Entscheidungsdatum
04.09.2018Norm
AsylG 2005 §57Spruch
W111 1424654-3/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. DAJANI, LL.M., als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Russische Föderation, vertreten durch die XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.04.2018, Zl. 568467210/1758556, zu Recht erkannt:
A) Der Beschwerde gegen die Abweisung des Antrages auf
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird gemäß §§ 28 Abs. 1 und 2 iVm 33 Abs. 1 VwGVG stattgegeben, der angefochtene Bescheid behoben und dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 19.02.2018 stattgegeben.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der (Folge-)Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 25.11.2013 wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden auch: BFA) vom 30.11.2017, gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen (Spruchpunkt I.); weiters wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt II.). Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 FPG erlassen (Spruchpunkt III.). Weiters wurde gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig ist (Spruchpunkt IV.). Schließlich wurde festgehalten, dass gemäß § 55 Absatz 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt V.).
Der angeführte Bescheid wurde per 06.12.2017 durch Hinterlegung zugestellt. Laut Rückschein wurde eine "Verständigung über die Hinterlegung" an der Abgabestelle zurückgelassen (vgl. AS 115).
2. Mit per 19.02.2018 datiertem und am selben Tag eingelangten Schriftsatz erhob die beschwerdeführende Partei unter anderem Beschwerde (Punkt III des Schriftsatzes) und beantragte, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen (Punkt IV des Schriftsatzes). Desweiteren wurden ein "Antrag auf ordnungsgemäße Zustellung" (Punkt I des Schriftsatzes) sowie "in eventu der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. §71 AVG sowie diesem die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen" (Punkt II des Schriftsatzes) gestellt.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Beschwerdeführer keine Verständigung über die Hinterlegung vom 06.12.2017 erhalten und daher keine Kenntnis vom Zustellversuch erlangt hätte. Am 05.02.2018 hätte der Beschwerdeführer die XXXX bezüglich seiner Grundversorgungsleistungen aufgesucht und hätte von der zuständigen Mitarbeiterin mitgeteilt bekommen, dass es in seinem Asylverfahren bereits einen rechtskräftigen Bescheid geben würde. Am folgenden Tag habe er das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aufgesucht, um sich nach seinem Verfahrensstand zu erkundigen und den Bescheid abzuholen, habe jedoch lediglich eine Verfahrensanordnung ausgehändigt bekommen und sei aufgefordert worden, die ihm zugewiesene Rechtsberatungsorganisation aufzusuchen. Am nächsten Tag, den 07.02.2018, habe der Beschwerdeführer die nunmehr bevollmächtigte Rechtsberatungsorganisation aufgesucht und den Sachverhalt geschildert. Eine telefonische Nachfrage beim Postamt am 19.02.2018 hätte ergeben, dass es - zwar selten, aber durchaus - vorkommen würde, dass Postmänner vergessen würden, den "gelben Zettel" zu hinterlegen oder diesen in den falschen Briefkasten einwerfen würden. In seinem Erkenntnis vom 30.03.2017 habe der VwGH ausgesprochen, dass die Hinterlegungsanzeige jedoch unabdingbare Voraussetzung einer Zustellung durch Hinterlegung wäre. Sollte nichtsdestotrotz von einer wirksamen Zustellung ausgegangen werden, sei festzuhalten, dass der Beschwerdeführer weder auffallend sorglos gehandelt hätte, noch wäre eine frühere Beschwerdeerhebung in seiner Macht gelegen.
3. Die Beschwerdevorlage des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl langte am 16.04.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
4. Mit hg. Beschluss vom 19.04.2018, Zl. W111 1424654-2/2E, wurde die Beschwerde gegen den Bescheid vom 30.11.2017 gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG idgF als verspätet zurückgewiesen. Das Bundesverwaltungsgericht ging dabei insbesondere von den folgenden Erwägungen aus:
"Hinsichtlich der Zustellung durch Hinterlegung war zu klären, ob die Verständigung von der Hinterlegung durch den Postbediensteten an der (gegenständlich unbestrittenen) Abgabestelle hinterlassen wurde, da selbige Voraussetzung für eine erfolgreiche Zustellung durch Hinterlegung gem. § 17 ZustellG ist. Zunächst ist dazu auszuführen, daß laut dem im Akt einliegenden Zustellnachweis (bzw dessen Kopie) eine Verständigung an der Abgabestelle zurückgelassen wurde und dies als Beweis für den odnungsgemäßen Vorgang dient. Richtigerweise führt die beschwerdeführende Partei unter Zitat des Erkenntnisses des VwGH vom 30.3.2017 (Fr 2015/07/0001) aus, daß ein Gegenbeweis zulässig wäre. Dieser liegt jedoch fallgegenständlich nicht vor. Wenn die beschwerdeführende Partei eine telefonische Nachfrage bei der Post zitiert (ohne jedoch die Namen der Gesprächspartner zu nennen) und es sich dabei ergeben hätte, daß es "zwar selten aber durchaus vorkommt, dass Postmänner vergessen den "gelben Zettel" zu hinterlegen", muß diesbezüglich festgehalten werden, daß es sich nur um eine allgemeine Aussage handelt, ohne einen Mehrwert für das gegenständliche Verfahren zu liefern. Es ergibt sich nämlich von selbst, daß es bei menschlichem Handeln in Einzelfällen zu Fehlleistungen kommen kann. Diese allgemeine Feststellung alleine kann aber den Inhalt eines im konkreten Fall korrekt ausgefüllten Zustellnachweises und der daraus ersichtlichen Zurücklassung der Verständigung an der Abgabestelle nicht relativieren. Es gibt fallgegenständlich nämlich keinerlei konkrete Anhaltspunkte weshalb der Postbedienstete zwar die Zurücklassung der Verständigung am Zustellschein bestätigt, tatsächlich jedoch unterlassen haben sollte. Das Bundesverwaltungsgericht geht also mangels gegenteiliger Anhaltspunkte davon aus, daß der Verständigungsschein ordnungsgemäß durch den Postbediensteten hinterlassen wurde, wodurch die Zustellung durch Hinterlegung gemäß § 17 ZustellG ordnungsgemäß per 6.12.2017 durchgeführt wurde.
Lediglich ergänzend sei dazu festgehalten, daß damit keine Klärung zur Frage erfolgen kann, ob die beschwerdeführende Partei auch den Verständigungsschein tatsächlich vorgefunden hat (etwa weil er nach ordnungsgemäßer Hinterlassung aus welchen Gründen auch immer in Verstoß geraten sein könnte), da diese Frage allenfalls im Rahmen des gegenwärtig stattfindenden Verfahrens zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu klären sein wird."
5. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 06.04.2018 hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 19.02.2018 gemäß § 33 Absatz 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. Nr 33/2013 idgF, abgewiesen (Spruchpunkt I.) und dem Antrag auf Wiedereinsetzung gemäß § 33 Absatz 4 VwGVG die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Begründend wurde im Wesentlichen festgehalten, dass der Beschwerdeführer nicht glaubhaft machen habe können, dass er durch ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis an der Einhaltung der Beschwerdefrist gehindert gewesen wäre. Da es sich bei der Abgabestelle des Beschwerdeführers um eine Unterkunft für Asylwerber handeln würde, was auch der Post bekannt wäre, sei es äußerst unwahrscheinlich, dass die Post einen "gelben Zettel" nicht hinterlegt hätte.
6. Gegen diesen Bescheid richtet sich die am 26.04.2018 eingelangte Beschwerde, in welcher begründend im Wesentlichen festgehalten wurde, dass die Behörde in Bezug auf das dem Antrag auf Wiedereinsetzung zugrunde gelegte Vorbringen keine konkreten Ermittlungsschritte gesetzt, sondern sich auf die Begründung beschränkt hätte, dass es als "äußerst unwahrscheinlich" zu erachten wäre, dass die Post einen "gelben Zettel" an einer Unterkunft für Asylwerber nicht hinterlegen würde. Vor diesem Hintergrund werde eine Befragung des zuständigen Briefträgers als Zeuge beantragt. Aufgrund des Vorliegens der Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand werde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge dem diesbezüglichen Antrag stattgeben und über die Beschwerde im Asylverfahren inhaltlich absprechen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Zustellung des Bescheides vom 30.11.2017 erfolgte, nachdem dem Beschwerdeführer das Schriftstück bei einem Zustellversuch an der Abgabestelle nicht hatte eigenhändig zugestellt werden können, durch Hinterlegung beim Postamt am 06.12.2017. Der Bescheid wurde vom Beschwerdeführer nicht behoben. In der Folge wurde der Bescheid an das BFA retourniert. Der Bescheid erwuchs nach Ende der Rechtsmittelfrist von vier Wochen in Rechtskraft.
Der Beschwerdeführer hat glaubhaft gemacht, dass er regelmäßig den Postkasten in seiner Flüchtlingsunterkunft kontrolliert und keine Hinterlegungsanzeige vorgefunden hat. Er erfuhr am 05.02.2018 über die XXXX, dass es einen negativen Bescheid in seinem Asylverfahren geben würde, am folgenden Tag suchte er diesbezüglich das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl auf, wo ihm eine Verfahrensanordnung über die Zuweisung einer Rechtsberatungsorganisation ausgehändigt wurde, mit welcher er sich am darauffolgenden Tag an die nunmehr bevollmächtigte Rechtsberatungsorganisation wandte. Diese stellte für den Beschwerdeführer fristgerecht einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist und erhob gleichzeitig mit Schreiben vom 19.02.2018 - somit unter Zugrundelegung einer Rechtsmittelfrist von vier Wochen, verspätet - das Rechtsmittel der Beschwerde gegen den Bescheid vom 30.11.2017.
Das BFA wies den Wiedereinsetzungsantrag mit Bescheid vom 06.04.2018 ab.
Das Bundesverwaltungsgericht wies die Beschwerde gegen den Bescheid vom 30.11.2017 mit Beschluss vom 19.04.2018 gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG als verspätet zurück.
2. Beweiswürdigung:
Die getroffenen Feststellungen beruhen auf den vorliegenden Verwaltungsakten.
Es wird zugrunde gelegt - wie es sich aus dem Verwaltungsakt des BFA ergibt -, dass der Bescheid tatsächlich durch Hinterlegung zugestellt worden ist (vgl. die oben unter Punkt I.4. auszugsweise wiedergegeben Erwägungen im hg. Beschluss vom 19.04.2018; vor diesem Hintergrund konnte auch die in der Beschwerde beantragte zeugenschaftliche Befragung des Postbediensteten unterbleiben). Davon ist die Frage zu unterscheiden, ob der Beschwerdeführer von diesem Zustellvorgang auch Kenntnis erlangt hat. Es erscheint durchaus möglich, dass der Hinterlegungszettel von einem Mitbewohner irrtümlich entfernt oder sonstwie verloren gegangen ist und der Beschwerdeführer somit keine Möglichkeit hatte, von der Zustellung Kenntnis zu erlangen.
Für diesen Fall bietet das Verwaltungsverfahrensrecht die Möglichkeit des Rechtsinstitutes der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wenn dem Beschwerdeführer kein über ein leichtes Versehen hinausgehendes Verschulden anzulasten ist.
Was die Ausführungen im angefochtenen Bescheid betrifft, so kommt diesen in Bezug auf den konkreten Einzelfall demnach kein Begründungswert zu, zumal sich die Begründung auf die Wiedergabe allgemeiner rechtlicher Ausführungen, einen Verweis auf den ordnungsgemäßen Zustellvorgang sowie die Aussage beschränkt, dass es als "äußerst unwahrscheinlich" zu erachten wäre, dass die Post einen "gelben Zettel" an einer Unterkunft für Asylwerber nicht hinterlegt hätte. Mit der entscheidungsrelevanten Frage, ob der Beschwerdeführer - wie es seiner Behauptung zufolge der Fall gewesen ist - von der (ordnungsgemäß hinterlassenen) Verständigungsanzeige tatsächlich keine Kenntnis erlangt hat, befasst sich der angefochtene Bescheid damit in keiner Weise.
Das Ermittlungsverfahren des BFA hat jedenfalls nicht ergeben, dass es sicher ist, dass dem Beschwerdeführer die Verständigungsanzeige zugekommen ist. Eine Eruierung des tatsächlichen Sachverhalts - sohin der Frage, ob die Hinterlegungsanzeige nachträglich (auf welche Weise auch immer) abhandengekommen ist und der Beschwerdeführer aus diesem Grund keine Kenntnis vom Zustellversuch erlangt hätte - wird praktisch jedoch nicht durchführbar sein, zumal nach allgenmeiner Lebenserfahrung nicht angenommen werden kann, dass entsprechende Nachfragen in Bezug auf einen Zustellvorgang im Dezember 2017 - insbesondere im Rahmen einer Unterkunft mit einer Vielzahl von wechselnden Bewohnern -erfolgversprechend wären.
Wie oben angesprochen, liegt es jedoch durchaus im Bereich des Möglichen, dass die Hinterlegungsanzeige abhandengekommen ist und der Beschwerdeführer von dieser tatsächlich keine Kenntnis erlangt hat. Dessen Ausführungen in Bezug auf die nachträgliche Kenntniserlangung vom Vorliegen einer bereits rechtskräftigen Entscheidung und seine daraufhin gesetzten Schritte erscheinen dem Grunde nach nachvollziehbar.
Der Beschwerdeführer hat somit glaubhaft gemacht, dass ihn keine schwere Schuld daran trifft, dass er vom Zustellvorgang zunächst keine Kenntnis erlangt hat, und dass er unmittelbar nach Kenntnisnahme einen Antrag auf Wiedereinsetzung gestellt und zugleich eine Beschwerde gegen den Asylbescheid eingebracht hat.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
3.1.1. Gemäß § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, und § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA.
Da sich die gegenständliche Beschwerde gegen einen Bescheid des BFA richtet, ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.
3.1.2. Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFA-VG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.
3.1.3. In Bezug auf den am 19.02.2018 eingebrachten (und sohin - ausgehend von einem Bekanntwerden des potentiellen Wiedereinsetzungsgrundes mit Kenntniserlangung vom Vorliegen einer rechtskräftigem Entscheidung am 05.02.2018 - rechtzeitigen) Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist ist festzuhalten, dass der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 28.09.2016, Ro 2016/16/0013, ausgesprochen hat, § 33 Abs. 4 VwGVG könne verfassungskonform nur die Bedeutung zugemessen werden, dass über Wiedereinsetzungsanträge, die bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde eingebracht werden, von dieser, und über jene, die ab Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht eingebracht werden, von jenem mit Beschluss zu entscheiden ist.
Da der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallgegenständlich gemeinsam mit der Beschwerde und demnach vor Vorlage an das Bundesverwaltungsgericht eingebracht worden ist, lag die diesbezügliche Zuständigkeit beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl.
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes.
3.2. Zum Spruchteil A I.
3.2.1. Gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zu Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Nach Abs. 3 leg. cit. ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Gemäß Abs. 4 leg. cit. hat bis zur Vorlage der Beschwerde über den Antrag die Behörde mit Bescheid zu entscheiden. Ab Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden. Die Behörde oder das Verwaltungsgericht kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung aufschiebende Wirkung zuerkennen. Nach Abs. 5 leg. cit. tritt durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat.
Bei den Antragsfristen handelt es sich um verfahrensrechtliche Fristen, deren Berechnung nach den §§ 32 ff AVG zu erfolgen hat. Gegen die Versäumung von verfahrensrechtlichen Fristen steht grundsätzlich das Rechtsinstrument der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand offen.
Versäumt ist eine Frist dann, wenn der Lauf der Frist für eine Prozesshandlung durch den gesetzlich vorgesehenen Akt (hier: rechtmäßige Bescheidzustellung) aufgelöst wurde und die Frist ungenützt verstrichen ist. Die Partei muss aus der Versäumung der Frist einen Rechtsnachteil erleiden. Dies bedeutet, dass sie wegen der Versäumung der Frist eine sonst mögliche Prozesshandlung (hier: Einbringung der Beschwerde) nicht mehr setzen kann. Ob die versäumte Prozesshandlung erfolgreich gewesen wäre, ist zur Frage der Wiedereinsetzung nach herrschender Ansicht ohne Bedeutung.
Voraussetzung für die Bewilligung der Wiedereinsetzung ist das Vorliegen eines Wiedereinsetzungsgrundes. Ein solcher ist gegeben, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten und sie daran kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.
Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Ereignis unabwendbar ist, kommt es nach der Rechtsprechung (z.B. VwGH 24.1.1996, 94/12/0179) auf objektive Umstände an; nämlich darauf, ob das Ereignis auch von einem Durchschnittsmenschen objektiv nicht verhindert werden kann.
Ob ein Ereignis unvorhergesehen ist, hängt demgegenüber nach der Rechtsprechung nicht von einer objektiven Durchschnittsbetrachtung, sondern vom konkreten Ablauf der Geschehnisse ab. Unvorhergesehen ist ein Ereignis dann, wenn es von der Partei tatsächlich nicht einberechnet wurde und mit zumutbarer Vorsicht auch nicht vorhergesehen werden konnte (z. B. VwGH 3.4.2001, 2000/08/0214).
Ein Verschulden der Partei hindert die Wiedereinsetzung nur dann nicht, wenn es sich dabei lediglich um einen minderen Grad des Versehens (leichte Fahrlässigkeit) handelt. Eine solche liegt dann vor, wenn der Partei ein Fehler unterläuft, der gelegentlich auch einer sorgfältigen Person unterlaufen kann (z.B. VwGH 20.6.2002, 2002/20/0230), wobei an einen rechtskundigen Parteienvertreter ein höherer Sorgfaltsmaßstab anzulegen ist (vgl. VwGH 22.1.2003, 2002/04/0136). Ausgeschlossen ist die Wiedereinsetzung dann, wenn der Partei Vorsatz oder offenkundige Sorglosigkeit vorzuwerfen ist.
Der geltend gemachte Wiedereinsetzungsgrund muss bereits im Wiedereinsetzungsantrag bezeichnet und sein Vorliegen glaubhaft gemacht werden.
Die Behörde ist aufgrund der Antragsbedürftigkeit des Verfahrens ausschließlich an die vom Wiedereinsetzungswerber (rechtzeitig) vorgebrachten tatsächlichen Gründe gebunden. Es ist ihr verwehrt, von sich aus weitere Gesichtspunkte in die Prüfung miteinzubeziehen (VwGH 14.12.1995; 95/19/0622; 27.2.1996, 95/04/0218; 25.2.2003, 2002/10/0223; Hengstschläger3 Rz 610; Thienel4 324). (...) Reine Behauptungen betreffend das Vorliegen des Wiedereinsetzungsgrundes reichen demgemäß nicht aus. Die Partei, welche die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt, hat alle Umstände die den Wiedereinsetzungsantrag begründen, glaubhaft darzulegen und bereits im Antrag taugliche Beweismittel zu ihrer Glaubhaftmachung anzuführen (VwGH 21.3.1997, 97/02/0093; 25.2.2003, 2002/10/2002) (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 71 Rz 115 f).
Die angeführte Judikatur ist unzweifelhaft auch auf den gleichlautenden Begriff "unabwendbares oder unvorhergesehenes Ereignis" in § 33 Abs. 1 Z 1 VwGVG, welcher dem § 71 Abs. 1 Z 1 AVG nachgebildet ist, übertragbar.
3.2.2. Der zu beurteilende Wiedereinsetzungsantrag wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Beschwerdeführer von der Zustellung des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.11.2017 keine Kenntnis erlangt hat, da er an seiner Abgabestelle keine Hinterlegungsanzeige ("gelber Zettel") vorgefunden hätte. Erst im Rahmen einer Vorsprache bei der XXXX betreffend seinen Grundversorgungsbezug sei ihm am 05.02.2018 mitgeteilt worden, dass in seinem Verfahren bereits eine rechtskräftige Entscheidung vorliegen würde.
Anzumerken ist zunächst, dass im vorliegenden Fall aufgrund der verspäteten Einbringung des Beschwerdeschriftsatzes eine Frist versäumt wurde (vgl. dazu den hg. Beschluss vom 19.04.2018, mit dem die Beschwerde gegen den Bescheid vom 30.11.2017 als verspätet zurückgewiesen wurde) und der Beschwerdeführer hierdurch einen Rechtsnachteil erlitt.
Desweiteren ist unter Verweis auf die beweiswürdigenden Erwägungen nochmals festzuhalten, dass dem angefochtenen Bescheid keine nachvollziehbare Begründung in Bezug auf den vom Beschwerdeführer vorgebrachten Wiedereinsetzungsgrund entnommen werden kann. In der Bescheidbegründung wird auf den ordnungsgemäßen Zustellvorgang verwiesen und - ohne Spezifizierung in Bezug auf den zu beurteilenden Einzelfall - erwogen, dass es unwahrscheinlich erscheine, dass die Post in einer Unterkunft für Asylwerber keine Hinterlegungsanzeige hinterlassen würde. Mit der entscheidungsrelevanten Frage, ob selbige Hinterlegungsanzeige dem Beschwerdeführer tatsächlich zugekommen ist, befasst sich der angefochtene Bescheid jedoch in keiner Weise, weshalb sich die dortigen Ausführungen nicht geeignet erweisen, die Abweisung des verfahrensgegenständlichen Antrags zu begründen.
Da es nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht ausgeschlossen werden kann, dass eine Hinterlegungsanzeige - insbesondere in einer Unterkunft mit einer Mehrzahl an Bewohnern - abhandenkommen kann (der tatsächliche Sachverhalt nachträglich jedoch nicht mit Sicherheit eruierbar sein wird), der Beschwerdeführer jedoch glaubhaft dargelegt hat, sein Postfach regelmäßig kontrolliert zu haben und auch die Umstände in Zusammenhang mit der Kenntniserlangung vom Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung sowie seine darauffolgenden Schritte nachvollziehbar beschrieben hat, erscheint es im Ergebnis glaubhaft, dass der Beschwerdeführer angesichts fehlender Kenntnis über den Zustellvorgang durch ein unvorhergesehenes Ereignis an der rechtzeitigen Einbringung der Beschwerde gegen den Bescheid vom 30.11.2017 gehindert gewesen ist. Die dem Beschwerdeführer zuzurechnende verspätete Einbringung seiner Beschwerde gegen die Entscheidung der Behörde in der Hauptsache war nicht als ein über einen geringgradigen Sorgfaltsfehler hinausgehendes Verschulden zu qualifizieren.
Der angefochtene Bescheid, mit dem der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (gegen die Versäumung der Rechtsmittelfrist) abgewiesen worden war, war daher zu beheben und dem Antrag stattzugeben.
3.2.3. Durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung tritt das Verfahren gemäß § 33 Abs. 5 VwGVG in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat. Das bedeutet, dass alle nach dem Eintritt der Säumnis, dh nach Ablauf der versäumten Frist bzw nach Beginn der versäumten Handlung im betroffenen Verfahren gesetzten behördlichen Verfahrensakte (zB mündliche Verhandlung, Verfahrensanordnungen, erlassene Bescheide) rückwirkend von Gesetzes wegen ihre Gültigkeit verlieren, also ex lege außer Kraft treten bzw als nicht (mehr) existent anzusehen sind (vgl VwSlg 4070 A/1956; 12.275 A/1986 verst Sen; VwGH 30. 6. 2006, 2006/04/010;
Antoniolli/Koja 822; Hellbling 478; Hengstschläger 3 Rz 620;
Walter/Mayer Rz 632). Es wird fingiert, dass sie mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt, in dem sie erlassen bzw gesetzt wurden, vernichtet werden (Walter/Thienel AVG § 72 Anm 2). Auch bereits in Rechtskraft erwachsene Bescheide treten mit Bewilligung der Wiedereinsetzung von Gesetzes wegen rückwirkend außer Kraft, ohne dass es einer ausdrücklichen Aufhebung bedarf (VwSlg 12.275 A/1986 verst Sen; VwGH 27. 5. 1993, 93/01/0367; 21. 11. 1994, 94/10/0156). Der Zurückweisungsbescheid ist dann rechtmäßig, wenn im Zeitpunkt seiner Erlassung die Wiedereinsetzung nicht rechtskräftig bewilligt ist (VwGH 21. 1. 1998, 97/03/0352; 20. 10. 1999, 99/08/0143; 30. 6. 2006, 2006/04/0101). Die Behörde ist daher nicht gehalten, mit der Zurückweisung eines verspäteten Rechtsmittels zuzuwarten, wenn über einen Wiedereinsetzungsantrag noch keine positive Entscheidung getroffen wurde, weil die nachträgliche Bewilligung der Wiedereinsetzung den Bescheid, mit dem das Rechtsmittel wegen Versäumung der Frist zurückgewiesen wurde, ohnehin gem § 72 Abs 1 AVG rückwirkend außer Kraft setzt (vgl VwGH 26. 5. 1998, 98/07/0052;
21. 3. 2005,2003/17/0242; 30. 6. 2006, 2006/04/0101; Hengstschläger 3 Rz 622) (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG, zum inhaltlich gleichlautenden § 72 Abs. 1, Rz 4, 9).
Das Verfahren betreffend den Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers befindet sich somit im Stande der offenen Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid der Behörde vom 30.11.2017 und wird vom Bundesverwaltungsgericht fortgeführt werden. Der hg. Beschluss vom 19.04.2018, mit dem die Beschwerde als verspätet zurückgewiesen worden war, tritt ex lege außer Kraft.
3.3. Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG in Verbindung mit § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde samt Ergänzung geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen. Insbesondere ist zu betonen, dass auf der Sachverhaltsebene keine Fragen offen geblieben sind, sondern diese vielmehr aus den Verwaltungsakten beantwortet werden konnten. Es wurden keine konkreten Angaben gemacht, die weiter zu überprüfen gewesen wären.
Zu Spruchteil B):
3.4. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des VwGH zu Rechtsfragen im Zusammenhang mit Anträgen auf Wiedereinsetzung der versäumten Beschwerdefrist ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des VwGH auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Das BVwG konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des VwGH bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Glaubhaftmachung, minderer Grad eines Versehens, Wiedereinsetzung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W111.1424654.3.00Zuletzt aktualisiert am
16.11.2018