Entscheidungsdatum
04.09.2018Norm
AsylG 2005 §55Spruch
W171 1413953-3/5E
W171 1413951-3/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gregor MORAWETZ, MBA als Einzelrichter über die Beschwerde von 1) XXXX , geb. XXXX , 2) XXXX , geb. XXXX , beide StA. Russische Föderation, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl.en 1) XXXX , 2) XXXX , zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerden werden gemäß § 55 AsylG als unbegründet
abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
I.1. Die Beschwerdeführer (in weiterer Folge BF genannt) XXXX (BF1) und XXXX (BF2) sind ein Ehepaar, Staatsbürger der Russischen Föderation und Angehörige der Volksgruppe der Tschetschenen. Sie stellten nach illegaler Einreise am 19.07.2009 Anträge auf internationalen Schutz.
Hinsichtlich der Gründe für das Verlassen seines Herkunftsstaates befragt, brachte der BF1 zusammenfassend vor, er sei durch "die Föderalen" in Tschetschenien, später auch in Moskau, verfolgt worden. Ein tschetschenischer (Brigade-)General habe den gleichen Familiennamen wie der BF1 getragen. Da fälschlicherweise eine Verwandtschaft bzw. Kontakt des BF1 zu besagtem General angenommen worden sei, sei der BF1 schwerst gefoltert worden. Durch die Misshandlungen habe er einen Schädelbruch erlitten, es seien ihm Zähne ausgeschlagen worden, des Weiteren habe man ihn mit Strom gefoltert. Aus diesem Grund sei er bereits seit Jahren auf der Flucht und dazu gezwungen gewesen, immer wieder seinen Aufenthaltsort zu wechseln, da nach wie vor Verfolgungsgefahr für ihn bestehe.
Mit Schreiben vom 27.07.2009 wurde seitens der polnischen Asylbehörde mitgeteilt, dass der Antrag auf internationalen Schutz der BF am 20.02.2009 hinsichtlich der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft abgelehnt worden sei, diesen jedoch der Status von subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden sei und einer Rücküberstellung nach Polen gemäß Art. 16 Abs. 1 Dublin II-Verordnung nichts entgegenstehe.
I.2. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens wurden mit Bescheiden des Bundesasylamtes vom 04.05.2010 die Anträge auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.). Weiters wurden die Anträge auf internationalen Schutz gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG, bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen (Spruchpunkt II.) und die BF gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen (Spruchpunkt III.).
I.3. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX wurden die Beschwerden gegen diese Bescheide hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. gemäß § 3 Abs. 1 und § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen. Gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 wurden die Verfahren hinsichtlich des Spruchpunktes III. der angefochtenen Bescheide zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der BF1 auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht in der Lage gewesen sei, sein fluchtrelevantes Vorbringen gleichbleibend und widerspruchsfrei zu schildern, vielmehr seien weitere eklatante Widersprüche sowohl in Zusammenschau mit seinen eigenen früheren Angaben, als auch mit dem Vorbringen der BF2 zu Tage getreten. Der BF1 habe sein Vorbringen wiederholt widersprüchlich gestaltet und zudem gesteigert.
Dem BF1, der von Geburt an einer höhergradigen Sehbeeinträchtigung sowie einer Gehbehinderung leide, sei es vor seiner Ausreise aus der Russischen Föderation, welche er erst im Alter von 55 Jahren unternommen habe, stets möglich gewesen, durch eigene Arbeit sowie durch Unterstützung der BF2 und seiner Familie für das Überlebensnotwendige zu sorgen, weshalb unter Berücksichtigung, dass der BF1 neben der BF2 noch weitere Angehörige im Herkunftsstaat habe und er den Länderfeststellungen zu Folge zudem die Möglichkeit habe, Unterstützungsprogramme für invalide Personen in Anspruch zu nehmen, auch nicht davon ausgegangen werden könne, dass er im Falle einer Rückkehr aufgrund seiner körperlichen Beeinträchtigung in eine aussichtslose Lage geraten werde. Auch die posttraumatische Belastungsstörung des BF1 stelle keinen derart außergewöhnlichen Umstand dar, dass unmenschliche Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK anzunehmen sei und sei auch von keiner lebensbedrohlichen Verschlechterung seines Gesundheitszustandes für den Fall einer Rückkehr auszugehen.
I.4. Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.08.2014 wurde den BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilt. Nach § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Nach § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig ist. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.
I.5. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX wurden die gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden gemäß § § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 75 Abs. 20 iVm §§ 55 und 57, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 9 iVm § 50 und § 55 FPG als unbegründet abgewiesen.
In der Begründung wird ausgeführt, dass die BF seit Juli 2009 in Österreich aufhältig seien und in einem gemeinsamen Haushalt lebten. Sie besäßen kein Eigentum, hätten kein Einkommen und seien auf Grundversorgung angewiesen. Der BF1 verfüge über keinerlei Deutschkenntnisse oder sozialen Kontakte in Österreich. Im Gegensatz dazu seien die Geschwister des BF1 noch im Herkunftsstaat aufhältig. Die BF2 habe Deutschkurse besucht und sich einige Deutschkenntnisse angeeignet. Es bestünden keine familiären Bindungen in Österreich. Eine ausgeprägte und verfestigte entscheidungserhebliche Integration liege nicht vor.
I.6. Die BF verblieben im Bundesgebiet und stellten am 06.11.2015 Anträge auf Erteilung von Aufenthaltstiteln aus Gründen des Art. 8 EMRK. Gleichzeitig wurden ein psychiatrischer Befund vom Juli 2015, ein ärztliches Attest vom Juli 2015, ein augenärztlicher Befund vom Juni 2015, alle den BF1 betreffend, ein Deutschzertifikat A2 der BF2, eine Bestätigung über die Mitgliedschaft des BF2 in einem MigrantInnenverein und zwei Empfehlungsschreiben vorgelegt.
Die BF brachten in einem Schreiben vom 05.11.2015 vor, dass seit der Rechtskraft der Rückkehrentscheidung eine maßgebliche Sachverhaltsänderung eingetreten sei. Die BF2 habe eine Deutschprüfung Niveau A2 abgelegt. Aus gesundheitlichen Gründen sei es dem BF1 nicht möglich, Deutschprüfungen zu absolvieren. Während des Aufenthalts in Österreich habe eine familiäre, soziale und wirtschaftliche Entwurzelung stattgefunden. Die BF hätten sich in Österreich ein soziales Netzwerk aufgebaut. Die BF pflegten Freundschaften und Bekanntschaften zu österreichischen Staatsbürgern. Die BF2 gehe seit April 2015 einer gemeinnützigen Hilfstätigkeit nach. Die BF unterhielten zu ihrem Herkunftsstaat keine relevanten Anknüpfungspunkte mehr, ihr Lebensmittelpunkt befinde sich in Österreich. In Zusammenschau der dargelegten Umstände erscheine die Erteilung der beantragten Aufenthaltstitel zur Wahrung des Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens geboten.
Am 17.11.2015 wurde eine Bestätigung vom 12.11.2015 über gemeinnützige Hilfstätigkeiten der BF2 seit April 2015 nachgereicht.
I.7. Mit Schreiben des BFA vom 25.11.2015 wurden die BF zur Stellungnahme aufgefordert. Aus dem Antragsvorbringen ergebe sich für das BFA, dass sich seit der rechtskräftig negativen Entscheidung vom 27.11.2014, abgesehen vom verlängerten - illegalen - Aufenthalt, keine maßgeblich veränderte Sachverhaltsänderung ergeben habe. Es sei daher beabsichtigt, die Anträge zurückzuweisen.
I.8. In einer Stellungnahme vom 10.12.2015 wurde das Vorbringen im Schreiben vom 05.11.2015 wiederholt. Ergänzend wurde ausgeführt, dass nach der Entscheidung des VwGH vom 22.07.2011 (2011/22/0127) bereits in einer Änderung des Sachverhalts, die einer Neubewertung nach Art. 8 EMRK zu unterziehen sei, eine maßgebliche Änderung zu sehen sei. Die beabsichtigte Antragszurückweisung erweise sich daher als rechtlich verfehlt. Ein maßgeblich geänderter Sachverhalt liege nur dann nicht vor, wenn die geltend gemachten Umstände von vornherein keine solche Bedeutung aufgewiesen hätten, dass eine Neubeurteilung aus dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK geboten gewesen wäre. Nur in einem solchen Fall sei eine Zurückweisung zulässig.
I.9. Mit Bescheiden des BFA vom 18.02.2016 wurden die Anträge der BF auf Erteilung von Aufenthaltstiteln aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG abgewiesen.
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass gegenständlich zwar vereinzelt positive Sachverhaltselemente (Ausweitung sozialer Kontakte) vorliegen würden, diese jedoch vor dem Hintergrund der Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses durch das beharrliche Verbleiben im Bundesgebiet nicht zu einem Überwiegen der privaten Interessen an einem Verbleib in Österreich führen könnten.
I.10. Gegen diese Bescheide wurde mit Schriftsatz vom 07.03.2016 Beschwerde erhoben und vorgebracht, dass Aspekte der berücksichtigungswürdigen Gründe iSd Art. 8 EMRK nicht ausreichend berücksichtigt worden seien. Die Beweiswürdigung beschränke sich lediglich auf allgemeine Aussagen. Dadurch seien die AVG-Grundsätze der amtswegigen Erforschung des maßgeblichen Sachverhalts und der Wahrung des Parteiengehörs verletzt. Weiters wurde das Vorbringen im Schreiben vom 05.11.2015 wiederholt.
I.11. Die BF sind seit 30.05.2018 nicht mehr im Bundesgebiet gemeldet. Mittels schriftlichem Parteiengehör wurde ihnen Gelegenheit gegeben, zu den aktuellen Länderberichten zur Russischen Föderation sowie zu ihren familiären, sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen in Österreich Stellung zu nehmen. Das Schreiben wurde im Akt hinterlegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage der Einsichtnahme in die bezughabenden Verwaltungsakten sowie der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister, Zentrale Fremdenregister, Strafregister und Grundversorgungs-Informationssystem werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zu Grunde gelegt:
Die BF weisen die im Spruch angeführten Identitäten auf, sind Staatsangehörige der Russischen Föderation und Angehöriger der tschetschenischen Volksgruppe. Sie bekennen sich zum muslimischen Glauben.
Die BF reisten am 17.09.2009 illegal nach Österreich ein und stellten am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz.
Mit Bescheiden des Bundesasylamtes vom XXXX wurden die Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen (Spruchpunkt II.) und die BF gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen (Spruchpunkt III.).
Die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom XXXX hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. der angefochtenen Bescheide gemäß § 3 Abs. 1 und § 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen. Gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 wurde das Verfahren hinsichtlich des Spruchpunktes III. des angefochtenen Bescheides zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX wurde den BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilt. Nach § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Nach § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig ist. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.
Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX wurden die gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden gemäß § § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 75 Abs. 20 iVm §§ 55 und 57, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 9 iVm § 50 und § 55 FPG als unbegründet abgewiesen.
Die BF reisten in der Folge nicht entsprechend der sie treffenden Ausreiseverpflichtung aus dem österreichischen Bundesgebiet aus, sondern stellten am 06.11.2015 Anträge auf Erteilung von Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK, konkret einer "Aufenthaltsberechtigung plus" gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 (BF2) bzw. "Aufenthaltsberechtigung" gemäß § 55 Abs. 2 AsylG (BF1).
Die BF befanden sich ab ihrer Antragsstellung auf internationalen Schutz bis zum rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens aufgrund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz durchgängig rechtmäßig im Bundesgebiet. Sie halten sich seit der Rechtskraft des Erkenntnisses vom 28.11.2014 illegal im Bundesgebiet auf.
Seit der rechtskräftigen Erlassung der Rückkehrentscheidung legte die BF2 am 10.04.2015 eine Deutschprüfung A2 ab. Sie BF2 ging von 06.04.2015 bis mindestens 12.11.2015 einer gemeinnützigen Hilfstätigkeit nach. Darüber hinausgehende integrative Bemühungen der BF im Bereich des Privatlebens sind in diesem Zeitraum nicht ersichtlich und wurden auch nicht vorgebracht. Änderungen im Bereich des Familienlebens wurden ebenfalls nicht vorgebracht und können ebenfalls nicht festgestellt werden. Für außergewöhnliche Integrationsbestrebungen der BF nach rechtskräftiger Erlassung der gegen ihn ergangenen Rückkehrentscheidung gibt es daher keine Anhaltspunkte.
Eine Verschlechterung des Gesundheitszustands des BF1 seit Erlassung der Rückkehrentscheidung konnte nicht festgestellt werden.
Die BF sind seit 30.05.2018 nicht mehr im Bundesgebiet gemeldet.
2. Beweiswürdigung:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
Die Feststellungen zur Identität der beschwerdeführenden Partei und ihrer Staatsangehörigkeit und Volksgruppenzugehörigkeit gründen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben der beschwerdeführenden Partei sowie auf die Kopie der im Verfahren vorgelegten Identitätsdokumente.
Die Feststellungen zur persönlichen und familiären Situation der beschwerdeführenden Partei sowie ihrer Integration und zum Wohnort in Österreich ergeben sich aus den Angaben im Rahmen des Verfahrens vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sowie aus Abfragen in den entsprechenden amtlichen österreichischen Registern (Zentrales Melderegister, Zentrales Fremdenregister, Strafregister, Grundversorgungs-Informationssystem).
Die Feststellung, dass die beschwerdeführende Partei in Österreich auf keine ausreichend ausgeprägten und verfestigten individuellen integrativen Anknüpfungspunkte hinsichtlich seines Privat- und Familienlebens verweisen kann, gründet sich auf den Umstand, dass Gegenteiliges im Verfahren nicht hervorgekommen ist; diesbezüglich wird auf die nachfolgenden rechtlichen Ausführungen verwiesen.
Die BF legten im Verfahren zwei Empfehlungsschreiben vor, wobei eines vom September 2014 datiert und bereist im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX berücksichtigt wurde.
Der BF1 leidet an einer posttraumatischen Belastungsstörung sowie von Geburt an an einer höhergradigen Sehbeeinträchtigung und einer Gehbehinderung. Aus den vorgelegten befunden von Juni und Juli 2015 geht keine Verschlechterung seines Gesundheitszustands seit Erlassung der Rückkehrentscheidung im November 2014 hervor.
Die Abmeldung der BF aus dem Zentralen Melderegister geht aus eines Abfrage des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.07.2018 hervor.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
1. Gemäß § 55 Abs.1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn
1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und
2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.
Nach § 55 Abs. 2 AsylG 2005, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen, wenn nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vorliegt.
Gemäß § 52 Abs. 3 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird. Auch das AsylG sieht eine entsprechende zwingende Verbindung von Aussprüchen nach § 55 AsylG mit einer Rückkehrentscheidung vor. § 10 Abs. 3 AsylG lautet: "Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt."(vgl. dazu VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/082)
Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG BGBl I. Nr. 87/2012 idgF zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
§ 9 Abs. 3 BFA-VG lautet:
"Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre."
2. Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa ein gemeinsamer Haushalt vorliegt (vgl. dazu EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayer, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1). In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).
Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art. 8 Abs. 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfSlg. 17.516 und VwGH 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479).
Es liegen keine Hinweise vor, wonach die BF im Bundesgebiet mit anderen Personen ein Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK führten.
Die BF halten sich mittlerweile zwar schon neun Jahre im Bundesgebiet auf, und die BF2 hat eine Deutschprüfung auf dem Niveau A2 absolviert und geht einer gemeinnützigen Tätigkeit nach. Dem ist aber entgegen zu halten, dass der Aufenthalt der BF nur im Rahmen ihres Asylverfahrens rechtmäßig, seit Erlassung der Rückkehrentscheidung im November 2014 aber illegal war. Demensprechend können die im Bundesgebiet eingegangenen Bindungen nicht schwer wiegen, waren doch die BF bereits seit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im November 2014 gehalten, das Bundesgebiet zu verlassen. Hinzu kommt, dass die BF familiäre Bindungen zum Herkunftsland haben, die Geschwister des BF1 halten sich dort auf, wogegen die BF im Bundesgebiet bloß über wenige Bekanntschaften, jedoch nicht über familiäre Bindungen verfügen. Sie sind nicht selbsterhaltungsfähig, der BF1 verfügt zudem über keinerlei Deutschkenntnisse. Die BF haben den allergrößten Teil ihres Lebens im Herkunftsstaat verbracht, sind erst im Alter von 57 bzw. 42 Jahren nach Österreich eingereist, sie sprechen die Sprache des Herkunftsstaates, ihre Familie hält sich dort auf, weswegen insgesamt betrachtet nicht erkannt werden kann, dass die BF ihrer Heimat entwurzelt und im Bundesgebiet derart verwurzelt wären, dass ihm eine Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht zugemutet werden könnte. Die freiwillige Tätigkeit und die Mitgliedschaft in einem Verein weisen kein derartiges soziales Engagement der BF2 auf, dass von einer außergewöhnlichen Integration gesprochen werden könnte. Auch in der Beschwerde wird kein maßgebliches Vorbringen, das auf entscheidungserhebliche Änderungen im Privat- und Familienleben der BF schließen ließe, erstattet, was auch für den Inhalt der den Anträgen beigelegten Unterstützungserklärungen gilt.
Insgesamt betrachtet ist davon auszugehen, dass die Interessen der BF an einem Verbleib im Bundesgebiet gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein hoher Stellenwert zukommt, in den Hintergrund treten.
Daher sind die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung nach § 55 AsylG 2005 nicht gegeben.
3. Der Durchführung einer mündlichen Verhandlung stand der unbekannte Aufenthalt der BF entgegen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Schlagworte
Interessenabwägung, öffentliche Interessen, Resozialisierung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W171.1413953.3.00Zuletzt aktualisiert am
14.11.2018