsamen Haushalt. Die Ausweisung bedeute daher einen Eingriff in das Privat- bzw. Familienleben der Beschwerdeführerin. Dieser Eingriff sei jedoch zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten und daher im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zulässig. Da die Beschwerdeführerin die maßgeblichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung nicht erfülle, beeinträchtige sie das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen erheblich. Zusätzlich sei zu berücksichtigen, dass die Beschwerdeführerin im Bundesgebiet noch nie einer rechtmäßigen Beschäftigung nachgegangen sei und bis dato nicht in der Lage gewesen sei, ihren Aufenthalt aus eigenem zu finanzieren.

Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 2 FrG sei auf die aus der Aufenthaltsdauer ableitbare Integration der Beschwerdeführerin sowie die ihrer Familienangehörigen (Schwester, Kinder, Mutter) Bedacht zu nehmen gewesen. Es sei jedoch zu bedenken gewesen, dass die Beschwerdeführerin volljährig sei, weshalb die Bindungen zu ihren Verwandten relativiert würden. Es bestehe mit den Kindern zwar eine Haushaltsgemeinschaft, doch sei die Beschwerdeführerin weder sorgeberechtigt noch -verpflichtet. Überdies könne von einer wirtschaftlichen Integration der Beschwerdeführerin sowie einer Integration am Arbeitsmarkt keine Rede sein. Die Auswirkungen der Ausweisung auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin wögen daher nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung dieser Maßnahme. Die Bestimmung des § 35 Abs. 1 FrG komme der Beschwerdeführerin deshalb nicht zugute, weil angesichts der angestrebten Niederlassungsbewilligung für einen privaten Aufenthaltszweck eine Arbeitsaufnahme der Beschwerdeführerin nicht zulässig sei. Es könne daher nicht davon ausgegangen werden, dass sie bestrebt sei, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, vom Verfassungsgerichtshof unter gleichzeitiger Ablehnung ihrer Behandlung abgetretene (Beschluss vom 7. Juni 1999, B 817/99) Beschwerde, welche das an den Verwaltungsgerichtshof gerichtete Begehren enthält, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bzw. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Bewilligung der Beschwerdeführerin nach dem Aufenthaltsgesetz - AufG, BGBl. Nr. 466/1992, für den Aufenthaltszweck "privater Aufenthalt" wurde zuletzt um zwei Jahre bis 3. Jänner 1998 verlängert. Diese Bewilligung galt gemäß § 113 Abs. 5 erster und dritter Satz FrG ab dem Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1. Jänner 1998 als weitere Niederlassungsbewilligung für jeglichen Aufenthaltszweck mit Ausnahme der Aufnahme unselbstständiger Erwerbstätigkeit. Aufgrund des am 23. Dezember 1997 gestellten Antrages auf Verlängerung ihrer Aufenthaltsbewilligung, worüber das Verfahren ab dem Inkrafttreten des FrG gemäß dessen § 112 iVm § 7 als Verfahren zur Erteilung einer weiteren Niederlassungsbewilligung fortzuführen war, war die Beschwerdeführerin gemäß § 31 Abs. 4 leg. cit. bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides zum Aufenthalt berechtigt.

2.1. Gemäß § 34 Abs. 1 Z. 2 FrG können Fremde, die sich aufgrund eines Aufenthaltstitels oder während eines Verfahrens zur Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels im Bundesgebiet aufhalten, mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund entgegensteht.

Gemäß § 10 Abs. 2 FrG kann die Erteilung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels wegen Gefährdung öffentlicher Interessen (§ 8 Abs. 3 Z. 2 FrG) insbesondere versagt werden, wenn (Z. 1) der Fremde nicht über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt oder nicht über ausreichende eigene Mittel zu seinem Unterhalt oder - bei der Erteilung eines Einreise- oder befristeten Aufenthaltstitels - für die Wiederausreise verfügt.

Die Aufenthaltsbewilligung der Beschwerdeführerin wurde unstrittig zuletzt auf Grundlage der Verpflichtungserklärung ihres damaligen Lebensgefährten verlängert. Im Antrag vom 23. Dezember 1997 hat sie sich auf die vorgelegten Verpflichtungserklärungen anderer Personen berufen. Diese Verpflichtungserklärungen sind jedoch nicht geeignet, fehlende eigene Unterhaltsmittel der Beschwerdeführerin zu kompensieren. (Vgl. das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 99/18/0109, auf welches gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird.)

2.2. Die Beschwerdeführerin hat auch ein auf ihren Namen lautendes Sparbuch mit einem Einlagestand von etwa S 69.000,-- per 15. Juli 1998 vorgelegt. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Beschwerdeführerin verpflichtet ist, bei diesem Sachverhalt auch nachzuweisen, dass sie tatsächlich über die auf dem Sparbuch erliegende Summe frei verfügen kann, weil auch dies nicht ausreichte, die Unterhaltsmittel für den mit der beantragten Niederlassungsbewilligung angestrebten dauernden Aufenthalt zu sichern.

2.3. Die Beschwerdeführerin hat im Verwaltungsverfahren vorgebracht, dass sie für ihre Mutter und andere Familienmitglieder Haushalts- und Betreuungsarbeiten verrichte und es "natürlich und moralisch vertretbar" sei, dass diese Familienangehörigen ihrerseits für den Unterhalt der Beschwerdeführerin aufkämen. Damit hat sie jedoch weder das Vorliegen eines gesetzlichen Unterhaltsanspruches noch sonst ein zur dauernden Sicherung des Unterhaltes ausreichendes, nicht nur auf freiwilliger Basis, sondern auf einem Rechtsanspruch beruhendes, regelmäßiges Einkommen dargetan.

2.4. Da die Beschwerdeführerin somit nicht über eigene Unterhaltsmittel verfügt, erfüllt sie den Tatbestand des § 10 Abs. 2 Z. 1 FrG. Entgegen der von der belangten Behörde vertretenen Ansicht folgt daraus aber - auch bei Vorlage einer iSd § 10 Abs. 3 zweiter Satz iVm § 113 Abs. 5 letzter Satz FrG untauglichen Verpflichtungserklärung - noch nicht zwingend, dass die begehrte Berechtigung zu versagen ist. Hiezu ist vielmehr auch zu prüfen, ob ein durch die Anwendung des Versagungsgrundes bewirkter Eingriff in ein durch Art. 8 Abs. 1EMRK geschütztes Recht aus den im Abs. 2 dieser Bestimmung genannten Gründen gerechtfertigt ist. Die Beschwerdeführerin wäre durch die Unterlassung einer solchen Prüfung allerdings nicht in Rechten verletzt, wenn die belangte Behörde im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit der Ausweisung im Grund des § 37 Abs. 1 FrG ohnehin ausreichend auf Art. 8 EMRK Bedacht genommen hätte. (Vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 2. September 1999, Zl. 99/18/0088, auf welches gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird.)

3. Dies ist jedoch aus folgenden Gründen nicht der Fall:

Die Beschwerdeführerin hält sich seit fast sieben Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Sie lebt mir ihrer Schwester und ihren beiden leiblichen Kindern im gemeinsamen Haushalt. Auch ihre Mutter hält sich im Bundesgebiet auf. Die Ausweisung stellt daher auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Beschwerdeführerin am Arbeitsmarkt nicht integriert ist, einen schwer wiegenden Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin dar. Dem steht gegenüber, dass der Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet insoweit die öffentliche Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens beeinträchtigt, als die Beschwerdeführerin seit dem Ablauf der ihr zuletzt erteilten Aufenthaltsbewilligung am 3. Jänner 1998 deswegen den Tatbestand des § 10 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt, weil das am 1. Jänner 1998 in Kraft getretene FrG eine dauernde Niederlassung auf Grundlage einer Verpflichtungserklärung nicht mehr zulässt. Diese Beeinträchtigung der maßgeblichen öffentlichen Interessen führt unter Berücksichtigung der gewichtigen aus dem inländischen Privat- und Familienleben erfließenden persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin am Verbleib im Inland entgegen der Ansicht der belangten Behörde nicht dazu, dass die Ausweisung zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten und daher im Grund des § 37 Abs. 1 zulässig ist.

4. Die belangte Behörde hat somit in wesentlichen Punkten die Rechtslage verkannt. Der angefochtene Bescheid war schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

5. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil als Ersatz für den Schriftsatzaufwand nach der zitierten Verordnung nur ein Betrag von

S 12.500,-- vorgesehen ist (ein gesonderter Ersatz von Umsatzsteuer kommt daneben nicht in Betracht) und die Pauschalgebühr gemäß § 24 Abs. 3 VwGG nur S 2.500,-- beträgt.

Wien, am 19. Oktober 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1999180222.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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