TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/3 W182 1303633-2

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Veröffentlicht am 03.09.2018
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Entscheidungsdatum

03.09.2018

Norm

B-VG Art.133 Abs4
FPG §94 Abs5

Spruch

W182 1303633-2/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. PFEILER über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Russische Föderation, vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.09.2017, Zl. 750264403/170429535, nach § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 32/2013 idgF, zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird gemäß § 94 Abs. 5 Fremdenpolizeigesetz 2005

(FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben. Dem Beschwerdeführer ist vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein Konventionsreisepass auszustellen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 (B-VG), nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation. Mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 08.11.2006, Zl. 303.633-C1/E1-XV/53/06, wurde ihm gemäß § 7, 10 Asylgesetz 1997 (AsylG), BGBl. I Nr. 1997/76 idF BGBl I Nr. 101/2003, Asyl gewährt und festgestellt, dass ihm kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Mit Urteil eines Landesgerichtes vom XXXX, Zl. XXXX, wurde der BF wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1, 9. Fall SMG und § 27 Abs. 1 Z 1, 1., 2. und 8. Fall und Abs. 2 SMG zu einer Geldstrafe in der Höhe von 100 Tagessätzen, wobei 50 Tagessätze bedingt unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren nachgesehen wurden und der einzelne Tagessatz mit € 12,-

bestimmt wurde, rechtskräftig verurteilt. Der Verurteilung lag zugrunde, dass der BF im Juni 2014 einer abgesondert verfolgten Person eine unbestimmte Anzahl an Ecstasy-Tabletten und eine nicht näher feststellbare Menge Kokain durch Vermittlung an den Drogenlieferanten verschafft hat und im Zeitraum 2012 bis Mitte April 2015 Suchtgift erworben und besessen sowie anderen überlassen hat, wobei er die Straftaten ausschließlich zum persönlichen Gebrauch begangen hat, und zwar unbestimmte Mengen Marihuana und eine geringe Menge Kokain konsumiert sowie fallweise geringe Mengen an Marihuana unentgeltlich an verschiedene Drogenabnehmer zum Konsum übergeben hat. Als mildernd wurde das teilweise Geständnis und die bisherige Unbescholtenheit des BF, als erschwerend das Zusammentreffen von zwei Vergehen gewertet.

Mit dem bekämpften, im Spruch genannten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) wurde der Antrag des BF vom 02.04.2017 auf Ausstellung eines Konventionsreisepasses gemäß § 94 Abs. 5 iVm. § 92 Abs. 1 Z 3FPG abgewiesen, wobei als Begründung im Wesentlichen auf die konkrete rechtskräftige Verurteilung des BF wegen der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften hingewiesen wurde.

Mit Verfahrensanordnung vom 08.09.2017 wurde dem BF gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG eine Rechtsberatung amtswegig zur Seite gestellt.

Gegen den Bescheid des Bundesamtes wurde für den BF durch die bevollmächtigte Rechtsberatung Beschwerde in vollem Umfang erhoben. In der Beschwerde wurde im Wesentlichen darauf hingewiesen, dass der BF bereits vor über zwei Jahren verurteilt worden sei und seit April 2015 keine strafbare Handlung mehr begangen habe. Er sei inzwischen verheiratet und habe 2 Kinder im Alter von wenigen Tagen sowie einem Jahr und zwei Monaten. Zudem habe der BF die damaligen Vergehen ohne Benutzung eines Konventionspasses begangen. Es sei in keinster Weise ein grenzüberschreitendes Delikt vorgelegen und habe der BF die Straftaten ausschließlich zum persönlichen Gebrauch in einem Bundesland begangen. Er sei zudem wegen der Vergehen zu einer Geldstrafe verurteilt worden, von ihm gehe grundsätzlich keine Gefährdung aus und habe er sich die letzten zweieinhalb Jahre wohl verhalten. Sein Wohlverhalten seit April 2015 wäre vom Bundesamt zu würdigen gewesen.

Einer Strafregisteranfrage zum Stichtag liegen hinsichtlich des BF keine neuen Verurteilungen vor. Auch aus einem zum Stichtag vom Bundesamt angeforderten Auszug aus dem kriminalpolizeilichen Index scheinen seit der Verurteilung im Juli 2015 keine Eintragungen mehr auf.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen und Beweiswürdigung:

Der unter Punkt I. ausgeführte Verfahrensgang und Sachverhalt wird den Feststellungen zugrundegelegt.

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich unstrittig aus dem vom Bundesamt herangezogenen und vorgelegten Akt zu dem im Spruch genannten Bescheid, dem Urteil des Landesgerichtes XXXXvom XXXX, Zl. XXXX, der Beschwerdeschrift, sowie einem Auszug aus dem Strafregister sowie kriminalpolizeilichen Index zum Stichtag.

2. Rechtliche Beurteilung:

2.1. Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Im vorliegenden Fall ist in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen

Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I 2013/33 idgF die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn (Z 1) der der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder (Z 2) die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu Spruchteil A):

2.2. Asylberechtigten ist gemäß § 94 Abs. 1 FPG 2005 grundsätzlich auf Antrag ein Konventionsreisepass auszustellen. Die Versagungsgründe des § 92 Abs. 1 iVm § 94 Abs. 5 FPG 2005 sind vor dem Hintergrund des Art. 25 Abs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG (Statusrichtlinie) zu lesen. Diese Bestimmung sieht vor, dass die Mitgliedstaaten Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, Reiseausweise - wie im Anhang zur Genfer Flüchtlingskonvention vorgesehen - für Reisen außerhalb ihres Gebietes ausstellen, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen. Diese Bedingung ist jedenfalls bei Verwirklichung des Versagungsgrundes nach der Z 3 des § 92 Abs. 1 FrPolG 2005 bei grenzüberschreitendem Suchtgifthandel erfüllt (vgl. VwGH 16.05.2013, Zl. 2013/21/0003).

Gemäß § 94 Abs. 5 FPG gelten die §§ 88 Abs. 4 sowie 89 bis 93 sinngemäß mit der Maßgabe, dass anstelle eines Fremdenpasses der Konventionsreisepass tritt.

Gemäß § 92 Abs. 1 FPG ist die Ausstellung, die Erweiterung des Geltungsbereiches und die Änderung eines Fremdenpasses zu versagen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass

1. der Fremde das Dokument benützen will, um sich einer wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung im Inland eingeleiteten Strafverfolgung oder Strafvollstreckung zu entziehen;

2. der Fremde das Dokument benützen will, um Zollvorschriften zu übertreten;

3. der Fremde das Dokument benützen will, um gegen Bestimmungen des Suchtmittelgesetzes zu verstoßen;

4. der Fremde das Dokument benützen will, um Schlepperei zu begehen oder an ihr mitzuwirken;

5. durch den Aufenthalt des Fremden im Ausland die innere oder äußere Sicherheit der Republik Österreich gefährdet würde.

Gemäß § 92 Abs. 3 FPG ist zum Ablauf von drei Jahren nach der Tat jedenfalls von einem Versagungsgrund auszugehen, wenn den Tatsachen, die in Abs. 1 Z 1 bis 4 und Abs. 1a angeführt werden, gerichtlich strafbare Handlungen zugrunde liegen, wobei Haftzeiten und Zeiten einer Unterbringung nach §§ 21 bis 23 StGB außer Betracht zu bleiben haben. Im Übrigen gilt § 14 Passgesetz 1992.

2.3. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. Erkenntnisse vom 04.06.2009, Zl. 2006/18/0204, 25.11.2010, Zl. 2008/18/0458, 16.05.2013, Zl. 2013/21/0003, 02.12.2008; Zl. 2005/18/0614, 27.01.2004, Zl. 2003/18/0155 sowie vom 24.01.2012, Zl. 2008/18/0504) stellt es zusammengefasst eine Erfahrungstatsache dar, dass bei Suchtgiftdelikten nicht nur eine hohe Sozialschädlichkeit, sondern auch eine überaus hohe Wiederholungsgefahr besteht, weshalb selbst bei einer bloß einmaligen Verurteilung eines Antragstellers die Behörde rechtskonform davon ausgehen kann, dass dieser den Konventionsreisepass dazu benutzen werde, um gegen Bestimmungen des Suchtmittelgesetzes zu verstoßen. Darüber hinaus besteht nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bei der Suchtgiftkriminalität insbesondere auch ein "latenter Auslandsbezug".

Im vorliegenden Fall rechtfertigt allein die Tatsache, dass der BF wegen im Zeitraum von 2012 bis Mitte April 2015 begangener Suchtgift-Vergehen mit einem rechtskräftigen Gerichturteil vom Juli 2015 zu einer Geldstrafe in der Höhe von 100 Tagessätzen, wobei 50 Tagessätze bedingt unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren nachgesehen wurden, verurteilt wurde, nicht mehr die Annahme, dass er den Konventionspass benützen will, um gegen Bestimmungen des Suchtmittelgesetzes zu verstoßen.

Der BF wurde wegen Suchgift-Vergehen verurteilt, die er überwiegend zum persönlichen Gebrauch begangen hat, wobei diesbezüglich auch hinsichtlich der Höhe mit einer Geldstrafe das Auslangen gefunden werden konnte, die zudem zur Hälfte bedingt nachgesehen wurde. Daraus erschließt sich, dass das strafrechtliche Verhalten des BF gemessen am Strafrahmen seitens des Strafgerichtes der Schwere nach als verhältnismäßig geringfügig eingeschätzt wurde und lassen die konkreten Straftaten auch nicht auf eine große kriminelle Energie schließen. Weiters ist der BF seit der letzten Tatbegehung und der rechtskräftigen Verurteilung seit über drei Jahren weder gegenüber der Polizei noch den Gerichten im Zusammenhang mit Straftaten in irgendeiner Weise mehr auffällig geworden.

In der vorliegenden Konstellation kann sohin nicht mehr hinreichend begründet angenommen werden, dass der BF, der inzwischen verheiratet und Vater von zwei Kleinkindern ist, nach über drei Jahren Wohlverhalten auf freiem Fuß und einer einmaligen Verurteilung wegen im Verhältnis eher geringfügiger Suchtgiftvergehen, nunmehr erneut und erstmals unter Verwendung eines Reisedokumentes einschlägig straffällig werden sollte. Eine Zukunftsprognose konnte unter den vorliegenden besonderen Umständen sohin nur zugunsten des BF ausfallen.

Da auch kein anderer Versagungsgrund vorliegt, wird die belangte Behörde dem BF mit Rechtskraft der Entscheidung einen Konventionspass auszustellen haben.

2.4. Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Der Sachverhalt ist im Gegenstand aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als hinreichend geklärt anzusehen. Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG konnte sohin eine mündliche Verhandlung unterbleiben (vgl. etwa VwGH 25.01.2018, Zl. Ra 2017/21/0245).

Zu Spruchteil B):

Gemäß § 25a Abs.1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs.4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben (vgl. dazu insbesondere die unter den Punkt II.2.3. zitierte Judikatur).

Die Revision ist sohin gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Schlagworte

geringfügiges Verschulden, Konventionsreisepass, strafrechtliche
Verurteilung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W182.1303633.2.00

Zuletzt aktualisiert am

14.11.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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