TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/3 W207 2165839-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.09.2018
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Entscheidungsdatum

03.09.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W207 2165839-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX 1997, StA. Afghanistan, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.07.2017, Zahl

1077541801-150838899/BMI-BFA_SBG_AST_TEAM_04, zu Recht:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler Einreise am 13.07.2015 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der am 13.07.2015 abgehaltenen Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer an, am XXXX 1997 in einem nähergenannten Ort in der Provinz Kandahar, Afghanistan geboren zu sein, Pashtu als Muttersprache zu sprechen und der Volksgruppe der Paschtunen sowie dem moslemischen Glauben anzugehören. Er habe keine Ausbildung und sei Analphabet, er habe aber die Tätigkeit eines Automechanikers ohne Berufsausbildung ausgeübt. Seine letzte Wohnadresse sei eine näher genannte Adresse in der Provinz Kandahar gewesen, wo er geboren und aufgewachsen sei und wo er bis zu seiner Ausreise aus Afghanistan gelebt habe. Seine Eltern, drei Brüder und sieben Schwestern würden in der Provinz Kandahar leben, seine Familie würde dort ein wenig Land besitzen, sein Vater sorge für die Familie. Der Beschwerdeführer habe vor ca. 20 Tagen den Entschluss zur Ausreise aus seinem Herkunftsstaat gefasst und habe seinen Herkunftsstaat vor ca. 20 Tagen verlassen. Zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates, sohin zu seinen Fluchtgründen, gab der Beschwerdeführer an, er habe als Mechaniker in seiner Werkstätte auch die Autos von Polizisten repariert, deshalb sei er von den Taliban geschlagen und mit dem Tode bedroht worden. Um sein Leben zu schützen, habe er seine Heimat verlassen müssen. Sonst habe er keine weiteren Fluchtgründe. Im Falle einer Rückkehr in seine Heimat habe er Angst um sein Leben.

Nach Zulassung des Verfahrens wurde der Beschwerdeführer am 24.04.2017 durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA; in der Folge auch als belangte Behörde bezeichnet) im Beisein eines Dolmetschers der Sprache Paschtu niederschriftlich einvernommen. Dabei brachte der Beschwerdeführer - hier in den wesentlichen Teilen und in anonymisierter Form wiedergegeben - Folgendes vor:

"[...]

LA: Leiden oder litten Sie, an irgendwelchen gesundheitlichen Problemen, gibt es bestehende Krankheiten oder benötigen Sie aktuell bestimmte medizinische Betreuung oder Medikamente?

VP: Nein. Ich brauche keine ärztliche Betreuung. Ich benötig keine Medikamente. Ich bin vollkommen gesund.

LA: Haben Sie im Verfahren bis dato der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht und wurden Ihnen diese jeweils rückübersetzt und korrekt protokolliert?

VP: Ja.

.......

LA: Bei dieser Einvernahme handelt es sich um eine Fortsetzung der bis jetzt durchgeführten Befragungen. Es geht jetzt vorwiegend um die Darstellung Ihres Fluchtgrundes. Hat sich seit der letzten Befragung an den Gründen Ihrer Flucht aus Afghanistan etwas geändert?

VP: Nein.

LA: Sie wurden vom Bundesamt angeschrieben, dass Sie Dokumente vorlegen sollen, insbesondere Dokumente die Ihre Identität bezeugen. Haben Sie solche Dokumente?

VP: Ich lege vor:

• Kopie der Geburtsurkunde (Tazkira)

• Gewerbeschein in Kopie.

ANMERKUNG: LA fertigt Sicherstellungsprotokoll an.

LA: Haben Sie eine Schule besucht?

VP: Nein.

LA: Sie können demnach lesen und schreiben?

VP: Nein.

LA: Sind Sie ledig oder verheiratet?

VP: Ich bin verlobt.

LA: Seit wann sind Sie verlobt?

VP: Seit ich selber Kind war.

LA: Waren und sind Sie mit der Verlobung einverstanden?

VP: Ja. Wir sind nicht so weit, dass wir heiraten.

LA: Ist Ihre Verlobte mit der Hochzeit einverstanden?

VP: Ja.

LA: Wo befindet sich Ihre Verlobte?

VP: In Afghanistan in der Provinz Kandahar - S.

LA: Wie heißt Ihre Verlobte?

VP: S. (Clan-Name), nachgefragt weiß ich nicht, wie alt sie ist.

LA: Haben Sie aktuell Kontakt zu Ihr?

VP: Ich habe keinen Kontakt zu Ihr. Seit ich in Österreich bin nicht, in Afghanistan schon.

LA: Waren Sie zwischenzeitlich in Afghanistan?

VP: Bevor man nicht heiratet hat man laut paschtunischem Recht keinen Kontakt zur Frau. Meine Eltern haben schon Kontakt zu ihr.

LA: Haben Sie eigene Kinder?

VP: Nein, ich bin auch für keine unterhaltspflichtig.

LA: Haben Sie weitere Familienangehörige?

VP:

• Vater B., Alter ca. 47 Jahre

• Mutter B.: Alter unbekannt.

• 7 Schwestern: (alle Schwestern sind jünger als ich) .....

• 3 Brüder: (alle Brüder sind jünger als ich) .....

LA: Wie war Ihre letzte Wohnadresse in Afghanistan vor Ihrer Flucht?

VP: Dorf X im Distrikt Y in Kandahar.

LA: Haben Sie Kontakt zu Ihrer Familie oder anderen Angehörigen in ihrem Heimatland?

VP: Ja telefonisch habe ich Kontakt.

LA: Wie ist der Kontakt und wie häufig?

VP: Ein bis zwei Mal pro Monat.

LA: Wissen sie wo ihre Familie im Moment lebt?

VP: Siehe Heimatdorf.

LA: Wie groß ist dieses Dorf X?

VP: Nicht so groß, ich weiß es nicht genau.

LA: Wie lebten sie dort? Gab es ein eigenen Haus oder Grundstücke?

VP: Ein eigenes Haus und ein eigenes Grundstück.

LA: Wie groß ist das Grundstück?

VP: Kann ich nicht genau sagen.

LA: Was haben sie dort gearbeitet?

VP: Ich war Mechaniker.

LA: Wie viel haben sie da verdient?

VP: Monatlich 25.000 bis 30.000 Afghani (umgerechnet ca. 346 - 415 Euro).

LA: Konnten Sie davon gut leben?

VP: Ja habe ich. Ich führte ein ganz normales Leben.

LA: Haben Sie weitere Angehörige in Afghanistan?

VP: Ich habe Cousinen, Tanten und Onkel in Kandahar.

LA: Haben Sie Angehörige außerhalb Ihrer Heimatprovinz in Afghanistan?

VP: Nein habe ich nicht. Ich habe Freunde außerhalb. Ich weiß aber nicht, wo sie sich aufhalten.

LA: Nach Ihrer persönlichen Ansicht - würden Sie behaupten, dass Sie über einen gut funktionierenden Familienverbund verfügen?

VP: Ich habe ein gutes Verhältnis zu meiner Familie.

LA: Haben Sie Angehörige in Österreich?

VP: Nein.

LA: Nehmen Sie Drogen oder Drogenersatzstoffe?

VP: Nein.

LA: Sie sind völlig gesund, ist das richtig?

VP: Ja.

LA: Demnach sind Sie voll arbeitsfähig und arbeitswillig?

VP: Natürlich.

LA: Besuchen Sie einen Deutschkurs?

VP: Momentan nicht. Ich habe in T. einen A1 und A2 Kurs besucht.

ANMERKUNG: VP legt Dokumente vor:

• Deutsch für Asylwerbende A1/2 in T. vom 02.05.2016 bis 07.09.2016

OHNE Dolmetscher

LA: Wie geht es Ihnen?

VP: Gut.

LA: Wie ist das Wetter heute?

VP: Heute ist so gut, ein bisschen Sonne, nicht kalt. Heut ist besser.

LA: Wo wohnen Sie?

VP: Z-straße, Tür 1 in 5020 Salzburg

LA: Was machen Sie in Ihrer Freizeit?

VP: Pakete austeilen.

ANMERKUNG:VP spricht überdurchschnittlich Deutsch.

WEITER MIT Dolmetscher

LA: Haben Sie sich jemals in oder außerhalb von Afghanistan politisch betätigt, gehören Sie irgendeiner politischen Organisation oder Partei an?

VP: Nein.

LA: Welcher Volksgruppe gehören Sie an?

VP: Paschtune.

LA: Gab es jemals eine konkrete Verfolgung Ihrer Person alleine aufgrund Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit?

VP: Nein.

LA: Nennen Sie ihre Religionszugehörigkeit?

VP: Sunnitischer Moslem.

LA: Gab es jemals eine Verfolgung Ihrer Person alleine aufgrund Ihrer Religionszugehörigkeit?

VP: Nein.

LA: Sind Sie jemals aufgrund Ihrer Nationalität verfolgt oder bedroht worden?

VP: Nein.

LA: Sind Sie aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe verfolgt oder bedroht worden?

VP: Nein.

LA: Wurden Sie persönlich konkret bedroht?

VP: JA ich bin von den Taliban.

LA: Sie sind gläubiger Moslem?

VP: Ja.

LA: Haben Sie vor zu einer anderen Religion zu konvertieren?

VP: Nein.

LA: Waren Sie jemals das Opfer von grenzüberschreitender Prostitution oder Menschenhandel?

VP: Nein.

LA: Haben, oder hatten Sie jemals irgendwelche Schwierigkeiten/Probleme mit afghanischen Behörden, Polizei oder Gerichten?

VP: Nein.

LA: Sind sie in ihrem Heimatland oder in einem anderen Land von einem Gericht verurteilt worden?

VP: Keine Verurteilung.

LA: Sie haben Ihre Fluchtroute bereits bei der Ersteinvernahme sehr ausführlich geschildert.

Wollen Sie ergänzende Angaben zu Ihrem Fluchtweg machen oder etwas berichtigen?

VP: Es bleibt gleich.

Nach den allgemeinen Fragen zu Ihren persönlichen Umständen werde ich Sie nun jetzt zu Ihrem Fluchtgrund befragen:

LA: Kommen wir nun zu Ihrem Fluchtgrund. Bitte nennen Sie mir die Gründe, warum Sie Afghanistan verlassen haben und nicht nach Afghanistan zurückkehren können. Bitte erzählen Sie?

VP: Beginn der freien Erzählung:

Ich habe in Afghanistan als Mechaniker gearbeitet. Ich habe ein eigenes Geschäft gehabt und habe die Privatautos von den Polizisten repariert. Deswegen bin ich einmal von den Taliban mittags mitgenommen worden. Sie haben mich geschlagen und gefoltert und mich abends wieder freigelassen. Bevor ich freigelassen wurde, wurde mir durch die Taliban geraten, diese Arbeit niederzulegen und damit aufzuhören. Ich war danach 20 Tage zuhause und habe nicht gearbeitet. Danach bin ich wieder zur Arbeit. Die Taliban haben mich erneut mitgenommen und geschlagen. Sie haben mir gedroht, dass bei einem dritten Male, ich durch die Taliban umgebracht werde. Ich solle diese Arbeit als Mechaniker aufhören. Ich habe Narben auf den Händen und auf dem Körper (Rücken). Ich entschied mich aus Angst, Afghanistan zu verlassen.

Ende der freien Erzählung.

VERFAHRENSLEITENDE Verfügung: PAUSE von 5min.

VP legt drei fremdsprachige Dokumente vor und gibt diese ab.

LA: Ist das Ihr einziger Fluchtgrund?

VP: Ja.

LA: Wie hieß die Werkstatt, wo Sie arbeiteten?

VP: Sie hatte keinen Namen aber sie war im Ort "S." - das bedeutet, dort ist ein kleiner Markt und eine kleine Station.

LA: Wie weit war die Werkstatt von Ihrem Dorf entfernt?

VP: Mit einem Motorrad ca. 15 min entfernt.

LA: Das war Ihr Betrieb?

VP: Ja. Nachgefragt hatte einen Bekannten. Er beendete die Arbeit, bevor ich die Probleme bekam.

LA: Haben Sie den Beruf Mechaniker erlernt?

VP: Ja mit meinem Onkel habe ich gearbeitet. Dort habe ich das gelernt. Nachgefragt im selben Ort. Die Werkstätte betrieb mein Onkel und ich übernahm sie. Nachgefragt arbeitete ich ca. drei Jahre selbstständig.

LA: Hatte Sie die Werkstatt in Pacht oder gehörte sie Ihnen?

VP: Das gehörte meinem Onkel. Ich kaufte Ihm alles ab. Den Container nicht, den übergab er mir. Die Sachen die drinnen waren schon.

LA: Was kostete diese Übernahme?

VP: Insgesamt 80.000 Afghani (ca. 1.100 Euro). 50000 habe ich bar bezahlt, den Rest habe ich ihm in Raten gegeben.

LA: War diese Werkstatt abbezahlt? Haben Sie beim Onkel noch Schulden?

VP: Ja war abbezahlt. Ich hatte keine Schulden mehr bei Ihm.

LA: Wie lange sind Sie dem Beruf als Mechaniker nachgegangen?

VP: Ich habe ungefähr 12 Jahre gearbeitet.

LA: Wie lange arbeitete Ihr Onkel dort?

VP: ca. 20 bis 25 Jahre.

LA: Wer sorgt in diesem Bereich von Afghanistan für die Sicherheit?

VP: Dort wo ich arbeitete gab es keine Polizei, aber im Umkreis war die afghanische Polizei aufhältig.

LA: Seit wann bringen die Polizisten die Autos in Ihre Werkstätte?

VP: ca. 1 -1,5 Jahre habe ich für sie gearbeitet. Ich bin Analphabet. Mit manchen Zahlen kenne ich mich nicht aus. Nachgefragt mein Onkel arbeitete nicht für die Polizei.

LA: Welche Autos reparierten Sie da?

VP: Kleine PKW's wie etwa Toyota Corolla (Limousine und Kombi) Baujahr unter 2000. , Toyota Pick Up.

LA: Welcher Pick-Up von Toyota?

VP: Ich weiß es nicht. Baujahr 1995.

LA: Was für Reparaturen führten Sie aus?

VP: Bremsen, Motor, Getriebe und Achse.

LA: Welchen Antrieb hat der Corolla?

VP: Corolla war Frontantrieb. Der Pick-Up hatte Heckantrieb. Der Toyota Surf beispielsweise hatte Heckantrieb. Bei Bedarf konnte man die Vorderachse dazuschalten.

LA: Die Polizisten brachten Privatautos zur Reparatur?

VP: Das stimmt. Nachgefragt ca. 1,5 bis 1 Jahr bevor ich ausgereist bin.

LA: Welches Bremsensystem hatten die Corolla? Welche Art der Bremse?

VP: Die Autos hatten Bremsenscheiben.

ANMERKUNG: VP erklärt dem Dolmetscher die Funktion der Bremse.

LA: Seit wann sind die Taliban in Ihrem Gebiet?

VP: In X. gibt es viele Taliban.

LA: Die kommen immer abends?

VP: Jederzeit. Egal welche Uhrzeit. Sie können jederzeit was machen.

LA: Wie oft kamen die Taliban zu Ihnen in die Werkstatt?

VP: 2-Mal.

LA: Wie lange waren Sie nach dem 2. Mal noch in Afghanistan bis zu Ihrer Ausreise?

VP: Das waren so ca. 3-4 Nächte. Ich habe sofort meine Ausreise organisiert.

LA: Warum waren die Taliban nicht schon früher bei Ihnen in der Werkstatt?

VP: Jemand gab ihnen Bescheid, dass ich Autos der Polizisten reparierte.

LA: Sie konnten ein Jahr Autos der Polizisten reparieren, ohne dass die Taliban dahintergekommen sind, obwohl diese Gruppierung sehr häufig in Ihrer Heimat vorkommt? VP: Die Polizisten haben selber Angst gehabt. Sie waren immer in zivil bei mir.

LA: Wie sollten die Taliban deswegen dahinter gekommen sein?

VP: Irgendwer der Dorfbewohner hat dies den Taliban gesteckt. Wenn man den Taliban etwas berichtet, dann kümmern sich die Taliban darum.

LA: Danach haben Sie Hals über Kopf das Land verlassen?

VP: Ja.

LA: Welche Gruppierung hatte Sie beide Male mitgenommen?

VP: Sie sagten es nicht. Ich kannte auch das Gebiet nicht, wo sich mich hinbrachten und mich schlugen.

LA: Warum haben Sie die Vorfälle nicht bei der Polizei angezeigt?

VP: Da gibt's keine richtigen Polizisten. Die sind alle korrupt. Da muss man bezahlen. Ich kann Beispiele nennen. Wo war die Polizei gestern?

LA: Was kostete Ihre Ausreise nach Europa?

VP: ca. 4000 Euro.

LA: Diese Summe haben Sie innerhalb weniger Stunden/Tage lukrieren können?

VP: Das hat mein Vater nicht auf einmal bezahlt - sondern auf zwei Mal. Nachgefragt mit dem Schlepper. Nachgefragt habe ich die Schlepper und die Ausreise organisiert - mein Vater übernahm die Kosten.

LA: Sie sagten, Sie wüssten nicht wo Sie von den Taliban hingebracht wurden?

VP: Sie haben mich mit dem Auto weggebracht. Ich weiß nicht wo hin, dort waren kaputte Häuser - ich habe das Gebiet nie gesehen.

LA: Kennen Sie sich in Ihrer Heimat aus? In welche Richtung, durch welche Dörfer wurden Sie gefahren?

VP: Wenn der Kopf bedeckt ist, weiß man das nicht.

LA: Jetzt auf einmal waren Ihre Augen verbunden?

VP: Ja.

LA: Woher wissen Sie dann, dass kaputte Häuser in der Gegend waren?

VP: Nachdem wir dort waren, haben Sie mir die Augenbinde abgenommen.

LA: Die Augenbinde wurde Ihnen im Auto abgenommen?

VP: Nein, in dem kaputten Haus. Dort waren auch andere Taliban. Sie haben mich angeschrien, sie haben mich geschlagen.

LA: Mit was sind Sie geschlagen worden?

VP: Mit dem Kolben der Waffe und einem Kabel. Sie haben mich auf den Beinen verletzt.

ANMERKUNG: VP zeigt auf beiden Beinen Narben vor.

LA: Welches Kabel erwähnten Sie gerade?

VP: Es war ein schwarzes Kabel - mit dem wurde ich auf dem Rücken, Schulter und auf der Außenseite des Oberschenkels.

LA: Wie lange waren Sie in deren Gewalt - beim ersten Mal?

VP: Ich war mehrmals bewusstlos. Sie haben mich mit Wasser wieder aufgeweckt. Die Uhrzeit weiß ich nicht mehr.

LA: Danach wurden Sie wo hingebracht?

VP: Zur Werkstatt. Nachgefragt war es am Abend - keine Ahnung wann es genau war.

LA: Danach waren Sie zuhause?

VP: ca. 20 Tage.

LA: Warum haben Sie dann wieder zu arbeiten begonnen und dieselbe Tätigkeit erneut begonnen, obwohl Ihnen heftigst gewarnt wurde, von Seiten der Taliban?

VP: Ich habe nach dem Arbeitsbeginn keine Polizistenautos repariert. Trotzdem akzeptierten die Taliban dies nicht.

LA: Sie sind erneut von den Taliban mitgenommen worden und erneut gefoltert worden?

VP: Sie haben mich wieder mitgenommen und geschlagen. Sie haben mir vorgeworfen, dass ich immer noch die Autos der Polizisten repariere. Sie haben mir nicht geglaubt.

LA: Wie lange waren Sie das 2. Mal bei den Taliban?

VP: von Mittag bis abends. Beim ersten Mal war ich von morgens bis abends in den Händen der Taliban.

LA: Wann haben Sie die Briefe der Taliban erhalten?

VP: Die Briefe hat mein Vater erhalten. Sie haben ihn nach mir befragt. Die Nachbarn aus dem Arbeitsgebiet haben den Brief meinem Vater übergeben.

LA: Ihr Vater hat keinen Kontakt mit den Taliban?

VP: Nein hatte er nicht. Die Taliban wollten von mir die Adresse - ich gab Sie ihnen nicht.

LA: Das akzeptierten die Taliban? Obwohl Sie gefoltert wurden?

VP: Sie haben mich geschlagen, sodass ich bewusstlos wurde. Ich konnte nicht mehr reden.

LA: Die Taliban wissen nach wie vor nicht, wo Ihre Eltern aufhältig sind?

VP: Nein.

LA: Wie konnten die Taliban dann Ihren Vater nach Ihnen befragen?

VP: Sie hatten keinen Kontakt. Mein Vater hatte nur den Brief erhalten - von den Nachbarn meiner Arbeitsstätte.

LA: Welche Befürchtungen haben Sie in Bezug auf eine mögliche Rückkehr nach Afghanistan?

VP: Ich habe Angst vor den Taliban. Mein Leben war in Gefahr.

LA: Erklären Sie mir, warum Sie 2.500km von Afghanistan nach Österreich geflohen sind und nicht daran gedacht haben in Afghanistan in einem anderen, sichereren Landesteil ein neues Leben zu beginnen. Die Sicherheitslage ist in Afghanistan sehr unterschiedlich.

VP: Ich konnte nirgends anders hin, meine Arbeitsstätte, Haus und Grundstücke sind doch dort.

LA: Hier in Österreich haben Sie diese Dinge auch nicht?

VP: Das war Schicksal. Ich habe Österreich nicht als mein Ziel auserkoren. Die Schlepper haben mich hierher gebracht.

LA: Es gibt für Afghanistan ein Programm der freiwilligen Rückkehr. Es wird ihnen der Flug bezahlt und Sie bekommen einen kleinen Betrag für den Wiedereinstieg ins soziale Leben. Sie würden 1000 Euro für eine freiwillige Rückkehr von Seiten Österreichs bekommen. Was spräche dagegen, dass sie nach Afghanistan zurückkehren und sich in einem Teil Afghanistan niederlassen?

VP: Ich bin nicht wegen dem Geld hier. Mein Leben ist in Gefahr. Ich will nicht zurück. Ich kann auch Geld bekommen.

LA: Von wem bekommen Sie Geld?

VP: Aus Kandahar von meinen Eltern bekomme ich Geld.

LA: Haben Sie bereits Geld von Afghanistan bekommen?

VP: Ich nannte es nur aus Beispiel. Wenn ich Geld benötige, würde ich welches aus Afghanistan/Kandahar von meinen Eltern bekommen.

LA: Wenn Sie hier ein Bleiberecht bekommen, können sie nie wieder legal nach Afghanistan einreisen. Sie würden dann sofort Ihr Aufenthaltsrecht verlieren. Wissen sie das?

VP: Ja. Ich will auch nicht wieder zurück.

LA: Sie sind bereits seit ca. eineinhalb Jahren in Österreich, welche sozialen Kontakte haben Sie bereits zur österreichischen Gesellschaft?

VP: Ich habe mit mehreren Einheimischen Kontakte, und auch Freunde.

LA: Sind Sie Mitglied in Vereinen oder Organisationen in Österreich?

VP:

LA: Was machen Sie in Ihrer Freizeit?

VP: Nur in Fitnessstudio. ANMERKUNG: VP zeigt Mitgliedskarte von Z. vor.

LA: Was kostet da der Mitgliedsbeitrag?

VP: ca. 19-20 Euro.

LA: Wer bezahlt den Mitgliedsbeitrag?

VP: Von meinem Taschengeld der Caritas aus.

LA: Haben Sie in Österreich schon einmal Probleme mit Behörden, Polizei, Gericht, oder anderen Institutionen gehabt?

VP: Nein, ich bin unbescholten. Ich lege einen Strafregisterauszug in Kopie vor.

LA: Warum haben Sie einen Strafregisterauszug vorgelegt?

VP: Bei XXXX wollte ich schnuppern. Dort musste ich einen Strafregisterauszug vorlegen.

• Auszug aus der Gewerbeinformationssystem Austria mit DVR: 0000000

LA: Wo befindet sich Ihr Führerschein?

VP: Ich habe ihn in Österreich mitgehabt. Ich brachte ihn zur afghanischen Botschaft nach Wien. Diese schickten ihn nach Afghanistan zum Kontrollieren. Sie mussten es prüfen. Nachgefragt war das letzten Monat.

LA: Warum haben Sie einen Auszug aus dem Gewerbeinformationssystem?

VP: Bei XXXX haben sie mich angewiesen, so einen Auszug vorzulegen. Damit ich ein Zusteller werden kann (Praktikum)

LA: Wo bei XXXX ?

VP: In der Nähe von S.

LA: Wer war dort Ihr Ansprechpartner?

VP: A. - er ist Türke.

LA: Wann könnten Sie dort zu arbeiten beginnen?

VP: Nachdem ich hier meinen Bescheid bekomme und mein Führerschein wieder in Österreich ist.

Verfahrensleitende Verfügung:

Ihnen werden nun mit Quellenangaben versehene landeskundliche Feststellungen zum Staat Afghanistan ausgehändigt. Das Bundesamt beabsichtigt diese Unterlagen zur Entscheidungsfindung in Ihrem Asylverfahren heranzuziehen. Es steht Ihnen frei innerhalb von zwei Wochen, ohne Setzung einer Nachfrist eine Stellungnahme abzugeben.

Anmerkung:

Die VP wird darauf hingewiesen, dass er die Stellungnahme dazu auf Deutsch einbringen muss und sich hierfür an die Caritas oder Rechtsberatung wenden kann.

§ 39a AVG regelt nur den mündlichen Verkehr mit der Behörde, begründet aber keinen Anspruch auf die Verwendung einer fremden Sprache im Schriftverkehr mit den Beteiligten; insbesondere ist die Beifügung einer Übersetzung eines Schriftstückes nicht vorgesehen (Ringhofer I, 367; VwGH 11.1.1989, Zl 88/01/0187; 1.2.1989, Zl. 88/01/0330). Aufgrund der Verweisungsnorm des § 23 AsylG gilt dies auch im Asylverfahren.

LA: Wollen Sie die landeskundliche Feststellungen ausgehändigt bekommen?

VP: Nein brauche ich nicht.

LA: Hatten Sie genug Zeit alles zu sagen, das ihnen wichtig ist?

VP: Ja.

LA: War die Verständigung mit dem Dolmetscher für Sie in Ordnung und auch verständlich? VP: Ja.

LA: Ich beende somit die Einvernahme. Wollen Sie noch ergänzende Angaben machen, die noch nicht zur Sprache gekommen sind und ihrer Ansicht nach für das Verfahren wesentlich sein könnten?

VP: Nein, ich habe soweit alles erzählt.

Nach erfolgter Rückübersetzung:

LA: Wurde alles aufgeschrieben und richtig protokolliert was Sie mündlich angegeben haben? Sollte das nicht der Fall sein, so können Sie jetzt noch weitere Angaben tätigen, Sie können auch sonst noch Aussagen treffen, die Sie Ihrer Meinung nach in der Entscheidung des Bundesamtes berücksichtigt haben wollen. Erläuternd darf dazu angemerkt werden, dass Sie in weiterer Folge in diesem Verfahren keine neuen Sachverhalte mehr vorbringen können, diese würden nicht mehr berücksichtigt werden. Weiter wird festgehalten, dass die

Verständigung in Paschtu problemlos war, Sie alles verstanden haben und auch alles so schildern konnten, wie Sie wollten.

VP: Ja

[...]"

Wie diesen Ausführungen zu entnehmen ist, verzichtete der Beschwerdeführer auf eine Einsichtnahme in die seitens der Behörde herangezogenen Berichte zur Situation in Afghanistan sowie auf die Abgabe einer diesbezüglichen Stellungnahme.

Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.07.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG nicht erteilt, gem. § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen sowie festgestellt, dass seine Abschiebung gem. § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde festgelegt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

Die belangte Behörde stellte fest, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen volljährigen Staatsangehörigen Afghanistans aus der Provinz Kandahar handle, welcher der moslemisch-sunnitischen Glaubensrichtung sowie der Volksgruppe der Paschtunen angehöre. Die Identität des Beschwerdeführers könne nicht festgestellt werden. Es könne nicht festgestellt werden, ob der Beschwerdeführer über Schulbildung verfüge; jedenfalls habe er angegeben, Berufserfahrungen gesammelt zu haben. Der Beschwerdeführer sei arbeitsfähig. Er leide an keiner psychischen oder physischen Erkrankung, vielmehr sei er gesund. Der Beschwerdeführer sei ledig und habe keine Kinder. Er verfüge über familiäre Anknüpfungspunkte in Afghanistan, der Vater, die Mutter, Brüder und Schwestern würden in Afghanistan leben. Der Beschwerdeführer könne bei einer Rückkehr nach Afghanistan im Falle einer Aufenthaltnahme in urbanen Gebieten Afghanistans, wie etwa in Kabul, unter Beachtung seiner (zwölfjährigen) beruflichen Qualifikation als Mechaniker selbst für den Unterhalt sorgen sowie mit finanziellen Unterstützungen durch Familienangehörige rechnen. Der Beschwerdeführer sei im paschtunischen Kulturkreis aufgewachsen und mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates vertraut; er kenne die in seinem Herkunftsstaat herrschenden sozialen und kulturellen Werte, auch beherrsche er Paschtu auf Muttersprachenniveau. Der Beschwerdeführer habe weder Familienangehörige noch sonstige Verwandte in Österreich, hingegen verfüge er über familiäre Anknüpfungspunkte in Afghanistan. Der Lebensunterhalt in Österreich werde ausschließlich aus Zuwendungen der öffentlichen Hand bestritten. Das sonstige Engagement des Beschwerdeführers in Bezug auf Integration und den Willen, die deutsche Sprache zu erlernen, sei als selbstverständlich zu erachten und stelle kein besonderes herausragendes Verhalten des Beschwerdeführers dar. Der Beschwerdeführer sei illegal in das Bundesgebiet eingereist, wo er sich seit einem vergleichsweise kurzen Zeitraum aufhalte, eine wesentliche integrative Bindung zu Österreich könne nicht festgestellt werden.

Zur Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten führte die belangte Behörde mit näherer Begründung aus, das Vorbringen des Beschwerdeführers, er sei durch Taliban verfolgt worden, weil er private Polizeiautos in seine Autowerkstatt repariert habe, sei nicht glaubwürdig und könne daher nicht festgestellt werden. Nicht festgestellt werden könne abgesehen davon eine asylrelevante - oder sonstige - Verfolgung in ganz Afghanistan, weil der Beschwerdeführer die Möglichkeit habe, sich in urbanen Gebieten Afghanistans außerhalb seiner Herkunftsprovinz Kandahar, wie insbesondere in Kabul, niederzulassen, wo er keine individuelle, konkret gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten habe; es liege kein politisches oder sonstiges Engagement des Beschwerdeführers vor, welches darauf schließen lassen würde, dass er im gesamten Staatsgebiet Afghanistans als Person bekannt wäre und als hochrangiges Ziel - "high value target" - gelten würde. Der Beschwerdeführer wurde im angefochtenen Bescheid sohin auf das Vorliegen einer sogenannten inländischen Fluchtalternative verwiesen. In diesem Zusammenhang könne auch nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer persönlich Probleme mit Behörden seines Herkunftsstaates gehabt habe.

Zur Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten sei in einer Gesamtschau nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer nach einer Rückkehr nach Afghanistan - konkret insbesondere bei einer Aufenthaltnahme in Kabul - eine Artikel 2, 3 EMRK entsprechende Notlage zu erwarten hätte, zumal der Beschwerdeführer in Kabul keiner konkret gegen seine Person gerichteten individuellen Gefährdung ausgesetzt wäre. Beim Beschwerdeführer handle es sich um einen gesunden arbeitsfähigen Mann, der über eine zwölfjährige Berufstätigkeit als Mechaniker, davon mehrere Jahre in einer eigenen Mechanikerwerkstatt, verfüge und selbst für seinen Unterhalt aufkommen könne. Unabhängig davon sei bei einer Aufenthaltnahme in Kabul aber neben finanziellen Unterstützungen im Rahmen der Rückkehrhilfe auch eine finanzielle Hilfeleistung durch die in Afghanistan lebende Familie des Beschwerdeführers zu erwarten; diesbezüglich habe der Beschwerdeführer selbst angegeben, er könne aus Kandahar von seinen Eltern Geld bekommen, wenn er welches benötige. Darüber hinaus ermögliche es dem Beschwerdeführer auch der Umstand, dass er der Volksgruppe der Paschtunen angehöre, in Kabul Anschluss an Mitglieder seiner Volksgruppe zu finden, die ihn unterstützen würden. Eine Aufenthaltnahme in Kabul, das durch den internationalen Flughafen sicher zu erreichen sei, sei dem Beschwerdeführer daher zumutbar.

Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer durch seine vormalige Rechtsvertretung mit Schriftsatz vom 21.07.2017 fristgerecht Beschwerde ein, die dem Bundesverwaltungsgericht am 28.07.2017 vorgelegt wurde.

Mit Schreiben vom 25.09.2017 wurde dem Bundesverwaltungsgericht eine vom Beschwerdeführer dem MigrantInnenverein St. Marx erteilte Vollmacht bekannt gegeben. Weitere Eingaben erfolgten seitens des Beschwerdeführers bzw. seiner Rechtsvertretung im weiteren Verlauf des Beschwerdeverfahrens nicht mehr.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan, gehört der Volksgruppe der Paschtunen an und ist Muslim sunnitischer Ausrichtung. Seine Identität steht nicht fest. Der Beschwerdeführer stammt aus der Provinz Kandahar/Afghanistan und ist dort in einem paschtunischen Umfeld aufgewachsen. Er hat in Afghanistan keine Schule besucht, hat aber eine zwölfjährige Berufserfahrung als Automechaniker.

Beim Beschwerdeführer handelt es sich um einen alleinstehenden, kinderlosen, arbeitsfähigen Mann im berufsfähigen Alter ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf. Der Beschwerdeführer leidet an keinen körperlichen und an keinen psychischen Erkrankungen. Er spricht Paschtu.

Der Beschwerdeführer verfügt über familiäre Anknüpfungspunkte in Afghanistan, so leben seine Eltern, sieben Schwestern und drei Brüder in der Provinz Kandahar, wo die Familie ein Haus und Grundstück besitzt. Die Familie des Beschwerdeführers ist in der Lage, ihn finanziell zu unterstützen.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten. Er ist nach seiner illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet seit seiner Antragstellung am 13.07.2015 auf Grund des vorläufigen Aufenthaltsrechts in seinem Asylverfahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig. Er hat den Lebensunterhalt für den überwiegenden Teil des Aufenthaltes in Österreich im Rahmen der Grundversorgung bestritten; seit dem Jahr 2017 übte er die Tätigkeit eines Paketzustellers aus. Seit Februar 2018 nimmt der Beschwerdeführer keine Leistungen mehr aus der Grundversorgung wegen nunmehrigen Ausübens einer selbstständigen Erwerbstätigkeit in Anspruch. Der Beschwerdeführer verfügt über gute Kenntnisse der deutschen Sprache; er hat in Österreich Deutschkurse besucht und verfügt über ein ÖSD Zertifikat A1 über die diesbezüglich bestandene Deutschprüfung. Er hat in Österreich keine Verwandten und keine sonstigen engen familienähnlichen Bindungen. Für außergewöhnliche Integrationsbestrebungen des Beschwerdeführers gibt es keine Anhaltspunkte.

Zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates:

Die belangte Behörde erachtete das Vorbringen des Beschwerdeführers, er sei durch Taliban verfolgt worden, weil er private Polizeiautos in seiner Autowerkstatt repariert habe, als nicht glaubwürdig.

Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer bezogen auf den Raum Kabul, Herat oder Mazar-e-Sharif keine konkret und gezielt gegen seine Person gerichtete Verfolgung durch die Taliban oder durch andere Personengruppen substantiiert vorgebracht hat.

Zur Lage im Herkunftsstaat wird festgestellt:

...

ANDSF - afghanische Sicherheits- und Verteidigungskräfte

Laut einem Bericht des amerikanischen Verteidigungsministeriums behielten die ANDSF trotz aufständischer Gruppierungen, auch weiterhin Kontrolle über große Bevölkerungszentren: Die ANDSF waren im Allgemeinen fähig große Bevölkerungszentren zu schützen, die Taliban davon abzuhalten gewisse Gebiete für einen längeren Zeitraum zu halten und auf Talibanangriffe zu reagieren. Die ANDSF konnten in städtischen Gebieten Siege für sich verbuchen, während die Taliban in gewissen ländlichen Gebieten Erfolge erzielen konnten, in denen die ANDSF keine dauernde Präsenz hatten. Spezialeinheiten der afghanischen Sicherheitskräfte (ASSF - Afghan Special Security Forces) leiteten effektiv offensive Befreiungsoperationen (US DOD 6.2017).

High-profile Angriffe:

Als sichere Gebiete werden in der Regel die Hauptstadt Kabul und die regionalen Zentren Herat und Mazar-e Sharif genannt. Die Wahrscheinlichkeit, hier Opfer von Kampfhandlungen zu werden, ist relativ geringer als zum Beispiel in den stark umkämpften Provinzen Helmand, Nangarhar und Kunduz (DW 31.5.2017).

Hauptstadt Kabul

Kabul wird immer wieder von Attentaten erschüttert (DW 31.5.2017):

Am 31.5.2017 kamen bei einem Selbstmordattentat im hochgesicherten Diplomatenviertel Kabuls mehr als 150 Menschen ums Leben und mindestens 300 weitere wurden schwer verletzt als ein Selbstmordattentäter einen Sprengstoff beladenen Tanklaster mitten im Diplomatenviertel in die Luft sprengte (FAZ 6.6.2017; vgl. auch:

al-Jazeera 31.5.2017; The Guardian 31.5.2017; BBC 31.5.2017; UN News Centre 31.5.2017). Bedeutend ist der Angriffsort auch deswegen, da dieser als der sicherste und belebteste Teil der afghanischen Hauptstadt gilt. Kabul war in den Wochen vor diesem Anschlag relativ ruhig (al-Jazeera 31.5.2017). Zunächst übernahm keine Gruppe Verantwortung für diesen Angriff; ein Talibansprecher verlautbarte nicht für diesen Vorfall verantwortlich zu sein (al-Jazeera 31.5.2017). Der afghanische Geheimdienst (NDS) macht das Haqqani-Netzwerk für diesen Vorfall verantwortlich (The Guardian 2.6.2017; vgl. auch: Fars News 7.6.2017); schlussendlich bekannte sich der Islamische Staat dazu (Fars News 7.6.2017).

Nach dem Anschlag im Diplomatenviertel in Kabul haben rund 1.000 Menschen, für mehr Sicherheit im Land und eine Verbesserung der Sicherheit in Kabul demonstriert (FAZ 2.6.2017). Bei dieser Demonstration kam es zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Demonstranten und den Sicherheitskräften (The Guardian 2.6.2017); dabei wurden mindestens sieben Menschen getötet und zahlreiche verletzt (FAZ 2.6.2017).

Auf der Trauerfeier für einen getöteten Demonstranten- den Sohn des stellvertretenden Senatspräsidenten - kam es am 3.6.2017 erneut zu einem Angriff, bei dem mindestens 20 Menschen getötet und 119 weitere verletzt worden waren. Polizeiberichten zufolge, waren während des Begräbnisses drei Bomben in schneller Folge explodiert (FAZ 3.6.2017; vgl. auch: The Guardian 3.6.2017); die Selbstmordattentäter waren als Trauergäste verkleidet (The Guardian 3.6.2017). Hochrangige Regierungsvertreter, unter anderem auch Regierungsgeschäftsführer Abdullah Abdullah, hatten an der Trauerfeier teilgenommen (FAZ 3.6.2017; vgl. auch: The Guardian 3.6.2017).

Herat

Anfang Juni 2017 explodierte eine Bombe beim Haupteingang der historischen Moschee Jama Masjid; bei diesem Vorfall wurden mindestens 7 Menschen getötet und 15 weitere verletzt (Reuters 6.6.2017; vgl. auch: TMN 7.6.2017). Zu diesem Vorfall hat sich keine Terrrorgruppe bekannt (TMN 7.6.2017; vgl. auch: US News 12.6.2017). Sirajuddin Haqqani - stellvertretender Leiter der Taliban und Führer des Haqqani Netzwerkes - verlautbarte, die Taliban wären für diese Angriffe in Kabul und Herat nicht verantwortlich (WP 12.6.2017).

Mazar-e Sharif

Auf der Militärbase Camp Shaheen in der nördlichen Stadt Mazar-e Sharif eröffnete Mitte Juni 2017 ein afghanischer Soldat das Feuer auf seine Kameraden und verletzte mindestens acht Soldaten (sieben US-amerikanische und einen afghanischen) (RFE/RL 17.6.2017).

Die Anzahl solcher "Insider-Angriffe" [Anm.: auch green-on-blue attack genannt] hat sich in den letzten Monaten erhöht. Unklar ist, ob die Angreifer abtrünnige Mitglieder der afghanischen Sicherheitskräfte sind oder ob sie Eindringlinge sind, die Uniformen der afghanischen Armee tragen (RFE/RL 17.6.2017). Vor dem Vorfall im Camp Shaheen kam es dieses Jahr zu zwei weiteren registrierten Insider-Angriffen: der erste Vorfall dieses Jahres fand Mitte März auf einem Militärstützpunkt in Helmand statt: ein Offizier des afghanischen Militärs eröffnete das Feuer und verletzte drei US-amerikanische Soldaten (LWJ 11.6.2017; vgl. auch: al-Jazeera 11.6.2017).

Der zweite Vorfall fand am 10.6.2017 im Zuge einer militärischen Operation im Distrikt Achin in der Provinz Nangarhar statt, wo ein afghanischer Soldat drei US-amerikanische Soldaten tötete und einen weiteren verwundete; der Angreifer wurde bei diesem Vorfall ebenso getötet (BBC 10.6.21017; vgl. auch: LWJ 11.6.2017; DZ 11.6.2017).

Regierungsfeindliche Gruppierungen:

Afghanistan ist mit einer anhaltenden Bedrohung durch mehr als 20 aufständische Gruppen bzw. terroristische Netzwerke, die in der AfPak-Region operieren, konfrontiert; zu diesen Gruppierungen zählen unter anderem die Taliban, das Haqqani Netzwerk, der Islamische Staat und al-Qaida (US DOD 6.2017).

Taliban

Die Fähigkeiten der Taliban und ihrer Operationen variieren regional signifikant; sie verwerten aber weiterhin ihre begrenzten Erfolge, indem sie diese auf sozialen Medien und durch Propagandakampagnen als strategische Siege bewerben (US DOD 6.2017).

Die Taliban haben ihre Frühjahrsoffensive "Operation Mansouri" am 28. April 2017 eröffnet (UN GASC 20.6.2017; vgl. auch: BBC 7.5.2017). In einer Stellungnahme verlautbarten sie folgende Ziele:

um die Anzahl ziviler Opfer zu minimieren, wollen sie sich auf militärische und politische Ziele konzentrieren, indem ausländische Kräfte in Afghanistan, sowie ihre afghanischen Partner angegriffen werden sollen. Nichtdestotrotz gab es bezüglich der Zahl ziviler Opfer keine signifikante Verbesserung (UN GASC 20.6.2017).

IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh

Der IS-Zweig in Afghanistan - teilweise bekannt als IS Khorasan - ist seit dem Jahr 2015 aktiv; er kämpft gegen die Taliban, sowie gegen die afghanischen und US-amerikanischen Kräfte (Dawn 7.5.2017; vgl. auch: DZ 14.6.2017). Der IS hat trotz verstärkter Militäroperationen, eine Präsenz in der Provinz Nangarhar (UN GASC 20.6.2017; vgl. auch: DZ 14.6.2017).

Mehreren Quellen zufolge, eroberte der IS Mitte Juni 2017 die strategisch wichtige Festung der Taliban Tora Bora; bekannt als Zufluchtsort bin-Ladens. Die Taliban negieren den Sieg des IS und verlautbarten die Kämpfe würden anhalten (DZ 14.6.2017; vgl. auch:

NYT 14.6.2017; IBT 14.6.2017). Lokale Stammesälteste bestätigten hingen den Rückzug der Taliban aus großen Teilen Tora Boras (Dawn 16.6.2017).

Quellen:

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al-Jazeera (11.6.2017): US troops killed in 'insider attack' in Nangarhar,

http://www.aljazeera.com/news/2017/06/troops-killed-insider-attack-nangarhar-

170610143131831.html, Zugriff 21.6.2017

-

al-Jazeera (31.5.2017): Kabul bombing: Huge explosion rocks diplomatic district,

http://www.aljazeera.com/news/2017/05/huge-blast-rocks-kabul-diplomatic-area-

170531040318591.html, Zugriff 20.6.2017

-

BBC (10.6.2017): Afghanistan: US soldiers 'killed by commando' in Achin district, http://www.bbc.com/news/world-asia-40232491, Zugriff 21.6.2017

-

BBC (31.5.2017): Kabul bomb: Diplomatic zone attack kills dozens,

http://www.bbc.com/news/world-asia-40102903, Zugriff 20.6.2017

-

Dawn (16.7.2017): IS captures Tora Bora, Bin Laden's former hideout,

https://www.dawn.com/news/1339807, Zugriff 21.6.2017

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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